Helga
Zepp-LaRouche auf der Konferenz des Schiller-Instituts in Rüsselsheim
am 21. Februar 2009Die Rolle Europas in
der kommenden Renaissance
Die folgende Rede hielt die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga
Zepp-LaRouche, am 21. Februar bei der internationalen Konferenz des
Instituts in Rüsselsheim.
Ich gab
meiner Rede den Titel „Die Rolle Europas in
der kommenden
Renaissance". Ich muß sagen, man muß schon ein ganz schöner Optimist
sein, um einen solchen Titel zu wählen. Es ist aber auch
offensichtlich, daß es eine solche Renaissance geben kann, wenn Sie
dabei mithelfen, daß es dazu kommt. Denn nur dann, wenn wir in diese
absolut dramatische Geschichtsperiode intervenieren und eine komplette
Änderung im Denken der Menschen hervorbringen, gibt es überhaupt eine
Chance für eine solche Renaissance. Das mag eine gigantische Aufgabe
sein, aber die Krise, in der wir gegenwärtig stecken, und die
Veränderungen, die uns bevorstehen, sind so gewaltig - und die meisten
Menschen haben im Moment nicht die geringste Ahnung, was ihnen
bevorsteht.
Denken Sie an Friedrich Schiller: In seiner Geschichte
des
Abfalls der Niederlande von Spanien
schrieb er, daß der einzige Grund dafür, diese Geschichte
aufzuschreiben, der war, den Menschen Mut zu machen, indem man ihnen
zeigt, daß man gemeinsam für einen guten Plan arbeiten und, wenn man
mutig genug ist, auch die schlimmste Tyrannei überwinden kann.
Ich denke, das ist genau die Geisteshaltung, die wir brauchen.
Immerhin
stecken wir jetzt inmitten der Zusammenbruchskrise der Weltwirtschaft,
von der Lyndon LaRouche seit jetzt mehr als 30 Jahren spricht.
Was mich persönlich und auch Lyndon wütend macht -
ich habe ihn
nicht gefragt, aber ich bin mir ziemlich sicher -, man schaut sich an,
was gegenwärtig passiert: Massenarbeitslosigkeit, Regierungen, die
kollabieren. Ich erwähnte Lettland als das zweite europäische Land,
dessen Regierung über dieser Krise zusammenbricht. All das macht einen
wütend, denn es mußte zu all dem nicht kommen. Es ist völlig unnötig!
Spätestens seit Lyn am 25. Juli 2007 sein Internetforum veranstaltete,
hätte all das verhindert werden können. Und ich möchte alle auffordern,
die das noch nicht gesehen haben, sich die Aufnahme anzuschauen.
Immerhin sagte er drei Tage vor Ausbruch der Hypothekenkrise, daß das
gesamte System am Ende ist und daß es entsprechend ersetzt werden muß.
Es kann zu keiner angemessenen Lösung kommen, wenn man nicht studiert,
wie dieser Mann das hat wissen können.
Warum hatte er recht? Wie konnte er so etwas sagen?
Wenn man die
Ursachen nicht untersucht, kann man auch keine Lösung finden. Und Lyn
schlug schon im Juli 2007, bevor die Krise wirklich losging, als Lösung
das Gesetz zum Schutz der Eigenheimbesitzer und Banken (HBPA) vor, das
diese ganze Sache aufgehalten hätte.
Seit dieser Zeit vor inzwischen 18 Monaten ist die Krise
weiter
eskaliert, und nun greift plötzlich Panik um sich. Den Leuten wird
langsam klar, daß der Autosektor weltweit zusammenbricht. Vor zwei
Tagen kündigte GM 47.000 Entlassungen an. Wenn Opel untergeht, dann
geht es allein dort um 26.000 Arbeitsplätze, und dann um noch sechsmal
so viele, wenn man alle Zulieferer mit einrechnet. Und das ist erst der
Anfang.
Milliarden für Rettungspakete
Die Regierungen haben nun auf die schlimmstmögliche
Art und Weise
reagiert, indem sie massive Rettungs- und Konjunkturpakete usw.
beschlossen haben. Die Dimensionen dieser Sache sind bis vor kurzem
absolut unvorstellbar gewesen. Die Regierung Obama beschloß gerade ein
Konjunkturpaket von 786 Mrd. Dollar. Das kam zusätzlich zu den 300 Mrd.
für die Citigroup, den 700 Mrd. für TARP - das „Troubled Assets Relief
Program" -, den 300 Mrd. für die Federal Housing Administration, den
200 Mrd. für die Term Auction Facility, den 300 Mrd. für Fannie Mae und
Freddie Mac und den vorhergehenden Garantien der Bush-Regierung. In den
letzten sechs Monaten wurden also in den USA - offiziell! - allein fünf
Billionen Dollar ins System gepumpt! Das steht in den Büchern - Geld
von der Regierung für die Banken. Zählt man auch das, was nicht in den
Büchern steht, kommt man vielleicht auf 20 - 25 Billionen. Sie müssen
sich wirklich die Dimension dieser Sache vorstellen.
