Der
Wiederaufbau der Weltwirtschaft
nach der SystemkriseKonferenz
des Schiller-Instituts
21.
- 22. Februar 2009
in Rüsselsheim
„Der
Wiederaufbau der
Weltwirtschaft nach der
Systemkrise“ lautete das Thema der internationalen Konferenz des
Schiller-Instituts am 21. und 22. Februar 2009, zu der rund 350
Teilnehmer aus
25 verschiedenen Nationen in Rüsselsheim zusammengekommen waren. Am
ersten
Konferenztag wurden die Themenkreise „Die größte strategische Krise der
Menschheit, und wie sie zu lösen ist“ und „Ein Europa souveräner
Republiken“
behandelt, am zweiten Tag der Konferenz stand zunächst der Themenkreis
„Ist die
Menschheit in der Lage, sich selbst zu regieren?“ auf der Tagesordnung.
Im
Verlauf der intensiven Diskussionen, die sich nach
und zwischen den einzelnen Redebeiträgen entwickelte, wurde u. a.
deutlich, daß
zur Überwindung der Krise, die von den verschiedenen Rednern in ihren
jeweiligen Aspekten sehr deutlich beschrieben wurde, neue Denkansätze
notwendig
sind, die über die Grenzen der jetzigen Systeme hinausführen, da die
Krise
durch diese Systeme mit ihren Begrenzungen ja herbeigeführt wurde. Da
aus der
Sicht dieses Systems, das nun an sein Ende gekommen ist, keine Lösung
möglich erscheint,
war bei manchen Referenten ein gewisser Pessimismus spürbar, was auch
offen
angesprochen wurde.
So
war es gut, daß sich zum Abschluß der Konferenz ein
Team der LaRouche-Jugendbewegung mit der „Rolle der Jugend in der
kommenden
Renaissance" befaßte. An den Beispielen der Entdeckungen von Kepler und
Bach, sowie der Rolle der Schönheit in Friedrich Schillers Konzept der
ästhetischen Erziehung des Menschen demonstrierten sie, wie mit Hilfe
der
menschlichen Kreativität die systemischen Grenzen des menschlichen
Denkens
überwunden und auf diese Weise neue Lösungen gefunden werden können.
Souveräne
Nationalstaaten können die Krise gemeinsam
überwinden!
Nachdem
der Chor der LaRouche-Jugendbewegung mit Johann
Sebastian Bach Motette Jesu meine Freude den Ton
für die bevorstehenden
Diskussionen gesetzt hatte, begann Lyndon LaRouche seine Eröffnungsrede
über
„Die nächsten Schritte“ mit der Feststellung, daß wir uns weltweit in
einer
Krise befinden, wie man sie seit dem Finsteren Zeitalter des 14.
Jahrhunderts
nicht mehr gesehen hat, einer Krise, in der ganze Zivilisationen und
Kulturen
und große Teile der Weltbevölkerung untergehen könnten.
Um
diese Krise zu überwinden, brauche man zwei sich
scheinbar widersprechende Dinge: Erstens müsse - vor allem in Europa! -
die
nationale Souveränität wiederhergestellt werden. Und man müsse
verstehen, wie
die Nationen mit dieser nationalen Souveränität gemeinsam einen
globalen Kampf
gegen den globalen Zusammenbruch führen können. Dazu sei eine neue Form
der
Kooperation erforderlich. Man müsse die Entwicklung seit 1968
rückgängig machen
und wieder auf technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt
setzen.
Das
Problem sei, daß heute kaum noch jemand verstehe, was
wahre Kreativität ist. Kreativität äußere sich im Kontext der
jeweiligen
nationalen Kultur. Die nationalen Sprachen dienen dazu, Ideen zu
kommunizieren.
Aber wenn 50% oder 60% der Bevölkerung unwissend sind und in diesem
Zustand
gehalten werden, können sie diese Kreativität nicht entwickeln. Deshalb
müsse
man die nationalen Kulturen insgesamt entwickeln.
Dabei
müßten die Vereinigten Staaten eine besondere Rolle
übernehmen, denn Amerika sei gegründet worden, um das Beste der
europäischen
Zivilisation aus dem Einflußbereich der europäischen Oligarchie zu
retten. „Wir
mögen keine Oligarchen. Wir glauben, daß die natürliche, eingeborene
Führung
einer Nation aus den Menschen selbst erwächst. Und wir wollen, daß
Menschen die
Führung haben, die Patrioten sind - und nicht aufgrund irgendwelcher
Blutsverwandtschaft, weil sie von dem richtigen Tier abstammen, oder so
etwas.“
Das
sei die Stärke der Vereinigten Staaten. Gemeinsam mit
Rußland, China, Indien und anderen Ländern könne man ein Kollegium von
Nationen
bilden, die bereit sind, langfristige Verpflichtungen - über 80-100
Jahre -
einzugehen, um den Zweck zu erfüllen. „Wir müssen uns von der Idee
befreien,
daß Geld in irgendeiner Weise einen Eigenwert hat. Geld repräsentiert
keinen
Wert an sich... Wir brauchen ein Kreditsystem, in dem Geld nur durch
einen
souveränen Akt der Regierung geschöpft werden kann. Wir brauchen
langfristige
Investitionen, über 15-25 Jahre, 50jährige Investitionen und 100jährige
Investitionen, wie die großen Eisenbahn- und Wassersysteme Europas und
Eurasiens. Das sind im wesentlichen 100jährige Investitionen... Wir
brauchen
eine Menge Kernkraft. Wir müssen die Kernfusion entwickeln, um noch
höhere
Energieflußdichten zu erreichen, für Technologien, die wir ohne diese
höheren
Energieflußdichten nicht realisieren können.“
Die
neue amerikanische Regierung sei hierfür personell
teilweise gut ausgestattet. Das Problem liege im Einfluß solcher Leute
wie
George Soros. „Das Problem ist, daß die finanziellen Mächte in den
Vereinigten
Staaten einen starken politischen Einfluß haben, und auch die Tradition
einen starken
politischen Einfluß hat. Und da komme ich ins Spiel: Beim Entwurf eines
solchen
Systems, wie ich es gerade beschrieben habe. Und weil ich verstehe, was
Investitionen bedeuten. Denn die meisten Leute in den Vereinigten
Staaten und
in Europa wissen nicht, was Investition bedeutet.“
In
der anschließenden Diskussion stand zunächst die Frage
der Kernkraft im Mittelpunkt, da es insbesondere in Mitteleuropa einen
starken
Widerstand gegen ihre Nutzung gibt. LaRouche beschrieb, wie in den
siebziger
und achtziger Jahren der Widerstand gegen die Kernkraft künstlich
aufgebaut
wurde. In Frankreich sei dieser Widerstand wieder abgeflaut, aber in
Deutschland sei es zu einem regelrechten Bürgerkrieg gekommen. Dadurch
habe man
die deutsche Bevölkerung und die Politiker einer regelrechten
Gehirnwäsche
unterzogen. Es gebe keine vernünftigen technischen oder moralischen
Einwände
gegen die Kernkraft, nur politische.
