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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Worte eines besorgten Soldaten

Von Oberst a.D. Jacques Hogard

Oberst Hogard war Fallschirmjäger der Fremdenlegion und der französischen Spezialeinheiten. Für die internationale Konferenz „Der Mensch ist nicht des Menschen Wolf!“ am 12.-13. Juli in Berlin übermittelte er die folgende Videobotschaft. (Übersetzung aus dem Französischen.)

Hallo zusammen, ich nehme an dieser Konferenz, wie man heute sagt, aus der Ferne teil, auf Einladung von Jacques Cheminade und dem Schiller-Institut.

Ich freue mich sehr, daß mein lieber Freund Wolfgang Effenberger, den ich unter ähnlichen Umständen in Belgrad auf der Konferenz des Forum for a World of Equals des letzten Jahres, also 2024, kennengelernt habe, heute hier im Publikum sitzt.

Was ich zu sagen habe, ist ganz einfach. Als ehemaliger Offizier der französischen Armee habe ich 25 Jahre lang in der französischen Armee gedient und bin seit meiner frühen Kindheit viel auf dem afrikanischen Kontinent gereist, wo ich mit meinem Vater, der selbst Offizier der französischen Armee war, in Ländern wie Senegal, Elfenbeinküste, Mauretanien und Dschibuti gelebt habe.

Das hat mich sehr geprägt, so sehr, daß ich selbst 26 Jahre lang als Offizier in der Fremdenlegion gedient habe. Anschließend war ich bei den Spezialeinheiten, wo ich mich gezwungen fühlte, meine Karriere vorzeitig zu beenden, weil ich 1999 an der NATO-Operation im Kosovo beteiligt war. Das war mein „Signal“ – der Anlaß, warum ich Bilanz zog und die französische Armee verließ.

Ich verließ die französische Armee, die meine Familie war, es war die Welt, die ich liebte, ich war dort wie ein Fisch im Wasser. Und ich beschloß zu gehen, weil ich gerade im Kosovo gesehen hatte, was mir aber schon zuvor, 1994 in Ruanda, bewußt geworden war – daß sich die Welt veränderte. Der Fall der Berliner Mauer, das Verschwinden der Sowjetunion 1991, die Lage hatte sich verändert. Und ich hatte 1994 in Ruanda festgestellt, daß unser „bester Feind” letztendlich die Vereinigten Staaten von Amerika waren.

Ich begann, die ganze Realität des echten Imperialismus zu verstehen, dieses heftige Verlangen, die Vorherrschaft über die Welt in einer streng unipolaren Welt zu erlangen, in der die Vereinigten Staaten quasi die Rolle des „Weltpolizisten” spielen sollen.

Fünf Jahre später, 1999, entlarvte ich in Kosovo als Feldkommandant, wie ich es in Ruanda gewesen war, die NATO. Ich hatte sie bereits im September 1998 ein wenig entlarvt, genauer gesagt, seitdem man in Westeuropa über den Kosovo und die Tragödie zu sprechen begann, die sich dort für die albanische Bevölkerung abspielte, die Opfer eines Völkermords seien, man sprach bereits von Völkermord, der angeblich von den Einwohnern, der Armee und den Institutionen Serbiens begangen wurde.

Also recherchierte ich ein wenig, bevor ich dorthin ging, mit einer besonderen Einstellung, einer Art permanenter Hinterfragung der Realität, die sich sozusagen hinter dem Spiegel verbarg. Und ich entdeckte sie gewissermaßen aus erster Hand, zuerst in Mazedonien und dann im Kosovo, da ich unter britischem Kommando die französischen Spezialeinheiten befehligte, und es dauerte nicht lange, bis ich die Doppelzüngigkeit unserer britischen Verbündeten durchschaute.

In Wirklichkeit spielten sie ihre Karte aus, die eigentlich die amerikanische Karte war, denn die Briten sind meiner Meinung nach die bestmöglichen „Stellvertreter“ der Amerikaner. Sie sind innerhalb der NATO die ideale bewaffnete Hand für amerikanische Interessen, und ich habe konkret festgestellt – obwohl ich natürlich schon etwas vorgewarnt war –, daß unsere Interessen, die Interessen Frankreichs, da ich in der französischen Armee im Dienste der französischen Interessen stand, die NATO nicht kümmerten.