Es ist genau so, wie Ben Bernanke vor vielen Jahren
einmal sagte und
weswegen er auch den Spitznamen „Helikopter-Ben" bekam. Er sagte
nämlich: „Bevor wir eine Systemkrise zulassen, werden wir eher mit
Helikoptern über die Großstädte fliegen und einfach Dollars abwerfen."
Und in einer anderen Rede sagte er: „Wissen Sie, Deutschland hatte 1923
noch gar nicht die modernen Methoden, die uns heute zur Verfügung
stehen. Sie mußten damals noch richtige Druckmaschinen benutzen, um
Geld herzustellen. Heute haben wir aber Computer und können virtuelles
Geld und elektronischen Kredit erzeugen, was viel effizienter und
schneller ist."
Also gut, in den britischen Medien erschien letzte
Woche eine ganze
Reihe von Artikeln, in denen von der „Simbabwisierung des
Finanzsystems" die Rede war. Sie müssen wissen, daß die Inflation in
Simbabwe bis letzte Woche bei 11,2 Millionen Prozent lag. Die Regierung
hat daraufhin zwölf Nullen der Währung gestrichen, aber das wird
natürlich nur kurzfristige Effekte haben, denn wenn man die
wirtschaftlichen Parameter nicht ändert, dann wird es einfach so
weitergehen - es sei denn, die Sanktionen würden aufgehoben. Wenn also
heute die britische Presse von der Simbabwisierung des
Weltfinanzsystems spricht, dann meinen sie das, was in der Weimarer
Republik 1923 passierte - nur diesmal auf weltweiter Ebene.
Trau keinem Ökonomen!
Man darf aber den kriminellen Charakter dieser
ganzen Sache nicht
unterschätzen. Vertrauen Sie keinem Banker, keinem Ökonomen, keinem
Journalisten und keinem Politiker. Zum Beispiel sagte Prof. Kenneth
Rogoff, der ehemalige Chefökonom des IWF: „Oh, jetzt gibt es eine
Deflation." Das bedeutet, daß die Preise kollabieren, weil die
Produktion heruntergeht, die Kaufkraft fällt und wir in einer
Depression stecken. Rogoff sagte weiter: „Wir müssen Deflation
bekämpfen und da ist es besser, für ein paar Jahre mit 5% oder 6%
Inflation zurechtzukommen."
Das ist wirklich verrückt: Kein Ökonom kann so etwas
von sich geben,
es sei denn, er hält die Leute wirklich für völlig blöde. Es wird keine
5% - 6% Inflation für ein paar Jahre geben: entweder kommt es zum
hyperinflationären Zusammenbruch oder zum totalen Kollaps der
Wirtschaft. Wenn man dann bedenkt, daß wir laut veröffentlichter Zahlen
etwa 1,4 Billiarden Dollar an Giftmüllpapieren in den Banken haben,
dann ist die eigentliche Gefahr, daß es so weiter geht wie bisher und
damit der Wirtschaftskollaps immer weiter eskaliert. Sind dann die
Industrien zerstört und die gesamte Wirtschaft am Boden, dann wird die
hyperinflationäre Blase sehr schnell zerplatzen; wie in der Weimarer
Republik vom Frühjahr bis Herbst 1923. Das war damals gerade mal ein
halbes Jahr.
Jüngst sprach ich mit einem Vertreter einer der
Bundestagsparteien
und der sagte mir: „Wir denken derzeit etwa so: Wir müssen es bis zu
den Bundestagswahlen im September schaffen, denn wenn wir den Leuten
jetzt sagen würden, daß ihre Renten nicht sicher sind, dann werden sie
uns auch nicht wählen. Also, wir müssen es bis September schaffen, dann
wird es für ein oder zwei Jahre Inflation geben, und dann wird den
Leuten auch klar werden, daß wir Reformen brauchen."
Das Problem mit der Inflation, besonders mit
Hyperinflation, ist
doch, daß sie alles auffrißt. Die Sparguthaben, die Renten,
Gesundheitsversorgung - der kleine Mann verliert dabei einfach alles.
Nun, am Freitag (20.2.) gab es einen Artikel in einer
Hannoveraner
Zeitung mit Informationen, die aus der BaFin herausgespielt worden
waren. Da hieß es, daß die Aufregung um die Hypo Real Estate so groß
war - denn Frau Merkel hatte sich mehrmals geäußert und gesagt, die
Hypo Real Estate müsse gerettet werden, weil es ein systemisches
Problem sei, es sei weit schlimmer als Lehman Brothers - und erinnern
sie sich bitte, daß die ganze Sache im letzten September mit Lehman
Brothers anfing. Jetzt stellt sich heraus, daß Hypo Real Estate nicht
400 Mrd. Euro, sondern eine Billion Euro an ausstehenden Schulden hat!
Das ist wirklich unglaublich.
Europa ist bankrott
Wir erleben jetzt eine sehr rasche Beschleunigung
dieser Sache.
