Konferenz des Schiller-Instituts
21. und 22. Februar 2009
in Rüsselsheim
Die Rolle der Jugend in der kommenden Renaissance
I. Wie die Welt in 50 Jahren aussehen muß!
Portia Tarumbwa-Strid: Ich werde jetzt das Jugendpanel mit dem Titel „Die Rolle der Jugend in der
kommenden Renaissance“ einleiten. Darin soll unser gemeinsames Konzept zum
Ausdruck kommen, wie die Welt in 50 Jahren aussehen muß.
Wie der frühere mexikanische Präsident Lopez Portillo einst sagte: „Es ist Zeit, auf die weisen Worte
von Lyndon LaRouche zu hören.“ Er sagte dies vor über
zehn Jahren, und ich möchte diese Stellungnahme heute gerne modifizieren und
sagen: „Es ist allerhöchste Zeit, auf die weisen Worte von Lyndon LaRouche zu hören.“ (Applaus.)
Seit Lyndon LaRouche damit begann,
eine erfolgreiche Wirtschaftsprognose nach der anderen abzugeben, sind zwei
Generationen von Führungen gekommen und gegangen, und es scheint, daß wir, wenn
Mr. Obama diesen Trend nicht umkehrt und das
Finanzsystem einem Bankrottverfahren zu unterziehen beginnt, nur noch eine
Möglichkeit haben: die Zerstörung der Zivilisation.
Das bedeutet für uns heute, daß die jüngere Generation -
meine Generation - ihre ganze Energie darauf verwenden muß, die Zukunft
entsprechend der Wirtschaftsmethode von Lyndon LaRouche
zu gestalten, denn ein finsteres Zeitalter für die gesamte Menschheit ist
wirklich nicht weit.
Tatsächlich haben in Afrika die Auswirkungen der
Nahrungskrise am härtesten zugeschlagen: Es gibt heute dort 203 Millionen
Menschen, die unter Mangelernährung leiden, von denen bis zu 10% Kinder unter
15 Jahren sind. Schwarzafrika ist der einzige Teil der Welt, wo in den letzten
30 Jahren die Zahl der mangelernährten Kinder und Erwachsenen deutlich
zugenommen hat, eine Entwicklung, die Lyndon LaRouche
als Völkermord bezeichnet hat, organisiert vom Wirtschaftssystem des britischen Imperiums.
Was bedeutet das? Es bedeutet, daß Afrika zu etwas gemacht
wurde, was H.G. Wells’ widerlichem Roman Die Insel des Dr. Moreau entspricht.
20% der afrikanischen Bevölkerung leidet beispielsweise an
einem Kropf - einer Krankheit, die von unzureichender Jodaufnahme im Essen
hervorgerufen wird -, weitere 48% sind gefährdet. Bei einem Kropf schwillt die
Schilddrüse am Hals teilweise massiv an, was zum Tod durch Ersticken führen
kann. 46% der afrikanischen Bevölkerung leidet unter Anämie (Blutarmut), was
oft eine Folge von Eisenmangel ist. Anämie beeinträchtigt das körperliche
Wachstum, die geistige Entwicklung und die Lernfähigkeit bei Kindern und
Jugendlichen. Das bedeutet, daß die Betroffenen ihr eigentliches kreatives
menschliches Potential nicht voll entwickeln können. Etwa 36 Millionen
Vorschulkinder in Schwarzafrika leiden an Vitamin-A-Mangel, was zu Blindheit,
Wachstums- und Fertilitätsstörungen führen kann.
Ich möchte Ihnen einmal sehr plastisch verdeutlichen, was
Mangelernährung wirklich bedeutet, denn im Sommer letzten Jahres hat die
Präsidentin des Schiller-Institutes, Helga Zepp-LaRouche,
eine internationale Mobilisierung zur Verdoppelung der
Weltnahrungsmittelproduktion in Gang gesetzt. Eine solche Politik wird auch
aktiv betrieben von Jacques Diouf, dem Vorsitzenden
der Welternährungsorganisation. Diouf kommt aus dem
Senegal, einem Land, das 50% seiner Nahrungsmittel importieren muß, so wie fast
der gesamte afrikanische Kontinent. Eine Verdopplung der
Nahrungsmittelproduktion ist also nur dann möglich, wenn Afrika sich entwickeln
kann - durch moderne Transport- und Wasserbewirtschaftungssysteme, die
allerdings große Mengen Energie benötigen.
Das Problem ist, daß die meisten Leute, besonders in Europa,
denken, es gäbe im Grunde „da draußen“ genug Nahrung, sie sei nur schlecht
verteilt. Sie denken, es reiche, Spenden nach Afrika zu schicken. Ich als
Afrikanerin sage Ihnen aber, daß Afrikaner richtige Arbeit wollen, keine
Nahrungsmittelgeschenke.
Trotzdem hört man Dinge wie: „Aber es gibt schon zu viele
Menschen auf der Erde, und wir müssen wieder zurück... zur Natur.“ Leute, die
so etwas sagen, leiden an einer anderen Art von Mangelernährung in ihrer
tödlichsten Form: an Mangelernährung der Vernunft. Davon Betroffene erkennt man
daran, daß sie Symptome wie Ohnmacht, Hitzewallungen im Gesicht und am ganzen
Körper sowie Anfälle verbalen Durchfalls entwickeln, sobald sie das Wort
„Kernenergie“ hören. Ich hoffe, im Jahr 2059 werden sich Bilder von ihnen nur
noch in Museen finden, zusammen mit den Überresten ihrer verrückten Schreine,
die man als „Photovoltaikzellen“ kennt. Denn wenn diese Krankheit nicht sehr
bald eingedämmt wird, ist die gesamte Menschheit verloren.
Ich würde sogar soweit gehen, zu sagen, daß die
Umweltschützer oder die „Grünen“, wie sie allgemein genannt werden, eigentlich
nicht grün sind, sondern braun. Warum sage ich das? Zuerst einmal: wenn wir
grüne Politik mit Windmühlen und Solarkraft für den ganzen Planeten betreiben,
werden wir mehr Wüsten schaffen und das existierende Grün auf diesem Planeten
vernichten - und ich übertreibe nicht!
Das läßt sich einfach veranschaulichen. Wenn Sie mir
gestatten, werde ich Sie 50 Jahre mit in die Zukunft nehmen. Wenn man
beispielsweise für die Weltbevölkerung ausreichend Energie auf Solarbasis
herstellen wollte, bräuchte man dazu etwa 1.500.000 Quadratkilometer
Erdoberfläche! Bei der Windkraft wäre es noch absurder: Wollte man die
Weltbevölkerung 2059 unter Verwendung von Windkrafträdern ausreichend mit Strom
versorgen, bräuchte man 12 Milliarden Quadratmeter Land - das wäre etwa 82mal
soviel wie die gesamte Landoberfläche der Erde! Selbst wenn man die Tatsache
berücksichtigte, daß all diese Windräder vor den Küsten der Ozeane stünden,
wäre diese Vorstellung unhaltbar: Weil es dann auf der Erde keine Menschen mehr
gäbe. Das wären die wahren Kosten der „Gratisenergie“.
Kernkraft für Afrika!
Mit „ausreichender Energieversorgung“ meine ich nicht, was
wir heute haben. Die Frage ist: Wieviel Energie bräuchte man, um jeden Menschen
auf diesem Planeten mit drei Mahlzeiten am Tag, ausreichender
Gesundheitsfürsorge, einer guten Ausbildung, einem guten Straßen- und
Schienennetz und sauberem, trinkbarem Wasser zu versorgen? Man nennt das auch
einen ordentlichen Lebensstandard.
Dafür bräuchte man 1,5 KW elektrische Energie pro Kopf am
Tag. Aber das ist nur eine sehr zurückhaltende Schätzung, wirklich nur eine
Basis, denn in Deutschland spricht man heute im wesentlichen von 3-5 KW
elektrischer Energie pro Kopf. Man bräuchte also, um diese Menge Strom im Jahr
2059 einer Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen zur Verfügung zu
stellen, 6000 Atomkraftwerke, von denen jedes 100 MW Energie liefert.
Heute gibt es nur etwa 400 Kernkraftwerke weltweit. Dabei
hat Afrika nur ein einziges Kernkraftwerk, in der Nähe von Kapstadt in
Südafrika. Afrika braucht daher ein Crashprogramm zur schnellen
Industrialisierung, wenn die Welt als ganze aus der heutigen Katastrophe
herauskommen soll. Wenn man sich nur die Erfordernisse betrachtet, die wir
brauchen, um den Hunger zu eliminieren - nicht mit den Methoden des Freihandels
oder der Globalisierung, die darin bestehen, die hungrigen Menschen einfach zu
eliminieren -, dann müssen wir alles vergessen, was an den Schulen oder Universitäten
über Wirtschaft gelehrt wird bzw. uns beigebracht wurde, wie die Welt
funktioniert. Geld bewirkt nicht, daß die Welt sich dreht!
