April 2007 Neues Bretton Woods

Neues Bretton Woods - ohne Heuschreckenfonds!

Bei Treffen der Finanzminister der G-7 am Rande der Jahrestagung des Weltwährungsfonds hatte die deutsche Regierung die Regulierung der Hedgefonds auf die Tagesordnung gesetzt, ohne daß man sich auf entsprechende Maßnahmen einigen konnte. Aber die Diskussion geht weiter.

Schon im Vorfeld des Washingtoner Zusammentreffens der Finanzminister der G-7 am 13. April, dem am 15. April noch eine Diskussion mit 20 ausgewählten Vertretern von Hedgefonds folgte, wurden Erwartungen, dabei könnte es zu Beschlüssen über mehr Aufsicht für die Funds kommen, gedämpft. Die Financial Times, Sprachrohr der Londoner Finanziers, wußte auch schon Tage vor dem Treffen zu berichten, daß die G-7 über die Frage gespalten sei: auf der einen Seite stünden die Briten und Amerikaner, deren Finanzzentren London und New York sich gegen mehr Transparenz der Fonds-Aktivitäten sträuben, auf der anderen Seite die Deutschen, die trotz allen Widerstands zuversichtlich seien, daß sie mit ihrer Initiative für Fonds-Transparenz den richtigen Kurs fahren. In der Tat kam in Washington nicht mehr heraus als der Auftrag für einen weiteren Expertenbericht, den eine Arbeitsgruppe unter Leitung des italienischen Notenbankchefs Mario Draghi bis zum nächsten Treffen der Finanzminister bei Potsdam am 19. Mai erstellen soll. Draghi ist für seine London-freundlichen Ansichten bekannt, sichtbar auch durch seine Teilnahme an jenem Geheimtreffen über die geplante Privatisierung der Staatswirtschaft Italiens, das im Juni 1992 auf der „Britannia“ stattfand - und das ist die Yacht der königlichen Familie Englands. Es ist daher wohl unwahrscheinlich, daß ausgerechnet Draghi sich im Mai für eine Kontrolle der Heuschreckenfonds, von denen die meisten ohnehin in London registriert sind, aussprechen wird.

Der deutsche Vertreter bei dem Treffen, Finanzsstaatssekretär Thomas Mirow, sagte noch in Washington gegenüber der Presse, die Bundesregierung werde „sich nicht von der Forderung nach einem Verhaltenskodex für Hedge Funds verabschieden“, denn „das Thema bleibt wichtig, es bleibt auf der Tagesordnung and wird weiterverfolgt werden durch Deutschland... Die große Zahl von Terminen und Veranstaltungen, die sich mit dem Thema befassen, zeigt eines sehr deutlich: das ist keine deutsche Marotte.“ In der Tat kam zeitgleich aus Beijing eine Stellungnahme, mit der der stellvertretende Notenbankchef die deutsche Initiative ausdrücklich unterstützte. Auch die Franzosen denken ähnlich. Nach seiner Rückkehr aus Washington sagte Mirow in Berlin, er sei sich bewußt, daß es „unterschiedliche Interessen und Kulturen der Finanzmarktaufsicht“ bei den verschiedenen Mitgliedern der G-7 gebe, trotzdem sei er zuversichtlich, daß eine Form von Fonds-Kontrolle kommen werde, früher oder später. „Das Thema hat global sichtbar an Beschleunigung und Fahrt gewonnen, und es wird nicht wieder in einer Ritze verschwinden.“

Was Deutschland betrifft, so ist das Interesse an Finanzmarktregulierungen gerade für den hochspekulativen Bereich der Fonds seit Münteferings Attacke auf die „Heuschrecken“ im April 2005 erheblich gewachsen. Dies, obwohl der damalige Kanzler Schröder auf dem G-7-Gipfel in England im Juli 2005 mit seinem ersten Transparenzvorstoß eine britisch-amerikanische Abfuhr erhielt, und obwohl die für ihre neokonservativen Ansichten bekannte neue Kanzlerin Merkel das Thema versickern ließ. Das Interesse am Thema wurde die gesamte Zeit wachgehalten von der LaRouche-Bewegung, die ja auch in den Wochen vor Münteferings Äußerungen durch ihre Flugblattaktionen den eigentlichen Anstoß für die Debatte über die „Heuschreckenfonds“ gegeben hatte. Vor allem nach dem erdrutschartigen Wahlsieg der Demokraten bei den amerikanischen Kongreßwahlen Anfang November 2006 gab es Signale aus den USA, daß der neugewählte Kongreß Maßnahmen zur Kontrolle der Fonds plane. Seitdem bemüht sich auch die Bundesregierung, die Schröder-Initiative vom 2005 wiederzubeleben. Das wiederum hat andere Institutionen der Bundesrepublik inspiriert, sich für Fonds-Kontrollen einzusetzen.