Während der letzten paar Tage haben sich 17 Banken - Unicredit,
Commerzbank usw. - sehr beeilt, der Ukraine Kredite zu geben, weil die
Ukraine vor dem Kollaps steht. Ganz Osteuropa ist derzeit in einer
ähnlichen Situation; und dabei geht es nicht nur um die Länder
Osteuropas, sondern besonders um österreichische Banken und Schweizer
Banken. Laut Le Figaro
ist zwischen 80 und 100% des Kapitals der neun osteuropäischen Länder
ausländisches Kapital. Sollten diese Länder zahlungsunfähig werden,
dann geht es also auch um diese Banken. Die österreichischen Banken zum
Beispiel stecken sehr tief drin: Erste Bank, Raiffeisen International,
Bank Austria - eine Unicredit Tochter - sie alle haben zusammen 280
Mrd. Euro in Osteuropa gesteckt. Wenn diese Länder nicht mehr zahlen
können, dann trifft das Österreich. Das entspricht ungefähr 90% des
österreichischen BIP. Ein Staatsbankrott ist da nicht mehr weit
entfernt.
Dem Internet-Nachrichtenbrief MoneyWeek
zufolge
liegt die
Größe der ausländischen Investitionen in Osteuropa bei 1740 Milliarden
Dollar, das sind 1,74 Billionen! Die drei baltischen Staaten sind in
schrecklichem Zustand, sie haben enorme Defizite. Die Regierung in
Lettland ist gerade kollabiert; es gab Unruhen und Aufstände gegen die
Regierung. Ungarn ist in einer verzweifelten Lage: es hat eine riesige
Verschuldung. Die Kreditwürdigkeit ist um 60% gefallen. Steinbrück hat
bisher jede Vorstellung deutscher Hilfe für einen europäischen
Rettungsplan abgelehnt. Ihm ist klar, was auch Professor Hankel sagte,
daß Deutschland in einem solchen Plan zum Zahlmeister würde, und er
lehnte das ab.
Dann gab es aber über das Wochenende das G8-Treffen in Rom,
und da muß
ihm offenbar etwas ganz schreckliches klar geworden sein. Auf einmal
sagt nun Herr Steinbrück, daß wir diesen armen Ländern wie Irland auf
alle Fälle helfen müssen. Er will also deutsche Steuergelder aufwenden,
um diesen Ländern unter die Arme zu greifen, was völlig verrückt ist,
denn damit wird gutes Geld in einen Schlund geworfen.
Und dann heißt es auf einmal von der EU - und das zeigt die
Ironie
dieser ganzen Situation - daß Herr Steinbrück diesen Artikel 103
verletzt. Professor Hankel hat das bereits erwähnt: Laut EU, Maastricht
und anderen Regelungen, darf kein Staat die Schulden eines anderen
Staates finanzieren.
Das ist eine schlimme Sache, denn die Wirkung auf
die physische
Wirtschaft ist enorm. Einige von Ihnen sind zu jung, um sich daran zu
erinnern. Aber die Älteren werden sich an die traditionellen Betriebe
erinnern, die bereits verschwunden sind. Ich möchte nur einige nennen:
Dornier war in der Luftfahrtindustrie, Pfaff stellte Nähmaschinen her,
die Vulkan war eine der wichtigsten Werften in Deutschland, Grundig
stellte Elektronik her, Philip Holzmann war ein großer Baubetrieb,
Schiesser Qualitätsunterwäsche, Märklin Spielzeugeisenbahnen,
Rosenthal, Hertie... bald wird auch die Dresdner Bank
verschwunden
sein.
Wenn man nur mal den Fall Märklin betrachtet, dann
sieht man
bereits, daß das keine normale Wirtschaft, sondern kriminelles
Verhalten ist. Wegen eines Generationswechsels und eines Streites unter
den Erben haben zwei Heuschrecken Märklin übernommen. Das waren
Kingsbridge, eine private Kapitalgesellschaft, und Goldman Sachs. Und
die nahmen dann im Laufe von drei Jahren unter dem Vorwand der
Rekapitalisierung der Firma insgesamt 40 Millionen Euro an Honorar. Das
ist nun zufällig genau die Summe, um derentwillen die Firma bankrott
geht.
Auch hat das Mißmanagement von Kingsbridge eine
Geschäftsstruktur
erzeugt, die völlig undurchsichtig ist. Sie haben eine Struktur
aufgebaut, um Geldflüsse zu verbergen, eine Struktur, die für eine
mittelständische Firma viel zu kompliziert war. Jetzt hat Herr Pluta,
der Insolvenzverwalter, geäußert, daß solche Strukturen immer dann
aufgebaut werden, wenn die Firmenleitung schmutzige Geschäfte machen
will. Da wird dann eine Zwischengesellschaft gegründet, eine Holding
Company, und die Finanzen gehen dann durch diese Gesellschaft, und auf
die Art läßt sich verschleiern, wohin das Geld geht. In diesem Fall
wurde eine weitere Firma in Ungarn geschaffen. Während alle Firmen in
Deutschland hoch verschuldet waren, weil dort Kredite aufgenommen
wurden, blieb das Werk in Ungarn völlig schuldenfrei.
Das riecht nach Betrug. Die private
Kapitalgesellschaft hatte
offensichtlich eine ganz andere Agenda: nämlich, Märklin in den
Bankrott zu treiben, das Patent zu behalten und dann in Ungarn weiter
zu produzieren, nachdem man das Meiste aus der Sache herausgeschlagen
hat.
