Afrika ergreift die ausgestreckte Hand der BRICS
Von David Cherry
Viele Staats- und Regierungschefs in Afrika sind leidenschaftlich
entschlossen, Afrika zu einem Kontinent der Industrie zu machen, statt ein
bloßer Rohstoffexporteur zu bleiben. Diese Entschlossenheit zeigte sich klarer
als je zuvor beim diesjährigen „Outreach-Forum“ des 10. Gipfeltreffens der
BRICS-Staaten, das vom 25.-27. Juli im südafrikanischen Johannesburg
stattfand. Der eigentliche BRICS-Gipfel – diesmal zum Thema „BRICS in Afrika“
– war natürlich das Treffen der Regierungsspitzen fünf Mitgliedstaaten der
BRICS-Gruppe (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika), aber das
inzwischen schon traditionelle Outreach-Forum mit Ländern aus der Region des
Gastgeberlandes versammelte zusätzlich die Staatschefs von neun weiteren
afrikanischen Staaten und den Kommissions-Vorsitzenden der Afrikanischen
Union.1 Die südafrikanische Regierung als Gastgeber erklärte, das
Outreach-Forum 2018 solle „die Unterstützung der BRICS für die
Industrialisierung und Entwicklung von Infrastruktur in Afrika sicherstellen“.
Das ist genau das, was die afrikanischen Staatschefs hören wollten, und ihre
Reaktionen waren dementsprechend.
Die Ammenmärchen des alten britischen Paradigmas, mit denen die Afrikaner
von der Industrialisierung abgehalten werden sollen, greifen nicht mehr. Eines
dieser Märchen lautete, die afrikanischen Nationen könnten die Phase der
Industrialisierung „überspringen“ und gleich ihre „Dienstleistungen“
vermarkten. Einrichtungen wie die US-Behörde für Internationale Entwicklung
(USAID) und die britische Abteilung für Internationale Entwicklung (DFID)
redeten den afrikanischen Regierungen ein, „wir sind jetzt in der
nachindustriellen Phase“, in der Dienstleistungen die Volkswirtschaften
prägen, und Afrika könne aufblühen, indem es seine Dienstleistungssektoren
fördert – beispielsweise Bankdienstleistungen (in Nigeria) oder
Dienstleistungen im Informationssektor (Senegal).
Dabei wird verschwiegen, daß im Westen mit dem Niedergang des
Produktionssektors auch alle anderen Aspekte der Gesellschaft verfielen, von
der Infrastruktur bis hin zum Bildungswesen. Beispielsweise würde es in den
Vereinigten Staaten nach Schätzungen des US-Ingenieurverbandes ASCE inzwischen
4000 Milliarden Dollar kosten, die immer weiter verfallende Infrastruktur
instand zu setzen.2 Ganz zu schweigen davon, was notwendig wäre, um
das Land auf die nächsthöhere Entwicklungsstufe zu heben.
Die gleiche falsche Denkweise kommt auch in der häufigen Überbewertung der
„digitalen Revolution“ zum Ausdruck – als wären die Computerprogramme
wichtiger als die physischen Produktionsprozesse oder könnten diese gar
ersetzen.
Der BRICS-Gipfel zeigte jedoch, daß die afrikanischen Regierungen sich für
das interessieren, was wirklich wichtig ist, nämlich den Auf- und Ausbau des
Produktionssektors, auch wenn im Titel des BRICS-Gipfels auf die „Vierte
Industrielle Revolution“ Bezug genommen wird. Im folgenden geben wir eine
Reihe von Äußerungen wieder, mit denen Staatspräsidenten und andere führende
afrikanische Vertreter im Rahmen des BRICS-Gipfels ihre Entschlossenheit zur
Industrialisierung ihres Kontinents zum Ausdruck brachten.
Namibia: „Produktion ist das Ding“
Namibias Präsident Hage Geingob sprach in einem Interview mit Mfundo
Mabalane vom südafrikanischen Fernsehsender Afro Worldview über die
BRICS.3 Er hoffe, daß die Neue Entwicklungsbank (NDB/NEB) der BRICS
anders arbeiten werde als die Bretton-Woods-Banken, d.h. IWF und Weltbank,
„damit wir Afrika industrialisieren können“. Afrika exportiere seine
Rohstoffe, dann würden sie in Europa verarbeitet, „und wir kaufen dann unsere
eigenen Waren zurück“. Aber mit Hilfe der BRICS werde man diesen Zustand
beenden. „Wir können die Großmächte einzeln kontaktieren, und wir können
herausfinden, wie wir tatsächlich in Afrika produzieren können.“
Unter den BRICS-Staaten seien mächtige Industrienationen, und „wenn wir
alle an einem Strang ziehen“, dann könnten sie, beispielsweise Südafrika, auch
die weniger entwickelten Länder „unter ihre Fittiche nehmen“, wenn die Zeit
für Verhandlungen gekommen sei, „damit wir mehr Macht haben“.