Deutschland
habe seine Verbindung zum wissenschaftlichen
und technologischen Fortschritt verloren, nicht nur im Bereich der
Kernkraft,
die Kapazitäten seien zerstört worden. Trotzdem sei er optimistisch.
Frankreich
habe sein Kernkraftprogramm noch. Andere Teile der Welt hätten diese
Widerstände nicht. „Gehen wir also hin, und schaffen wir ein
internationales Klima,
das dafür günstiger ist, dann wird auch Deutschland wieder einsteigen.“
Souveräne
Staaten müssen das globale Kasino schließen
Anschließend
sprach Prof. Köchler aus Österreich, der
Präsident der International Progress Organization (IPO), über die
„Rückkehr zur
Neuen Weltwirtschaftsordnung: Philosophische Überlegungen zum Kollaps
der
Globalisierung“. Er erinnerte zunächst an den 1. Mai 1974, als eine
Sondersitzung der Vereinten Nationen die Errichtung einer Neuen
Gerechten
Weltwirtschaftsordnung forderte, in der die besondere Rolle der
souveränen
Nationalstaaten hervorgehoben wurde. In dieser Ordnung sollten alle
Nationen
gleichberechtigt sein, und sie sollte auf dem gemeinsamen Interesse
aller
Nationen beruhen.
Die
Erklärung habe hervorgehoben, daß alle Staaten die
Souveränität über ihre eigenen Ressourcen und ihre eigene
Volkswirtschaft
haben. Man habe damals auch einen Aktionsplan beschlossen, um dieses
Ziel zu
verwirklichen. Wenn man heute an diese Erklärung erinnere, müsse man
auch daran
erinnern, daß darin auch die Gefahr der finanziellen Instabilität
angesprochen
wurde, insbesondere der Wechselkurse, der Schutz des realen Wertes der
Finanzreserven der Entwicklungsländer und der internationalen
Liquidität.
Köchler
beschrieb dann die Ideologie der Globalisierung,
die er als „beinahe verrückt“ bezeichnete, wegen der Vorstellung, man
könne
Reichtum allein durch Finanzinstrumente schaffen. Alle nationalen
Regulierungen
seien abgeschafft worden, wobei insbesondere Alan Greenspan eine
führende Rolle
gespielt habe, um den freien Fluß von Geld und Waren zu ermöglichen.
Das habe
man als Globalisierung vergöttert und die Nationalstaaten zerstört.
Diese
neue Weltordnung der Gier habe nicht nur die
gegenwärtige Finanzkrise ausgelöst, sondern auch eine systemische Krise
in den
internationalen Beziehungen. Die bisherigen Reaktionen hierauf
behandelten nur
die Symptome, aber nicht die Ursachen. Man weigere sich, die Zerstörung
nicht
nur der geographischen, sondern auch der ethischen und moralischen
Grenzen zur
Kenntnis zu nehmen.
Die
Philosophie, nach der er dies beurteile, sagte
Köchler, sei 2500 Jahre alt und stamme aus dem alten Griechenland. Geld
an sich
habe keinen Wert, und dies habe schon Aristoteles erkannt. Geld müsse
in der
realen Wirtschaft wurzeln, sonst blühten alle möglichen Formen der
Spekulation,
bis es zu einem Kollaps komme, in der die Realwirtschaft wieder ihre
Rechte
geltend mache. Jeder Reichtum, der auf Kosten anderer aufgehäuft werde,
sei
künstlich.
Es
sei an der Zeit, diese Philosophie wiederzubeleben, um
den Wert der Güter wieder auf Grund philosophischer Prinzipien zu
bestimmten.
Man brauche eine wirkliche neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung, die
nicht auf
Gier, sondern auf Prinzipien beruhe. Es müsse Regeln geben, die auf der
Autorität des Staates beruhen, als integraler Bestandteil seiner
Souveränität.
Man müsse unethische Prinzipien verbieten, da Glückspiele keine
wirtschaftliche
Aktivität seien. Dazu gehörten Derivate, Devisenspekulationen etc.
Die
neoliberalen Ideologen hätten den Bankrott der
Globalisierung nicht erwartet, aber er sei eingetreten, herbeigeführt
durch die
Gier mit allen Eigenschaften der Hysterie. Nun sei es Zeit, dem ein für
allemal
ein Ende zu setzen. Die souveränen Staaten als Garantiemächte der
globalen
Ordnung müßten das globale Kasino schließen.
Rückkehr
zu nationalen Währungen
Prof.
Wilhelm Hankel, früherer Chefökonom der
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und ehemaliger enger Mitarbeiter
Karl
Schillers, beschrieb dann, wie die Konstruktion des Euro die
Finanzkrise
verschärft, indem sie die nationalen Regierungen als auch die
europäischen
Institutionen handlungsunfähig gegen diese Krise macht. Das
Ungleichgewicht der
wirtschaftlichen Entwicklung und der finanziellen Flüsse zwischen den
Mitgliedern
des Euroraumes verstärke sich, aber es werde von den europäischen
Institutionen
bewußt nicht erfaßt. Es drohe der Bankrott nicht nur von Banken,
sondern von
ganzen Staaten im Euroraum, insbesondere den „Club-Med-Staaten“ am
Mittelmeer,
zu denen er als „Ehrenmitglied“ auch Irland rechne. Daher müsse man den
nationalen Regierungen die Handlungsfähigkeit zurückgeben, indem man
wieder zu
eigenen Währungen mit untereinander „atmenden“ Wechselkursen
zurückkehre, wobei
der Euro als Verrechnungseinheit ähnlich dem ECU beibehalten werden
könne.