Kriminalisierung des Systems
Ich denke, das ist eine ganz nützliche Lektion. Lyn
sagte vor vielen
Jahren, daß der Grund für die gegenwärtige Krise in dem
Paradigmenwandel liegt, der seit mehr als 40 Jahren stattfindet. Nun,
das war ein Wandel weg von der Produktion hin zur Spekulation. Doch da
ist noch mehr dran. Das ist nicht einfach nur Spekulation: das war ein
Wandel hin zur Kriminalisierung des ganzen Systems.
Sie haben ja alle vom Fall Madoff gehört, dem
ehemaligen Chef der
NASDAQ in New York, der seine Kunden um immerhin 50 Mrd. Dollar
betrogen hat - nicht gerade Peanuts. Er nutzte das berüchtigte
Pyramidenschema oder Ponzi-Schema. Ponzi war ein Mann aus Boston, der
in den zwanziger Jahren den Unterschied im Preis für Antwortbriefe
zwischen Spanien und den USA entdeckte. Da sagte er sich, wenn wir
diese Briefe in Spanien kaufen und in den USA verkaufen, dann können
wir einen enormen Profit herausschlagen. Er organisierte sich also
Investoren - und keiner dieser Investoren hat sich gefragt, ob es
überhaupt eine so große Anzahl von Briefen gäbe; es kann ja nicht
Billionen solcher Antwortbriefe geben. Sie waren so gierig nach diesen
zweistelligen Profitraten, daß sie einfach alle investierten. Und Herr
Ponzi nahm dann jeweils das Geld der neuen Investoren, um die alten
Investoren zu bezahlen - und das ging so lange, bis die Kette abriß.
Das ist nun genau, was Herr Madoff getan hat. Seine
Klienten waren
amerikanische Rentenfonds und in Europa interessanterweise Monarchien,
alter Geldadel und Neureiche. Es wird noch interessant werden
herauszufinden, wer genau dort drin steckt.
Jetzt gibt es dann schon wieder einen neuen Fall:
Sir Allen
Stanford, der im Grunde die Insel Antigua in ein Geldwäschezentrum für
Drogengelder aus ganz Lateinamerika verwandelt hat. Und es zeigt sich
jetzt, daß er tatsächlich sehr enge Verbindungen zu den mexikanischen
Drogenkartellen hatte, die sein Steuerparadies nutzten.
Nun, der Beauftragte der UNO für Drogenbekämpfung,
Antonio Maria
Costa, sagte jüngst, daß die einzig verfügbare Liquidität seit dem
Beginn der Kreditkrise der Banken im August 2007 aus Drogengeschäften,
Waffenschmuggel und anderen illegalen Aktivitäten kam. Und meinen sie,
die Banken wüßten das nicht? Ich sprach neulich mit jemandem aus dem
Bankwesen und der sagte mir: „Angesichts dieser Kreditkrise, glauben
Sie wirklich, daß die Banken jemanden abweisen würden, der mit einem
Koffer voll Geld vor der Tür steht?" Der Grund also, warum einige der
Banken zögern, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, liegt nicht nur
darin, daß dann unter anderem die schreckliche Ungerechtigkeit
eintreten würde, daß Vorstände nur noch 500.000 Euro im Jahr verdienen
dürften - diese armen Menschen! -, sondern auch darin, daß der Staat,
der mit seinen Geldern einspringt, natürlich auch das Recht hat, in die
Bücher zu schauen, wo dann vielleicht etwas sehr Unschönes entdeckt
würde.
Also, der Punkt, den ich betonen will, ist der, daß
man sich nicht
so sehr auf diese individuellen Fälle konzentrieren sollte, wie Madoff,
Stanford usw., sondern, ich denke, das ganze System ist kriminell. Denn
all die „kreativen" Finanzinstrumente, die Alan Greenspan erfand, sind
alle Pyramidenspiele oder Ponzi-Modelle. Die Hypothekenkrise begann,
als die New-Economy-Blase im März 2000 geplatzt war. Man brauchte eine
neue Blase.
Damals drückte Greenspan die Zinsen auf Null herab
und begann, allen
möglichen Leuten Hypothekenkredite zu geben, die nicht das notwendige
Einkommen hatten, um sich das leisten zu können. Und wenn man jemandem
einen Kredit zu Null Prozent Zinsen gibt, dann ist auch klar, daß diese
Zinsen nur nach oben gehen können! Früher oder später werden also diese
Hypotheken teurer werden und irgendwann, wenn Leute auf einmal $500
mehr als vorher zahlen müssen und es nicht können, dann verlieren sie
die Hypothek, und die ganze Kettenreaktion bricht los.
Nun, so ist es schon komisch, daß die Frankfurter
Allgemeine gestern
zwei sehr interessante Artikel veröffentlichte. Einer hieß etwa „Alle
verdächtig" und stellte die Frage, ob alle kriminell seien: das
Management von Siemens, die Deutsche Bahn AG, die Tausende ihrer
Angestellten ausspionieren ließ, die Kommunen, weil dort so viele
schmutzige Geschäfte liefen... und dann die Parlamentarier? Der zweite
Artikel hatte den Titel „Kurz vor der Explosion" und drehte sich um die
Eurozone. Was wir also hier besprechen, ist gar nicht so utopisch, wie
mancher noch vor einigen Jahren gedacht hat.