Präsident Geingob ging auch auf die Kritik an den BRICS ein und erinnerte
dazu an seinen ersten Chinabesuch: „Ich sah dort alle diese kapitalistischen
Dinge und sagte: ,Aber Kameraden, was ist denn los? Ich sehe, daß Amerika hier
ist!’ Und sie sagten: ,Ja, wir haben uns vor dreißig Jahren geöffnet,
aber: Wer immer hierher kommt, der kommt zu unseren Bedingungen!’“ Und
das ist das Problem in Afrika – wir lassen sie einfach machen. Wer immer
kommt, groß oder klein, nach Südafrika oder Namibia, dem müssen wir unsere
Bedingungen stellen. So haben wir den Chinesen gesagt, wenn ihr nach Namibia
kommt, dann bringt uns keine Schubkarrenschieber [Hilfsarbeiter], wir haben
hier eine hohe Arbeitslosigkeit...“
Namibia brauche Berufsschulen, damit die Menschen „ihre Hände gebrauchen,
um alles zu schaffen, was wir brauchen... Produktion ist das Ding. Alle Länder
auf der Welt müssen sich industrialisieren. Industrialisierung bedeutet
natürlich auch Produktion und damit Mehrwert aus unseren Ressourcen.“
Malawi: „Von einer konsumierenden zu einer produzierenden Gesellschaft“
Malawis Präsident Arthur Peter Mathurika erklärte beim BRICS-Outreach-Forum
mit afrikanischen Staatsführern gegenüber Südafrikas Independent
Media:4 „Malawi hat einen Infrastruktur-Masterplan über 22
Jahre – wir brauchen Straßen, Eisenbahnen und Flughäfen, und die Gründung der
Neuen Entwicklungsbank wird es uns zukünftig leichter machen, an Gelder für
Infrastrukturentwicklung zu kommen.“
Präsident Mutharika sieht in Südafrika einen Vertreter des Kontinents:
„Südafrika hat gut daran getan, afrikanische Länder in Bezug auf die BRICS mit
an Bord zu holen. Afrika hat eine Stimme, und Südafrika muß für uns
sprechen.“
Die größte Herausforderung für sein Land sei es, „die Wende von einer
konsumierenden zu einer produzierenden Gesellschaft zu vollziehen, damit wir
höherwertige Produkte exportieren können“. Malawi exportiere bisher
beispielsweise Rohbaumwolle, statt dessen könnte es auch Baumwollgarn oder
-kleidung exportieren.
Angola: „Im Interesse der ganzen Menschheit“
Angolas Präsident João Lourenço sagte in einer Erklärung, die er am
27. Juli nach dem BRICS-Outreach-Forum veröffentlichte,4 die
Bedingungen seien reif für „eine konzertierte Strategie für inklusives
Wachstum, Kampf gegen Hunger, Reduzierung der Arbeitslosigkeit, Wohnungsbau,
Verbesserung der Lebensbedingungen und die Schaffung von Partnerschaften zur
Integration und Industrialisierung der gesamten südlichen Region [Afrikas]“.
Die BRICS-Länder hätten die gleiche Phase der wirtschaftlichen und sozialen
Entwicklung durchlebt, in der sich Angola heute befinde, „aber es gelang
ihnen, einen entscheidenden Schritt zur Industrialisierung zu machen“.
Er forderte die BRICS auf, „Angola zu helfen, daß es die bestehenden
Beschränkungen überwinden kann, um die wirtschaftliche Entwicklung, den
Fortschritt und das Wohl der Bevölkerung unseres Landes sicherzustellen. Wir
wissen, daß die Zusammenarbeit zwischen den BRICS und Afrika zu inklusiven
Gesellschaften und globaler Partnerschaft im Interesse der ganzen Menschheit
führen kann.“
Im Rahmen des Forums hatte Präsident Lourenço ebenso wie mehrere andere
teilnehmende Präsidenten Gelegenheit, mit Chinas Präsident Xi Jinping, Rußland
Präsident Wladimir Putin, dem indischen Premierminister Narendra Modi und dem
türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammenzutreffen.
