Wir sind im Kriegsmodus
Von Wolfgang Bittner
Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner
hielt in der Internetkonferenz am 4. Februar den folgenden Vortrag.
Als Joseph Biden 2014 davon sprach, Wladimir Putin müsse die Souveränität
der Ukraine respektieren, sonst werde sich Rußland zunehmenden Konsequenzen
gegenübersehen, war der von den USA lange vorbereitete Staatsstreich in Kiew –
unter Mißachtung der Souveränität der Ukraine – bereits vollzogen, und der
Bürgerkrieg in der Ostukraine hatte begonnen. Kurz darauf nötigte US-Präsident
Barack Obama die führenden europäischen Politiker, Rußland mit harten
Sanktionen zu belegen.
Das war der Beginn einer gewollten Auseinandersetzung, in die Deutschland
und die Europäische Union mehr und mehr hineingezogen wurden. Lange vergessen
ist das Kooperationsangebot des russischen Präsidenten Wladimir Putin von
2001, als er in seiner denkwürdigen Rede im Deutschen Bundestag für einen
gemeinsamen Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon warb. Die USA haben
das verhindert. Sie haben die Ukraine nach dem von ihnen initiierten Putsch
auf kaltem Wege übernommen und vor der Haustür Rußlands einen Brandherd
gelegt, den sie immer wieder anheizten.
Das Minsker Abkommen wurde von Kiew ignoriert, die berechtigten Forderungen
Rußlands nach Sicherheitsgarantien blieben unbeantwortet und Mitte Februar
2022 eskalierten die Angriffe auf die Volksrepubliken Donezk und Luhansk.
Daraufhin marschierten am 24. Februar 2022 russische Truppen in die Ukraine
ein. Die Folge war ein Aufschrei des sogenannten Wertewestens mit einer
gigantischen Kriegspropaganda, begleitet von umfangreichen Waffenlieferungen
an die Ukraine. Die USA und die NATO begannen, mit Hilfe der
instrumentalisierten Ukraine, einen verdeckten Krieg gegen Rußland zu
führen.
Inzwischen zeigt die Weltuntergangsuhr 90 Sekunden vor Mitternacht. Dennoch
folgen devote, ideologisierte Politiker in der Europäischen Union den Vorgaben
aus Washington zum Nachteil ihrer Länder. Sowohl Deutschland als angebliche
europäische Führungsmacht als auch die EU mit der aufgrund von Manipulationen
an die Macht gekommenen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tragen zur
Verschärfung der Lage bei und überschreiten damit ständig ihre Befugnisse,
indem sie ihren primären Auftrag, Frieden und Sicherheit zu bewahren,
verraten. Um es noch deutlicher zu sagen: Die deutsche Regierung und die
EU-Kommission mißbrauchen ihr Mandat.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte den Westen mehrmals davor
gewarnt, die Ukraine mit Offensivwaffen auszurüsten, und Verhandlungen
angeboten. Seine Erklärungen, Moskau sei trotz der westlichen
Aggressionspolitik an einer Kooperation mit allen ausländischen Partnern
interessiert, wurden als Propaganda abgetan. Auch die Bemühungen des
russischen Außenministers Sergej Lawrow, der vor einer hochgefährlichen
Ausweitung des Ukraine-Krieges gewarnt hatte, liefen ins Leere. Lawrow hatte
schon vor Wochen von einem hybriden Krieg gegen Rußland gesprochen, der das
Ziel habe, das Land zu ruinieren und einen politischen Umsturz
herbeizuführen.
Festzustellen ist, daß die von den USA geführte westliche Allianz
beabsichtigt, Rußland mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu besiegen.
Was sich in dieser Konstellation zwischen Deutschland und Rußland angebahnt
hat, ist eine Tragödie und eine Jahrhundertkatastrophe.
Besonders tragisch ist, daß sich Deutschland zum dritten Mal gegen Rußland
in Stellung bringen läßt. Das war im ersten und zweiten Weltkrieg so und ist
auch jetzt wieder der Fall. Durch die bedingungslose Kapitulation 1945 geriet
Deutschland vollkommen in die Hand der USA, die seit über einem Jahrhundert
eine Langzeitstrategie verfolgen, die vor allem der Verhinderung einer
Kooperation zwischen Deutschland und Rußland als einer wirtschaftlichen und
militärischen Konkurrenz dient.
Jetzt wird Deutschland als Speerspitze gegen Rußland eingesetzt, Japan und
Südkorea stehen gegen China. Die USA wollen mit aller Macht ihren durch nichts
begründeten Anspruch auf globale Herrschaft durchsetzen, selbst wenn es dabei
zum großen Krieg kommt.
Diese Hybris geht von den Neokonservativen in Washington mit den dortigen
Finanz- und Wirtschaftseliten und ihrer Gallionsfigur Joseph Biden aus, der
fast alle Konflikte und Kriege der letzten Jahrzehnte mitzuverantworten hat.
Er ist es auch, der Deutschland zur bedingungslosen Unterstützung der Ukraine
verpflichtet, zur Teilnahme an einem Abnutzungskrieg, von dem die USA
wirtschaftlich außerordentlich profitieren.