Das machte mir vor Ort natürlich klar, daß wir uns in einer falschen Position befanden, da wir kamen, um einer albanischen Rebellion zu helfen, die zudem von mehreren ausländischen Mächte unterstützt wurde, darunter europäische – beispielsweise Deutschland –, aber auch Frankreich, wie ich viel später herausfand, und natürlich von den Briten und Amerikanern. Diese „Rebellion” galt bis 1997 als terroristische Bewegung, stand auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika, wechselte aber seltsamerweise plötzlich ins Lager unserer besten Verbündeten.

Ich habe die Aktionen gesehen und mußte mich schließlich vor Ort im Kosovo mit meinen britischen Vorgesetzten auseinandersetzen wegen einer Reihe recht dramatischer Episoden, die ich in einem kleinen Buch beschreiben konnte, das ich nach meiner Rückkehr geschrieben habe und das den Titel „Europa starb in Pristina“ trägt.

Und warum sagte ich, daß „Europa in Pristina gestorben ist“? Ich habe diesen Augenzeugenbericht mit diesem starken Titel belegt, der tatsächlich das genau Gegenteil von dem besagt, was ich von [dem französischen Außenminister] Bernard Kouchner hörte, der von der Europäischen Union, von der internationalen Gemeinschaft, für die Übergangsphase nach dem Bruch zwischen der Provinz Kosovo und dem serbischen Mutterland im Sommer 1999 zum „Gouverneur des Kosovo“ ernannt worden war. Herr Kouchner hatte ausgerufen: „Europa wurde in Pristina geboren.“ Ich war genau der gegenteiligen Meinung, und deshalb wollte ich meinen Augenzeugenbericht schreiben und habe ihm diesen Titel gegeben.

Nun ist Europa einerseits die Europäische Union, aber es ist auch ein Kontinent – ein Kontinent, zu dem Länder wie Rußland und Serbien gehören. Aber obwohl sie strenggenommen aus kontinentaler Sicht nicht Teil davon sind, sind sie doch Akteure. Das größere Europa, von dem ich träume, ist also das Europa von General de Gaulle, das Europa „vom Atlantik bis zum Ural”, und dieses Europa würde Sinn machen. Denn es wäre ein ausgeglichenes Europa zwischen zwei Polen. Der eine Pol im Westen wäre Frankreich, der andere im Osten Rußland.

Ich glaube an die Worte Chateaubriands zu seiner Zeit und etwas später an die Worte General de Gaulles, der sie mehr oder weniger aufgegriffen hat: „Wenn Rußland und Frankreich Verbündete sind, wenn sie sich nahe stehen, dann geht es Europa gut. Und wenn sie zerstritten sind, geht es Europa schlecht.“ Das können wir heute sehr gut beobachten.

Nun glaube ich, daß Europa eine Rolle in der Welt zu spielen hat, sowohl in Asien und Afrika als auch in dem, was wir heute den „Globalen Süden“ nennen. Und ich denke, daß ein solches Frankreich dann nicht das Frankreich von heute ist, sondern ein etwas anderes Frankreich. Ein Frankreich, das seiner Identität treu ist, ohne Komplexe und ohne Arroganz, aber ein Frankreich, das stolz auf sich ist, stolz auf seine christlichen Wurzeln, die es mit anderen europäischen Ländern teilt und die es friedlich und ruhig praktiziert, indem es der Welt die Stärke seiner Kultur, die Stärke seines Humanismus, die Stärke seiner Großzügigkeit und seine Fähigkeit zum Engagement vermittelt.

Das ist es also, ein ideales Frankreich, das es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gibt, das ist klar. Wir kämpfen jeden Tag dafür, daß das Gesicht Frankreichs wieder so wird, wie es seit Jahrhunderten war. Das ist es.

Vielen Dank.