Im Gegensatz dazu ist das, was Johannes Kepler als Prinzip
der universellen Gravitation entdeckte, etwas Hohes und Belegbares und daher
nur den Menschen zugänglich, nicht den Tieren. Das ist die erste Lektion, die
Mr. Obama von LaRouche
lernen muß, denn Afrika wartet darauf, daß jemand, der das höchste Amt in der
mächtigsten Nation des Planeten inne hat und gemeinsame Vorfahren mit ihnen
teilt, den Kontinent nicht wie in den letzten 500 Jahren mit Sklaverei oder
Kolonialismus behandelt, was in etwa dem heutigen Freihandelssystem entspricht.
Statt dessen hoffen wir in Afrika, daß Mr. Obama uns mit den Augen der amerikanischen Verfassung
betrachten wird: daß alle Menschen gleich geschaffen sind, ausgestattet mit
unveräußerlichen Rechten auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Glückseligkeit.
Wasser für Afrika!
Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben, was für die ganze Welt
wichtig ist, so ist vor allem ein Crashprogramm für die Wasserwirtschaft in
Afrika erforderlich, um den fruchtbaren Boden dort für die Landwirtschaft
nutzbar zu machen. Dann könnte Afrika übrigens potentiell die ganze Welt mit
Nahrungsmitteln versorgen. Dazu bräuchten wir u.a.
Atomstrom zur Wasserentsalzung, d.h. das einsame Kernkraftwerk in Südafrika muß
viele neue Ableger bekommen.
Die Art, wie sich die menschliche Zivilisation in den
letzten zwei Millionen Jahren entwickelt hat, indem sich die
Küstensiedlungen
ins Inland ausgebreitet haben, könnten und sollten wir in Afrika für
die
nächsten 50 bis 100 Jahre übernehmen. Das überschneidet sich mit
LaRouches Vorstellung der Relativität von Zeit, und ich möchte zeigen,
wie wir das erreichen können:
Die Idee sog. „Nuplex-Städte“ wurde vom Schiller-Institut und der Fusion Energy Foundation
(FEF) schon Ende der siebziger Jahre entwickelt.
Solche komplexen Entwicklungsprojekte würden sich von den Küsten ins Inland
ausbreiten, was grundsätzlich der Idee der Entwicklungskorridore beim Bau der
Eurasischen Landbrücke entspricht. Man sieht die größere Energieflußdichte, die
durch die Nutzung der Kernkraft entsteht, zur Veränderung der Oberfläche des
afrikanischen Kontinents, zum Bau neuer Städte, eines dichten, integrierten
Transportnetzes mit modernen Schnellstraßen, Flüssen und Kanal- sowie
Schienensystemen, welche die Grundlage für eine schnelle Industrialisierung
bilden und zum ersten Mal Afrika von Nord nach Süd und Ost nach West vereinigen würden.
Karten: EIRNS
Das heutige Eisenbahnnetz Afrikas (oben) ist genaugenommen
gar kein Netz, da die Linien in der Regel nur von bestimmten Rohstoffvorkommen
zum nächsten Hafen führen und keine einheitliche Spurweite haben. Ein künftiges
Eisenbahn- bzw. Magnetbahnnetz (unten) sollte daher von vornherein als ein
einheitliches Netz geplant und komplett neu gebaut werden.
Eisenbahnen für Afrika!
Man sollte dabei unbedingt den Zustand des afrikanischen
Schienennetzes heute und in der Zukunft miteinander vergleichen. Nicht nur, daß
es keine durchgehenden Verbindungen gibt, das Problem des Schienenverkehrs in
Afrika sind zudem die verschiedenen Spurbreiten. Seitens des IWF hieß es
kürzlich, es werde kein Geld für Schienenverkehrsprojekte in Afrika geben,
welche das teure dreifache Spurbreitensystem verwenden, mit der sich alle
Schienensysteme in Afrika vereinigen ließen. Es solle lieber verschiedene
„Zonen“ für die Entwicklung des Schienenverkehrs geben, die untereinander nicht
kompatibel wären. Man sollte einmal genau untersuchen, um wieviel billiger das
tatsächlich wäre.
Tatsächlich ist das dreifache Spurbreitensystem ziemlich
teuer, doch wie man sieht, gibt es im Moment gar nicht viele Schienenwege, d.h.
wir müssen im Grunde ganz von vorn anfangen.
Ich meine, es wäre viel billiger, nicht das dreifache
Spurbreitensystem zu bauen, um zu versuchen, die vorhandenen konventionellen
Bahnstrecken miteinander kompatibel zu machen; sondern ich glaube, es wäre sehr
viel billiger, wenn wir von vornherein mit berührungslosen
Hochgeschwindigkeitszügen wie der Magnetbahn beginnen würden, was eine
Investition für die nächsten 50 bis 100 Jahre und darüber hinaus wäre.
Anstatt daß tausende Flüchtlinge
sich aus Ländern wie Mali nach Norden nach Marokko durchschlagen, um in Booten
bei der gefährlichen Überfahrt zu den Kanarischen Inseln zu ertrinken oder sich
Rebellengruppen anzuschließen, um in sinnlosen Kriegen zu kämpfen, bräuchte
Afrika einen Zustrom von Ingenieuren und Lehrern in einer riesigen Welle
Technologie-Transfers.
Afrika ist unterbevölkert!
Jetzt komme ich zu der Frage, warum dieser Ansatz der einzige
Weg ist, um die Welt als ganze vor einem anderenfalls anhaltenden neuen
finsteren Zeitalter zu retten.
Wenn wir uns einmal die Demographie Afrikas mit einer
gegenwärtigen Bevölkerung von 922 Millionen anschauen, was gerade 14% der
Weltbevölkerung sind, und berücksichtigen, was ich gerade über die 200
Millionen Unterernährten gesagt habe, dann sehen Sie, daß die Armee von
Arbeitern, die man für diese Mammutaufgabe bräuchte, in Afrika gar nicht
existiert! 40% Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre, und 11% der verbleibenden
Altersgruppe ist HIV-infiziert. Also ist jeder, der sagt, Afrika sei
überbevölkert, ernsthaft geisteskrank, denn die Zahlen zeigen, daß Afrika stark
unterbevölkert und unterentwickelt ist.
In einer groben Schätzung bräuchte man für diese großen
Projekte eine potentielle Arbeiterschaft von 250 Millionen Afrikanern. Das
würde sicher nicht ausreichen, denn der Großteil dieser Arbeiter ist noch ohne
Ausbildung. Das bedeutet für die erste Phase der Industrialisierung Afrikas,
daß alle existierenden und potentiellen Industriekapazitäten Eurasiens für den
Bau der Eurasischen Landbrücke mobilisiert und ausgebaut und zudem die gesamten
Erziehungssysteme in Europa vollkommen umgekrempelt werden müssen.
An einigen Grafiken möchte ich Ihnen zeigen, was damit
gemeint ist. Sie zeigen schrittweise die Entwicklung auf, von der Helga
Zepp-LaRouche seit vielen Jahren spricht. Dann werden Sie
das Problem erkennen und auch in der Lage sein, es zu lösen, so wie die
meisten
der jungen Leute hier in diesem Raum und sonstwo in Europa, die bisher
eher
nichtqualifizierte Arbeiten verrichtet haben. So ist die Kleidung,
welche die
meisten von uns tragen, nicht hier gefertigt, sondern
in den meisten Fällen in Asien, und viele sind mit unnützen Dingen wie
„Unternehmensmanagement“, „Marketing“ oder Verkauf beschäftigt. Man muß
fünf
Jahre lang lernen, um ein Stück Papier für Dinge zu bekommen, die
eigentlich
nur gesunder Menschenverstand sind. Die meisten wissen gar nicht, was
qualifizierte Arbeit ist; sie denken, Milch kommt aus dem Kühlschrank.
Arbeitskräfte entwickeln!
Um in Afrika etwas zu erreichen, bräuchte man also so etwas
ähnliches wie Roosevelts New Deal; die Leute müssen aus diesen sinnlosen
Arbeiten herausgeholt werden und durch das Ankurbeln der industriellen
Kapazitäten in Europa und Asien das Gefühl für eine Mission erhalten. Auch für
die Afrikaner, die heute in Europa leben, wäre das äußerst wichtig. Viele der
Afrikaner, die in der Diaspora leben, hätten dann die Möglichkeit, nach Hause
zu ihren Familien zurückzukehren und den Trend umzukehren, den wir heute sehen,
daß qualifizierte Fachkräfte ins Ausland abwandern.