An
Hankels Vortrag schloß sich eine Diskussion an. Von
einem serbischen Ökonomen kam die Frage nach dem „Erfolgsgeheimnis“ der
KfW.
Hankel antwortete, eigentlich sei das Wirtschaftswunder einer
amerikanischen
Intervention zu verdanken, weil sie kein Geld, sondern Waren gaben, die
benötigt wurden. Die Erlöse aus dem Verkauf dieser Waren bildeten dann
den
Kapitalstock der KfW. Auch die D-Mark sei eine amerikanische Schöpfung.
Zur
gegenwärtigen Lage Serbiens erklärte Hankel, der Westen müsse Serbien
beim
Wiederaufbau unterstützen, wie man es auch in Deutschland gemacht habe,
anstatt
es weiter zu demütigen.
Auf
eine Frage nach seiner Einschätzung des neuen
Wirtschaftsministers erklärte Hankel, eigentlich habe Deutschland nach
dem Zweiten
Weltkrieg bisher erst zwei kompetente Wirtschaftsminister gehabt; das
sei aber
kein wirkliches Problem gewesen, solange die Wirtschaftsminister von
einem
kompetenten Beamtenstab umgeben waren. Das habe sich seit der Ära Kohl
geändert; die hohen Beamtenposten würden nun an Parteigänger der
jeweiligen
Regierungen vergeben. Mit solchem Personal sei von der Regierung nichts
Positives zu erwarten.
Hankel
wurde auch auf eine mögliche Wiederbelebung des
Stabilitätsgesetzes von 1967 angesprochen, an dessen Formulierung er
einst
selbst mitgearbeitet hatte. Hankel erklärte, auch wenn vom
Stabilitätsgesetz
heute nur noch ein Torso übrig sei, sei er überzeugt, daß man zu dem
Impuls
dieses Gesetzes zurückkehren wird, da es der Zusammenarbeit der
öffentlichen
Institutionen bei der Überwindung der Krise klare Priorität einräume.
Auf dem
Höhepunkt der Krise werde man wieder nach Interventionen des Staates
rufen.
Ein
Teilnehmer aus Italien protestierte gegen die
Zuordnung Italiens zu den „Club-Med-Staaten“ - immerhin habe Italien
noch keine
einzige Bank stützen müssen, und die Verschuldung des privaten Sektors
sei
relativ gering. Hankel antwortete, anders als in Deutschland und
anderen
Staaten habe sich zwar in Italien kein „Overbanking“ - ein übermäßiger
Anteil
des Finanzsektors am BIP der betreffenden Nation - entwickelt, aber
aufgrund
der internationalen Verflechtungen im Finanzsektor könne man die Lage
nicht
mehr nur in den Grenzen der betreffenden Nation betrachten. Italiens
eigentliches Problem sei die Unterentwicklung des Mezzogiorno, und
dagegen
könne Italien nur etwas tun, wenn es dazu auch frei Hand habe. Deshalb
müsse es
wieder eine nationale Wirtschaftspolitik verfolgen.
An
dieser Stelle meldete sich auch Lyndon LaRouche zu
Wort. Er verglich die Deindustrialisierung Ostdeutschlands nach der
Wiedervereinigung mit der Lage im südlichen Italien. Man müsse nicht
die
statistischen Zahlen über die Wirtschaft betrachten, sondern das
Potential
einer Volkswirtschaft, also das, was man tun könne, wenn die
produktiven Kapazitäten
dieser Volkswirtschaft, das kreative Potential der Bevölkerung wirklich
produktiv genutzt werde.
Rückkehr
der Rolle des Staates
General
Eric de La Maisonneuve, Präsident der
französischen „Gesellschaft für Strategie“, sprach über den
„Epochenwandel: Die
Notwendigkeit einer neuen Politik“. Der heutige Epochenwandel sei durch
die
Politik der letzten Jahrzehnte
herbeigeführt worden, die die politischen Strukturen des Staates
zerstört
hätten. Zunächst habe der Aufstieg des Totalitarismus die europäische
Kultur
zerstört, die sich mit der Renaissance entwickelt hatte, dann sei die
Führungsrolle in der Gesellschaft in der Zeit des Wiederaufbaus
zwischen 1945
und 1975 von der Politik auf die Ökonomen und Händler und von diesen
auf die
Finanziers übergegangen. Nun arbeite die Politik nicht mehr durch den
Staat,
und sie übernehme auch keine Verantwortung mehr dafür, nationale
Projekte zu
realisieren.
Daher
habe man die heutige Krise erwarten müssen. Um sie
zu beheben, müßten die notwendigen politischen und sozialen Strukturen
wiederaufgebaut werden, um nationale Projekte durchzuführen und die
Technologien und qualifizierten Arbeitskräfte zu entwickeln, um die
Programme
umzusetzen, die notwendig seien, um das Überleben zu sichern.
Dazu
müsse die Demokratie erweitert werden. Man müsse die
Rolle Chinas und Indiens anerkennen, und man müsse auch neue nationale
Strukturen schaffen. In Frankreich könne man das Konzept der
„Generalstände“
wiederbeleben, um die Bevölkerung wieder an dem politischen Prozeß zu
beteiligen,
der die wirtschaftliche und politische Krise überwinden müsse.
Vom
„strategischen Dreieck“ zum „strategischen Viereck“
Prof.
Devendra Kaushik aus Indien sprach über die
strategischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten, Rußland,
China und
Indien. Er begann, indem er den langen Lernprozeß in seiner
Zusammenarbeit mit
LaRouche beschrieb.
