Ausblick: Wird Afrika zum neuen China?
Von Mohammed Bila
Mohammed Bila, Experte des Tschadsee-Observatoriums der
Kommission für das Tschadseebecken, sprach bei der Konferenz des
Schiller-Instituts über das Transaqua-Projekt.
Einführung
Sehr geehrte Damen und Herren, die Kommission für das Becken des Tschadsees
(LCBC) freut sich sehr, daß Sie Gelegenheit hat, sich hier mit dem
Schiller-Institut auszutauschen. Ich kann Ihnen leider nur die besten Grüße
unseres Exekutivsekretärs übermitteln, er kann aus verschiedenen Gründen hier
nicht bei Ihnen sein. Deshalb hat er mich geschickt, damit ich hier den
Teilnehmern dieser Konferenz die Ansichten der LCBC vorstelle.
Ich arbeite seit 2002 für die LCBC als Modellierer. Ich habe also alle die
Entwicklungen miterlebt, in Nigeria sogar schon vor 2002, ich habe die Folgen
des Austrocknens des Tschadsees gesehen. Ich sah die Versuche verschiedener
Regierungen, das Problem zu lösen. Ich habe die Unterstützung der
internationalen Gemeinschaft für das Tschadseebecken und die Mitgliedstaaten
gesehen. Aber seit 2012 haben wir eine völlig andere, neue Herausforderung,
nämlich einen offenen Konflikt mit Menschen, die glauben, alle anderen ändern
zu müssen [die Terrorgruppe Boko Haram]. Wenn wir schon vor 30 Jahren eine
Lösung gesucht hätten, dann wäre es wahrscheinlich gar nicht so weit
gekommen.
Der Plan des Wassertransfers zwischen den Becken des Kongo und des
Tschadsees als Lösung für das Austrocknen des Tschadsees wurde bekannt, als
das 8. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der LCBC, das im März
1994 in Abuja stattfand, eine internationale Kampagne für die Rettung des
Tschadsees begann. Nach der Wahl von Präsident Mohammadu Buhari 2015 und
seinem Appell an die internationale Gemeinschaft, bei der Wiederauffüllung des
Tschadsees zu helfen, um die wirtschaftlichen Aktivitäten wiederzubeleben und
den Terrorismus zurückzudrängen, beschloß die LCBC, den ältesten Vorschlag,
der uns vorlag, das sog. Transaqua-Projekt, genauer anzuschauen. Dieser
Vorschlag wurde in den 80er Jahren als umfassende Lösung für die Rekorddürre
in der Sahelzone entwickelt. Diese Dürre hatte schon 1973 begonnen und
herrschte in den 80er Jahren immer noch.
Die Abuja-Konferenz von 2018
Im März 2018 kamen acht afrikanische Staats- und Regierungschefs in Abuja,
um an der Internationalen Konferenz über den Tschadsee in Abuja teilzunehmen.
Diese acht Staatsoberhäupter und Regierungschefs wählten auf der Grundlage der
Vorträge und Diskussionen in den Arbeitsgruppen das Transaqua-Projekt aus, als
die machbarste Option, um den Tschadsee zu retten, aber auch, um Afrika zu
transformieren.
Bei diesem Treffen waren fünf Staatschefs von Mitgliedstaaten der LCBC
anwesend, dazu kamen ein Vertreter der Regierung Libyens und auch Präsident
Ali Bongo Ondimba von der zentralafrikanischen Republik Gabun. Wir hatten auch
die Zustimmung des Präsidenten von Kongo-Brazzaville, Denis Sassou Nguesso, zu
den Ergebnissen der Konferenz; er rief während der Konferenz an und sagte:
„Ich gebe allem, was bei dieser Konferenz herauskommt, meinen Segen.“ Das war
das erste Mal, daß afrikanische Staatsführer zusammengekommen sind und
versucht haben, eine gemeinsame Lösung für dieses Problem zu finden.
Der Transaqua-Vorschlag besteht in einer 2400 km langen Wasserstraße, um
30-50 Mrd. m3 Wasser aus den rechten Nebenflüssen des Kongo in den
Tschadsee zu leiten. Bei dem ursprünglichen Vorschlag, der in den 1980er
Jahren von dem italienischen Ingenieur Marcello Vichi kam, schätzte man, daß
man 100 Mrd. m3 Wasser aufnehmen und zum Tschadsee leiten könnte.