Dann besteht wieder Grund zur Freude, denn das bedeutet kein
langweiliges Auswendiglernen und keine „Multiple-Choice“-Examen
mehr, für die die Studenten wie Affen trainiert werden. Junge Leute müssen
wieder lernen, was es bedeutet, universelle Prinzipien zu entdecken, denn wir,
die jungen Leute meiner Generation zwischen 16 und 35, haben die Aufgabe, auf
diese Art und Weise die Welt wieder in Ordnung zu bringen. Wir stehen vor
neuen, herausfordernden Aufgaben, wo wir Probleme lösen müssen, die sich noch
nie gestellt haben, wie z.B. die Sahara in einen Dschungel zu verwandeln und
auf diese Art und Weise auch zur Abkühlung der globalen Temperatur (und
wahrscheinlich auch der Temperamente) beizutragen.
Ich möchte Ihnen die Animation eines
Wasserwirtschaftssystems zeigen, das für Afrika vorgeschlagen wurde. Es nennt
sich das Projekt des „zweiten Nil“, bei dem Wasser aus dem Kongo durch große
Kanalsysteme in das Tschad-Becken geführt werden. Durch die Bewegung des
Wassers ließe sich auch elektrischer Strom erzeugen, und all das wäre gut für
den sehr durstigen afrikanischen Kontinent, damit wir die Nahrungsmittel
anbauen können, die in der Zukunft benötigt werden.
Ich glaube, wir können es schaffen, Mr. Obama.
Wir brauchen nur den Mut, den ersten Schritt zu machen, und wir können uns
vorstellen, daß irgendwo auf dem schönen Kontinent Afrika heute ein Kind
geboren wird, dessen Tochter die erste afrikanische Frau sein wird, die in der
ersten Phase der Kolonisierung des Weltraums mit auf den Mond fliegt. Es wird
keine Grenzen geben für das, was wir erreichen können, wenn wir den Willen
haben, zu erkennen, was wir heute vom Standpunkt unserer Liebe für zukünftige,
noch nicht geborene Generationen tun müssen. Das bedeutet, eine Vision für ein
Afrika in 50 Jahren zu haben, die ich mit Herrn und Frau LaRouche
teile.
II. Die Gesetzmäßigkeit von Schönheit und Schillers
Vorstellungen über die Unsterblichkeit
Kasia Kruczkowski: Wenn wir uns die politische
Situation und die heutige Kultur anschauen, mögen sich einige von Ihnen
vielleicht fragen, wie wir all diese Projekte verwirklichen sollen und was
verändert werden muß, um eine Gesellschaft in die Lage zu versetzen, es
freiwillig zu tun. Aber bevor wir dazu weiter in die Tiefe gehen, sollten wir
uns zunächst über die Probleme klar werden, in denen wir politisch und
kulturell stecken, was gewöhnlich Hand in Hand geht.
Die Politik heutzutage ist umgeben von Blasen aller Art -
man tut besser daran, wenn man sie nicht zu genau kennen möchte -, und die
Kultur, die uns umgibt, ist häßlich. Unsere Kultur ist bereits so degeneriert,
daß viele Menschen, besonders Jugendliche, bereits mißtrauisch werden, wenn sie
von etwas Schönem bewegt werden. Aber ich habe auch gute Neuigkeiten: Das ist
nicht unsere Kultur.
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts setzte die Frankfurter Schule
mehrere destruktive Veränderungen in Gang. Sie testete den Einfluß der
Massenmedien auf die Bevölkerung und versuchte festzustellen, wie Meinungen
geformt werden, um in Zukunft Einfluß auf die Meinung der Bevölkerung zu haben.
Die Hauptzielscheibe dabei war das wahre Empfinden für Wahrheit, Schönheit und
Freiheit. Ich möchte Ihnen nur ein Produkt davon zeigen: Es ist eine Art
Dokumentation über das menschliche Verhalten. Dies ist nur ein Teil einer
ganzen Serie, doch ich meine, das genügt. Dann wenden wir uns wieder der
ursprünglichen Frage zu.
[Erzähler im Video]: „Schimpansen im Urwald von
Zaire. Eine Legende des Mangandu-Stamms in Zaire
erzählt, wie diese Schimpansen und die Vorfahren der Menschen einst als
Brüder
lebten. Und tatsächlich denken einige der Primatenspezialisten, daß die
Bonobo-Schimpansen stark dem gemeinsamen Vorfahren von Affe
und Mensch ähneln. Sie sind unsere engsten lebenden Verwandten, die uns
näher
sind als die Gorillas. Sie haben eine komplexe verbale Ausdrucksweise,
schließen permanente Freundschaften, haben Cliquen und
Eifersüchteleien.
Und in dieser Gesellschaft ist Sex eine Grundform der
Kommunikation: Er scheint überall zu sein, vom einfachen Zeichen der
Zuneigung
bis zur Etablierung von Hierarchien. Bonobos paaren
sich manchmal mit den Gesichtern zueinander; wir dachten einmal, nur
Menschen
verwenden eine solch intime Position. Aber ihre Vielseitigkeit kennt
keine
Grenzen... Jedes Mitglied der Truppe ist ein potentieller
Geschlechtspartner.
Weibchen reiben ihre Genitalien mit anderen Weibchen und Männchen mit
anderen
Männchen. Sogar die Jüngsten werden einbezogen. Wir finden diesen Sex
ausschweifend, sogar schockierend. Aber für Bonobos
ist Sex wichtig: Sex hat praktisch die Gewalt in ihrer Gesellschaft
abgelöst. Bonobos sind dazu in der Lage, ohne die Aggressionen, die
bei anderen Primaten, ja sogar in anderen Schimpansengesellschaften
existieren,
zu leben. (Eine Panflöte spielt.)
In diesem afrikanischen Regenwald, weit weg von unserer
krisengeschüttelten Zivilisation schafft es Sex, den Frieden zu erhalten.“
Petra Carlsson: Ich hoffe, nicht allzu
viele hier werden sich in einigen Aspekten davon wiedererkennen. Einige Leute,
wie der frühere Präsident George W. Bush, mögen sich wohler in dieser
Gesellschaft fühlen, auch wenn er vielleicht bei einigen der Aktivitäten nicht
mithalten kann.
Trotz der üblen Massenmedien, die uns in den letzten 40-50
Jahren zu dem geführt haben, was Kasia aufgezeigt
hat, gibt es zum Glück noch Leute, die wissen, daß es eine andere Kultur gibt.
Deshalb sind wir alle an diesem Wochenende hier. Und ich möchte gern Abraham
Lincoln zitieren, der gesagt hat: „Einige Leute lassen sich immer für dumm
verkaufen, und alle Leute zumindest für einige Zeit; aber man kann nicht alle
Leute für immer und alle Zeiten zum Narren halten.“
Wir brauchen also dringend Veränderungen, Ideen und
Optimismus. Ich denke, es wird höchste Zeit, daß Europa seinen Pessimismus ein
für allemal ablegt, und das liegt auch an uns. Es ist unsere Aufgabe, das zu
tun.
Was ich gern entwickeln möchte, ist, daß es ein ganz
bestimmtes Mittel gibt, das Denken der Menschen zu verändern. Als politischer
Aktivist vermittelt man den Leuten auf der Straße ein Bild von dem, was auf dem
Planeten vorgeht, aber gleichzeitig muß man ihnen Ideen und Optimismus geben
und einen Ausweg aufzeigen. Und das ist, was wir repräsentieren.
Wir können uns an Friedrich Schiller wenden, der wirklich
einer der wichtigsten Leute in der deutschen Geschichte ist - auch in der
Geschichte Europas. Eines seiner größten Werke sind die Ästhetischen Briefe,
die wie ein goldenes Handbuch sind, wie man das wahre Gefühl für die
Menschlichkeit wiederbeleben kann.
Schiller löste auch den Konflikt in den Menschen zwischen
den zwei verschiedenen Antriebskräften auf, die er als „sinnlichen Trieb“ und
„Formtrieb“ bezeichnete. Die Sinne stehen auf der einen Seite, und das
rationale Denken auf der anderen. Und beide Kräfte scheinen sich immer in einer
Art Kampf gegeneinander zu befinden. Wenn man diese Spannung auflösen und die
zwei Triebe zusammenbringen könnte, würden wir einen höheren Zustand des Denkens,
einen höheren Zustand des Handelns erreichen.
Kant hatte darüber auch seine Vorstellungen: Man müsse
einfach seine Emotionen unterdrücken, um Gutes zu tun und moralisch zu sein.
Man tut einfach so, als wären sie nicht da, oder man versucht, gar nichts zu
fühlen. Leider gilt das heute für viele Leute. Schiller sagte über Kant, daß
dieser nur für Sklaven geschrieben habe und daß er eine sehr traurige Kindheit
gehabt haben muß.