Ursprünglich
habe er LaRouche in der Zeit des
Zusammenbruchs der Sowjetunion kennen gelernt. Zunächst habe er
LaRouche
einfach nur für einen antibritisch eingestellten Amerikaner gehalten,
aber im
Lauf der Zeit habe er begriffen, was LaRouche unter dem „Britischen
Empire“
verstehe - nämlich nicht das britische Volk, sondern die Institutionen
der
anglo-holländisch-saudischen Finanzoligarchen. Nun gebe es Hoffnung,
daß die
Vereinigten Staaten unter der neuen Regierung Barack Obama ihren Kurs
ändern
werden.
Kaushik
betonte, er habe inzwischen die besondere
Bedeutung der Vereinigten Staaten verstanden. Er beschrieb die vielen
„Dreiecke“ der jüngeren Geschichte, wobei die von dem russischen Grafen
Sergej
Witte vorgeschlagene Zusammenarbeit zwischen Rußland, Deutschland und
Frankreich bei der Entwicklung des Fernen Ostens zu den
interessantesten
gehöre, auch wenn sie leider nie realisiert worden sei. In diesem
Zusammenhange
verwies er auch auf LaRouches Vorschlag des „produktiven Dreiecks“
Paris-Berlin-Wien als Kernregion eines eurasischen Aufbauprogramms.
Er
selbst habe Mitte der neunziger Jahre eine
Zusammenarbeit des „strategischen Dreiecks“ Rußland-China-Indien
vorgeschlagen,
die sich inzwischen zu einer Institution entwickelt habe. Dieses müsse
nun um
die Vereinigten Staaten zu einem Viereck erweitert werden. Die USA
seien die
einzige Nation, deren Verfassung ein Kreditsystem statt eines monetären
Systems
vorsehe. Rußland habe einen immensen Reichtum an Rohstoffen, China und
Indien
hätten zusammen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung.
Es
sei falsch, von einem „asiatisches Jahrhundert“ oder
einem „amerikanischen“ Jahrhundert zu sprechen, man brauche ein
universelles
Jahrhundert. Man brauche nicht nur souveräne Nationalstaaten, sondern
auch
souveräne Kulturen, dann könne man auch international zusammenarbeiten.
Europas
Rolle
Die
letzte Rednerin des ersten Konferenztages war Helga
Zepp-LaRouche, die sich mit „Europas Rolle in der kommenden
Renaissance“
befaßte. Man müsse wirklich Optimist sein, erklärte sie, um einen
solchen Titel
für seine Rede zu wählen. Aber da es keine Alternative zu einer solchen
Renaissance gebe, müsse man sie eben möglich machen.
Sie
sei nur dann möglich, wenn sich die Art, wie die
Menschen denken, dramatisch ändere. Das höre sich an wie eine gewaltige
Aufgabe, aber die Krise und die Änderungen, die uns bevorstehen, seien
so
enorm, daß die meisten gar keine Vorstellung davon hätten. Friedrich
Schiller
habe seine „Geschichte des Aufstands der Niederlande gegen Spanien“ vor
allem
deshalb verfaßt, um den Menschen die Zuversicht zu geben, daß sie, wenn
sie mit
einem guten Plan mutig zusammenarbeiten, selbst die schlimmste Tyrannei
zu Fall
bringen können. Diesen Geist brauche man heute wieder.
Es
herrsche Massenarbeitslosigkeit, Regierungen, wie z.B.
die von Lettland, stürzen über die Krise, und das sei um so empörender,
als all
das völlig vermeidbar gewesen wäre; denn ihr Ehemann, Lyndon LaRouche,
habe
schon im Sommer 2007 aufgezeigt, was gegen die Krise zu tun sei. Aber
seither
sei die Krise weiter eskaliert, und nun breite sich plötzlich Panik
aus. GM
habe die Entlassung von 47.000 Beschäftigten angekündigt. Wenn Opel mit
26.000
Beschäftigten untergehe, gingen noch sechsmal so viele Arbeitsplätze
bei den
Zulieferern verloren.
Die
Regierungen hätten hierauf in der denkbar schlimmsten
Weise reagiert. Die Dimension der jetzt beschlossenen Rettungspakete
und
Konjunkturprogramme sei bis vor kurzem völlig undenkbar gewesen. In den
letzten
sechs Monaten habe man allein in den Vereinigten Staaten offiziell fünf
Billionen Dollar ins System gepumpt. Nun spreche man in den britischen
Medien
von der „Simbabwisierung“ des Finanzsystems, weil in Simbabwe die
Inflationsrate auf 11,2 Millionen Prozent angestiegen sei. Fahre man so
fort,
werde der Kollaps der Wirtschaft immer weiter eskalieren. Wenn dann die
produzierende Industrie und die Wirtschaft am Boden liegen, werde die
Menge des
hineingepumpten Geldes sehr schnell zu einer Hyperinflation führen.
Auch
die Europäische Währungsunion stehe kurz vor dem
Zusammenbruch, und man spekuliere bereits darauf, denn Griechenland,
Irland,
Portugal, Italien und Österreich müßten bereits 2-3% höhere Zinsen
zahlen auf
die Kredite, die sie aufnehmen, als beispielsweise Deutschland.
Der
Grund für diese Krise sei der Paradigmenwandel in den
letzten 40 Jahren, der Übergang weg von den Produzenten, hin zu den
Spekulanten
und der Übernahme des Systems durch kriminelle Aktivitäten. Als
Beispiel
hierfür führte sie den früheren Chef der NASDAQ in New York an, der
seine
Kunden um 50 Milliarden Dollar betrog. Aber es gehe nicht um einzelne
Fälle,
denn tatsächlich seien alle die „kreativen Finanzinstrumente“, die von
Alan
Greenspan erfunden wurden, reine Schneeballsysteme.
Das
Problem sei nun, daß die gleichen Leute, die all dies
verursacht hätten, auch für die Reform des Systems zuständig seien. Es
gebe
keinerlei Grund, darauf zu vertrauen, daß diese Leute das nötige Wissen
oder die
Motivation für grundsätzliche Änderungen haben.
