März 2005 Jugendbewegung


Die Frauenkirche - Metapher für ein neues Wirtschaftswunder

Der Wiederaufbau der Frauenkirche wurde am 30. Oktober mit der feierlichen Weihe der Kirche abgeschlossen. 100 000 Menschen kamen zusammen, um die Erkenntnis zu feiern: "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Wiederaufbau!"
    "Platz für die 100 000 Besucher!" riefen die Dresdener Bürger am diesjährigen Reformationstag. Sechzehn Jahre nach der Wiedervereinigung erteilen sie den Politikern eine klare Botschaft: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Wiederaufbau."
Dresden glich an diesem Wochenende einem Mekka der guten Laune und des zukunftsweisenden Optimismus. So klar wollte man es bisher noch nicht sehen, aber die Weihe der Frauenkirche findet in einer der bedeutendsten Umbruchzeiten der Geschichte statt. Die Nach-Cheney-Ära hat begonnen und damit die Möglichkeit, das Ende der imperialistischen Geopolitik zu besiegeln.

Was im Moment nach einem politischen Hurrikan aussieht, wird schon bald zum Sturz der Ideologie des Geldes führen, und der Wiederaufbau der Weltwirtschaft zur Ehre Gottes und des Gemeinwohls wird beginnen. Das Vakuum, das jetzt entsteht, kann durch den göttlichen Funken im Menschen ausgefüllt werden, und da kommt die Weihe der Frauenkirche gerade recht.

Die Weihe bedeutet in der Religion durch die Übertragung einer "neuen Kraft" die Verwandlung eines profanen Gegenstandes in einen heiligen. Ein Sieg des Idealismus! Dieser hilft dem Menschen, das Ideal des Guten und die Hoffnung auf einen guten Ausgang der Weltgeschichte wieder lebendig werden zu lassen. Denn ein weiser Mensch unterscheidet sich von einem unklugen dadurch, daß er immer wieder hofft.

Die Seele des Bürgertums

Nun endlich, nach über 60 Jahren, steht die Frauenkirche in Dresden von innen und außen wieder in ihrer alten Pracht da. Sie wird als die Seele Dresdens, aber auch als die Seele des Bürgertums bezeichnet. Warum?

Die Bürger setzten einen protestantischen Kontrapunkt zu August dem Starken, der, um König in Polen zu werden, zum katholischen Glauben konvertierte. Die Mehrheit der Sachsen war aber evangelisch und wollte es auch bleiben, denn die katholische Kirche war zu der Zeit doch sehr aristokratisch und dem Forschungsdrang nicht aufgeschlossen.

Deshalb war Georg Bähr bemüht, eine architektonische Meisterleistung zu vollbringen und ein einmaliges Gotteshaus zu schaffen, sozusagen ein Unikat. Kein Wunder also, daß der Baumeister, als er während des Baus gefragt wurde, woher er denn die Gewißheit nähme, daß diese Konstruktion auch standhält, antwortete: "Ich verlasse mich auf meinen Kopf und Gottes Hülfe".

In den Augen Eberhard Burgers, des Baudirektors und Sprechers der Stiftung Frauenkirche, war dies "die Umsetzung des protestantischen Gottesdienstes in Architektur. Man wird durch die Lichtführung automatisch zur Kanzel und zum Altar geführt, der Vermittlung von Gottes Wort, sowie zu den bildlichen Darstellungen der vier Evangelisten und der christlichen Tugenden im Inneren der Kuppel." Diese neue Architektur ist keine Botschaft des Adels, der Demut vor ihrer Macht verlangt, sondern vermittelt einen neuen Gottesbegriff, der davon ausgeht, daß der vernünftige Mensch das Universum verstehen kann.

"Und hinzu kommt auch noch die Musik", die diesen neuen Gottesbegriff bestätigt, welche "uns Menschen auf ihre einmalige Weise in Verbindung mit allem Guten und Schönen und zur Anbetung Gottes bringt." Mit diesen Worten wünscht Volker Kreß, der ehemalige Landesbischof, "allem, was in dieser Kirche geschehen wird, die Nähe des Geistes Gottes, aus dem die Kraft kommt, uns nicht mit dem Vorfindlichen abzufinden." - Also auch nicht mit der Sparpolitik!