Eine nochmalige Zuspitzung in den Beziehungen Rußlands mit den
Westalliierten ist nach einer bestürzenden Aussage der ehemaligen
Bundeskanzlerin Angela Merkel eingetreten. In einem Interview sagte sie im
Dezember 2022, das Minsker Abkommen von 2014 sei vom Westen geschlossen
worden, um der Ukraine Zeit zu geben, stärker zu werden. Der französische
Präsident Macron und der ukrainische Ex-Präsident Poroschenko haben das
bestätigt. Demnach war Krieg mit Rußland von vornherein die Absicht, die der
Westen in und mit der Ukraine verfolgt hat. Was da zutage tritt, ist eine
Ungeheuerlichkeit: Die Regierungen von Deutschland, Frankreich, der Ukraine
und den USA haben in den Jahren vor dem russischen Einmarsch doppeltes Spiel
getrieben, das heißt intrigiert, gelogen und Kriegsvorbereitungen
getroffen.
Der russische Präsident Wladimir Putin zeigte sich tief enttäuscht. Er
beklagte einen Mangel an Ehrlichkeit und stellte sich die Frage, ob es
überhaupt noch jemanden gebe, mit dem man sich einigen könne und welche
Garantien es dann gebe. Nach diesen Enthüllungen sei das Vertrauen fast auf
dem Nullpunkt, aber – so fügte er hinzu – letztlich müsse eine Einigung
erzielt werden und Rußland sei dazu bereit und offen.
Anstatt darauf einzugehen, fand ein regelrechtes Kesseltreiben auf die
Berliner Regierung statt, Leopard-Kampfpanzer, also schwere Offensivwaffen, an
die Ukraine zu liefern, was nun geschehen ist. Jetzt fordert der ukrainische
Machthaber Wolodymyr Selenskyj Kampfflugzeuge und Langstreckenraketen.
Daß die Lieferung solcher Waffen die Situation in der Ukraine nur
verschärfen kann, hat sich in den vergangenen Wochen bewiesen. Je mehr der
Westen liefert, desto länger wird diese Auseinandersetzung dauern. Die Ukraine
geht dabei zugrunde, aber auch Deutschland, das ständig Waffen schickt und
Milliarden an Kiew zahlt, wird ruiniert.
Daß ein großer Teil der deutschen Bevölkerung Frieden mit Rußland will,
wird von der eigenen Regierung aufgrund des Drucks aus Washington und einiger
Vasallenstaaten mißachtet. Selenskyj kann die deutsche Regierung beleidigen
und beschimpfen, doch Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock
versichern ihm weiterhin ihre unbegrenzte Unterstützung. Viele fragen sich,
wie die Berliner Politiker dazu kommen, solche Versprechungen abzugeben, und
warum Deutschland der Ukraine überhaupt irgendetwas schulden sollte.
Einen Paradigmenwechsel in der Einschätzung des Ukrainekrieges auf
westlicher Seite leitete kürzlich der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs
der Streitkräfte der USA, General Mark Milley, ein, als er in einem Interview
in der New York Times – entgegen der Politik Joseph Bidens – zu
Verhandlungen mit Rußland aufrief. Offenbar fürchten hohe Militärs in den USA
und Europa inzwischen die Inkompetenz von Politikern wie Biden, Austin,
Selenskyj oder Baerbock und melden sich allmählich zu Wort.
Das ficht US-Präsident Joseph Biden offenbar nicht an. Er wähnt sich am
Ziel seiner jahrzehntelangen Bemühungen, Rußland zu ruinieren und den
westlichen Begehrlichkeiten wie auch den strategischen Interessen zu
unterwerfen. Aber das wird die russische Regierung verhindern. Rußland wird
nichts übrigbleiben, als sich in dieser Auseinandersetzung, trotz der immensen
Waffenlieferungen der westlichen Allianz, durchzusetzen. Etwas anderes ist gar
nicht möglich. Rußland ist eine Atommacht und wird eine Niederlage, die mit
einer Zerstückelung des Landes einherginge, niemals zulassen.
Abgesehen von der akuten atomaren Bedrohung sind die Folgen der von den USA
provozierten Auseinandersetzung gravierend. Rußland hat schon länger damit
begonnen, sich vom Westen abzukoppeln, neue Wege mit neuen Partnern zu gehen
und sich gegen die Aggressionspolitik der USA zur Wehr zu setzen. Damit ist
Rußland nicht allein. Mehr als die Hälfte der Menschheit will sich die
Zumutungen und die Unterdrückung durch die USA nicht mehr gefallen lassen.
Zu registrieren ist, daß die BRICS-Organisation und die
Shanghai-Kooperative (SCO) immer mehr Zulauf erhalten. Gearbeitet wird an
einem anderen als dem westlichen, von den USA dominierten Wirtschafts- und
Finanzsystem. Unter anderem ist die Herrschaft des Dollar als Weltleitwährung
infrage gestellt, was allerdings weitere, hochgefährliche Auseinandersetzungen
nach sich zieht. Denn die USA werden sich nicht ohne Gegenwehr in den Bankrott
treiben lassen. Sie verfügen über die größte Militärmacht der Welt, und das
ist bei allem zu berücksichtigen, was künftig in den Bemühungen um eine
friedlichere Welt unternommen wird. Zurzeit stehen sich zwei Atommächte in
einem Stellvertreterkrieg gegenüber, der jede Minute ausufern kann.
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