Offensichtlich ist die europäische Währungsunion
dabei, zu
zerbrechen. Es wird bereits darüber spekuliert, daß der Euro durch den
Druck zerreißen würde, weil Griechenland, Irland, Portugal, Italien und
Österreich 2-3% höhere Zinsraten bezahlen als z.B. Deutschland. Die
Frage ist also, wie lange sie sich das werden leisten können? Sie
werden also vor die Wahl gestellt, entweder zu zahlen und bankrott zu
gehen, oder aus dem Euro auszusteigen. Würde Deutschland für all das
aufkommen - Prof. Hankel wies schon darauf hin -, dann würde das
Inflation für alle bedeuten, ohne daß irgend jemand etwas davon hätte.
Eine verpaßte Chance
Wir sind also nun an dem Punkt, den wir von Anfang
an vorhergesagt
haben, schon bevor der Euro kam. Und die Krise, in der wir heute Europa
sehen, ist wirklich das Resultat von Verbrechen, die begangen wurden,
als 1989 die Berliner Mauer fiel. Das war, wie Sie sich erinnern
werden, die große historische Chance für Europa,
etwas ganz anderes zu tun!
Es war völlig richtig, das als eine „Sternstunde der
Menschheit" zu
bezeichnen, in der es möglich gewesen wäre, die internationale Ordnung
völlig zu ändern. Denn wir haben das Produktive Dreieck vorgeschlagen -
Professor Kaushik hat es schon erwähnt -, das die Beziehungen zwischen
allen Nationen vollkommen verändert hätte! Die Beziehungen zu Rußland
wären völlig anders gewesen. Der Kollaps der neunziger Jahre wäre nicht
notwendig gewesen. Die Lage in Europa wäre eine völlig andere. Und ich
erinnere mich, daß ich damals in vielen Reden gesagt habe: „Wenn wir
den Fehler machen, dem bankrotten kommunistischen System das ebenso
bankrotte Wirtschaftssystem der Freihandels überzustülpen, dann wird
man vielleicht für einige Jahre durch primitive Akkumulation die
frühere Sowjetunion und den Comecon plündern, aber dann wird es zu
einem Kollaps kommen, der viel, viel größer sein
wird als der Kollaps des Comecon." Und genau da sind wir heute.
Damals sagte auch Papst Johannes Paul II, daß der
Kollaps des
Kommunismus kein Beweis für die moralische Überlegenheit des Systems
des uneingeschränkten Freihandels sei. Das löste damals eine
gigantische Empörung aus, aber der Papst hatte vollkommen recht.
Dann gab es Morde, den Mord an Alfred Herrhausen und
den Mord an
Detlev Rohwedder. Und dann übernahm Birgit Breuel die Treuhand und
privatisierte alle Staatsunternehmen der früheren DDR in den neuen
Bundesländern. Das war wie eine Übung für die späteren Privatisierungen
durch Hedgefonds und private Anlagefirmen.
Dann war da Margaret Thatcher. Sie startete damals
die Kampagne
gegen das „Vierte Reich", gegen Deutschland und gegen die
Wiedervereinigung. [Der französische Präsident] Mitterrand stellte
[Bundeskanzler] Kohl ein Ultimatum und sagte, er werde der
Wiedervereinigung nur zustimmen, wenn Deutschland die D-Mark aufgebe.
Attali, sein Berater, schrieb in einer Biographie über Mitterrand, daß
er sogar mit einem Krieg gedroht habe, und Kohl sagte in einem
Interview, „Es war eine Frage von Krieg und Frieden", damals die D-Mark
aufzugeben. Und Bush senior sagte, wir werden der deutschen
Wiedervereinigung nur zustimmen, wenn Deutschland einer
Selbsteindämmung zustimmt, indem es dem Maastricht-Abkommen der
Europäischen Union zustimmt.
Seit damals wurde die deutsche Wirtschaft zerstört.
Die Löhne in
unserem Land wurden gesenkt und der Binnenmarkt geschwächt. Und die
Durchsetzung des Euro war das Übel - „das eben ist der Fluch der bösen
Tat, daß sie, fortzeugend, immer böses muß gebären"1,
denn die ganze Demoralisierung und die Entwicklungen, die danach kamen,
waren wirklich eine Folge davon. Und der Kollaps des Binnenmarktes, den
wir jetzt sehen, bedeutet, daß Deutschland, dem man in der
Nachkriegszeit niemals erlaubt hat, eine starke nationale Identität zu
entwickeln, daß die „Deutschland AG" jetzt vor der Auflösung steht. Und
infolgedessen wird die Bevölkerung immer demoralisierter. Wenn man am
Büchertisch organisiert, merkt man das jeden Tag. Die Leute sagen: „Oh,
man kann ja doch nichts machen!" Aber das ist wirklich der Fluch der
bösen Tat, unter dem wir leiden.