Schiller meint hingegen, daß jemand, der sich ausschließlich
einem dieser Triebe hingibt, d.h. nur den sinnlichen Trieb befriedigt, niemals
seine wirkliche Menschlichkeit entdecken werde. Und ich zitiere Schiller:
„Solange er nur empfindet, bleibt ihm seine Person und seine absolute
Existenz, und solange er nur denkt, bleibt ihm seine Existenz in der Zeit oder
sein Zustand ein großes Geheimnis.“ [Schiller, Briefe über die ästhetische
Erziehung des Menschen, 14. Brief]
Wir brauchen also ein Mittel, um diese beiden Triebkräfte zu
vereinigen, und dieses Mittel ist die Schönheit. Ich bin mir ziemlich sicher,
jeder, der gestern die Aufführung der Bach-Motette „Jesu, meine Freude“ oder
das „Kyrie“ gehört hat, ist davon einfach ergriffen. Ich glaube nicht, daß
irgend jemand in diesem Raum von dem Schubert-Klaviertrio, das wir heute morgen
gehört haben, nicht zutiefst bewegt war.
Der Schlüssel hierfür liegt in der Arbeit mit der
klassischen Kunst, wie wir sie mit „Jesu meine Freude“ tun; darin liegt unsere
wirkliche Mission, mit einem Schillerschen Verständnis von Schönheit eine
klassische Renaissance zu schaffen. Ich will hier niemandem den Eindruck geben,
als handelte es sich hier bloß um eine schöne oder interessante Sache; das hat
nichts mit Romantik zu tun, das ist nichts, um sich einfach nur gut fühlen zu
können; es hat nichts mit Gefühlen als solchen zu tun. Es geht um ein viel
höheres Verständnis und Konzept von dem, was wir sind, was wir schaffen, was
wir tun können.
Nach der Aufführung des Schubert-Trios bemerkte jemand heute
morgen, daß dies ein außergewöhnliches Stück sei. Das ist wahr, es ist ein
außergewöhnliches Stück, aber um so mehr bedeutet das, daß wir wieder eine
Gesellschaft und Kultur schaffen müssen, wo dies die tägliche Musik der Leute
ist, die man im Radio oder Fernsehen hört. Es ist noch ein langer Weg, bis das
eines Tages eintritt, und nicht nur, wenn wir eine fantastische
Schiller-Konferenz wie heute haben.
Ich bin ein bißchen abgeschweift. Schiller schreibt, daß wir
die zwei verschiedenen Triebe durch klassische Musik, durch Schönheit in uns
vereinigen. Der Zustand, den der Mensch erreicht, wenn diese zwei Triebe in
Einklang kommen, ist der ästhetische Zustand.
Später beschreibt Schiller in den Ästhetischen Briefen
Schönheit auf eine sehr paradoxe Art und Weise:
„In dem ästhetischen Zustand ist der Mensch also Null,
insofern man auf ein einzelnes Resultat, nicht auf das ganze Vermögen achtet
und den Mangel jeder besondern Determination in ihm in Betrachtung zieht. Daher
muß man denjenigen vollkommen Recht geben, welche das Schöne und die Stimmung,
in die es unser Gemüt versetzt, in Rücksicht auf Erkenntnis und Gesinnung für
völlig indifferent und unfruchtbar erklären. Sie haben vollkommen Recht: Denn
die Schönheit gibt schlechterdings kein einzelnes Resultat, weder für den
Verstand noch für den Willen, sie führt keinen einzelnen, weder intellektuellen
noch moralischen Zweck aus; sie findet keine einzige Wahrheit, hilft uns keine
einzige Pflicht erfüllen und ist, mit einem Wort, gleich ungeschickt, den
Charakter zu gründen und den Kopf aufzuklären. Durch die ästhetische Kultur
bleibt also der persönliche Wert eines Menschen oder seine Würde, insofern
diese nur von ihm selbst abhängen kann, noch völlig unbestimmt, und es ist
weiter nichts erreicht, als daß es ihm nunmehr von Natur wegen möglich gemacht
ist, aus sich selbst zu machen, was er will - daß ihm die Freiheit, zu sein,
was er sein soll, vollkommen zurückgegeben ist.“ [21. Brief]
Er sagt also, daß wir mit Schönheit allein eigentlich gar
nicht viel erreicht haben. Wir haben nichts entdeckt, wir haben keine einzige
Aufgabe wirklich erfüllt. Was meint Schiller also? Er sagt, daß die Schönheit
den eigentlichen, wirklichen Denkprozeß, den wir durchlaufen, freisetzt, aber
er sagt auch, daß der Mensch durch diesen Prozeß plötzlich in Freiheit gesetzt
wird, ein souverän denkendes Individuum zu werden, das nur nach seinem eigenen
Willen handelt. Denn die verschiedenen Triebe und die Spannung zwischen
ihnen sind mehr oder weniger verschwunden. Es gibt keine äußeren Kräfte mehr,
die auf einen wirken, sondern nur die reine Freiheit des eigenen Willens.
So beendet Schiller seinen Ästhetischen Brief, aus
denen ich das Zitat eben genommen habe:
„Es ist also nicht bloß poetisch erlaubt, sondern auch
philosophisch richtig, wenn man die Schönheit unsre zweite Schöpferin nennt. Denn,
ob sie uns gleich die Menschheit bloß möglich macht und es im übrigen unserm
freien Willen anheim stellt, in wie weit wir sie wirklich machen wollen, so hat
sie dieses ja mit unsrer ursprünglichen Schöpferin, der Natur, gemein, die uns
gleichfalls nichts weiter als das Vermögen zur Menschheit erteilte, den
Gebrauch desselben aber auf unsere eigene Willensbestimmung ankommen läßt.“
[21. Brief]
Es ist also nicht die Schönheit als solche, sondern
Schönheit ist eigentlich nur das Mittel, um uns frei zu machen und uns in die
Lage zu versetzen, das zu erreichen, was wir heute politisch tun müssen. Nutzen
wir die Schönheit, die klassische Kunst, die Musik, um die Arbeit zu tun, die
wir tun!
Kasia Kruczkowski: So kann selbst nur ein
flüchtiger Blick auf ein Stück klassischer Kunst, das ein Mensch schon vor
mehreren Jahrhunderten geschaffen hat, diese Willenskraft in uns entfachen. Je
mehr wir die Prinzipien und Ideen in klassischen Stücken studieren, je mehr wir
uns selbst näher kommen, desto mehr können wir uns von unserer beschränkten
Existenz lösen.
Damit perfektioniert das Universum sich durch die
Kreativität des Menschen. So, wie unsere Gedanken als Ideen im Individuum
wiederentdeckt und realisiert werden, was auch zum Wachstum in der Seele dieses
Individuums führt, so verändert sich auch das Universum. Es wächst im Bereich
der Prinzipien zu einer höheren Form der Existenz, und unsere Persönlichkeit
ist nur eine Fortführung des Werkes, das vor Generationen begonnen hat. Die Bedeutung
des Lebens eines Individuums ist daher nicht von der Zeitspanne zwischen dem
Tag der Geburt und dem Tag des Todes begrenzt. Was zur Perfektion des Ganzen
führt, was zum Fortschritt der Menschlichkeit beiträgt, gibt dem Individuum
Freude, denn das ist unsere menschliche Natur.
Friedrich Schiller beschreibt diese Förderung von
Vervollkommnung, Bedeutungsumfang, Erfahrung und Bewunderung des großen Planes
der Natur als Quelle der Hingabe und als eine momentane Persönlichkeits- und
Seinsänderung. Wenn wir also die ganze Schöpfung im Blick haben, dann ist
alles, was vor uns gelebt hat, alles, was mit uns lebt, und besonders alles,
was nach uns lebt, unser. Es ist das, was Herr LaRouche
als „Gleichzeitigkeit in der Ewigkeit“ bezeichnet. Die lange Kette von Ereignissen
von heute bis zurück zum Beginn der Menschheit greift ineinander wie Ursache
und Wirkung.
Vielleicht werden wir niemals mit der Magnetbahn von
Südafrika nach Peking fahren oder das Umweltmuseum sehen. Wir werden
wahrscheinlich nicht all die schönen Städte sehen, die überall in der Sahara
entstehen werden. Wir werden wahrscheinlich auch die erste Marsexpedition von
Simbabwe nicht erleben. Könnte es sein, daß wir noch nicht einmal am
endgültigen Triumph der Menschheit über das Britische Imperium teilnehmen
können?