Das genau war das Thema der Reformationskantate Johann Sebastian Bachs (BWV 79), "Gottlob, wir wissen den rechten Weg zur Seligkeit" - daß der Mensch eine sinnvolle Wirtschaftspolitik im Dienste des Gemeinwohls verstehen kann.

Die Geschichte der Frauenkirche

Als 1721 die Nachricht des Ratszimmermannes Georg Bähr im Dresdener Rathaus eintraf, daß bei der alten gotischen Kirche "Zur lieben Frauen" schwere Bauschäden festgestellt worden seien, ergriffen die Bürger die Initiative und beauftragten Georg Bähr, eine neue Kirche zu entwerfen.

Bei begrenztem Bauplatz und der Auflage, die Kirche solle möglichst viele Gemeindemitglieder aufnehmen, mußte er sich etwas Besonderes einfallen lassen. So kam es zu den Entwürfen des relativ gleichförmigen Grundrisses mit vielen Emporen und als bürgerliche Krönung das "Konzept des Seelenadels", die Glockenform. Eine so gestaltete Kuppelform dieser Art war bis dahin einzigartig auf der Welt. Der Grundstein wurde 1726 gelegt, und bis zur Fertigstellung 1743 vergingen 17 Jahre Bauzeit. Georg Bähr konnte sein Werk nicht mehr vollenden, 1738 starb er mit 72 Jahren.

Nach der Fertigstellung begleitet uns die Frauenkirche durch die sächsische Geschichte. Friedrich der Große beschoß die Kuppel im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) und ließ sie endlich doch mit den Worten "Laßt den alten Dickkopf!" stehen. Die Frauenkirche sah die Unterdrückung Europas durch Napoleon und die Freiheitskriege, die 1813 auch um Dresden herum stattfanden, und wartete geduldig auf die instandhaltende Pflege, die ein fertiges Gebäude genauso wie gebaute Infrastruktur benötigt.

Erst mit Kanzler Bismarcks Politikwechsel in Richtung des amerikanischen Systems der politischen Ökonomie, womit es in der Wirtschaft und anderen Lebensbereichen endlich wieder aufwärts ging, bekam die Frauenkirche nach über 144 Jahren ihre erste große Reparatur von 1887 bis 1892. Das war auch die Gründerzeit, in der die großen Infrastrukturprojekte wie die Transsibirische Eisenbahn und die Berlin-Bagdadbahn gebaut wurden.

Diese weitreichende Zusammenarbeit Eurasiens paßte nicht in die Strategie des britischen Empire. Mit der Absetzung Bismarcks nahm die Tragödie ihren Lauf, bis hin zum Zweiten Weltkrieg, in dem durch britische Bomben Dresden zu 90% in Schutt und Asche zerfiel. Wie durch ein Wunder wurde die Frauenkirche als einziges historisches Bauwerk nicht getroffen. Aber in den letzten Kriegstagen ging sie dann doch in Flammen auf, und obwohl sie über einen Tag lang ausbrannte, hielt die geniale Konstruktion stand. Erst als sie sich wieder abkühlte, stürzte die Frauenkirche am 15. Februar 1945 um etwa 10:30 Uhr in sich zusammen.

Noch 1945/46 wurden erste Begehungen, Sicherungsarbeiten und Pläne für den Wiederaufbau gemacht. Doch "der Sozialismus in seinem Lauf..." wollte den Abriß der Ruine! Dagegen sträubte sich der Dresdner Denkmalschützer Hans Nadler (1910-2005). Schließlich beschloß der Rat der Stadt, die Ruine der Frauenkirche als Mahnmal zu gestalten, als 1966 die Arbeiterfestspiele in Dresden anstanden. Mit dieser Entscheidung wurde der wohl wichtigste Grundstein gelegt, der den späteren Wiederaufbau nur möglich machte. Hier zeigt sich auch, wie ein einzelner Mensch etwas in Gang setzen kann, das den Verlauf der Geschichte ändert.

