Rußland bietet Afrika Atomstrom an
Rußland-Afrika-Forum. Beim Rußland-Afrika-Gipfeltreffen in
Sotschi ist der Ausbau der Kerntechnik in Afrika ein zentrales Thema.
Bereits im Vorfeld seines Gipfeltreffens mit afrikanischen Staats- und
Regierungschefs am 23.-24. Oktober verstärkte Präsident Wladimir Putin die
Bemühungen, Rußlands Engagement in Afrika auszuweiten. In Moskau sagte Putin,
Rußland könne Afrika Hilfe ohne politische Bedingungen anbieten, im Gegensatz
zu den „ausbeuterischen“ Methoden des Westens, berichtete Reuters.
Staatschefs aus 47 der 54 afrikanischen Länder nehmen an dem
Rußland-Afrika-Gipfel in Sotschi teil, dem ersten derartigen Treffen, das
Rußland veranstaltet.
Putin zählte Gründe auf, warum afrikanische Unternehmen nach Sotschi kommen
sollten. Er warnte vor einem zunehmenden internationalen Wettbewerb um Afrika
und warf dem Westen vor, die afrikanischen Länder einzuschüchtern, um ihre
Ressourcen ausbeuten zu können. Putin sagte in einem Interview mit
TASS: „Wir sehen, wie sich eine Reihe westlicher Länder gegenüber
souveränen afrikanischen Regierungen auf Druck, Einschüchterung und Erpressung
verlegen.“
In anderen von TASS berichteten Interviews wird Putin weiter
zitiert: „Wir werden in Kürze ein wirklich beispielloses Ereignis erleben: Am
24. Oktober wird Sotschi Gastgeber des Rußland-Afrika-Gipfels sein. Es wird
das erste umfassende Treffen auf höchster Ebene sein, zu dem wir Führer
afrikanischer Staaten und Leiter der wichtigsten regionalen Verbände Afrikas
eingeladen haben... Unser Land hat eine bedeutende Rolle bei der Befreiung des
Kontinents gespielt und den Kampf seiner Völker gegen Kolonialismus, Rassismus
und Apartheid unterstützt. Später halfen wir den Afrikanern, ihre
Unabhängigkeit und Souveränität zu schützen, Staatlichkeit zu erlangen, die
Grundlage für Volkswirtschaften zu schaffen und leistungsfähige Streitkräfte
aufzubauen... Sowjetische und später russische Spezialisten bauten in Afrika
wichtige Infrastrukturanlagen, Wasserkraftwerke, Straßen und
Industrieanlagen.“
Putin betonte: „Die Entwicklung und Stärkung der für beide Seiten
vorteilhaften Beziehungen zu den afrikanischen Ländern und ihren
Integrationsverbänden gehört heute zu Rußlands außenpolitischen
Prioritäten.“
Ein zentrales Thema der russisch-afrikanischen Beziehungen ist die
Kernkraft. Der Generaldirektor des staatlichen russischen Nuklearkonzerns
Rosatom, Alexej Lichatschow, sagte zu dem Thema am 15. Oktober: „Rosatom ist
seit langem in Afrika aktiv. Die Schaffung und Entwicklung der Atomindustrie
auf dem afrikanischen Kontinent wird nicht nur das Problem der Energiekrise
lösen, sondern auch den Lebensstandard verändern, den uneingeschränkten Zugang
zu öffentlichen Gesundheitsdiensten ermöglichen, das Bildungsniveau und die
Ernährungssicherheit erhöhen. Wir sehen ein großes Interesse der afrikanischen
Länder an der Schaffung neuer Verbindungen für die weitere technologische
Entwicklung. Darüber hinaus sind wir bereit, über alle möglichen Optionen für
eine Zusammenarbeit auf dem Kontinent zu reden. Ich bin mir sicher, daß
russisch-afrikanische Atomprojekte eine große Zukunft haben.“
Nuklearkonferenz in Nairobi
Das Forum in Sotschi wurde auch durch eine Konferenz in der kenianischen
Hauptstadt Nairobi Mitte Oktober vorbereitet, an der Vertreter von Rosatom und
mehr als 150 Fachleute aus dem Energie- und Nuklearbereich aus aller Welt
teilnahmen. Vertreten waren wichtige afrikanische Länder, die eigene Programme
für die friedliche Nutzung der Kerntechnik planen oder bereits umsetzen:
Ägypten, Äthiopien, Elfenbeinküste, Ghana, Kenia, Niger, Nigeria, Ruanda,
Sambia, Südafrika, Sudan, Tansania, Tunesien und Uganda.