Die
einzige Ausnahme in Europa sei derzeit der
italienische Finanzminister Giulio Tremonti, der das Neue Bretton Woods
auf die
Tagesordnung setzen wolle, sobald Italien den Vorsitz der G-8
übernimmt. Am 24.
Februar werde eine Debatte im italienischen Senat über drei Anträge zu
einem
Neuen Bretton Woods stattfinden, von denen sich einer direkt auf Lyndon
LaRouche bezieht.
Solange
LaRouches Lösungsvorschläge nicht umgesetzt
würden, werde die Lage immer schlimmer werden. Um dies zu illustrieren,
zeigte
sie zwei Bilder vom Brandenburger Tor und vom Kölner Dom - beide vom
Urwald
überwuchert, wie die Ruinen von Ankor Wat in Kambodscha. „Mit dieser
Photomontage möchte ich Ihnen demonstrieren, was mit Deutschland
geschehen
könnte, wenn wir uns nicht zusammenreißen.“
Offensichtlich
wolle man dies nicht, aber dann müsse
Europa eine völlig andere Rolle spielen als bisher. Man müsse die Werte
der
Globalisierung und all das, was in den letzten 40 Jahren geschehen ist,
zurückweisen
und zu einem Europa der Vaterländer zurückkehren, und vor allem brauche
man ein
ganz anderes Menschenbild. Der Mensch sei nicht dadurch bestimmt, daß
er
Schmerz meide und Lust suche, immer mehr Geld und Profit anstrebe und
sich auf
Kosten anderer vergnüge. Im Zentrum der Politik müsse vielmehr ein
Menschenbild
stehen, in dem der Mensch der Idee, daß er Abbild des Schöpfers ist,
gerecht
wird.
Schon
Gottfried Wilhelm Leibniz habe am Ende des 17.
Jahrhunderts prognostiziert, daß, wenn es irgendwann einmal dazu kommen
sollte,
daß die ganze Welt vom Utilitarismus kontrolliert wird und alle
Regierungen
dadurch korrumpiert werden, es dann zu einer Weltrevolution kommen
werde. Es
habe auch in der Vergangenheit schon Krisen gegeben, in denen Kulturen
untergingen.
Aber diesmal habe man es mit der Krise einer weltweiten Kultur zu tun,
man lebe
wirklich in einer globalisierten Welt.
Deshalb
müßten die Werte und Paradigmen, die die Ursache
der Krise seien, zurückgewiesen werden. Und man müsse in allen Kulturen
an dem
Besten anknüpfen, was diese Kulturen hervorgebracht haben. Man müsse zu
der
Idee des Nikolaus von Kues zurückkehren, daß Konkordanz im Makrokosmos
nur dann
möglich ist, wenn alle Mikrokosmen sich so weit wie möglich entwickeln.
Diese
Idee sei dann in den Westfälischen Frieden eingeflossen.
Was
bedeute dies für die Rolle Europas? Vor allem müsse
man den britischen Imperialismus zurückweisen. Man brauche ein Europa,
in dem
es nationale Kulturen gibt und in dem die Staaten die kreativen
Fähigkeiten aller
ihrer Bürger entwickeln, weil diese die eigentliche Quelle des
Wohlstands
seien. „Und Sie müssen uns dabei helfen. Wir alle müssen darauf
hinarbeiten,
wie noch nie zuvor, denn unsere Aufgabe ist es, in der nächsten Zeit in
Europa
jene Formen von Bündnissen zu katalysieren, die bereit sind, mit den
Vereinigten Staaten, Rußland, China und Indien zusammenzuarbeiten. Und
dann
gibt es meiner Meinung nach Hoffnung.“
Vier-Mächte-Bündnis
-
kein „Schönheitswettbewerb“
In
der anschließenden Diskussionsrunde der Redner mit dem
Publikum wurde gegen ein Vier-Mächte-Bündnis mit Rußland und China
eingewandt,
diese Länder hätten „die Absicht zu territorialer Expansion“ erkennen
lassen.
Prof. Kaushik erwiderte, das Vier-Mächte-Abkommen sei nur als ein
erster Schritt
gedacht, um die Nationen zusammenzubringen. Lyndon LaRouche
kommentierte, es
gehe „nicht um einen Schönheitswettbewerb, denn letztendlich sind alle
häßlich“. Man brauche alle dieser vier beteiligten Nationen, sonst
werde man
die Reform nicht durchsetzen können. Allerdings müsse man
Großbritannien aus
allen Verhandlungen heraushalten, weil es eben darum gehe, die
weltweite Reform
gegen das Britische Empire durchzusetzen.
Auch
Gordon Browns Forderung nach einer „kreativen
Zerstörung“ wurde angesprochen. In seiner Antwort betonte LaRouche, man
brauche
aufgrund der Natur des Menschen „eine Sprachkultur, um den Ideen einen
Kontext
zu geben. Dort liegt die ganze Macht der Kreativität.“
Auch
der Vorschlag von General de La Maisonneuve, der in
seinem Vortrag die Wiederbelebung der „Generalstände“ zur Beteiligung
der
Bevölkerung an der Politik angesprochen hatte, wurde aufgegriffen.
Natürlich
sei es nur in kleinen Staaten möglich, alles vom Volk entscheiden zu
lassen.
Aber man brauche eine Institution, über die das Volk an der Diskussion
beteiligt werden könne, ohne bloß zu demonstrieren. Maisonneuve verwies
auf den
Diskussionsprozeß, den Segolène Royal im Präsidentschaftswahlkampf
eingeleitet
hatte, was Obama mit Erfolg aufgegriffen habe. Helga Zepp-LaRouche
bemerkte
hierzu, in Deutschland hätten die Menschen keine Stimme. Die Kandidaten
würden
von den Parteien bestimmt. Es sei „unsere Aufgabe“, dem Volk eine
Stimme zu
verschaffen.
Auf
eine Frage nach seiner Einschätzung der israelischen
Politik verwies LaRouche darauf, daß das Thema am nächsten Tag auf der
Tagesordnung stehe, nutzte die Frage dann jedoch als Anlaß, über das
Erbe Moses
Mendelssohns zu sprechen, über die Renaissance der Kultur in
Deutschland nach
der Emanzipation der Juden und ihrer Anerkennung als deutsche Bürger.