Aber seit damals bis heute hatten wir ständige Dürre, deshalb geht man
allgemein davon aus, daß wir wahrscheinlich nicht auf 100 Mrd. m3 kommen werden, aber den rechten Nebenflüssen des Kongo zwischen 30 und
50 Mrd. m3 Wasser entnehmen können, um sie zum Tschadsee zu leiten.
Man erwartet, daß das Projekt sieben afrikanischen Ländern direkten
wirtschaftlichen Nutzen schafft und fünf weiteren Ländern, die mit den Becken
des Kongo und des Tschadsees verbunden sind, indirekten Nutzen bringen
wird.
Die Erklärung von Abuja und Transaqua
Am Ende der Konferenz einigten sich die Staatschefs auf die Erklärung von
Abuja; darin weisen sie darauf hin, wie das Austrocknen des Tschadsees und der
Verlust der Mittel zum Lebensunterhalt in der Sahelregion die Sicherheit der
Menschen beeinträchtigt: Wanderung nach Süden und Ausbreitung von Konflikten
nach Zentralafrika und Kongo, Gefahr für Leben und Besitz in der Sahelzone, in
der Tschadseeregion und in Westafrika allgemein, sowie langfristiger Verlust
der Stabilität in Zentralafrika. Das nimmt nach und nach zu.
Seit 1973 sind diejenigen, die etwas besaßen, also diejenigen, die Herden
hatten, aus der Sahelzone fortgezogen. Sie ziehen zur Mitte Afrikas hin, wo
das Gras noch grün ist. Sie versuchen, den wenigen Besitz zu erhalten, den sie
haben, indem sie nach Süden ziehen. Diese Wanderung führt sie in neue
Regionen, wo sie auf Menschen anderer Kulturen treffen, die andere Sprachen
sprechen. Das ist die Hauptursache der Probleme in der Zentralafrikanischen
Republik. Deshalb kamen wir zu dem Schluß, daß diese Südwanderung in Regionen,
die schon jetzt unter inneren Konflikten leiden, noch mehr Probleme auslösen
wird, wenn wir die Lage nicht herumreißen. Der Verlust der Existenzgrundlage
veranlaßt auch die jungen Menschen in der Sahelzone, nach Norden durch Libyen
nach Europa zu emigrieren.
In der Erklärung von Abuja wird die Transaqua-Initiative für den
Wassertransfer zwischen den Becken als ein panafrikanisches Projekt
unterstützt, das notwendig ist, um den Tschadsee wieder aufzufüllen, für
Frieden und Sicherheit in der Tschadseeregion und zur Förderung von
Schiffahrt, industrieller und wirtschaftlicher Entwicklung im gesamten
Kongobecken.
Die Afrikanische Entwicklungsbank wurde beauftragt, die Schaffung eines
Tschadseefonds von 50 Mrd. $ zu organisieren. Die Finanzierungsquellen sollen
eine soziale Komponente haben, die aus öffentlichen Mitteln der afrikanischen
Staaten finanziert wird, und eine wirtschaftliche Komponente, die aus
öffentlichen Mitteln sowie Krediten und Spenden von Afrikas
Entwicklungspartnern kommen soll.
Transaqua, gemeinsamer Nutzen und Wirtschaftswachstum in Afrika
Karte: EIR
Abb. 1: Fertige und geplante Eisenbahnstrecken in Afrika und das
Transaqua-Projekt.
Grafik: Bonifica
Abb. 2: Entwicklungsplan für die Region des Transaqua-Projektes.
Dieses Bild (Abbildung 1) zeigt die notwendige
Eisenbahninfrastruktur, die mit Hilfe Chinas gebaut wird. Das Blaue in der
Mitte ist der Transaqua-Schiffahrtskanal, ausgehend von der Region südlich des
Victoriasees, in der Kivu-Region. Er wird dann das Wasser unter Zuhilfenahme
der Schwerkraft in die Zentralafrikanische Republik leiten, wo wir eine
Industriezone aufbauen wollen. Der Kanal wird das Wasser in den Chari-Fluß
leiten, der dann den Tschadsee wieder auffüllen wird.
