Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller




Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

     Konferenz in Flörsheim, November 2012   

Theodore Katsanevas
Professor für Ökonomie an der Universität von Piräus, Griechenland, und ehemaliger Abgeordneter des griechischen Parlaments.
 

Schriftlicher Beitrag


Die Lösung für Griechenland

Immer mehr belastende Maßnahmen werden Griechenland auferlegt, trotz des Scheiterns der ursprünglichen Austeritätspolitik, die man nach der Weltkrise von 2008-09 einführte. Das Land steht vor einer endlosen Depression, die nur noch mehr Depression erzeugt, zu einer gewaltigen Arbeitslosigkeit und verbreiteter Armut führt und die Hoffnung auf Entwicklung erstickt. Es stellt sich eine einfache Frage: Warum sind wir in die Eurozone eingetreten, wenn nicht, damit um die griechische Wirtschaft zu verbessern? Aber das Gegenteil ist geschehen. Niemals in der Nachkriegszeit, als wir mit unserer eigenen Währung, der Drachme, lebten, haben wir eine solche Katastrophe gesehen, wie wir sie jetzt erleben.

Der Euro erstickt die regionale Wirtschaft

Unser Eintritt in die Eurozone 2002 hat - zusammen mit dem Mißmanagement unserer Regierung in den letzten 15 Jahren, das müssen wir zugeben - unsere Volkswirtschaft in Schutt und Asche gelegt. Und heute verlieren wir jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Wirtschaft ist in einen Strudel der Rezession gestürzt, der zu einem weiteren Rückgang des einheimischen Verbrauchs führt, die Steuerbasis reduziert und die Entwicklungsmöglichkeiten beseitigt. Importierte Waren aus konkurrierenden Volkswirtschaften, die international mit schwächeren Währungen handeln, bleiben weiterhin billiger, teils sogar viel billiger als unsere eigenen.

Der Schwerpunkt der regionalen Wirtschaft Griechenlands auf Tourismus und Landwirtschaft erforderte arbeitsintensive Produktionsprozesse. Die Arbeitskosten lassen sich nicht unter ein gewisses Maß drücken, so daß die Produktionskosten insgesamt genauso niedrig oder geringer würden als die unserer Konkurrenten. Ein Zimmer in einem griechischen Hotel kostet doppelt soviel wie bei unseren Konkurrenten in der Türkei, in Ägypten, Bulgarien, Rumänien oder Ungarn. Und nicht nur das: Unsere Oliven, Orangen, Zitronen, Pfirsiche, Kirschen, die jetzt von den Bäumen fallen und verrotten, werden durch billigere Importe aus dem weit entfernten Argentinien, Marokko, Ägypten etc. verdrängt.

Ist die Wirtschaft dumm? Natürlich nicht. Die „cleveren“ Holländer, und nicht nur sie, importieren ebenfalls billige Agrarprodukte von außerhalb der Eurozone, erklären sie zu „europäischen“ Produkten und reexportieren sie an die „dummen Griechen“. Die Kosten von Düngemitteln, die von einem Oligopol von Firmen in Nordeuropa hergestellt werden, haben sich für die Griechen mehr als verdoppelt, was beträchtliche Konsequenzen für die Produktionskosten hat. Griechenland hat in den letzten zehn Jahren Waffen für fast 90 Mrd. Euro aus dem Westen importiert, was fast unserem ursprünglichen Defizit entspricht. Die Türkei, ein Kandidat für den Beitritt zur Europäischen Union, bedroht weiter unmittelbar die territoriale Integrität Griechenlands und Zyperns und zwingt uns so, den weltweit nach den USA größten Teil unseres BIP für Waffen auszugeben. Das gleiche Land bombardiert uns jährlich mit 200.000 illegalen Einwanderern, während unsere eigenen Kinder ins Ausland fliehen, mit tragischen Konsequenzen für unsere Wirtschaft und unsere nationale Existenz.

Euro ist auf Deutschland zugeschnitten

Der Maßanzug des Euro ist so zugeschnitten, daß er zu den Maßnahmen der nordeuropäischen Länder paßt, die das Oligopol für kapitalintensive Produkte, Hochtechnologie und Innovationen haben. Die Kosten dieser Produkte können stark gesenkt werden und die Profitmargen sind sehr groß. Auf diese Weise erlaubt es der harte Euro Deutschland und unseren nordeuropäischen Verbündeten, große Devisenüberschüsse zu erwirtschaften und auch mit den ebenso großen Zinsdifferenzen zu spekulieren.