Unmittelbar vor Mirows Abreise nach Washington warnte Jochen Sanio, Chef der obersten deutschen Finanzmarktaufsichtsbehörde BAFIN, daß sich Zusammenbrüchen wie jener des amerikanischen Hedgefonds Amaranth im September 2006 wiederholen könnten. Dessen Fall sei ein klares „Wetterleuchten am Horizont“ gewesen. „Beim nächsten Fall dieses Ausmaßes könnte der Blitz einschlagen und das gesamte Finanzsystem erschüttern.“ Auch wenn die deutsche Transparenzinitiative noch nicht weit gekommen sei, stelle die Diskussion einen Wert an sich dar, sagte Sanio, denn „von jetzt an kann niemand mehr das Thema herunterspielen... Die hochspekulativen Hedgefonds sind eine große Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems.“

Ein politischer Durchbruch sind die Entwicklungen der Debatte innerhalb der deutschen Gewerkschaften. Der Chefökonom des DGB, Dierk Hirschel, schrieb am 7. März in einem Kommentar für die deutsche Ausgabe der Financial Times unter der Überschrift „Die systemische Gefahr aus der Karibik“, es sei „heute unter Ökonomen kaum mehr strittig“, daß etwas getan werden müsse. „Finanzstabilität ist ein öffentliches Gut. Dies legitimiert eine politische Regulierung. Reine Marktlösungen werden dem Problem nicht gerecht.“ Angesichts der engen Verflechtung zwischen Finanzzentren, Banken und Fonds werde eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Kontrolle nicht zustande kommen, schrieb Hirschel. „Eine solche Agenda wird zunächst auf erbitterten Widerstand von Wall Street und Londoner City treffen. Ohne internationale Vereinbarungen operieren die Fonds aber weiterhin ungestört aus ihren karibischen Offshore-Zentren. Wenn die deutschen und französischen Kassenwarte nicht auf die nächste Finanzkrise warten wollen, dann sollten sie jetzt die Euro-Zone dazu bringen, regulierend vorzugehen. Eine strikte Beschränkung des Handels der Finanzintermediäre des Euro-Raums mit Offshore-Zentren muß Teil einer solchen Initiative sein.“

Am 5. April wurde DGB-Chef Michael Sommer in einem Gespräch mit dem Handelsblatt noch konkreter, als er eine Kampagne der Gewerkschaften für Fonds-Kontrolle ankündigte. Zusammen mit den Gewerkschaftschefs der übrigen G-8-Länder werde es am 7. Mai ein Zusammentreffen mit Kanzlerin Merkel geben, bei dem die Forderungen der Arbeitnehmer an die Gipfelteilnehmer vorgelegt würden. Der DGB greift hierbei Empfehlungen auf, die der Finanzmarktforscher Hans-Joachim Voth, Berater des früheren Frankfurter Börsenchefs Werner Seifert, in einer Denkschrift ausgearbeitet hat. Voth sieht als effektive Maßnahme gegen die Fonds nur die Austrocknung des Kreditzuflusses von Banken zu den Fonds. Vor allem sollte, so Voth, die heute gängige Praxis, von den Fonds hinterlegte Sicherheiten für bereits vergebenen Kredit erneut zu beleihen (die eigentliche Pumpe für die Spekulationsblase) , durch Regulierungen strikt unterbunden werden.

Dies sind Schritte in die richtige Richtung. Das Problem ist jedoch, daß das vorherrschende Weltfinanzsystem ausgedient hat, auch wenn es gelingen sollte, die schlimmsten Exzesse der Heuschreckenfonds einzudämmen. Die Umstellung des Kreditsystems auf die Förderung produktiver, arbeitsplatzschaffender wie fortschrittsdienlicher Investitionen kann nur gelingen, wenn der Vorrang monetaristischer Kriterien wie des Maastricht-Verbots staatlicher Eingriffe gebrochen wird. Die lange überfällige Neuordnung des Finanz-, Kredit- und Währungsbereichs kann nur insgesamt erfolgreich sein, die Welt braucht ein Neues Bretton Woods, ein verbindliches Abkommen zwischen den Regierungen der führenden Wirtschaftsnationen, das diese auch zur Aufbauhilfe für die weniger entwickelten Nationen verpflichtet. Die Bundesregierung sollte ihre Initiative zur Kontrolle der Hedgefonds erweitern zu einer Forderung nach einer Grundreform des Weltfinanzsystems. Dazu sind jene Gipfeltreffen wie das im Juni in Heiligendamm ja eigentlich gedacht, daß sie solche Themen auf ihre Tagesordnung setzen.

Rainer Apel



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