Dies (Abbildung 2) ist die Region, die vom Transaqua-Projekt
profitieren wird. Sie können sehen, daß der erste Nutznießer die Demokratische
Republik Kongo sein wird, denn das Wasser stammt aus diesem Becken. Wir
brauchen neue Konzepte, um das, was dort geschieht, zu beschreiben. Die
traditionelle Vorstellung ist, daß man vorhandenes Wasser zwischen Staaten
oder einer Gruppe von Nutzern aufteilt. Aber bei dem neuen Konzept des
geteilten Nutzens, der Win-Win-Situation, können wir diese traditionelle
Vorstellung nicht anwenden. Hier ist vorgesehen, daß eine bestimmte
Wassermenge, die einen bestimmten Wert hat, dem Kongo entnommen und durch den
Kanal geleitet wird. Sie erzeugt Mehrwert durch den Transport von Waren, sie
erzeugt Mehrwert durch die Auffüllung des Kanals. So gelangt das Wasser in die
Zentralafrikanische Republik.
Wenn dieses Wasser fließt, werden Staudämme gebaut. Wir haben lokalisiert,
wo an den Nebenflüssen Staudämme gebaut werden. Diese Staudämme erzeugen Strom
– ein weiterer Wert, der durch dieses Wasser geschaffen wird. Und wenn es in
die Zentralafrikanische Republik gelangt, kann auch dort die Wasserkraft
genutzt werden, und das Wasser kann auch zur Bewässerung genutzt werden. Das
gleiche Wasser wird dann zum Tschadsee geleitet. Kamerun kann das Wasser zur
Bewässerung nutzen, Kamerun kann auch einen Teil des erzeugtens Stroms nutzen,
ebenso der Tschad, denn alle diese Regionen haben bisher keine Elektrizität.
Das alles ist Nutzen, den dieses Projekt hervorbringt.
Schließlich gelangt das Wasser in den Tschadsee. Niger wird Nutzen ziehen
aus der Bewässerung und was immer sie sonst mit dem Wasser tun wollen. Es ist
eine große Chance, um Waren und Dienstleistungen aus Zentralafrika in den
Sahel zu bringen, mit neuen Bewässerungsprojekten. Anstatt jedes Jahr
Milliarden Tonnen Reis zu importieren, wird Afrika diesen Reis dann selbst
erzeugen. Die Industriezonen und die Containerterminals, die entlang des
Schifffahrtskanals entstehen, werden neue wirtschaftliche Entwicklung
bringen.
Diese Wassermenge wird auch die Biodiversität wiederbeleben, insbesondere
im Kongobecken, wo es große Naturreservate gibt. Wenn man mehr Wasser in diese
Gebiete bringt, fördert man eine Zunahme der Biodiversität in diesen
Reservaten. Das Projekt wird Afrika nicht nur wirtschaftlich entwickeln,
sondern auch helfen, die Artenvielfalt in der Zentralafrikanischen Republik zu
beleben und zu schützen und die Biodiversität im Tschadsee zu beleben. Es wird
den regionalen Handel antreiben, es wird neue wirtschaftliche Infrastruktur
wie Binnenhäfen, Containerterminals, agroindustrielle Zonen und neue Straßen
schaffen. In einigen Gebieten gibt es bisher noch keine Straßen. Wenn man in
der Demokratischen Republik Kongo von einer Stadt in eine andere gelangen
will, die nicht am Kongofluß liegt, dann ist das eine gewaltige
Herausforderung. Man muß entweder mit dem Fahrrad oder dem Motorrad fahren.
Diese Projekte werden mit Sicherheit neue Straßen hervorbringen.
Von Anfang an finanzielle Erträge
Grafik: Bonifica
Abb. 3: Erste Schritte zu einem großen Fortschritt: Es ist möglich, das
Projekt in verschiedene operationelle Abschnitte zu unterteilen.