Auch wenn wir uns in unserem kurzen Leben - verglichen mit
der gesamten Weltgeschichte - niemals an den Früchten unserer Existenz erfreuen
können, sind sie trotzdem unser. Unser Wille liegt darin, zu entscheiden, ob es
verwirklicht wird oder nicht. Wir werden mit ungeduldiger Leidenschaft zu
unserer Mission stehen und alles, was möglich ist, tun, um wenigstens einen
Pfad für diese Entwicklungen in der Zukunft zu bahnen und das Ideal der
Wahrheit, Schönheit und Freiheit in so viele Herzen wie möglich zu pflanzen.
Schiller war ein lebendiges Beispiel seines Werkes. Stellen
Sie sich nur vor, er hätte niemals gelebt oder etwas anderes mit seinen Leben
angestellt - dann wären wir immer noch Sklave von Kants traurigem Schatten.
Auch wenn Kant ein Deutscher war, so haben alle Europäer unter den Folgen
seines Lebenswerkes gelitten.
Schillers Hingabe für die nächste Generation befreite viele
Menschen überall auf der Welt von ihrem kurzsichtigen Denken und bewirkte eine
kulturelle Veränderung zum Besseren. Sein Lebenswerk wirkt noch heute und wird
es auch in Zukunft tun - wenn es Leute gibt, die es an die nächste
Generation weitergeben.
Schiller ist nur ein Beispiel. Jedes menschliche Wesen hat
ein solches Potential, d.h. jeder Mensch kann den gesamten geistigen Bereich
verbessern. Von uns wird heute gefordert, daß wir uns von bloßen Individuen zur
Gesamtheit der Menschheit erheben. Wir brauchen eine Gesellschaft, die der
jungen Generation wieder Ideale gibt, eine Gesellschaft, die selbst an Ideale und
Schönheit glaubt - selbst wenn nur ein Individuum Wahrheit und Schönheit
verbreitet, wie es Lyndon LaRouche durch sein Leben
bewiesen hat.
III. Keplers Methode der Entdeckung
Julien Lemaitre: Es
scheint so, als würde sich die Gesellschaft nicht dazu frei machen können, aus
der gegenwärtigen Krise herauszukommen, geschweige denn das Notwendige zu tun,
um die Mittel für unsere Existenz auch künftig zu reproduzieren. Aber wozu
sollten wir eigentlich frei sein - um was zu tun? Da es bereits eine Vielzahl politischer
Bewegungen, Theorien, Ansätze zur Wirtschaftswissenschaft, zur Sozialpolitik,
zu menschlichen Werten etc. gibt, ist es unsere Aufgabe, die gemeinsamen Fehler
all dieser verschiedenen sog. „Optionen“ aufzudecken, die uns angeboten werden.
Nur durch eine Veränderung der Weise, wie wir die Dinge betrachten, können wir
diese falschen Ansätze beseitigen - indem wir wieder wirklich zu denken
anfangen.
Einige Aspekte der gegenwärtigen Krise, vor der wir stehen,
ähneln den Problemen, mit denen der große Astronom und Denker Johannes Kepler
angesichts des Zustands der Astronomie zu seiner Zeit konfrontiert war. Denn in
der sehr schwierigen Zeit in Europa zu Beginn des 17. Jahrhunderts ähnelte der
Weg, wie die Menschen durch irrationale Festlegung auf eine bestimmte Religion
in die Falle ständiger Kriege tappten, dem generell praktizierten Ansatz in der
Wissenschaft und damit auch in der Astronomie. Inmitten dieses Durcheinanders
schilderte Kepler in seinem Buch Die Neue Astronomie sehr
deutlich, wie
er die wirkliche Umlaufbahn des Planeten Mars entdeckte - was Lyndon
LaRouche zum Eckstein des Kurrikulums der LaRouche-Jugendbewegung (LYM)
gemacht hat.
Zu jener Zeit lag die Herausforderung für einen Astronomen
darin, zu beschreiben, wie komplexe Bewegungen ablaufen und wie man diese
voraussagen könnte. Einige dieser Bewegungen erschienen tatsächlich ziemlich
seltsam, wie beispielsweise die rückläufige Bewegung des Mars, der im Vergleich
zu den nächtlichen Sternenkonstellationen eine Schleife zu ziehen schien.
Grafik: LYM
Die Modelle von Ptolemäus, Kopernikus und Tycho Brahe sagen
alle drei die Richtungen, in denen wir die Sonne und den Mars sehen,
gleichermaßen voraus. Aber sie alle haben den gleichen Fehler, daß sie
grundsätzlich von Kreisbahnen ausgehen.
In der Astronomie gab es zu Keplers Zeit drei
Hauptkontrahenten: Ptolemäus, Kopernikus und Tycho Brahe. Alle drei vertraten
unterschiedliche Modelle, die dasselbe absurde Phänomen beschrieben. Ptolemäus,
der im 2. Jahrhundert n.Chr. lebte, beschrieb den
Mechanismus, den jeder Planet und die Sonne braucht, um sich um eine
feststehende Erde zu drehen. Vierzehn Jahrhunderte später fand es Kopernikus -
in Anlehnung an Auffassungen aus der Zeit vor Ptolemäus - geeigneter, die Sonne
sehr nahe dem Zentrum des Universums zu platzieren
und die Mechanismen der Planetenbewegungen um sie herum anzuordnen. Brahe, mit
dem Kepler ein Jahr lang zusammenarbeitete, vertrat damals schon ein moderneres
Modell, indem er einen Konsens schloß und die Sonne sich um eine feststehende Erde
drehen ließ, während die Planeten um die bewegliche Sonne kreisten.
Die erste wichtige Arbeit Keplers ist seine Neue
Astronomie, worin er zeigt, daß die verschiedenen Modelle im Effekt immer
auf das gleiche absurde Phänomen hinauslaufen.
Hier sehen wir - ausgehend von den blauen Punkten, welche
die Erde darstellen, von der aus wir auf das Universum schauen -, daß die
Richtungen, in denen wir die Sonne und den Mars sehen, von den drei Modellen
gleichermaßen vorhergesagt werden. Und man kann anhand der roten Linie, welche
die Richtung bezeichnet, in der wir den Mars von der Erde aus sehen,
feststellen, daß diese Linie immer erst rückwärts läuft, bevor sie wieder
vorwärts läuft. Diese rückläufige Bewegung, über die wir schon gesprochen
haben, ist in allen drei Modellen sichtbar.
Keplers nächster Schritt bestand darin, zu zeigen, wie diese
drei verschiedenen Modelle dennoch gleichermaßen ungenau sind, wodurch er den
Weg für die neuen Hypothesen der Zukunft bahnte. Er nahm eine fundamentale
Veränderung vor, indem er die gesamte Natur der Annahmen anzweifelte, nicht nur
deren spezielle Form und Organisation. Er veränderte den Prozeß, der in den
Vorgängermodellen verwendet wurde. Denn sie alle gingen davon aus, daß sich die
Himmelskörper auf implizit schon existierenden Strukturen in Form einer
abstrakten und materiellen Mechanik bewegen, und stülpten dem physikalischen
Sein die Grenzen und ihre Bewegungen über. Dieser esoterische Glaube ist von
der gleichen Art, wie man sich heute vom Standpunkt des Geldes die Wirtschaft
vorstellt. Kepler hingegen ging davon aus, daß abstrakte, nicht-physikalische
Konzepte, wie beispielsweise ein Punkt, nicht für Wirkungen in der
physikalischen Welt verantwortlich gemacht werden können.
Es ist so, wie wenn man jemanden über den Umgang mit Geld
schwatzen hört - wie man es hier anlegt oder es gleichmäßig verteilt oder mit
Hilfe von Programmen automatisch seinen Umlauf einschränkt etc. Oft klingt es
so, als könne man mit perfekten Programmen in automatisierten Banken und
Märkten eine Wirtschaft betreiben, in der gar keine Menschen vorkommen. Aber es
ist noch nie etwas Produktives aus einem Banksafe hervorgegangen. Dieser Kult
des Geldes muß abgeschafft werden, wenn wir uns aus der gegenwärtigen Krise
herausentwickeln wollen. In unserer Sicht der Wirtschaft muß wieder die
menschliche Kreativität als generierender Faktor bei der Verbesserung der
Lebensbedingungen in unserer Gesellschaft die entscheidende Rolle spielen. In
der gleichen Weise begriff Kepler die Sonne als generierenden Faktor des
Sonnensystems und der Bewegung der Planeten.
Grafik: LYM
Tatsächlich bestimmt die vollständige Umlaufbahn eine
Gesamtfläche, und jede Zeiteinheit davon steht zueinander in Proportion; diese
so definierte Beziehung bestimmt die Bewegung des Planeten in jedem Bereich
seiner Umlaufbahn, mag dieser auch noch so klein sein. Diese physikalische
Betrachtung führte Kepler zu der Erkenntnis, daß der Kreis hierzu nicht die
Bedingungen erfüllte, und neue Untersuchungen erlaubten ihm den Schluß, daß nur
die Ellipse mit dem Erzeugungsprozeß der Umlaufbahn übereinstimmte, den er
eingeführt hatte.