Nun, als Konsequenz davon, weil es keine Vision gab,
wurde also die
Chance der Wiedervereinigung verpaßt.
Dann wurde [1999] in den Vereinigten Staaten das
Glass-Steagall-Gesetz aufgehoben. Und 2003 war bereits klar, daß die
Hedgefonds große Risiken erzeugten, denn schon 2003 verlangte Herr
Ackermann von der Deutschen Bank in einem Treffen mit dem damaligen
Bundeskanzler Schröder eine „Bad Bank", die den „Giftmüll" aufnehmen
sollte, und ein Jahr später traf sich eine Gruppe gewisser Leute und
gründeten in Deutschland etwas, was gewissermaßen der Abschaffung des
Glass-Steagall-Gesetzes entsprach, „True Sale International". Dadurch
wurde den Hedgefonds und Anlagefonds erlaubt, in diesem Land tätig zu
werden. Das bedeutete, daß man den Heuschrecken freie Hand gab,
hereinzukommen und alles zu übernehmen.
Ein New Global Deal - oder so weiter wie bisher?
Das große Problem, das wir jetzt haben, ist, daß die
gleichen Leute,
die all das verursacht haben, jetzt auch die Leute sein sollen, die die
Reform für das neue System durchführen. Und ich denke, das kann nicht
sein. Denn beispielsweise der jetzige Staatssekretär im
Finanzministerium, Jörg Asmussen, der wirklich typisch ist für die
Leute, die den Weg für die Hedgefonds freigemacht haben, ist jetzt
zuständig für die Vorbereitung des G-20-Gipfels, der am 2. April in
London stattfinden soll, wo Herr Brown ein sehr kosmetisches Papier für
einen „New Global Deal" vorbereitet hat, aber offensichtlich mit dem
Ziel, das gleiche System mit einigen kosmetischen Änderungen
beizubehalten. Dieser Mann, Jörg Asmussen, sollte also offensichtlich
nicht auf diesem Posten sein, denn ich habe keinerlei Vertrauen darauf,
daß er das Wissen oder die Motivation hat, wirkliche Änderungen
vorzunehmen.
Leider hat sich auch unser neuer Wirtschaftsminister
zu Guttenberg
bereits geäußert und die Prognose abgegeben, daß die Krise im Herbst
vorbei sein wird - also nach der Bundestagswahl. Und auch Jörg Asmussen
sagte letzten Juli, er sei überzeugt, daß das Ende der Krise näher sei
als ihr Anfang.
Wir haben also Leute, die keine wirtschaftliche
Kompetenz oder
Kenntnisse haben. Beispielsweise hat das IFO-Institut in München, das
von „Professor Unsinn" geleitet wird, im Januar einen „Index des
Konsumklimas" veröffentlicht. Nun, das ist eine sehr wissenschaftliche
Herangehensweise an eine Prognose. Denn dabei werden 500 Unternehmer
befragt „Wie fühlen Sie sich heute morgen? Und denken Sie, daß das
besser werden wird, oder schlechter?" Und je nachdem, ob diese Leute
ein schlechtes Abendessen hatten und schlecht geschlafen haben, oder ob
sie ein gutes Frühstück hatten und sich gut fühlen, dann sagen sie
irgend etwas, und das wird dann als Prognose veröffentlicht. Diese
Leute haben keine Ahnung, und sie haben die falsche Denkmethode.
Die einzige Ausnahme in Europa ist zum Glück
[Italiens
Wirtschaftsminister] Giulio Tremonti, der das Neue Bretton Woods auf
die Tagesordnung setzen will, wenn Italien den Vorsitz des G8-Gipfels
hat - ich denke, daß das im Juni oder Juli sein wird. Tremonti hat
viele gute Dinge gesagt, etwa, daß es sich bei diesem Giftmüll nur um
virtuelles Geld handelt, und niemand etwas verlieren wird, weil sie
niemals etwas besessen haben, und deshalb werde niemandem geschadet,
wenn man es einfach aus den Büchern nimmt. Er hat kürzlich auch gesagt,
daß Inflation die schlechteste Lösung für dieses Problem wäre.
Am kommenden Dienstag [dem 24.2., siehe Neue
Solidarität
10/2009] wird es eine Debatte im italienischen Senat geben, bei der die
drei Vorschläge für ein Neues Bretton Woods - von denen einer mit dem
Namen Lyndon LaRouche verbunden ist, während die beiden anderen in
verschiedenem Grade Plagiate dieses ursprünglichen Vorschlages sind -
zur Diskussion und Abstimmung stehen werden. Das wird hoffentlich ein
Schritt voran sein.
Das neue Menschenbild
Aber ich sage Ihnen: Es wird schlimmer und schlimmer
werden, bis
Lyns Vorschläge umgesetzt sind. Und ich möchte Ihnen als meinen Plan B,
zeigen, was mit Deutschland geschehen wird, wenn wir Lyns Programm
nicht durchbekommen. [An dieser Stelle zeigte sie zwei Fotomontagen,
auf denen das Brandenburger Tor und der Kölner Dom vom Urwald
überwuchert sind.] So wird es vielleicht in 50 Jahren aussehen, wenn
wir uns nicht zusammenreißen! [Sie zeigte dann noch ein Foto der vom
Urwald überwucherten Ruinen von Ankor Wat in Kambodscha.] Hier sehen
Sie ein anderes altes Gemäuer, auf dem schon Bäume wachsen, das ist die
frühere Hauptstadt des Khmer-Reiches, Ankor.
