Januar 2005 Jugendbewegung

Schiller in der amerikanischen Geschichte

In Philadelphia und dem ganzen Bundesstaat Pennsylvania war Friedrich Schiller früher der herausragende Bezugspunkt der zahlreichen und einflußreichen Deutsch-Amerikaner in dem Staat.


Schiller bei den Deutsch-Amerikanern

Friedrich Schillers Denkmal im schönen Fairmount-Park der Stadt Philadelphia steht auf geschichtsträchtigem Boden: dem der Jahrhundertausstellung 1876, der Weltausstellung zur Feier des 100jährigen Jubiläums der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten. Das Denkmal ist ein Wahrzeichen der weltumspannenden deutsch-amerikanischen Koalition von Aufbaupionieren, die sich in dieser historischen Ausstellung festigte. Rund 700 Meter südlich der Statue erhebt sich die Kuppel der Memorial Hall, eines der zentralen, vom 27jährigen deutschen Einwanderer Hermann J. Schwarzmann entworfenen Ausstellungsgebäude, dessen Struktur später dem Berliner Reichstagsgebäude als Vorbild diente. Mehr als zehn Millionen Menschen besuchten vom 10. Mai bis zum 10. November 1876 die Jahrhundertausstellung - wenn man bedenkt, daß die USA damals 40 Millionen Einwohner hatten, eine kaum glaubliche Besucherzahl.

Das Thema der Ausstellung war der wissenschaftliche, technische und industrielle Fortschritt der Vereinigten Staaten in den ersten hundert Jahren nach ihrer Gründung. Mitarbeiter von Henry C. Carey - dem berühmtesten Vertreter des Amerikanischen Systems der Wirtschaftsentwicklung und Hauptverantwortlichen für Abraham Lincolns beispielloses Programm für industrielles und landwirtschaftliches Wachstum - warben in aller Welt für die Ausstellung, damit Delegationen sie besuchten und die dort zur Schau gestellten Ideen und Organisierungsprinzipien weiterverbreiteten.

Einer derjenigen, die Careys Angebot annahmen, war Franz Reuleaux, Professor für Maschinenbau an der Berliner Gewerbeakademie und Leiter der deutschen Maschinenbauerdelegation bei der Jahrhundertfeier. In Briefen aus dem Jahre 1877 macht Reuleaux keinen Hehl aus seiner Begeisterung für das Amerikanische System der Ökonomie und Wissenschaft, mit dem er die europäischen Länder zu Entwicklung anstacheln wollte.

Es überrascht nicht, daß er ein großer Kenner Friedrich Schillers war. In der Einleitung zu seinem Buch Der Konstrukteur, das jahrzehntelang als wichtigstes Lehrbuch für angehende Maschinenbauer diente, griff Reuleaux die Sichtweise an, daß alle polytechnischen Lehren dem Prinzip des cui bono unterzuordnen seien, daß alle Lehrmethoden konkreten Bezug zum spezialisierten oder "Brotstudium" haben müßten, und stellt dem Schillers Antrittsvorlesung an der Universität Jena Was heißt und zu welchem Ende studieren wir Universalgeschichte? entgegen.

Die Ausstellung besuchte mit Reuleaux auch Emil Rathenau, ein enger Freund und Geschäftspartner des Erfinders und Vertreters des Amerikanischen Systems, Thomas Edison, dem Gründer der Deutschen Edison Cie. (später AEG), die Deutschlands Städte und Fabriken sowie große Teile der Ukraine und Rußlands elektrifizierte.

Schiller bei den Deutsch-Amerikanern

Nur hundert Meter nördlich der Schillerstatue, hinter einem schönen Springbrunnen, steht eine Statue Johann Wolfgang Goethes, die 1890 eingeweiht wurde. Keine hundert Meter östlich vom Schillerdenkmal befinden sich Büsten von Franz Schubert und Franz Joseph Haydn. Diese prächtigen Kunstwerke waren erste Preise für Chöre aus Philadelphia bei den deutsch-amerikanischen Chorwettbewerben, die Ende des 19. Jh. regelmäßig in Newark, New Jersey, stattfanden. Am Ufer des etwa 800 Meter entfernten Schuylkill findet man ein anläßlich der Jahrhundertausstellung errichtetes Standbild Alexander von Humboldts.

Schiller war über Philadelphia hinaus im gesamten Bundesstaat Pennsylvania der herausragende Bezugspunkt der großen und einflußreichen deutsch-amerikanischen Gemeinde. Im Mai 1905 hielt der Gouverneur von Pennsylvania aus Anlaß des 100. Todestages Schillers eine Rede über dessen Größe und seine Bedeutung für die Entwicklung Amerikas, zu der mehr als 50 000 kamen, um mit ihm bei den Statuen Schillers und Goethes Schiller zu ehren.

Steve Douglas


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