Keplers Modell sieht die Sonne als erzeugenden Faktor, so
daß man die Sonne nicht einfach weglassen und den Rest der Maschinerie ablaufen
lassen kann, wie es in den anderen Modellen der Fall ist. Demzufolge
konzentrierte Kepler sich auf die natürliche Beziehung zwischen der Sonne und
den Planeten, in diesem Fall dem Planeten Mars, und darauf, eine Meßmethode
dafür zu finden. Er fand heraus, daß die Zeit des Umlaufs und die Fläche, die
der Planet dabei überstreicht, Teil des gleichen Prozesses sind und
proportional zusammenhängen.
Tatsächlich bestimmt die vollständige Umlaufbahn eine
Gesamtfläche, und jede Zeiteinheit davon steht zueinander in Proportion; diese
so definierte Beziehung bestimmt die Bewegung des Planeten in jedem Bereich
seiner Umlaufbahn, mag dieser auch noch so klein sein. Diese physikalische
Betrachtung führte Kepler zu der Erkenntnis, daß der Kreis hierzu nicht die
Bedingungen erfüllte, und neue Untersuchungen erlaubten ihm den Schluß, daß nur
die Ellipse mit dem Erzeugungsprozeß der Umlaufbahn übereinstimmte, den er
eingeführt hatte.
Damit war die Untersuchung einen großen Schritt
vorangekommen, aber es stellte sich auch eine ganze Reihe neuer Fragen.
Tatsächlich suchte Kepler nicht nur nach den Gründen für die Bewegungen der
Planeten, er suchte auch nach den Gründen für die Proportionen des
Sonnensystems als ganzem. Bis dahin bedeutete dies, daß man sich mit den
Relationen zwischen den Abständen der Planeten zur Sonne beschäftigte und die
Umlaufbahn kreisförmig annahm. Aber jetzt geht es um Ellipsen, von denen wir
eine unendliche Menge annehmen können. Die Frage ist, warum nur diese
besonderen Ellipsen existieren, die wir im Sonnensystem finden, und keine
anderen.
Alise Franck:
An dieser Stelle müssen wir uns etwas mehr mit der Frage der Proportionen
beschäftigen, und dazu kann uns mein Freund hier, mit dem ich viel arbeite,
gute Dienste leisten. Es ist kein Ungeheuer, sondern ein Monochord.
Um Proportionen im allgemeinen zu studieren, muß man zwei
Teile miteinander vergleichen. Der beste Weg hierzu ist, zwischen ihnen ein
gemeinsames Maß zu finden.
Hier kommt uns noch ein weiterer Freund zu Hilfe, der Kreis.
Wenn wir zum Beispiel in einen Kreis den Durchmesser einzeichnen, ergibt das
die Proportion 1/2. Bei einem Dreieck, das den Kreis in drei Teile teilt, haben
wir die Proportionen von 1/3. Bei einem Quadrat haben wir die Proportionen von
1/4. Ich weiß, daß das wahr ist, denn es handelt sich um regelmäßige Figuren.
Wenn ich z.B. einfach irgend etwas mit ungleichen Teilen zeichne, dann werde
ich niemals wissen, welche Art Proportion in meinem Kreis entsteht.
Wenn ich also zunächst mit wißbaren
Formen arbeite, kann man versuchen, diese mit dem Durchmesser zu vergleichen.
Das ist mehr oder weniger kompliziert, aber es kann hilfreich sein, ein Gefühl
für die Beziehung zwischen diesen Proportionen zu bekommen.
Noch etwas anderes sollte man sehen. Wenn ich nämlich einen
beliebigen Punkt auf dem Kreis nehme, werde ich nicht notwendigerweise
regelmäßige Formen erhalten. Also bezeichnet jede der regelmäßigen Figuren
einen einzigartigen Moment auf meinem Kreis. Sie sind wie Singularitäten.
Jetzt können wir den Fall annehmen, wo man nicht weiß,
welche Figur die Teilung einer Strecke bewirkt. Für ein solches Experiment habe
ich zwar keine Animation; die gibt es aber auf unserer amerikanischen LYM-Webseite. Man sieht darauf eine Länge sowie zwei
kürzere Längen. Die Frage ist, ob man nur vom Anschauen dieser Strecke sehen
kann, welche halb so lang ist wie die lange Linie.
Doch man kann diese Proportionen spielen, etwa so: (schlägt
eine Saite auf dem Monochord an). Kann man das
hören? Ich spiele zum Beispiel die längere Saite (spielt dieselbe Saite), und
jetzt spiele ich die kürzeste Seite. Jetzt spiele ich die zweitkürzeste Saite.
Es hat den Anschein, als würde ich die Hälfte meiner ersten Saite spielen (spielt
und singt die Noten; dann singt sie die Note der halben Saite und Julian singt
gleichzeitig die Note der ganzen Saite.) Wenn man wirklich genau eine
Hälfte der Saite spielt, hört man, daß beide gleich klingen. Das eröffnet eine
neue Welt der Proportionen innerhalb der Welt der Musik.
Wenn man dies zum ersten Mal hört, fühlt man nur, ob es gut
klingt oder nicht. In der Kreisgeometrie erkennt man das Potential, um die
genauen Proportionen zu entdecken, denn man sieht, welche Figuren die
Proportion erzeugt hat. Beim bloßen Klang denkt man wahrscheinlich nur, ob es
so etwa konsonant klingt oder nicht. Wir sollten nun
sehen, wie diese regelmäßige Aufteilung des Kreises sich anhört. Ich werde es
einmal schnell spielen:
Hier die erste lange Saite; (spielt alle Beispiele durch),
hier das Quadrat, das Dreieck und die Hälfte. Leider läßt es sich akustisch
nicht gut hören, aber wir haben eine Animation, um es zu zeigen.
Grafik: LYM
Wenn man in einen Kreis den Durchmesser einzeichnet, ergibt
das die Proportion 1/2. Bei einem Dreieck, das den Kreis in drei Teile teilt,
erhält man die Proportionen von 1/3. Bei einem Quadrat haben wir die
Proportionen von 1/4. Man kann diese Proportionen hören: Wenn man wirklich
genau eine Hälfte einer Saite spielt, hört man, daß beide gleich klingen. Das
eröffnet eine neue Welt der Proportionen innerhalb der Welt der Musik.
[Aus dem LYM-Video „Musik, von
der die Pythagoräer annahmen, sie sei die dem
Universum zugrunde liegende Struktur...“, das Cello spielt eine Sequenz.]
Das gibt Ihnen eine Idee, woran Kepler in seiner Weltharmonik
gearbeitet hat, dem Nachfolgebuch der Neuen Astronomie, über das Julian
gesprochen hat. Kepler entdeckte immer mehr über die musikalischen Tonleitern
als wißbare Proportionen. Offenbar klingt Wißbarkeit im Kreis konsonant,
aber vielleicht erkennen wir auch, daß sie konsonant
ist, weil wir sie wissen können. Interessant ist auch, daß nicht wißbare, aber regelmäßige Formen, die sich konstruieren
lassen, Ambiguitäten wie Dissonanzen provozieren. Ich
sage das nur, weil Kepler nicht nur regelmäßige Formen verwendet, d.h. alles
ist ein bißchen komplizierter. Aber so hat er die Konsonanzen studiert.
Was ist also eine Tonleiter? Sie werden wahrscheinlich schon
mal eine gehört haben (singt die C-Dur Tonleiter). Man hört sie überall
in Schulen, in Musikschulen, und man hat sie einfach im Ohr. Tatsächlich sind
Tonleitern aber eine wahre Entdeckung davon, wie der physikalische Raum
organisiert ist, und jeder Teil einer Tonleiter steht in Übereinstimmung mit
dem Ganzen, und Teile innerhalb der Tonleiter sind untereinander konsonant.
Ich möchte das einmal auf andere Art und Weise darstellen,
und dafür brauche ich jemandes Hilfe. (Elodie
singt erst do-re, dann die C-Dur-Tonleiter, Alise gleichzeitig die C-Dur-Tonleiter, so daß ihr Lauf um
Terzen gegeneinander versetzt ist.
So kann man auch eine Tonleiter hören. Wie man hört, gibt es
nur wenige Noten auf sehr begrenztem Raum. Es gibt also physikalischen Grenzen,
und deshalb spreche ich vom physikalischen Raum. Allerdings gibt es eine unendliche
Menge wißbarer Formen, oder unendliche Möglichkeiten,
die Saite zu teilen, aber die Übereinstimmung zwischen den Singularitäten in
der Geometrie und den Konsonanzen gibt uns die Möglichkeit, eine Gruppe von
Proportionen zu bilden, die untereinander harmonisch sind, und das nennen wir
eine Tonleiter.
