Ein rationaler Dialog über die außenpolitischen Absichten Chinas
Das Schiller-Institut veranstaltete in Berlin ein Seminar mit
hochrangigen Experten über die Rolle der Neuen Seidenstraße in Westasien und
Afrika.
Die Weltgemeinschaft stehe vor großen strategischen und wirtschaftlichen
Herausforderungen, die eine ganz neue Herangehensweise erforderten, um die
gemeinsamen Ziele der Menschheit zu erreichen. Mit diesen Worten eröffnete
Moderator Stephan Ossenkopp am 29. August ein Seminar in Berlin zum Thema „Die
Rolle der Neuen Seidenstraße für Frieden und Stabilität in Westasien und
Afrika“. Ein „rationaler Dialog“ über Chinas wirkliche wirtschaftliche und
außenpolitische Absichten sei angesichts der hierzulande geäußerten
Verdächtigungen und Negativpropaganda dringend geboten. Mit diesem Seminar, zu
dem das Schiller-Institut und der E.I.R.-Verlag gemeinsam eingeladen hatten,
wolle man zu diesem Dialog beitragen.
Knapp 50 Teilnehmer waren an diesem Donnerstagvormittag erschienen,
darunter Vertreter des Mittelstands, diplomatischer Einrichtungen und anderer
Institutionen, um sich über die Bedeutung und den Fortschritt der Belt &
Road-Initiative (BRI), insbesondere für die Entwicklung Südwestasiens und
Afrikas, zu informieren.
Eine Delegation von Wissenschaftlern der Chinesischen Akademie der
Sozialwissenschaften (CASS), einer führenden akademischen Organisation und
Forschungseinrichtung Chinas, hielt Vorträge über die Rolle der BRI bei der
Stabilisierung der Region durch wirtschaftliche Entwicklung. Helga
Zepp-LaRouche und Hussein Askary vom Schiller-Institut und Claudio Celani von
E.I.R. gaben in ihren Beiträgen wichtige Hinweise, wie Deutschland und Europa
mit China an diesem größten Aufbauprojekt in der Geschichte zusammenarbeiten
könnten.
Wirtschaftliche Entwicklung als Grundlage des Friedens war dann auch das
Thema, welches in fast allen Vorträgen zur Sprache gebracht wurde. Dabei komme
dem Ausbau der Infrastruktur eine vordringliche Rolle zu, aber gleichzeitig
müsse man sich auf den Fortschritt in Wissenschaft und Forschung sowie der
Anwendung neuer Technologien konzentrieren.
Die Vorsitzende des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, wies in der
Hauptrede darauf hin, daß die BRI „die wichtigste strategische Politik auf der
Agenda“ sei. Die Geschwindigkeit ihres Wachstums in den letzten sechs Jahren
war erstaunlich und sei von besonderer Bedeutung für den Wiederaufbau der vom
Krieg zerrütteten Nationen Südwestasiens und die Überwindung der Unterdrückung
der Nationen in Afrika durch die Kolonialmächte Europas. Anstatt zuzulassen,
daß die Gegner dieser Entwicklung China in einen „Feind“ verwandelten, müsse
man sehen, daß das, was China tut, für Frieden und Stabilität notwendig sei
und von westlichen Regierungen, insbesondere den Vereinigten Staaten,
unterstützt werden sollte. Europa habe eine wichtige Rolle zu spielen, und
dazu müßten sich die Nationen von der geopolitischen strategischen Ausrichtung
befreien. Als Beispiel verwies sie auf das enorme Potential des deutschen
Mittelstands und stellte fest, daß die Politik der jetzigen Regierung dieses
Potential sabotiere.
Der Schlüssel zur Schaffung von Veränderungen in der transatlantischen
Region bestehe darin, Optimismus zu wecken, indem man insbesondere das
Potential hervorhebt, das durch die neuen Initiativen in der Weltraumforschung
freigesetzt wird. „Wir müssen mindestens 50 Jahre in die Zukunft denken“,
sagte sie, „und den Pessimismus zurückweisen, der von den Grünen und den
Finanziers, die sie unterstützen, verbreitet wird.“
Es folgten die Vertreter der CASS: Prof. Tang Zhichao, der Leiter der
Delegation, gab einen umfassenden Überblick über den Ansatz der BRI und sprach
über „Chinas Konzept für Sicherheit und Sicherheit im Nahen Osten“. Prof. Yu
Guoqing sprach über die „BRI und den Frieden zwischen Palästina und Israel“
und hob die Bedeutung der wirtschaftlichen Entwicklung für Palästina hervor,
die für die Realisierung der Zwei-Staaten-Lösung für die anhaltende Krise
unerläßlich ist. Prof. Wang Qiong sprach über die Rolle der „BRI in der
Sicherheit des GCC und des Golfs“, Dr. Wei Liang über den „Wiederaufbau des
Irak und Chinas Rolle“, wobei er die Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer
Nation hervorhob, die einem Krieg ausgesetzt war, der einen Großteil ihrer
Infrastruktur zerstörte. Dr. Zhu Quangang präsentierte in seinem Vortrag über
die „BRI in Ägypten und die Kooperation China-Ägypten“ eine optimistische
Bewertung der Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten
konkrete Vorteile gebracht hat.
Im Gegensatz zu den hierzulande üblichen, ideologisch befrachteten
Diskussionen, die fast immer auf ein Parteiergreifen für die eine oder andere
Seite hinauslaufen, empfand der Autor die nüchterne Betrachtungsweise, die in
den Vorträgen der chinesischen Gäste zum Ausdruck kam, als sehr wohltuend. In
China schaut man auf die Probleme und Konflikte, findet heraus, was sich
relativ schnell lösen läßt und was mehr Zeit braucht, um dann den jeweiligen
Staaten z.B. wirtschaftliche Angebote zu unterbreiten, die eine positive
Veränderung bewirken können.
Hussein Askary, Koautor der Studie „Extending the New Silk Road to West
Asia and Africa”, gab einen leidenschaftlichen Bericht über die Fortschritte
der BRI in den beiden Regionen und ging auf den großen Unterschied ein, wie
Europa und China insbesondere den afrikanischen Kontinent betrachteten: Für
Europa sei alles in Afrika ein Problem, während China den Kontinent als große
Chance betrachte. Vor allem stelle der große Anteil von jungen Menschen an der
Gesamtbevölkerung ein riesiges Potential für den Aufbau der Nationen dar.
Claudio Celani zeigte in seinem Beitrag über die Abuja-Konferenz zum Thema
„Transaqua“ ein konkretes Bild davon, was mit internationaler Zusammenarbeit
möglich sei, ging aber auch auf die Hindernisse ein, die von internationalen
Finanzinstitutionen und ihren geopolitischen Strategien geschaffen wurden und
überwunden werden müssen. Bei Transaqua handelt es sich um ein
Jahrhundertprojekt, bei dem ein kleiner Prozentsatz der Wassermenge aus den
Zuflüssen des Kongo eingesammelt und durch einen etwa 2400 km langen Kanal in
den Chari River, dem natürlichen Zufluß des Tschadsees, umgeleitet werden
soll. Die italienische Ingenieursfirma Bonifica arbeitet bei diesem
Projekt mit der chinesischen Power China (Erbauer des
Dreischluchtendammes) zusammen.
Das Publikum beteiligte sich lebhaft an den sich anschließenden
Diskussionen.
Klaus Fimmen