Ich wollte Ihnen mit dieser Fotomontage bloß zeigen,
was mit
Deutschland geschehen wird, wenn wir uns nicht ändern.
Nun, das wollen wir offensichtlich nicht - ich
denke, da werden Sie
zustimmen. Aber ich denke, wir müssen jetzt die Rolle Europas
vollkommen ändern und die Werte der Globalisierung zurückweisen - all
das, was in den letzten 40 Jahren abgelaufen ist - und wieder zu einem
Europa der Nationalstaaten zurückkehren, einem Europa der Vaterländer,
aber vor allem zu einem Europa mit einem völlig anderen Menschenbild.
Der Mensch ist keine Kreatur, die bloß Schmerz
vermeidet und ihre
Lust steigert. Er ist kein Wesen, das bloß die Lust im Hier und Jetzt
maximiert, es ist nicht die Idee, immer mehr zu haben und zu besitzen -
Geld, Geld, Geld, Profit, Profit, Profit, und Spaß auf Kosten der
anderen.
Wenn wir nicht zu einem Menschenbild als Zentrum der
Politik und der
Wirtschaft zurückkehren, in dem der Mensch der Idee gerecht wird, daß
er das Abbild des Schöpfers ist -
Nun, was bedeutet das? Es bedeutet, daß der Mensch den
edelsten Aspekt
des Schöpfers nachvollzieht, und das ist die kreative Tätigkeit. Der
Mensch ist, Nikolaus von Kues zufolge, der schließlich der Begründer
des modernen Nationalstaats ist, der Begründer der modernen
Wissenschaft: Der Mensch ist fähig zur Capax Dei,
d.h., der Mensch ist fähig, an Gott teilzuhaben. Das bedeutet, daß man
nur dann sein volles Potential als Mensch erreichen kann, wenn man das
in sich selbst entfesselt, die göttliche Qualität, und sie in den
kreativen Aktivitäten zum Ausdruck bringt.
Gottfried Leibniz machte am Ende des 17.
Jahrhunderts eine Prognose,
die wirklich interessant ist. Er sagte: Wenn an einem bestimmten Punkt
der Menschheitsgeschichte die ganze Welt vom Utilitarismus kontrolliert
würde, und alle Regierungen davon korrumpiert würden, werde es zu einer
Weltrevolution kommen.
Nun, das könnte geschehen. Ich denke, das Schlimmste, was
geschehen
könnte, wäre, daß die Welt in eine Art weltweite Jakobiner-Revolution
eintritt, und ich habe keine klare Vorstellung davon, was für eine Welt
dabei herauskommen würde, außer Chaos und eine Menge toter Menschen!
Aber wir sind an einem völlig neuen Punkt der Geschichte. Der
General
[de la Maisonneuve] hat vom Ende einer Epoche gesprochen, und das ist
wahr: Wir befinden uns einem Punkt der Geschichte, wie es ihn bisher
noch nie gegeben hat!
Denn es gab zwar Krisen von Kulturen, die
untergegangen sind. Aber
an einem anderen Ort der Erde haben die Menschen davon gar nichts
gewußt, weil man viele Jahre brauchte, um zu reisen, und die Menschen
starben eher, als daß sie zurückkamen.
Als zum Beispiel das Römische Reich zusammenbrach,
da hatte man
davon in Indien keine Ahnung. Sie hatten dort die wunderschöne
Gupta-Periode. Das war die Zeit, in der die schönsten Dramen in
Sanskrit verfaßt wurden. Es gab auch andere Perioden, in denen eine
Kultur unterging, und eine andere aufstieg und blühte.
Diesmal ist es völlig anders: Wir sind zum ersten
Mal völlig
globalisiert. Wir sind wirklich eine Welt, und wir müssen gemeinsam
daraus herauskommen, als eine Welt, und dazu gehört natürlich ganz
besonders auch Afrika, von dem sie morgen noch mehr hören werden.
Zunächst einmal müssen wir alle Werte und Paradigmen
zurückweisen,
die der Grund für diese Krise sind, und das ist nicht irgend etwas „da
draußen": Jeder muß betrachten, welche Gewohnheiten und welche Dinge,
die Sie mögen, zu dieser anderen Welt gehören, und dann muß man es
durch etwas ganz anderes ersetzen.
Ich bin überzeugt, daß wir nur dann aus dieser Krise
herauskommen
werden, wenn in der nächsten Zeit in jedem Land und in jeder Kultur
wenigstens Fraktionen - vielleicht nicht gleich alle, wegen der
Verdummung, die inzwischen stattgefunden hat, aber doch wichtige Kreise
- zu den besten Traditionen ihrer Kultur zurückkehren werden. Und wenn
man die Universalgeschichte als ganze betrachtet, dann wurde die Fackel
des Fortschritts der Zivilisation zum Glück immer wieder von einer
Kultur an die andere weitergegeben: An einem bestimmten Punkt hatten
die Inder die höchste Kultur, an einem anderen die Chinesen, wiederum
an einem anderen die Moslems, dann gab es die Italiener und die
Spanier, und vor 200 Jahren die Amerikaner. In gewissem Sinne ist also
alles, was wir tun müssen, zu unseren beste Traditionen zurückzukehren
und dann untereinander auf dieser Ebene zu kommunizieren.
