Schafft Deutschland nun den Sprung ins neue Paradigma?
Bei einer hochrangigen Diskussion in Berlin wurde über Chinas
Gürtel- und Straßen-Initiative als Modell für die globale Entwicklung
gesprochen, mit speziellem Schwerpunkt auf Afrika.
Über 70 Mitglieder und Gäste waren am 24. Juni der Einladung des
Schiller-Instituts ins Berliner Logenhaus gefolgt, um darüber zu diskutieren,
daß Deutschlands einzige Zukunftschance in der Neuen Seidenstraße liegt, des
von China angestoßenen weltweiten Infrastruktur- und Industrieaufbauprogramms.
Die Gründerin und Präsidentin des Schiller-Instituts, Frau Helga
Zepp-LaRouche, die sich kurz zuvor mehrere Wochen in China aufgehalten hatte,
um beim bislang größten Zusammentreffen von Staatschefs, Regierungsvertretern
und Experten aller Art über die Neue Seidenstraße mitzuwirken, drückte in
Ihrer Eingangsrede dementsprechend ihren Optimismus darüber aus, daß sich
dieses neue, positive Kapitel in der Geschichte der Menschheit durchsetzen
werde.
Auch die beiden folgenden Redner beschrieben das enorme Potential, das sich
aus einer Zusammenarbeit mit China und anderen Partnern ergibt. Der Erste
Sekretär der Äthiopischen Botschaft in Berlin, Herr Gebreselassie G. Haile,
und der in Tansania geborene Geschäftsberater Dr. Alawi Swaburi gaben ihre
jeweiligen Einblicke, wie durch internationale Kooperation bei großen
Infrastrukturprojekten die Rückständigkeit afrikanischer Staaten rasch
beseitigt werden kann. Ebenfalls im Programm standen musikalische Beiträge wie
die Afrikanische Unabhängigkeitshymne und weitere klassische Werke.
Die strategische Lage
Das nahezu unbegreifliche Paradox für viele Deutsche ist, wie jemand wie
Helga Zepp-LaRouche und ihr Ehemann Lyndon LaRouche fünf Jahrzehnte gegen das
Übel einer mächtigen Oligarchie ankämpfen konnte, ohne die Hoffnung auf den
Erfolg einer gerechten Weltwirtschaftsordnung aufzugeben. Frau Zepp-LaRouche,
die im Logenhaus mit einer umfassenden strategisch-historischen Rede ihre
Forderung wiederholte, der Westen müsse seine Geopolitik aufgeben und sich der
Neuen Seidenstraße anschließen, kam mit sehr erfolgversprechenden Nachrichten
ans Rednerpult. Denn sie habe bei ihrem jüngsten Chinaaufenthalt nicht nur
höchste Würdigung und Anerkennung für ihre Lebensleistung erfahren, sondern
auch in den USA bewege sich die Trump-Regierung nach ihren Erkenntnissen immer
mehr auf China zu. Die Vorherrschaft der „unipolaren Welt“, wie sie die
anglo-amerikanischen Neokonservativen nach dem Ende der Sowjetunion ausgerufen
hätten, sei durch den Brexit und Trumps Wahl erschüttert worden. Die
neoliberale Ordnung ohne Einbeziehung Rußlands und Chinas, wie sie
Bundesminister Schäuble erst noch vor kurzem propagiert habe, gelte zunehmend
als nicht erstrebenswert. Donald Trump werde gerade deswegen von FBI, CIA und
der New York Times so hart angegangen, weil er eine Annäherung zu
Rußland und China versprochen und ein Ende der Regimewechselkriege im Nahen
Osten und Afrika angekündigt habe. Gleichzeitig setze Trump sich für eine
umfassende Erneuerung der Infrastruktur in Amerika ein, was eine Rückkehr zur
Glass-Steagall-Bankentrennung und zum amerikanischen System der
Nationalbankkredite notwendig mache.
All dies zeige, daß wir an einen neuen Abschnitt der Menschheitsgeschichte
gekommen seien, so daß nun die Formulierung einer gemeinsamen
Zukunftsperspektive aller Länder auf die Tagesordnung kommen könne. Europa und
Deutschland würden die Probleme des alten Paradigmas der Globalisierung – den
Bankrott des Finanzsektors, die Schrumpfung des Lebensstandards der
Bevölkerung und die Flüchtlingskrise – nur dann auf humane Art und Weise lösen
können, wenn sie bei der Neuen Seidenstraße kooperieren, mit der Hunderte von
Millionen von Menschen weltweit aus Armut und Konflikten befreit würden.
Frau Zepp-LaRouche machte in einer ausführlichen Diskussion mit dem
Publikum den Vorschlag, in einer Neuen Charta diejenigen Prinzipien zu
fixieren, die ein friedliches Zusammenleben aller Menschen dauerhaft
sicherstellen. Im Zentrum einer solchen Erklärung müsse die Kreativität des
Menschen als Ziel und eigentlichen Wert in der Wirtschaft definieren. Die
Vision des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, die er beim
Seidenstraßen-Forum in Peking präsentiert habe, stehe in völligem Gleichklang
mit Frau Zepp-LaRouches Ideen. Die neue Seidenstraße sei insofern ein
Renaissance-Projekt und eine neue Friedensordnung. Es sei wesentlich
attraktiver für Deutschland, sich dieser Vision anzuschließen, als an einem
bankrotten System festzuhalten.