Trotz aller Informationen, die uns von unserer sinnlichen
Wahrnehmung gegeben werden, wissen wir immer noch nicht, woher die Proportionen
kommen, warum es diese Singularitäten und diese Ellipsen gibt, und warum uns
etwas sagt, ob wir es mit einer Harmonie zu tun haben oder nicht. An diesem
Punkt fing Kepler an, über die wahre Natur der menschlichen Seele zu sprechen.
Versuchen Sie sich jetzt einmal zwei Minuten lang
vorzustellen, Sie wären Aristoteles und meinten, die menschliche Seele sei nur
ein leeres Blatt, jeder Mensch sei leer geboren. Sie schauen leer auf die
Welt... und Sie schauen auf die Sonne, die sich um uns dreht, und Sie glauben
tatsächlich, daß sich die Sonne um die Erde dreht - natürlich.
Doch Kepler machte seine Entdeckungen nicht auf diesem Weg,
denn er denkt wie Platon, er glaubt an die Wahrheit. Das bedeutet, die Welt ist
in einer Weise organisiert, daß sie uns an etwas erinnert und uns das Gefühl
gibt, entdecken zu können, wie sie funktioniert. So empfinden wir musikalische
Harmonien, weil wir sie kennen! Also bedeutet das Studium musikalischer
Harmonien in gewisser Weise, unsere Seele zu studieren. Das ist der erste
Schritt.
Kepler geht noch weiter. Denn wenn man mit der Tonleiter zu
spielen beginnt, entdeckt man, daß es eine unendliche Zahl von
Kombinationsmöglichkeiten zwischen den Noten und Intervallen gibt. Ich
brauche Elodie noch einmal dafür - es ist eine Überraschung für
sie. (Sie singen zwei Stimmen aus „Jesu meine Freude“ auf „no“) Leider
klingt das zu tief, aber so sind die Intervalle auf der Tonleiter kombiniert.
Wenn man in dieser Richtung weiterforscht, erlebt man die Geburt der
Polyphonie. Und wir fragen uns: Bedeutet das, daß das Universum polyphon ist?
Darauf kann ich nur antworten: Ja, natürlich.
Aber Sie sollten Keplers Buch lesen, dann sehen Sie es
selbst. Man kann jedenfalls sagen, daß das Universum dazu organisiert ist,
Polyphonie zu erzeugen. Aber man wird nie eine harmonische Melodie aus heiterem
Himmel hören, so wie einem ein Apfel auf den Kopf fällt. Polyphonie existiert
nur mit Hilfe menschlicher Einflußnahme, und das ist die Rolle klassischer
Komponisten. Sie berühren unsere Seele, so wie es Schubert bei der Aufführung
heute morgen gelang. Sie folgen Prinzipien, die auch in jedem von uns vorhanden
sind. Sie sind dazu in der Lage, weil sie trotz jener physikalischen
Begrenzungen die Gesetzmäßigkeiten innerhalb der Tonleiter verstehen. Ein
Komponist wie Bach kann ausdrücken, was er empfindet - Freude oder Furcht
-, dank der Verbindung zwischen seinen Gefühlen und seiner Vernunft, genau
worüber Kasia und Petra gesprochen haben.
Woher weiß man aber, daß Bach wirklich diesen Gesetzen
folgend komponiert hat? Man weiß es durch die Schönheit. Man weiß, daß es wahr
ist, weil es schön ist. Wenn Kepler die Erzeugung von Proportionen und die
Harmonie zwischen den Proportionen studiert, wie bei unserer Ellipse, dann
erkennt er, daß er ein Fenster zur wahren Natur des menschlichen Geistes
öffnet. Zur gleichen Zeit öffnet er ein Fenster, das ihm zeigt, wie das
Universum organisiert ist.
Keplers wahre Entdeckung liegt meines Erachtens darin, daß
es keinen wirklichen Unterschied gibt zwischen einer Seele und dem Universum,
und diese Entdeckung macht ihn sehr optimistisch für die Menschheit. In seinem
Buch drückt er seine Überzeugung aus, daß wir in der besten, in der schönsten
aller Welten leben können. Der Schöpfer habe dieses Potential in unseren Geist
gelegt hat und unseren Kopf auf unseren Körper gesetzt. Kepler beschreibt das
in einer kurzen Passage, die meine Lieblingspassage ist. Er sagt: „Das
Potential dieses äußerst schönen Universums liegt in uns.“ Er sagt, Gott habe
das getan, um sicher zu gehen, daß jeder sich selbst regiert, bewegt, wächst
und sich vermehrt.
Auf diese Art und Weise muß sich menschliche Kreativität
ausdrücken.
IV. Das Prinzip der klassischen Komposition in „Jesu meine
Freude“
Elodie Viennot: Zunächst müssen wir in die Zukunft gehen
und uns den Tag vorstellen, an dem LaRouches
Vorschläge für ein neues Bretton Woods und die
Eurasische Landbrücke von den Regierungen gerade angenommen wurden und
offizielle Politik geworden sind. Wir sehen in die Augen eines nigerianischen
Bauern, der zum ersten Mal in seinem Leben genügend Wasser sieht, um seine Felder
zu bewässern. Wir sehen in die Augen eines Kindes in Zentralchina, das zum
ersten Mal die Wunder der Elektrizität kennen lernt.
Was sehen wir? Ist Infrastruktur etwas, das nur unseren
physischen Zustand verändert? Oder erhebt sie in Wirklichkeit unsere Seele,
damit wir die früheren Grenzen sehen, von denen wir annahmen, sie seien
unüberwindlich? Und können wir uns jetzt das vorstellen, was bisher
unvorstellbar, undenkbar war?
Kepler stellte sich dem Undenkbaren und war glücklich dabei.
Er entdeckte, daß das Sonnensystem mit Prinzipien erschaffen worden war, die
den Menschen verständlich und schön erscheinen würden. Er sagte: „Ich will, daß
jeder davon weiß. Jeder muß wissen, daß der Schöpfer uns liebt. Das sind große
Neuigkeiten!“
Wenn wir in Keplers Fußspuren studieren, entdecken wir genau
das gleiche. Wir finden eine Welt vor, die so frei und veränderbar ist, so
sorgfältig regiert von einem gemeinsamen, allgemeinen Prinzip, daß es für alle
Teile gleichermaßen gilt und jedes, so sehr es sich auch von den anderen
unterscheiden mag, unersetzlich ist. Wenn wir Musik hören, wie das
Schubert-Trio heute morgen oder das Chorstück gestern morgen, dann sehen wir
ein Universum im Kleinen, das ebenso frei veränderbar wie sorgfältig abgegrenzt
ist durch ein gemeinsames Prinzip, welches verständlich und schön ist - genau
so, wie Kepler das Sonnensystem des Universums vorgefunden hat. Kann das
wirklich sein? Ja. Denn wenn wir die Schöpfung betrachten, wenn wir den
Schöpfer zu betrachten versuchen, schauen wir in einen Spiegel.
Das bedeutet, daß die Menschheit dazu in der Lage ist,
dieselbe antientropische Entwicklung zu erschaffen
wie die, die wir auf der Erde sehen. Hier entstand Leben, wo vorher keines war.
Dann entstand die menschliche Vernunft, wo vorher keine war. Die Musik hält uns
den Spiegel vor. Was die Elektrizität für das chinesische Kind ist oder das
Wasser für den nigerianischen Bauern, ist die Musik für die Menschen. Wir
können uns nicht nur daran erfreuen, sie verändert auch die Art, wie wir denken
- über alles. Musik, wie die Musik Bachs, ist die moralische Infrastruktur der
Gesellschaft.
Jeder Wirtschaftswissenschaftler sollte „Jesu meine Freude“
studieren. Denn in den letzten 40 Jahren, die uns die Katastrophe beschert
haben, über die wir in den letzten zwei Tagen gesprochen haben, wurde genau
diese Idee zurückgewiesen. Freihandel oder Marxismus genauso wie die meiste
moderne Musik, die wir heute kennen, behandeln menschliche Wesen wie geistig
Tote. Demnach sind wir nur wandelnde Leichen. Und alles, was wir tun können,
ist, diese zu steuern: Wir können die Arbeitslosigkeit steuern, wir können die
Ressourcen steuern oder wir können ihre Anzahl steuern.
In der Musik steuern wir ihre Gefühle. Deshalb heißt es
klassische De-Komposition.