„Deutschland sollte lernen, daß seine Wurzeln in Mendelssohns
Leistungen Ende
des 18. Jahrhunderts liegen.“
Die
letzte Frage des Tages war ebenfalls an LaRouche
gerichtet. Ob er glaube, daß es heute möglich sei, einen ökumenischen
Rat zu
gründen. LaRouche beschrieb in seiner Antwort, wie das Römische Reich
die
Religionen dazu benutzte, die Menschen gegeneinander auszuspielen, so
wie
Saudi-Arabien heute verschiedene Strömungen des Islam gegeneinander
aufhetze.
„Haltet die Religion aus der Politik heraus. Es gibt schon genug Leute,
die in
der Lage sind, Religionskriege anzustacheln. Haltet die Gesellschaft
säkular.
Dann werden die Menschen wichtig. Dann müssen sie von Mann zu Mann
miteinander
umgehen."
Ist
die Menschheit in der Lage, sich selbst zu regieren?
Diese
Frage stand am nächsten Tag auf der Tagesordnung,
nachdem zunächst der Wiesbadener Chor des Schiller-Instituts ein Kyrie
von
Mozart und dann von Mitgliedern der LYM aus Dänemark und Jamaica der 2.
Satz
(Andante con moto) aus Schuberts Klaviertrio Op. 100 vorgetragen worden
war.
Als
erster sprach Jacques Cheminade, der Vorsitzende der
französischen Partei Solidarité et Progrès, über das Thema „Warum eine
neue
,Pecora-Kommission’ dringend notwendig ist.“ Er ging zunächst auf die
Rolle der
Wall-Street-Finanziers wie J.P. Morgan während der Großen Depression
ein
und beschrieb dann
das Vorgehen
Ferdinand Pecoras, der die Wall-Street-Größen durch sein öffentliches
Verhör im
Untersuchungsausschuß des Senats demontierte und so den Weg frei machte
für die
Durchsetzung der strengen Vorschriften für die Finanzwelt, die unter
Franklin
Roosevelt in Kraft gesetzt wurden.
Dann
kam er auf die heutige Lage zu sprechen. Man brauche
eine neue Pecora-Kommission. Wenn er in einer solchen Kommission säße,
würde er
z.B. Josef Ackermann die Frage stellen: „Warum haben Sie schon 2003
eine ,Bad
Bank’ gefordert, wenn an den Finanzmärkten alles in Ordnung war?“ Oder
seinen
französischen Kollegen die Frage: „Warum haben Sie Ihre Anteile an
Madoffs
Fonds verkauft, aber ihren Kunden nicht dazu geraten, dasselbe zu tun?“
Pater
Bonifacio Honings, Professor für Moraltheologie und
früherer Dekan der Lateran-Universität in Rom, sprach dann über „Die
Soziallehre der Kirche als ethische Grundlage für LaRouches Plan A und
B“. Er
beschrieb die Entwicklung dieser Soziallehre anhand der
Sozialenzykliken der
Päpste Papst Leo XIII. (Rerum Novarum, 1891), Pius
XI. (Quadragesimus
Annus, 1931), Johannes XXIII. (Mater et Magistra,
1961), Paul VI. (Populorum
Progressio, 1967) und Johannes Paul II. (Sollicitudo
Rei Socialis,
1987, Centesimus Annus, 1991, und
Fides et Ratio, 1998) sowie der
Schlußerklärung des Vaticanum II
(1965), und beurteilte dann LaRouches Vorschläge jeweils nach den darin
aufgestellten Kriterien.
Die
Kirche müsse die Zeichen der Zeit erkennen und sie im
Lichte des Gotteswortes interpretieren. In Rerum Novarum
habe sie die
Forderung nach dem Respekt für die natürlichen Rechte aller Menschen
erhoben.
Vierzig Jahre später hätten aufgrund des Aufkommens des Kapitalismus
ganz
andere Bedingungen geherrscht. Hier habe die Kirche Normen für die
Verteilungsgerechtigkeit und die Forderung des Gemeinwohls aufgestellt.
Weitere
30 Jahre später habe sie sich vor allem mit dem wirtschaftlichen und
sozialen
Gleichgewicht zwischen Industrie und Landwirtschaft auseinandersetzen
müssen.
Papst Paul VI. habe in Populorum Progressio vor
allem die Solidarität
zwischen den entwickelten Nationen und den Entwicklungsländern
eingefordert. In
allen diesen Punkten entsprächen LaRouches Forderungen voll und ganz
den
Forderungen der Soziallehre der Kirche.
Frieden
im Nahen Osten?
Prof.
Norton Mezvinsky von der Connecticut State
University, der sich seit vier Jahrzehnten für einen
arabisch-israelischen
Frieden einsetzt, sprach dann über „Die Perspektive der Regierung Obama
für
einen Frieden in Südwestasien“, ein besonders krasses Beispiel von
Ungerechtigkeit in der heutigen Welt, der Lage der Palästinenser,
insbesondere
im Gaza-Streifen. Seit dem Osloer Abkommen hätte sich die Zahl der
jüdischen
Siedler in den besetzten Gebieten mehr als verdoppelt, und um diesen
Siedlern
den freien Zugang zu ihren Siedlungen zu sichern, habe man die
besetzten
Gebiete durch Schutzmauern und Kontrollpunkte in zahlreiche kleine
Gebiete
aufgeteilt. Selbst wenn die israelische Regierung daran etwas ändern
wollte,
müßte sie mit dem bewaffneten Widerstand der Siedler rechnen: „Ich habe
selbst
einige Verwandte in diesen Siedlungen, die geschworen haben, sie würden
bis zum
letzten Blutstropfen gegen das israelische Militär kämpfen, wenn es
komme, um
die Siedlungen zu räumen.“
Palästinensische
Kinder stürben schon bei der Geburt, weil
ihre Mütter einen Passierschein bräuchten, um ein Krankenhaus im
Nachbardorf
aufzusuchen. Die Zahl der Kriegsopfer unter den Palästinensern habe
sich in
letzter Zeit massiv erhöht, 15 gefallenen Israelis stünden rund 1500
getötete
palästinensische Zivilisten, davon ein Drittel Kinder, gegenüber. Die
Entwicklung der letzten Jahre habe sehr fraglich gemacht, ob eine
Zwei-Staaten-Lösung überhaupt noch möglich ist. Statt dessen schlug
Mezvinsky
einen binationalen Staat nach dem Modell Albert Einsteins vor, in dem
zwei
Völker in sympathischer Zusammenarbeit miteinander leben. Einige
Israelis
fürchteten zwar, dies wäre das Ende des zionistischen Staates, aber es
sei wohl
die gerechteste Lösung, wenn beide Völker das Land gemeinsam bewohnen
und
zusammenarbeiten.