Uganda: „Bringt unseren Millionen Hoffnung!“
Viele Medien zitierten diese Äußerung des ugandischen Präsidenten Yoweri
Museveni: „Afrika ist Heimat von mehr als 1,25 Milliarden Menschen. In
Ostafrika bieten sich Chancen in den Bereichen Fischerei, Stahl, Kupfer,
Milch, Bausektor, um nur einige zu nennen. Wir wollen, daß die BRICS-Länder,
Südafrika eingeschlossen, in Eisenbahnen investieren, in den Bau von Straßen
und in andere Projekte zur Entwicklung der Infrastruktur in unseren Ländern.“
Präsident Museveni sagte, eine Partnerschaft mit den BRICS bringe den mehr als
168 Millionen Menschen in Ostafrika Hoffnung.
Äthiopien: „BRICS für die Erforschung des Weltraums“
Als der BRICS-Gipfel in Johannesburg am 27. Juli zuende ging, interviewte
die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua in Addis Abeba den
Vorstandschef der äthiopischen Beraterfirma Center of Excellence International
Consult, Gedion Jalata, der erklärte: „Die BRICS können als ein wesentlicher
finanzieller Arm für geplante Infrastrukturprojekte in Afrika dienen... Die
BRICS könnten sich entwickelnden afrikanischen Volkswirtschaften wie der
Äthiopiens bei Zukunftsprojekten helfen, etwa der Entwicklung der
Informations- und Kommunikationstechnik (IT), der Weltraumforschung und in der
Luft- und Raumfahrttechnik... Da Südafrika Mitglied der BRICS-Gruppe ist, wird
es Zusagen zur Unterstützung der afrikanischen Länder geben, und die wachsende
Stärke des BRICS-Blocks bedeutet mehr Infrastrukturvorhaben für die
afrikanischen Länder.“
Ruanda: „Revolutionär und wertvoller als Geld“
In einem Trinkspruch auf Präsident Xi Jinping brachte der ruandische
Präsident Paul Kagame zum Ausdruck, daß China der treibende Geist hinter den
BRICS ist. Er sagte:
„Die wachsende Beziehung zu China beruht ebenso sehr auf gegenseitigem
Respekt wie auf gemeinsamen Interessen. Das zeigt sich vor allem in Ihrer
persönlichen Verpflichtung gegenüber unserem Kontinent, Herr Präsident. Und
ganz allgemein behandelt China Afrika als gleichrangig. Wir betrachten uns als
ein Volk auf dem Weg in den Wohlstand. Chinas Maßnahmen zeigen, daß Sie, Herr
Präsident, uns genauso sehen. Das ist eine revolutionäre Haltung im
Weltgeschehen, und sie ist wertvoller als Geld.“
Einige Tage zuvor hatte Kagame im Anschluß an ein bilaterales Treffen mit
Xi in Kigali erklärt, er freue sich auf die Unterzeichnung einer
Absichtserklärung im Rahmen der Belt & Road-Initiative, und seine Vision
für die Zukunft der afrikanischen Wirtschaft beschrieben,5 bei
deren Verwirklichung die BRICS eine große Rolle spiele. U.a. sagte er über die
Kooperation mit China:
„Dies bedeutet neue Chancen für Ruanda, die Region und unseren ganzen
Kontinent. Ruandas Lage am Schnittpunkt der regionalen Blöcke West- und
Mittelafrikas bietet uns die Chance, eine Landbrücke im Herzen Afrikas zu
werden. Durch Projekte wie eine Standardspur-Eisenbahn wird das Innere Afrikas
mit den Küsten verbunden, was zu einer tieferen Integration der
Volkswirtschaften in Afrika und darüber hinaus beiträgt.
Wir begrüßen es, wenn Unternehmen aus China in Ruanda investieren,
insbesondere in Produktion, in den Aufbau von Industrieparks und in Energie.
Während China daran geht, seine Produktionsstruktur zu ändern, um durch seine
Strategie ,Made in China 2025’ in der technologischen Wertschöpfungskette
aufzusteigen, könnte Ruanda sich strategisch positionieren, um einige seiner
Primärindustrien zu übernehmen, in Branchen wie der Montage von Automobilen,
elektronischen Produkten und der Herstellung von Bekleidung und Schuhen.
Ich möchte China nochmals zu der Partnerschaft beim Aufbau der kürzlich
eröffneten Freihandelszone in Dschibuti beglückwünschen. Ich war selbst dabei,
um an der Eröffnung teilzunehmen und dieses Unternehmen, China Merchants
Holdings, eine Tochter der China Merchants Group, zu ermutigen, auch in
Freihandelszonen in Ruanda zu investieren.“
Geist der Seidenstraße
Alle afrikanischen Nationen, die in diesem Überblick zur Sprache kamen,
haben den neuen Geist, der China erfüllt, bereits selbst direkt erfahren,
insbesondere seit Xi im September und Oktober 2013 die
Seidenstraßen-Initiativen angekündigt hat. Diese Erfahrungen haben den Weg
dafür bereitet, daß diese Nationen sich nun für die BRICS und ihre Vision
öffnen.
Anmerkungen
1. Eine weitere Form der Beteiligung an den jährlichen Treffen der BRICS
sind die „BRICS Plus“, wo das Gastgeberland ausgewählte Staatschefs aus der
ganzen Welt einlädt. In diesem Jahr waren die von Südafrika ausgewählten
Gastländer: Argentinien, Indonesien, Ägypten, Jamaica und die Türkei, hinzu
kam der UN-Generalsekretär. Die neun im Rahmen des BRICS-Outreach-Forums
teilnehmenden afrikanischen Länder waren in diesem Jahr: Ruanda, Senegal,
Gabun, Uganda, Äthiopien, Togo, Sambia, Namibia und Angola. In beiden Fällen,
BRICS-Plus wie BRICS-Outreach, entschied Südafrika sich für Länder, die
derzeit den Vorsitz regionaler oder internationaler Organisationen
innehaben.
2. Siehe https://www.infrastructurereportcard.org/making-the-grade/report-card-history/
3. Siehe https://www.youtube.com/watch?v=XdRu41Hl-Ig
4. Siehe https://www.iol.co.za/news/africa/malawi-hails-brics-as-key-to-its-development-plans-16303440
5. Siehe https://www.youtube.com/watch?v=F5JyqOuXUtE