Äthiopiens Zukunftsvision
Äthiopien sei eine Kultur, die sich seit dem Altertum unabhängig
entwickelt, sagte Herr Gebreselassie Haile, Erster Botschaftssekretär der
Äthiopischen Botschaft in Berlin, auch wenn der Name des Landes im Westen
immer nur negativ konnotiert sei. Diktaturen hätten das Land zwar ruiniert,
doch es besitze die Kraft, sich von seinen beiden Hauptfeinden – der
Rückständigkeit und der Armut – zu befreien. Im Fokus der Vision Äthiopiens
für die kommenden 25-50 Jahre stehe die Entwicklung der Basisinfrastruktur,
denn darauf baue jegliche weitere Entwicklung auf. Mit dem Bau einer Reihe von
Wasserkraftwerken habe es das Land geschafft, seine Energie- und
Wasserressourcen von 300 auf 10.000 MWe auszubauen. Das Straßennetz sei von
10.000 auf 210.000 km ausgebaut worden. Allein mit dem Industriepark Hawassa
seien 60.000 produktive Arbeitsplätze und Ausbildungschancen entstanden, und
viele weitere solcher Projekte stünden vor der Fertigstellung. Insgesamt habe
man mit diesen Maßnahmen bereits 25 Millionen Äthiopier aus der Armut befreit,
wenngleich noch weitere 10-15 Millionen Bewohner in großer Armut lebten und
8,5 Millionen auf Unterstützung angewiesen seien. Ein Frühwarnsystem stelle in
Dürreperioden die Versorgung der Bevölkerung sicher, so daß Hungerkatastrophen
vermieden werden können.
Herr Haile machte sehr deutlich, daß es in Deutschland, das eigentlich
stets das Vorbild Äthiopiens bei seinem Weg gewesen sei, leider kaum
Aufmerksamkeit für diese Entwicklungen gebe. In Deutschland profitierten
Nichtregierungsorganisationen von einem einseitigen Afrikabild, um ihr
Spendenaufkommen zu generieren. Auch das Flüchtlingsthema sei nicht nur
Europas, sondern unser aller Problem, und der Schlüssel zur Lösung sei die
Schaffung von Arbeitsplätzen. „Wir suchen wirkliche Entwicklungspartner und
keinen Boss, der hierherkommt und uns sagt, was wir zu tun und zu lassen
haben“, bringt der Botschaftssekretär die Haltung seines Landes auf den Punkt.
Äthiopien habe bereits Partner aus über zehn Staaten gewonnen. Jüngstes
Beispiel seien die Chinesischen Investitionen in elektrische
Eisenbahnprojekte. „Chinas Export-Import Bank kommt mit Ressourcen und leistet
exzellente Arbeit“, sagt Haile.
Megaprojekte in Südostafrika
Dr. Alawi Swabury, der aus Tansania stammt, aber in Berlin eine Initiative
für 15 afrikanische Länder gegründet hat, stellte einige seiner aktuellen
Großprojekte vor, die er mit chinesischer Finanzierung und internationalen
Partnern realisieren will. Es geht sowohl um Schiffahrtslinien auf dem
Tanganjikasee und Victoriasee, mit denen man Länder wie Kongo, Sambia,
Burundi, Kenia und Tansania verbinden will, als auch um den Bau einer völlig
neuen tansanischen Hauptstadt in der Region Dodoma.
Für diese milliardenschweren Programme hat Herr Swabury bereits die
Finanzierung mit chinesischen Entwicklungsbanken in Aussicht. Ein
internationales Firmenkonsortium, bei dem auch deutsche Firmen beteiligt sind,
soll den Bau von Werften, Straßen, IT-Technik, Wasserversorgung usw.
gewährleisten. Importierte Motorentechnik wolle man unbedingt aus Deutschland
haben, denn an Made in Germany als Gütesiegel komme nach wie vor niemand
vorbei.
Damit, so Swabury, erfülle sich ein seit über 45 Jahren gehegter Traum, der
vom ersten Präsidenten des nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft
befreiten Tansanias, Julius Nyerere, formuliert worden war: die Vernetzung und
Kooperation der Staaten Afrikas. Während chinesische Firmen sehr interessiert
seien, hielten deutsche Firmen jedoch eine Art von Distanz. Der von der
deutschen Bundesregierung gepriesene „Compact for Afrika“ sei nur ein
Lippenbekenntnis und Makulatur, denn er beinhalte lediglich für diejenigen
Länder einen Hilfsmechanismus, in denen die Routen afrikanischer Flüchtlinge
lägen, und er sei kein Entwicklungsplan für Afrika an sich, so Swabury. Im
Gegensatz dazu habe China bereits im Jahr 2015 beim Forum für
Afrikanisch-Chinesische Kooperation 60 Milliarden Dollar für
Infrastrukturprojekte in 17 Ländern zur Verfügung gestellt. Mitte Juli wird
Alawi Swabury mit einer Delegation diese Projekte der Regierung in Tansania
vorstellen.
Stephan Ossenkopp