Der Chef der Rosatom-Tochter für das zentrale und südliche Afrika, Dmitrij
Schornikow, zählte in Nairobi die Vorteile für Schwellenländer auf, die durch
die Schaffung einer eigenen Atomindustrie dem „Atomklub“ beitreten. Er gab
einen Überblick über Projekte mit dem größten positiven Effekt für
industrielle Entwicklung, Verbesserung der Lebensqualität und Entwicklung der
„Wissenswirtschaft“.
Schornikow sagte: „Wir sind die einzigen auf der Welt, die in ausnahmslos
jedem Segment der nuklearen Wertschöpfungskette vollständig vertikal
integriert sind. Wir nutzen diesen Wettbewerbsvorteil, um zusätzlichen Wert zu
schaffen, indem wir das nationale Kernenergieprogramm des Kundenlandes in
allen seinen Phasen vollumfänglich unterstützen und den Zugang zur gesamten
Produkt- und Dienstleistungspalette über die gesamte Lebensdauer eines
Kernkraftwerks aus einer Hand ermöglichen.“
Wie Sébastien Périmony in seinem Blog „Afrika mit den Augen der Zukunft“ in
Frankreich berichtet, ist Rußland der Vorreiter der Strategie, Afrika mit
Atomkraft auszustatten. Nicht weniger als acht afrikanische Länder haben
bereits Abkommen mit Rosatom geschlossen: Sudan, Kenia, Uganda, Nigeria,
Ruanda, Sambia, Simbabwe und Ghana.
Vanand Meliksetian, ein Energieexperte und Berater der niederländischen
Behörden, hob in einem Artikel vom 15. Mai auf OilPrice das wachsende
Interesse Rußlands in dieser Richtung hervor:
„Im Vergleich dazu boomt die russische Energiewirtschaft. Das staatliche
Kernenergieunternehmen Rosatom verfügt über einen Auftragsbestand von 34
Reaktoren in 12 Ländern im Wert von 300 Milliarden Dollar. Kürzlich hat Moskau
seine Augen auf Afrika gerichtet, wo die meisten Staaten entweder bereits ein
Abkommen mit dem Kreml geschlossen haben oder darüber nachdenken...
Das Geschäft mit Rußland ist dank des umfassenden Angebots Moskaus in Bezug
auf Finanzierung, Bau und Betrieb der Anlagen besonders attraktiv für Länder
ohne nukleares Knowhow. Derzeit experimentiert Rosatom mit einem
Betreibermodell, das sich ,Bauen-Besitzen-Betreiben’ (BOO) nennt, bei dem das
Eigentum an der Anlage in russischer Hand bleibt, während Energie an das
Gastland verkauft wird. Dieses neuartige Betreibermodell spricht mehrere
afrikanische Staaten an, denen die Mittel zur Finanzierung des Baus fehlen. In
einigen Fällen könnten die Bodenschätze der Gastländer als Sicherheit für
Verbindlichkeiten dienen, vergleichbar mit Moskaus ,Waffen gegen
Platin’-Abkommen mit Simbabwe im Wert von 3 Milliarden Dollar.“
Enormer Bedarf
Die harte Realität ist, daß Afrika dringend sehr viel Energie braucht. 48
Länder in Afrika südlich der Sahara produzieren zusammen nicht mehr Energie
als Spanien! Die Hälfte der Menschen dort hat keinen Stromanschluß. Laut dem
Global Energy Architecture Performance Index Report 2017 haben nur fünf
afrikanische Länder Stromversorgung für 100% der Bevölkerung, alle in
Nordafrika: Algerien, Ägypten, Libyen, Tunesien und Marokko.
Unmittelbar danach folgt Südafrika mit einer Rate von 85,40 %, danach Ghana
mit 64,06%, Senegal mit 56,50%, die Elfenbeinküste mit 55,80% und Nigeria mit
55,60%. In den frankophonen Ländern ist die Lage noch schlechter.
Weltbank-Berichten zufolge haben nur 16% der Menschen in Niger Zugang zu
elektrischem Strom, 9% im Tschad, 14% in der Zentralafrikanischen Republik und
20% in Burkina Faso.
Derzeit sind neben Rußland nur noch zwei Länder in der Lage, beim Ausbau
der Kernkraft und Kerntechnik in Afrika zu helfen: China und Frankreich. Die
Krise in Frankreichs eigenem Nuklearsektor, die auf inkompetente
Entscheidungen der letzten Regierungen und Druck der grün-malthusianischen
europäischen Finanzlobby zurückzuführen ist, schließt eine solche Rolle
gegenwärtig allerdings aus, solange sich die Haltung nicht grundlegend
ändert.
(Wir werden in der kommenden Ausgabe über den Verlauf des
Rußland-Afrika-Forums berichten.)
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