Ob
die Regierung Obama ihre Macht nutzen werde, um
Palästinenser und Israelis zu einer Einigung zu zwingen? „Bauen Sie
nicht
darauf.“ Aus den bisherigen Äußerungen Obamas sei nicht erkennbar, daß
er die
bisherige Politik der US-Regierung ändern werde.
In
der anschließenden Diskussion war dann auch Prof.
Stanislaw Menschikow von der russischen Akademie der Wissenschaften per
Telefon
zugeschaltet. Er warf die Frage auf, wie man denn die unmittelbar
dringenden
Aufgaben mit LaRouches langfristiger Perspektive für die kommenden 50
Jahre
verbinden könne.
Prof.
Giancarlo Pallavicini, ein italienischer Ökonom, der
auch Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften ist, gab einen
„Überblick über die gegenwärtige wirtschaftliche und finanzielle
Doktrin und
Praxis“. Wenn ein Ökonom sich den Themen der heutigen Gesellschaft
befasse, sei
er mit einem Widerspruch konfrontiert, frei nach Shakespeare: „Sein,
oder
können.“ Mit „Sein“ meine er die faktische Wirtschaftslage, die sich in
den
letzten Jahrzehnten entwickelte und in die gegenwärtige Krise
hineingeführt
habe. Mit „können“ meine er den Weg, auf dem eine bessere Lage
herbeigeführt
werden könne, in der die Menschen und ihre natürliche und kulturelle
Umgebung
stärker respektiert werden.
Er
beschrieb dann die Finanzkrise. Durch die Übertragung
privater Schulden auf den Staat würde die Schuldenlast nicht reduziert.
Man
müsse den „Giftmüll“ vielmehr neutralisieren. Um zu einem geordneten
Finanzsystem zurückzukehren, brauche man wieder Regeln, die vor allem
auf eine
kulturelle Änderung abzielen. Pallavicini stellte dann einen Katalog
von 15
Forderungen an dieses Regelwerk vor.
Anschließend
meldete sich nochmals Lyndon LaRouche zu Wort
und betonte, man müsse statt auf die monetären Aspekte vor allem auf
die
realwirtschaftliche Dynamik achten.
„Change?
Yes, we can!“
Den
letzten Teil der Konferenz dominierte die
LaRouche-Jugendbewegung (LYM). Unter dem Motto, „Change? Yes, we can!“
(„Ändern? Ja, das können wir!“) behandelte ein Team der LYM die Rolle
der
Jugend in der Frage, „Wie die Erde in 50 Jahren aussehen muß“. Portia
Tarumbwa-Strid beschrieb zunächst die notwendige Veränderung am
Beispiel
Afrikas. Schwarzafrika sterbe an Unterernährung und Krankheiten. Etwa
20% der
Bevölkerung leiden an Krankheiten, die eine direkte Folge der
Unterernährung in
der frühen Kindheit seien. Man müsse die Nahrungsmittelproduktion
ausweiten,
und dazu brauche man Energie. Afrika wolle Entwicklung. Damit alle
Menschen auf
der Welt 1,5 KWh Strom pro Tag zur Verfügung haben, brauche man rund
6000
Kernkraftwerke weltweit. Aber in Afrika gebe es heute nur ein einziges.
Man
brauche Programme zur Meerwasserentsalzung und Bewässerungssysteme.
Anhand
mehrerer Karten zeigte sie dann die Pläne, die von der
LaRouche-Bewegung schon
in den siebziger Jahren entwickelt wurden. „Ich glaube, daß wir das tun
können,
Herr Obama.“
Julien
Lemaitre sprach dann über die Änderung des Denkens,
die erforderlich sei, um die notwendigen politischen Änderung zu
ermöglichen,
und demonstrierte dies am Beispiel Johannes Keplers, der anstelle der
Weltbilder von Ptolemäus, Kopernikus und Brahe, die zwar von
unterschiedlichen
Annahmen über das Sonnensystem ausgehen, aber letztendlich auf den
gleichen
Fehler hinausliefen. Kepler hingegen habe nicht nur versucht, die
Bewegung zu
beschreiben, sondern zu verstehen, was die Bewegung des Mars verursacht.
Das
Denken von Ptolemäus, Kopernikus und Brahe entspreche
dem Denken der heutigen Ökonomen. Kepler habe erkannt, daß das
bewegende
Prinzip der Planeten von der Sonne ausgeht, und daß der Kreis keine
Bewegung
erklären kann, die sich in jedem Moment verändert. Die Frage sei aber,
warum
sich die Planeten gerade auf diesen Ellipsen bewegen, und nicht auf
irgendwelchen anderen.
Diese
Frage wurde von Alise Franck aufgegriffen, die
anhand eines Monochordes zeigte, daß die Harmonie der Töne auf
geometrischen
Verhältnissen beruht, und sie zitierte Kepler, daß die menschliche
Seele nur
diese Harmonien als konsonant erkenne, weil sie mit ihren eigenen
geometrischen
Harmonien und Proportionen übereinstimmen.
Kasia
Kruczkowski und Petra Carlsson kamen dann auf die
Frage zurück, wie man all die schönen politischen Pläne umsetzen könne.
