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  Juli 2008 Journal (Texte)

Resolution zur weltweiten Krise

Im Geiste der Beratungen bei einem internationalen EIR-Seminar am 26. Juli, 2008 in Wiesbaden, an dem Parlamentarier, Ökonomen und Rechtsexperten aus Frankreich, Italien, Dänemark, Schweden, Österreich, USA, Niger, Zimbabwe, Jordanien und Deutschland teilnahmen, veröffentlichte die Präsidentin des Schiller-Instituts die folgende Resolution, die international zirkulieren und Unterstützung finden soll.

An alle Nationen der Vereinten Nationen und die Präsidentschaftskandidaten im amerikanischen Wahlkampf.

 „Wir halten die nachfolgenden Wahrheiten für selbstverständlich und keines Beweises bedürfend, nämlich: daß alle Menschen gleich geboren sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt sind; daß zu diesen das Leben, die Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören; daß, um diese Rechte zu sichern, Regierungen eingesetzt werden müssen, deren volle Gewalten auf der Zustimmung der Regierten beruht; daß zu jeder Zeit, wenn irgendeine Regierungsform zerstörend auf diese Endzwecke einwirkt, das Volk das Recht hat, jene zu ändern oder abzuschaffen, eine neue Regierung einzusetzen, und diese auf solche Grundsätze zu gründen und deren Gewalten in solcher Form zu ordnen, wie es ihm zu seiner Sicherheit und seinem Glück am zweckmäßigsten scheint...“, so lautet es in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776.

Und  Martin Luther King erinnerte die Welt am 28. August 1963 in seiner berühmten Rede Ich habe einen Traum: „Als die Architekten unserer Republik die grandiosen Worte der Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung schrieben, unterzeichneten sie einen Schuldschein, dessen Erbe jeder Amerikaner sein sollte. Dieser Schuldschein war ein Versprechen, daß allen Menschen - ja, schwarzen Menschen wie auch weißen Menschen - die unveräußerlichen Rechte von Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück garantiert wären. Es ist heute offensichtlich, daß Amerika diesen Schuldschein nicht eingelöst hat, und zwar in Hinsicht auf seine farbigen Bürger.“

Aber die amerikanische Revolution und die Errichtung einer Republik in der Neuen Welt war nicht nur ein „Leuchtturm der Hoffnung und Tempel der Freiheit“ in Amerika selbst, sondern sie repräsentierte für die ganze Welt die Perspektive einer Zukunft, in der eventuell Imperialismus und Kolonialismus überwunden sein würden. Das Programm von John Quincy Adams, einer internationalen Prinzipiengemeinschaft von vollständig souveränen Republiken, die aber dennoch durch die gemeinsamen Ziele der Menschheit verbunden sein würden, war die noble Ausführung der Idee des Völkerrechts, wie es beim Westfälischen Frieden konstituiert worden war. Es ist leider  heute offensichtlich, daß Amerika dieses Versprechen in den letzten Jahren ebensowenig für die Völkergemeinschaft eingehalten hat, wie King dies für die farbige Bevölkerung seiner Zeit beklagte. Aber es bietet sich jetzt mit dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf eine einzigartige Chance, aber vielleicht auch die letzte Gelegenheit, die Ideale der amerikanischen Revolution, von John Quincy Adams, Abraham Lincoln, Franklin Roosevelt und Martin Luther King mit neuem Leben zu erfüllen.

Noch nie in ihrer gesamten Geschichte ist die Menschheit von größeren Gefahren bedroht gewesen, als eben jetzt. Wir erleben derzeit die Endphase eines systemischen Zusammenbruchs des globalen Finanzsystems, dessen hyperinflationäre Auswirkung  bereits zu Hungeraufständen in mehr als vierzig Nationen geführt hat und den Lebensstandard eines Großteils der Bevölkerung auch in den so genannten Industrienationen massiv bedroht. Das mit der Globalisierung assoziierte System des ungezügelten Freihandels ist gescheitert und droht die Welt in ein Chaos zu stürzen, das das Leben von vielen Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen bedroht.

