Die Autoindustrie umrüsten
Magnetbahnen, Traktoren und Krankenwagen für Afrika
Von Rainer Apel
Erneut stellt sich die Frage nach der Zukunft der Automobilindustrie, dem
führenden Sektor der bundesdeutschen Wirtschaft mit etwa einer Million
Arbeitsplätzen und Zehntausenden von Zulieferern im mittelständischen Bereich
– auch hier mit einigen hunderttausend Arbeitsplätzen.
Kurzarbeit, so wichtig sie gegenwärtig ist, bedeutet in vielen Fällen nur
die aufgeschobene Entlassung zehntausender qualifizierter Arbeiter, wie jetzt
immer deutlicher wird. Der Autosektor verfügt jedoch über unverzichtbare
produktive Kapazitäten, deren technologisches Potential auf keinen Fall
zerstört werden darf, denn es wird dringend für den Wiederaufbau der
Weltwirtschaft gebraucht. Die Autoproduktion kann jederzeit umgerüstet werden
für den Bau von Traktoren, Ernte- und Sämaschinen, für moderne
Infrastrukturtechnologien wie den CargoCap (automatisierter Güternahverkehr),
den Transrapid (Nah- und Fernverkehr), Schleusen, Komponenten für den
Kernkraftwerksbau – alles Dinge, die der afrikanische Kontinent und viele
andere Nationen der Welt dringend benötigen. Der Bedarf an all diesen Gütern
ist riesig. Das einzige, was heute dazu fehlt, ist der politische Wille zur
Schaffung eines neuen weltweiten Kreditrahmens mit staatlicher, produktiver
Kreditschöpfung und langfristigen, über 25-50 Jahre laufenden,
zwischenstaatlich abgesicherten Verträgen.
Eine wirklich nachhaltige Zukunft muß sinnvolle Perspektiven eröffnen! Und
die liegen, wie schon 2009 bei den Europawahlen von der BüSo gefordert, auf
jeden Fall in einer mindestens teilweisen Konversion der Autoindustrie.
Beispielsweise können Komponenten oder Module für neue Verkehrsträger
produziert werden, vorzugsweise im Bereich magnetischer Antriebe. Gerade die
Firmengeschichte von Opel zeigt, wie Antriebe und Fahrzeuge verschiedener
Kategorien an derselben Produktionsstätte gefertigt werden können – das ist
auch heute möglich.
Die derzeit bei den Automobilherstellern genutzten Formpressen für
Karosserieteile können ebensogut Teile für Magnetbahnen im städtischen oder
regionalen Einsatz fertigen, aber auch für Traktoren oder Krankenwagen bzw.
mobile medizinische Behandlungseinheiten, wie sie im Übergang zur Errichtung
regulärer Krankenhauseinheiten in Afrika und anderen wenig entwickelten Teilen
der Welt benötigt werden. In diese neuen Fahrzeugprodukte wird vielleicht
nicht ganz so viel Elektronik wie in heutige Straßenfahrzeuge eingebaut
werden, es dürfte aber genügend Auftragsvolumen nachgefragt werden, um den
Zulieferern von VW, BMW und anderen Firmen eine Chance zu bieten, aus der
Kurzarbeit wieder in die reguläre Vollbeschäftigung kommen.
Der Bedarf weiter Teile Afrikas an Krankenwagen und Traktoren wie auch an
anderen Agrarmaschinen ist enorm. Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens
hierfür durch Ausgründung der führenden Automobilhersteller in Kooperation mit
den derzeitigen Landmaschinenherstellern würde in Deutschland viele produktive
Arbeitsplätze sichern und neue schaffen.
Ein langfristiger, niedrigverzinster Finanzrahmen, abgesichert durch
bilaterale Staatsverträge zwischen der Bundesrepublik und afrikanischen
Partnern, wäre hier eine Grundvoraussetzung. Auf deutscher Seite würde die
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Kredite an Hersteller vergeben, auf
afrikanischer Seite würden bereits existierende staatliche Förderbanken oder
Neugründungen solcher Institute in Aktion treten. Die zentrale Rolle
staatlicher Garantien ist angesichts einer langfristigen, fortlaufenden
Perspektive für den Aufbau effizienter landwirtschaftlicher Produktion und
medizinischer Versorgung in Afrika unabdingbar. Für die Bundesrepublik bietet
hier auch eine im Juli 2017 mit China abgeschlossene Absichtserklärung zur
Kooperation bei Infrastrukturprojekten in Afrika eine gute Grundlage, die für
das Zusammenwirken mit weiteren Ländern erweitert werden kann.
Der Aufbau der Landwirtschaft und des Gesundheitssektors in Afrika ist vor
allem nach der Erfahrung mit der neuesten Corona-Pandemie dringlich, weil nur
eine gesunde und gut ernährte Bevölkerung Aussichten hat, gegen Krankheiten
und Ansteckungen besser gewappnet zu sein. Gerade die jahrzehntelang
rückständig gehaltenen, chronisch unterversorgten Teile Afrikas sind schon in
der Vergangenheit Ursprung etlicher Epidemien gewesen, wobei ein großer Teil
der Sterberaten wie bei der Ebola-Epidemie darauf zurückzuführen ist, daß eine
medizinische Grundversorgung ganzer Regionen überhaupt nicht vorhanden ist.
Mehr Krankenwagen und mobile Behandlungseinheiten können eine sichtbar bessere
Versorgung bieten – bis ein enges Netz von Krankenhäusern für die stationäre
Behandlung errichtet ist. Dies wird auch viele neue, produktive Arbeitsplätze
für die afrikanische Bevölkerung schaffen.