Der Wiederaufbau und seine Bedeutung

Gleich 1990 setzte eine Bürgerbewegung mit ihrem "Ruf aus Dresden" die Initiative für den Wiederaufbau der Frauenkirche in Gang. Am 27. Mai 1993 begann offiziell der Wiederaufbau, der gut zwölf Jahre dauerte. Am Sonntag, den 30. Oktober 2005, also einen Tag vor dem Reformationsfest, geweiht werden. Zum zweiten Male in der Geschichte setzten die Dresdener Bürger einen Kontrapunkt mit ihrem hartnäckigen Willen zum produktiven Aufbau.

Aus diesem Grunde haben sich die Bürger im Laufe der Geschichte zuerst das Konzept der Stadt mit eigenem Münzrecht und später die souveräne Nation mit einem vom Finanzadel unabhängigen Kreditwesen geschaffen. Durch die Förderung des technischen Fortschritts in Hand- und Kunstwerk wurde so eine volkswirtschaftliche Wertschöpfung erreicht.

Das vom evangelischen Landesbischof Jochen Bohl und dem Bundespräsidenten Horst Köhler hevorgehobene Engagement der Bürger hat gezeigt, welche Leistungen sie erbringen können. So beweist der Wiederaufbau der Frauenkirche, wie wichtig es ist, daß die Unterstützung des Staates bei solchen Dingen nicht fehlen darf. Es ist zwar richtig und wichtig, daß die Initiative von den Bürgern ausging - doch allein hätten diese das nicht schultern können. Denn 40% der Baukosten für die Frauenkirche kamen von der öffentlichen Hand.

Macht sich eine solche Investition eigentlich bezahlt, oder ist es rausgeschmissenes Geld? In ungefähr 50 mittelständischen Firmen aus der Region hat der Wiederaufbau für Aufträge gesorgt. Dies hat in den verschiedenen Firmen, wie z.B. Gerüst-, Kanalbauern, Steinmetzen, Glasern und Kirchenmalern, über Jahre hinweg für sichere Arbeitsplätze gesorgt. Außerdem mußte mit größter Sorgfalt und hoher Qualität gearbeitet, alte Verfahren und Arbeitstechniken wiederentdeckt, verbessert oder gänzlich neu entwickelt werden. Sollten all diese Menschen zu Hause sitzen und Hartz IV empfangen?

Bei der Frauenkirche haben die Handwerker und Firmen das alte Prinzip "Soli Deo Gloria - Gott allein zur Ehre" wiederentdeckt. Sie haben dadurch beste Referenzen und einmalige Erfahrungen sammeln können. Man könnte fast behaupten, diese Menschen haben eine kleine Renaissance erlebt!

Früher waren es immer Kirchen, Kathedralen oder andere Gotteshäuser, bei denen die neuesten Entwicklungen und Bautechniken mit einflossen. Heute sind es die Brücken- und Tunnelbauprojekte, an denen die neuesten bautechnischen Entdeckungen entwickelt, ausprobiert und angewendet werden. So sind z.B. die Brücke von Messina, Kernkraftwerke und die Besiedlung des Sonnensystems unsere modernen Kathedralen.

Sie haben das Stadtbild positiv verändert und damit die Umgebung geistig wie materiell lebenswerter gemacht. Denn ohne die Frauenkirche wäre kein solcher historischer Anziehungspunkt für Touristen und Einheimische entstanden, weswegen auch fraglich wäre, ob die historischen Altbauten drum herum, die jetzt saniert werden, überhaupt wieder aufgebaut würden. Deshalb hätte eine andere Bebauung dieses Platzes für die Menschen weitaus weniger oder gar keinen Sinn gemacht, vor allem weil das wirtschaftlich wie kulturell niemals so viel nach sich gezogen hätte, wie es jetzt schon hat und noch wird. Aus diesem Grunde kann man diese Wertschöpfung, die hier in so vielerlei Hinsicht für die Gesellschaft vollbracht wurde, nicht in Zahlen ausdrücken.

Dieses "kleine Großprojekt" der Frauenkirche zeigt sehr deutlich die Vorteile und die Wertschöpfung eines zielgerichteten Aufbaus für die Menschen auf der ganzen Welt. Deswegen sollten so schnell wie möglich viel größere Aufbauprojekte dieser Art, wie z.B. die Eurasische Landbrücke, in Angriff genommen werden.

Andreas Lelke



Zurück zum Seitenanfang