Während in den fünfziger und sechziger Jahren noch die Idee der UN-Entwicklungsdekaden vorherrschte, d.h. die Perspektive, daß die Unterentwicklung der Entwicklungsländer in jedem Jahrzehnt Schritt für Schritt überwunden würde, bis möglichst bald das Niveau der  Industrienationen erreicht sein würde, setzte etwa Mitte der sechziger Jahre ein Paradigmenwandel ein, bei dem nicht mehr von Überwindung der Unterentwicklung durch den Aufbau von Infrastruktur, Industrie und Landwirtschaft, sondern von „Überbevölkerung“, „angepaßter Technologie“ und „nachhaltiger Entwicklung“ die Rede war. Anstatt Ernten für die Versorgung der eigenen Bevölkerung zu produzieren, sollten die Entwicklungsländer mehr und mehr sogenannte „cashscrops“ für den Export produzieren, um so ihre Auslandsschulden bezahlen zu können, die durch die berüchtigten Konditionalitäten des IWF ständig vermehrt wurden.

In den Industrienationen führte dieser Paradigmenwandel immer mehr weg von der Produktion hin zur Spekulation. In Europa hatte er die Form, daß die bisherige Zusammenarbeit zwischen souveränen Nationalstaaten in einen von einer supranationalen Bürokratie in Brüssel gesteuerten Alptraum des Freihandels verwandelt wurde, während den Regierungen unter dem Regime der Maastricht-Lissabon-Verträge, für dessen Abschaffung patriotische Kräfte in ganz Europa kämpfen, die Hände gebunden wurden. Durch das sogenannte „Outsourcing“ in Billigproduktionsländer wurden der produktive Mittelstand und hochqualifizierte Arbeitsplätze in den Industrienationen vielerorts zerstört, während die realen Einnahmen in den Billigproduktionsländern nicht einmal die realen volkswirtschaftlichen Kosten deckten. Durch diese Politik des Freihandels wurden in den letzten vierzig Jahre wichtige Kapazitäten in Industrie und Landwirtschaft zerstört. Ein kleiner Teil der Bevölkerung in allen Staaten wurde geradezu unanständig reich, der Mittelstand vielerorts zerstört, während rund achtzig Prozent der Bevölkerung in allen Ländern immer ärmer wurde. Das griff immer mehr um sich, wogegen schon Gandhi in Bezug auf die britischen Kolonialherren schrieb: „Reichtum ohne Arbeit, Lust ohne Gewissen, Wissen ohne Charakter, Geschäfte ohne Moral, Wissenschaft ohne Humanität, Anbetung ohne Opfer und Politik ohne Prinzipien.“

Das Modell der Globalisierung und des Freihandels ist gescheitert, was nicht zuletzt durch das wohl endgültige Scheitern der Doha-Runde der WTO-Verhandlungen in Genf verdeutlicht wird. Es ist deshalb von größter Dringlichkeit, daß wir wieder die Ideen auf die Tagesordnung setzen, die früher z.B. von der Blockfreien-Bewegung auf der Konferenz in Sri Lanka 1976 in der sogenannten Colombo-Resolution gefordert wurden, d.h. die Forderung nach einer neuen gerechten Weltwirtschaftsordnung, die allen Menschen und allen Nationen auf diesem Planeten ein menschenwürdiges Leben in Freiheit und ein Streben nach Glückseligkeit gestattet.

Die kommende Generalversammlung der Vereinten Nationen, die am 26. September dieses Jahres in New York beginnen wird, ist vielleicht die letzte Gelegenheit, die Interessen der Menschheit als Ganzer und nicht die von wenigen Spekulanten auf die Tagesordnung zu setzen. Wenn sich mutige Führer mehrerer Nation an dieses Weltforum richten, wie dies zuvor herausragende Persönlichkeiten wie der früheren Außenminister von Guyana, Fred Wills, 1976 oder der ehemalige Präsident von Mexiko, Lopez Portillo, 1982 getan haben, dann kann die Rekonstruktion der Weltwirtschaft nach dem Systemkrach rechtzeitig in Gang gesetzt werden.

Was die Menschheit heute braucht, sind Individuen, die die Vision und die Liebe zur Idee der Völkergemeinschaft haben, um die Frage einer neuen gerechten Weltwirtschaftsordnung auf die Tagesordnung zu setzen. Die Resolution ist ein Appell an führende Vertreter aller Nationen, auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Und je mehr Kräfte sich an die drei noch im Rennen befindlichen Präsidentschaftskandidaten in den USA wenden, das Versprechen der amerikanischen Verfassung und der Unabhängigkeitserklärung für alle Nationen auf diesem Planeten einzulösen, desto größer ist die Chance, daß Amerika zu der positiven Rolle zurückfindet, die es in den Zeiten von Benjamin Franklin, Alexander Hamilton, John Quincy Adams, Abraham Lincoln, und Franklin D. Roosevelt gespielt hat.

 

Unterzeicher:

 

Helga Zepp-LaRouche

 


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