Was wir gestern gesungen haben, ist ein Beispiel dieses
Spiegels. Er hat eine Geschichte. Lyn hat der LaRouche-Jugendbewegung vor einiger Zeit die
Herausforderung gestellt, ob wir wirklich dazu bereit sind, die Aufgabe zu
übernehmen, die Welt wieder aufzubauen; die Arbeit an „Jesu meine Freude“ wäre
ein wichtiger Eckstein beim Wiederaufbau der Welt.
Das Stück selbst stammt aus dem Schrecken des
Dreißigjährigen Krieges zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Europa, der vom
Westfälischen Frieden beendet wurde - ein Frieden, der von der Einstellung
inspiriert war, daß „ich den Vorteil des anderen vor meinen eigenen Vorteil
stelle“.
Der Bürgermeister einer kleinen Stadt in der Nähe Berlins
feierte gerade seinen 30. Geburtstag, als der Frieden geschlossen wurde. Zwei
Jahre später schrieb er das Gedicht, das als „Jesu meine Freude“ bekannt wurde,
mit dem er sich an seine Mitbürger wandte, die mit dem Westfälischen Frieden
nicht notwendigerweise ihre Gefühle und Absichten veränderten. Er rief ihnen
zu: „Tappt nicht in die Falle, in die Versuchung von Wut, von Rache, von Haß.
Auch wenn Leute versuchen, euch lächerlich zu machen, euch zu beleidigen, euch
zu bedrohen, euch zu brutalisieren, werdet ihr weiter lieben und völlig
unbeeindruckt über all dem stehen. Tut ihr das nicht, dann werdet ihr zurückfallen
in die Schrecken des Krieges.“
Das Gedicht hat sechs Teile. Im dritten Teil drückt er die
Veränderung, über die er redet, sehr deutlich aus:
Trotz dem alten Drachen,
trotz des Todes Rachen,
trotz der Furcht darzu!
Tobe, Welt, und springe;
ich steh hier und singe
in gar sichrer Ruh!
Gottes Macht hält mich in acht;
Erd und Macht muß verstummen,
ob sie noch so brummen.
Nur drei Jahre später wurde der Musikdirektor einer
wichtigen Kirche in Berlin darauf aufmerksam, und er sagte: „Ich will, daß meine
Leute darüber nachdenken. Und sie sollen diese Ideen auch lernen.“ Er
komponierte eine Melodie dafür, die ursprüngliche Melodie, die zu jeder der
sechs Strophen gesungen wurde. (Musikbeispiel: zwei Stimmen singen „Trotz“)
Das war also das Original, das sich über ganz Deutschland
verbreitete. Fast ein Jahrhundert später kommt Bach, damals Musikdirektor in
Leipzig, und überarbeitet diese Volksweise. Können wir den ersten Satz von
„Trotz“ hören? (Musikbeispiel mit dem Chor von Bachs „Trotz“).
Sie erinnern sich, wie im Vergleich dazu das Original klang?
Hören wir den zweiten Satz. (Musikbeispiel mit dem Chor)
Die Frage ist, was passiert dazwischen? Wir werden den
spezifischen Teil, den wir uns anschauen wollen, noch einmal singen: „Ich steh
hier und singe.“ Bei dem Teil „Ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh!“
möchten wir genauer hören, wie das „Ich stehe hier“ klingt. [Musikbeispiel
mit Steve Kramer (Dänemark), Cello, Kwame Cole
(Jamaika), Violine]
War da etwas falsch? Sind die Instrumente falsch gestimmt?
Nein: Das steht so auf dem Notenblatt. Das hat Bach so komponiert, und das
haben wir gesungen.
Hat sich das so angehört, wie sie es gespielt haben? Nein!
Aber wir haben genau das gesungen, was sie gespielt haben. Was ist passiert?
Warum klang es beim Singen nicht häßlich? Was hat Bach fertig gebracht? Oder
was macht unser Geist?
Tatsächlich zeigt Bach uns, was grundlegende Veränderung
bedeutet, denn auch in dem Gedicht kommt es an dieser Stelle zu einer
grundlegenden Veränderung, und eine grundlegende Veränderung kann niemals auf
der Basis dessen weitergehen, was vorher war.
Bach wirft uns von unserem vertrauten und bequemen Sofa
herunter. Das kann sehr schmerzlich sein!
Aber deshalb sind der erste Teil in Bachs Vertonung und der
letzte Teil, obwohl beide die exakt gleichen Noten aufweisen, doch nicht
gleich, wenn wir sie singen - wegen der Veränderung, die zwischen den beiden
stattfindet. Die ersten Worte sind: „Jesu meine Freude“ und die letzten Worte
sind: „Jesu meine Freude“. Was unterscheidet sie voneinander?
Es gibt keine Veränderung, die nur eine Weiterführung ist -
wie zum Beispiel ein Neues Bretton Woods mit
Windmühlen. Oder wenn jemand sagt: „Ich höre Bach... aber ich rauche immer noch
mein Pott, wenn ich ihn höre.“ Oder: „Ich spiele immer noch Videospiele,
während ich ,Jesu meine Freude’ höre.“
Die Frage ist, wie kann eine so grundlegende und
vollständige Veränderung geschehen? Was ist das für ein Prinzip, das die
Menschen dazu befähigt, eine vollständige Metamorphose durchzumachen? Was kann uns
dazu befähigen? Was ist die Quelle der Leidenschaft, die wir aufbringen müssen,
um den Kampf für große Veränderungen in dieser Welt zu gewinnen?
An diesem Punkt ist Bach ein wahrhaftes, liebendes Genie: Er
fügt in diese Hymne einen ausführlichen Teil eines Briefes ein, den der Apostel
Paulus an seine römischen Freunde geschrieben hat. Dort heißt es:
„So gibt es nun keine Verdammnis
für die, die in Christus Jesus sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem
Geist. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat
dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes...
Wenn nun der Geist dessen, der
Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von
den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch
seinen Geist, der in euch wohnt.“
Genau das meinen wir, wenn wir
über Agape, die Liebe zur Menschheit, sprechen. Das
machte den Westfälischen Frieden möglich. Das kann ein Neues Bretton Woods möglich machen, das kann den Traum wahr
werden lassen, daß im Jahr 2059, in 50 Jahren, in Afrika 1000 von weltweit
15000 Atomkraftwerken stehen. Dieses Prinzip kann Menschen bewegen, die
richtigen Entscheidungen zu treffen, so wie Präsident Obama
jetzt die richtigen Entscheidungen treffen muß. Wenn wir mit Drohungen, Gespött
und Beleidigungen überhäuft werden, reagieren wir mit einem Witz und bleiben
unbeeindruckt, weil wir wissen, daß wir nicht auf den Moment beschränkt sind.
Bach komponierte diese Motette
für eine Beerdigung und erinnert uns damit daran, was es bedeutet, wirklich zu
leben. Unsere Natur besteht nicht aus dem fleischlichen Körper, sie ist nicht
gefangen in einem Käfig der Sterblichkeit. Er sagt uns: Nein! Eure wahre Natur
ist euer Geist, und dieser wird ewig leben - vorausgesetzt, wir nehmen den Teil
der Unsterblichkeit auf uns, den die Universalgeschichte für uns bestimmt ist -
jenes Jahr 2009, in dem sich der Weltzivilisation die Möglichkeit bot, einem
langen, furchtbaren finsteren Zeitalter zu entgehen. Eine Handvoll
kämpferischer, freudiger Seelen hat diese Chance ergriffen, um sich in die
große Kette menschlicher Ereignisse einzureihen, die für immer nachhallen wird
als Rechtfertigung für all die Kämpfe, die vor ihr stattgefunden haben, und all
die wunderbaren Entwicklungen, die danach geschehen werden.
Wie groß ist unsere Chance, zu gewinnen?
Genauso klein wie die Chance,
daß ein blindes und taubes Kind die höchste Beziehung zur Welt und zu anderen
menschlichen Wesen entwickeln würde - so wie Helen Keller.
Genau so groß wie die Chance,
daß ein kleiner Mensch auf einer sich bewegenden Erde die Prinzipien des ganzen
Sonnensystems entdeckt - wie Kepler.
Unsere Chance ist genauso klein
wie die Chance, daß ein einzelner Mensch Prinzipien der Schönheit entdecken
würde, die fähig wären, jeden einzelnen Menschen zu inspirieren - so wie es Bach tat.
Unsere Chance zu gewinnen, ist
genauso klein wie die Chance, daß Leben auf der Erde entstände - und es entstand.
Das, was die kleinste Chance
hatte, erweist sich als die wahre Natur des Universums. Um die unvermutete, die
undenkbare, die unvorstellbare Natur des Universums und von uns als Menschheit
zu feiern, möchten wir den letzten Redner einladen, unsere Konferenz zu
beschließen: Johann Sebastian Bach.
(Es folgte die Aufführung von
„Jesu meine Freude“ durch den Chor der LaRouche-Jugendbewegung.)
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