Eine Passion für die anderen
In China - und hier erlaube ich mir, etwas anderer
Meinung zu sein
als der Herr General - gibt es eine starke Tradition des
Konfuzianismus, die wiederbelebt werden kann. Er ist da anderer
Meinung, aber das ist in Ordnung - das ist eine Meinungsverschiedenheit
unter Freunden.
In Indien gibt es die Tradition der Veden, das Sanskrit, das
Wilhelm
von Humboldt zurecht als „die höchstentwickelte Sprache der Welt"
bezeichnete! Es gab die Goldene Renaissance in Italien, in Frankreich
gab es die großartige Tradition der Ecole Polytechnique und andere
Leistungen.
Wenn die Welt aus dieser Krise herauskommt, und ich kann nur
hoffen,
daß die Vision, wie schlimm es ist und wie schlimm es werden könnte, in
den Menschen die Kraft freisetzt, daß sie jetzt für eine Änderung
kämpfen.
Der einzige Weg, da herauszukommen, ist es, zu den
Ideen des
Nikolaus von Kues zurückzukehren, zu der Idee, daß eine Konkordanz im
Makrokosmos nur dann zu erreichen ist, wenn sich alle Mikrokosmen in
der bestmöglichen Weise entwickeln, und daß jeder Mikrokosmos es als
sein Eigeninteresse annimmt, die übrigen Mikrokosmen in der
bestmöglichen Weise zu entwickeln. Das waren die Ideen, die dann in den
Westfälischen Frieden einflossen.
Und dann brauchen wir noch etwas anderes: Sie müssen
aufhören,
gleichgültig zu sein. Wenn Sie eine nur selbstbezogene Person bleiben
und sagen: „Oh, Afrika? Das ist mir egal. Die Leute in Mexiko? Die sind
mir egal", - nun, dann werden wir es nicht schaffen! Was Sie nach
dieser Konferenz kultivieren sollten, wenn Sie es nicht schon getan
haben, ist eine Passion für die Menschheit, eine Passion
für die anderen,
denn nur, wenn Sie diese Liebe für die Gemeinschaft der Völker
empfinden - und ich meine damit alle Völker -, dann können wir die
Änderungen und die Bewegung, die notwendig ist, wirklich in Gang
setzen.
Was wird dabei Europas Rolle sein? Offensichtlich
müssen wir den
Imperialismus in jeglicher Form zurückweisen, vor allem den britischen
Imperialismus. Ich denke, wir brauchen ein Europa, das nationale
Kulturen hat, wie Lyn heute morgen sagte, und in dem der Staat die
kreativen Fähigkeiten aller seiner Bürger katalysiert, weil sie die
größte Quelle des Reichtums auch in der Wirtschaft sind.
Die europäischen Nationen müssen wieder zur Vernunft
kommen, denn es
ist sehr deutlich, daß wir in einer Lage sind, in der China und Indien
künftig die wichtigsten Faktoren sein werden: Diese beiden Länder
allein haben derzeit eine Bevölkerung von 2,5 Milliarden Menschen, das
ist mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung, in nur zwei Nationen. Und
Lyn hat vor einigen Jahren dieses wunderbare Buch geschrieben, Die
kommenden 50 Jahre,
in dem er beschreibt, wie die kleinen Nationen, die großen Nationen,
Nationen mit großen Rohstoffvorkommen, Nationen ohne Rohstoffe, die
Nationen im Binnenland und die Nationen an den Küsten zusammenarbeiten
müssen. Und wir brauchen diese langfristige, vielschichtige
Zusammenarbeit in gemeinsamen Wirtschaftsprogrammen wie der Eurasischen
Landbrücke als Grundlage für den Wiederaufbau der Weltwirtschaft.
Aber das muß mit einer Renaissance einhergehen,
einer emotionalen
Änderung, einer kulturellen Renaissance, und die Menschen müssen sich
wirklich ändern! Die Menschen müssen nicht das Geld schätzen, sondern
ihre Kreativität! Sie müssen ein erfülltes Leben schätzen, in dem sie
etwas Unsterbliches für die nächste Generation beitragen. Und ich
denke, daß wir das schaffen können.
Aber Sie müssen dabei helfen. Wir alle müssen
arbeiten wie noch nie
zuvor, denn unsere Aufgabe ist es, in der nächsten Zeit in Europa ein
Bündnis zu katalysieren, das mit den Vereinigten Staaten, Rußland,
China und Indien zusammenarbeitet. Und ich denke, dann besteht
Hoffnung.
Wenn nicht - dann machen Sie sich darauf gefaßt, in
den Büschen zu
leben.
1. Octavio zu Max, Die Piccolomini V/1,
Friedrich Schiller, Wallenstein-Trilogie.
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