Das Projekt muß auch nicht auf einen Schlag umgesetzt werden. Das
Unternehmen, mit dem wir zusammenarbeiten, die Bonifica-Gruppe in Italien, hat
Simulationen erstellt. Ihre Simulationen besagen, daß man das Projekt in bis
zu 12 Abschnitte (Lose) unterteilen kann. Vom ersten Baulos an können wir
Wirtschaftsgüter produzieren, und mit dem Geld, das durch den Verkauf dieser
Güter erlöst wird, können wir dann zur nächsten Phase übergehen, zum nächsten
Baulos. So werden die afrikanischen Länder mit der Zeit sogar in der Lage
sein, sie so zu planen, daß sie Partner ihrer Wahl hinzuziehen können, die
sich an der Entwicklung der verschiedenen Baulose beteiligen.
Der Simulation zufolge können die finanziellen Erträge, die sich schon bei
der ersten Phase einstellen werden, in den kommenden 30 Jahren für ein
stabiles Wachstum sorgen, das ist die erwartete Dauer für die Realisierung des
Projekts. Es wird also einen ständigen Kapitalzufluß geben, konstante
finanzielle Resultate, die dann in die nächste Phase des Projekts einfließen.
Das Projekt wird also von Anfang an finanziell tragfähig sein.
Der erste Bauabschnitt, den Bonifica simuliert hat, ist der Bau eines Damms
in der Zentralafrikanischen Republik, der 200 MW Strom aus Wasserkraft
erzeugt; Schaffung von vier Bewässerungsanlagen mit zusammen mehr als 40,000
ha Land; Bau von bis zu 600 km Straßen, mehreren neuen städtischen Siedlungen
und einem Industrie- und Logistikkomplex, der direkt 20.000 Menschen
beschäftigen und noch einmal so viele Arbeitsplätze indirekt schaffen wird.
Das ganze beruht auf Investitionen von lediglich etwa 4 Mrd. Euro. Das kann
bis 2025 erreicht werden.
Nkrumah hatte diesen Traum
Kommen wir nun zurück zu der Frage: „Wird Afrika das nächste China werden?“
Die Antwort lautet „Ja“ – wenn wir diese Investitionen in der
Zentralafrikanischen Republik vornehmen und in dieser Partnerschaft zwischen
Afrika, Europa und China in den kommenden 50 Jahren fortsetzen. 2016 hat China
Präsident Mohammadu Buhari zugesagt, in dieses Projekt zu investieren. Sie
waren die ersten, die mit einer Machbarkeitsstudie dafür begonnen haben.
Später beschloß Italien, sich zu beteiligen, was uns sehr freut. In der
Konferenz in Abuja spendete Italien 2,5 Mio. Euro für eine Machbarkeitsstudie.
China hat also bereits 1,8 Mio. Dollar investiert, dann folgte Italien mit 2,5
Mio. Euro. Wir sind nun in der Lage, eine umfassende Studie des
Transaqua-Projektes durchzuführen. Es ist mehr als bloß ein Wasserprojekt, es
ist ein Transformationsprojekt für Wirtschaftswachstum in Afrika.
Grafik: Bonifica
Abb. 4: Entwicklung der Tschadsee-Region durch das Transaqua-Projekt bis 2087.
Wenn das Infrastrukturprojekt Transaqua mit Unterstützung und in
Partnerschaft mit Europa und China realisiert wird, dann wird das Afrika mit
Sicherheit auf den Weg zu wirtschaftlichem Wachstum, Sicherheit für die
Menschen, Industrialisierung, Frieden und Entwicklung bringen. Der Traum
panafrikanischer Staatsmänner wie Dr. Kwame Nkrumah würde wahr. Nkrumah hatte
seinen Traum 1964. Wenn wir jetzt damit anfangen, in diese Partnerschaft zu
investieren, dann wird Afrika in 50 Jahren das neue China sein.
Wir haben bereits die Straßen geplant, die notwendig sein werden, um den
ersten Abschnitt in der Zentralafrikanischen Republik zu realisieren. Wir
gehen davon aus, daß der Tschadsee im Jahr 2087 ein durchgehender See sein
wird, nicht mehr aufgeteilt in verschiedene Teiche, wie es derzeit der Fall
ist. Wir werden einen einzigen großen See haben. Wir haben eine Karte der
Gebiete erstellt, die dann in allen Ländern rund um den Tschadsee bewässert
werden (Abbildung 4). Wir sind fest davon überzeugt, daß dies Afrika
völlig verwandeln wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.