Man
müsse erkennen, daß Politik und Kultur miteinander einhergehen. Die
heutige
Kultur sei häßlich, aber sie komme nicht von der heutigen Jugend. Die
Frankfurter Schule habe vielmehr die Wirkung der Medien auf die
Menschen genau
studiert, um die Häßlichkeit zu propagieren. Als Beispiel für dieses
Menschenbild zeigte sie einen Kurzfilm über die Bonobos, eine Affenart,
für die
nach Ansicht der Produzenten dieses Filmes „Sex das wichtigste
Kommunikationsmittel" sei.
Aber
man könne zwar, wie Lincoln sagte, „alle Menschen
eine gewisse Zeit lang zum Narren halten, und einige Leute für alle
Zeit, aber
nicht alle Menschen für alle Zeit“. Man müsse das Denken der Menschen
ändern,
und dazu habe Friedrich Schiller in seinen „Ästhetischen Briefen“ den
Schlüssel
geliefert. Schiller beschreibt dann den inneren Kampf zwischen dem
sinnlichen
Trieb und dem Formtrieb und stellt die Frage, wie diese beiden Triebe
in
Übereinstimmung miteinander gebracht werden können. Kants Forderung,
die
Emotionen zu unterdrücken, sei falsch, denn solange man entweder nur
„denkt“
oder nur „fühlt“, könne man seine wahre menschliche Natur nicht
erreichen.
Das
Mittel, die beiden Triebe in Übereinstimmung zu
bringen, sei die Schönheit. Sie erzeuge im Menschen einen Zustand,
indem er
frei wird von der Vorherrschaft seiner Triebe, damit er „wird, was er
will“. So
werde die Schönheit zum „zweiten Schöpfer“ des Menschen. Deshalb sei
die Arbeit
an der klassischen Kunst der Vergangenheit so wichtig, denn sie führe
zum
Wachsen der individuellen Seele und damit zu einem Wachsen des
Universums.
Alles, was vor uns, mit uns und nach uns lebt, werde dadurch, wie
Schiller
sagt, „unser“; LaRouche bezeichne dies als die „Gleichzeitigkeit der
Ewigkeit“.
Indem wir an unserer Mission festhalten, werde alles - auch wenn man es
vielleicht nicht erlebe, daß alle Pläne realisiert werden - „unser“,
und darin
könne Schiller uns ein Vorbild sein.
Harmonie
der Disharmonien
Zum
Abschluß kam Elodie Viennot auf Johann Sebastian Bach
zurück, dessen Motette „Jesu, meine Freude“ schon zu Beginn der
Konferenz
erklungen war, um daran das Prinzip der klassischen Komposition zu
demonstrieren. Zunächst appellierte sie an die Vorstellungskraft ihrer
Hörer:
„Stellen Sie sich den Reichtum eines nigerianischen Farmers oder eines
chinesischen
Kindes vor, die in der Zukunft völlig in eine prosperierende
Weltwirtschaft
integriert sein werden, die bestimmt ist von einem gemeinsamen Prinzip
der
Kreativität.“
Dieses
Prinzip äußere sich in Bachs Kompositionen wie in
einem kleinen Universum, eine Reflektion des Universums, wie es Kepler
sah. Die
große klassische Musik zeige uns, wie in einem Spiegel, das ganze
Universum,
und sie ändere die Art, wie wir denken. Sie ist wie eine moralische
Infrastruktur der Gesellschaft, und deshalb sollten alle dieses Stück
studieren, dann kämen die Menschen aus ihrem abgestorbenen
Geisteszustand
heraus.
Sie
berichtete über die Vorgeschichte dieser Motette: Der
Text entstand am Ende des Dreißigjährigen Krieges, zur Feier des
Westfälischen
Friedens, um daran zu erinnern, daß man sich nicht der Versuchung
hingeben
dürfe, Rache zu üben; dann werde ein besseres Leben möglich. 100 Jahre
später
habe Bach die schlichte Melodie aufgegriffen.
Der
Chor unter der Leitung von Stefan Tolksdorf
demonstrierte dann anhand der Passage „Trotz dem alten Drachen“ den
Unterschied
zwischen der alten Version und der Komposition von Bach. Insbesondere
in den
Zeilen „Tobe, Welt, und springe, ich steh hier und singe“, die im
Zentrum der
Motette stehen, bilden die einzelnen Stimmen, gegeneinander gestellt,
scheinbar
„häßliche“ Dissonanzen, die sich jedoch auflösen, wenn die fünf Stimmen
alle
gemeinsam erklingen. „Wir werden hier sozusagen aus unserem schönen und
bequemen Sofa herausgeworfen - und das kann ja nicht schaden.“ Es sei
aber
nicht möglich, Bach zu verstehen, solange man Haschisch rauche oder
Videospiele
spiele. Bach komponierte diese Motette für eine Trauerfeier, und
erinnert uns
durch sie daran, was es eigentlich bedeutet, zu leben.
Wenn
die Chance, den Kampf um das Überleben der Zivilisation
zu gewinnen, gering erscheinen möge, so habe dies auch für die Chancen
einer
taub-blinden Helen Keller, eines Johannes Kepler oder eines Johann Sebastian Bach
gegolten, das zu
erreichen, was sie sich vorgenommen hatten. Aber es sei ihnen gelungen,
weil
sie in der Lage waren, die wahre Natur des Universums zu erkennen und
auszudrücken. Dann kündigte sie den „letzten Redner“ dieses
Themenkreises an:
Johann Sebastian Bach, dessen Motette zum Abschluß nochmals vom Chor
der LYM
unter der Leitung von Stefan Tolksdorf vorgetragen wurde.
In
seinem anschließenden Schlußwort kam Lyndon LaRouche
noch einmal auf die besondere Rolle der Vereinigten Staaten in dieser
gegenwärtigen Krise zurück. Aufgrund ihrer Geschichte seien die
Amerikaner
optimistischer, während die Europäer eher zum Pessimismus neigten.
Deshalb
müsse die Initiative zur Überwindung der Krise von den USA ausgehen. Er
jedenfalls sei entschlossen und werde alles tun, die neue US-Regierung
in diese
Richtung zu bewegen.
Alexander
Hartmann
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