Bei der Untersuchung der Wirkung der Eurozone auf mehrere Länder stellten wir etwas Erstaunliches fest: Der Verlauf der Entwicklung in Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Irland machte vor dem Beitritt zum Euro 1999-2002 gute Fortschritte, fiel dann aber bereits kurze Zeit später ab. Das gleiche gilt mehr oder weniger auch für andere Länder der Eurozone, insbesondere für Zypern, Slowenien, die Slowakei, Estland und Belgien, während Länder außerhalb der Eurozone, wie Großbritannien, Dänemark, Schweden, die Tschechische Republik sowie Bulgarien, Ungarn, Polen und Rumänien ein stetiges Wachstum verzeichneten, mit einem teilweisen Rückgang nach dem Beginn der Krise 2009.

Länder außerhalb der EU wie Norwegen, Serbien und die Türkei widerstanden der Krise ebenso wie Rußland und andere. Argentinien entwickelt sich seit der Abkopplung seiner Währung vom Dollar exponentiell, ganz zu schweigen vom beeindruckenden wirtschaftlichen Aufschwung Chinas, vor allem aufgrund des weichen Yuan.

Seien wir realistisch. Unsere Partner bestehen darauf, daß Griechenland in der Eurozone bleibt, weil sie Angst haben, daß der „Grexit“ eine gefährliche Dominowirkung hätte. Aber wenn unsere Volkswirtschaft weiter in einer wirtschaftlichen Paralyse bleibt, gibt es keine Hoffnung. Unsere schwache Wettbewerbsfähigkeit und das derzeitige Schrumpfen unserer einheimischen Produktion und unseres Verbrauchs führen uns in einen Teufelskreis der Zahlungsunfähigkeit und der Notwendigkeit immer neuer Kredite. Und im Lauf der Zeit wird das zu einer Belastung für alle - auch für unsere Gläubiger. Es ist wahr, der Ausstieg aus dem Euro wird für ein Land wie Griechenland zunächst schmerzhaft sein, doch wir erleben schon jetzt schmerzhafte Stunden, aber ohne jede Hoffnung für morgen.

Was ist zu tun?

So wie die Dinge liegen, ist die Lösung eindeutig ein kontrollierter Bankrott, durch den die Schulden insgesamt um etwa 50% reduziert werden, mit einer Gnadenfrist von zwei Jahren vor dem Beginn der Rückzahlung der verbleibenden 50% und einer Verlängerung des Rückzahlungszeitraums. Und vor allem der Austritt aus dem Euro, ohne aus der Europäischen Union auszutreten. Die Neue Drachme könnte zunächst um 50% abgewertet werden und dann einem rationalen Wechselkurs folgen, der an einen Währungskorb gebunden ist, in dem der Euro, der Dollar und andere schwache Währungen unserer Konkurrenten enthalten sind. Eine andere Lösung wäre die Schaffung eines zweiten Euro für die Peripherieländer.

Jedenfalls sind die tragische Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Selbstmorde, die verbreiteten Unternehmensschließungen, die extremen Kürzungen von Löhnen und Renten, die Entlassung der Staatsbediensteten im Alter zwischen 50 und 55 Jahren, wenn sie keine Arbeit mehr im privaten Sektor finden können, der Absturz vieler Menschen in völlige Armut und anderes nicht nur unmenschlich, sondern auch offensichtlich unwirtschaftlich und politisch gefährlich. Sie führen zu einem starken Rückgang der Binnennachfrage und zu weitverbreiteten sozialen Unruhen mit tragischen wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen.

Es ist zweifellos dringend notwendig, die Staatsausgaben zu kürzen, die öffentlichen Verwaltungen, die Rentenversicherung und die Gesundheitsversorgung zu modernisieren, die Korruption, Straflosigkeit und Bürokratie zu bekämpfen und die Steuerhinterziehung zu reduzieren. Für eine aktive Entwicklungspolitik ist es auch notwendig, gesunde industrielle und produktive Einheiten zu unterstützen und strategische Sektoren der Wirtschaft zu fördern - alternative Energien, die Förderung von Öl, Gas und Mineralstoffen, den Qualitäts- und Seetourismus, wettbewerbsfähige und/oder alternative Agrarprodukte, Aquakultur, Lebensmittelindustrie und Düngemittel, neue Technologien, Forschung und Innovation. Aber für all das sollte das Land von den besten menschlichen Kräften mit einem Gefühl für Fairneß effizient, kompetent und ehrlich geführt werden, statt von den schlechtesten. Und das ist ein Punkt, wo uns unsere europäischen Partner ihren nützlichen Rat und Hilfe geben können.