Argentinien tritt der Gürtel- und Straßen-Initiative bei
Von Alejandro Yaya
Alejandro Yaya ist Vizepräsident des Ziviltechnischen Instituts für
Weltraumfahrt in Argentinien. In der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am
19. Februar hielt er den folgenden Vortrag.
Guten Tag! Ich möchte mich beim Schiller-Institut für die Einladung bedanken,
heute zu Ihnen zu sprechen. Es sei darauf hingewiesen, daß der Vortrag, den ich
halten werde, nicht den argentinischen Staat repräsentiert, sondern ein
eigenständiger Bericht über die Vereinbarungen und Aktivitäten ist, die mit dem
jüngsten Besuch unseres Präsidenten Alberto Fernández sowohl in der Russischen
Föderation als auch in der Volksrepublik China begonnen haben.
Ich werde über konkrete Fakten der bilateralen Beziehungen Argentiniens und
seinen Beitritt zur Neuen Seidenstraße berichten und erläutern, welche Art von
Investitionen im Bereich der Infrastruktur im allgemeinen und der strategischen
Infrastruktur erfolgen werden. Ich werde auch darauf eingehen, welche Aspekte
Argentinien berücksichtigen sollte, um diesen Neubeginn einer bilateralen
Beziehung zu fördern und zu nutzen, die, um es klar zu sagen, bereits vorher
Ansätze von Möglichkeiten aufwies, die aber nicht so schnell genutzt wurden, wie
man sie hätte nutzen sollen.
Eisenbahn
Was die Eisenbahninfrastruktur anbelangt, so liegt einer der Schwerpunkte
dieser Abkommen in der Sanierung des argentinischen Eisenbahnnetzes,
insbesondere des sogenannten Belgrano Cargas. Gleiches gilt für das Schienennetz
der San-Martin-Strecke und der Roca-Strecke. Dazu gehört auch ein
Modernisierungsplan für die Schienennetze. Die Mittel werden für den Kauf von
Waggons und Lokomotiven chinesischer Unternehmen und für die Verbesserung des
Bahnnetzes verwendet. Dies wird sich auf Arbeiten erstrecken, die dem
Güterverkehr in 13 Provinzen der argentinischen Republik zugute kommen
werden...
Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben: Die von mir erwähnten Nebenstrecken
werden instand gesetzt, und wir werden die Handels- und Gütertransportrouten
wiederherstellen, aber in anderer Art und Weise: Sie werden sowohl in
Nord-Süd-Richtung als auch in Ost-West-Richtung verlaufen. Wir sprechen hier von
Summen, die 5 Milliarden Dollar erreichen.
Ein Teil des Projekts, das bereits Anfang 2020 hätte in Angriff genommen
werden sollen, ist der sogenannte Pazifikabzweig. Dieser Abzweig ist von der
Idee von Gürtel und Straße geprägt und wurde von chinesischer Seite an die
argentinischen Bedürfnisse angepaßt. Um Ihnen eine Vorstellung davon zu geben:
Wir sprechen hier über ein Projekt, das den ersten Abschnitt und die damit
verbundenen Arbeiten mit einer Finanzierung von etwa 800 Millionen Dollar
umfaßt.
Auch ein weiterer wichtiger Aspekt des Besuchs von Präsident Fernandez in der
Russischen Föderation hängt mit dem Thema Eisenbahn zusammen. In diesem
Zusammenhang ist es wahrscheinlich, daß unsere Beziehungen auch durch die
russische Produktion von Eisenbahnlokomotiven und -waggons gestärkt werden.
Kraftwerke
Ebenso gibt es Vereinbarungen im Zusammenhang mit Wasserkraftwerken in Santa
Cruz. Ich beziehe mich hier auf den Wasserkraftwerkskomplex Nestor Carlos
Kirchner. Er wird von der Regierung der Provinz Santa Cruz ausgehandelt. China
hat bereits etwa 1,35 Mrd. Dollar von den insgesamt 4,714 Mrd. Dollar, die für
die Fertigstellung des Projekts vorgesehen sind, bereitgestellt. Es ist wichtig,
daß die Rückzahlung des Kredits erst beginnt, wenn das Projekt abgeschlossen ist
und in Betrieb genommen wird. In diesem Fall wird unser Präsident eine
Vereinbarung zur Verlängerung und Verbesserung der Zahlungsbedingungen treffen
müssen.
Es werden auch Projekte für andere Wasserkraftwerke in den Provinzen Tucuman
und Catamarca in Betracht gezogen.
Ein weiterer Teil der Verträge, und ich glaube, daß dies für das
Schiller-Institut von großem Interesse sein wird, ist das Kapitel Kernenergie.
Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß die Arbeiten am Kernkraftwerk
Atucha, am Reaktor Atucha 3, beginnen werden. Es handelt sich um eine
Hualong-Anlage, die auf angereichertem Uran und Leichtwassertechnologie basiert.
Das ist anders als die Kernkraftwerke, die wir bisher in Argentinien haben, die
auf dem kanadischen Candu-System mit schwerem Wasser und Natururan basieren.
Trotz einiger Kontroversen wird Argentinien in dieser neuen Technologie
geschult, was wichtig ist, da uns diese Technologie bisher fehlt. China nutzt
diese Hualong-Technologie, um sich im Kernkraftbereich zu stärken, denn es gibt
nur zwei dieser Art auf der Welt, und dies wäre die dritte Anlage dieser
Art.
Ich möchte klarstellen, daß Argentinien seine Natururananlage bzw. das
Candu-System nicht aufgeben, sondern diese neue Anlage zusätzlich entwickeln
sollte. Wir arbeiten bereits am fünften Kernkraftwerk – hier möchte ich mich
korrigieren –, das chinesische wird das vierte sein, und es wird ein weiteres
Candu-Kernkraftwerk geben, das wird das fünfte. Und es gibt noch weitere
Projekte im Zusammenhang mit der Kernenergie.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, daß sich Argentinien hiermit eine
historische Chance bietet. Bei all diesen Projekten, die ich erwähnt habe, ist
die Volksrepublik China offen für den Technologietransfer und den Austausch von
Wissen. Argentinien sollte natürlich Druck machen und in konkreten und
spezifischen Bereichen darum bitten.
Was die Raumfahrt und die Telekommunikation betrifft, so sind dies ebenfalls
sehr wichtige Kapitel der Abkommen, die erzielt wurden. Man sollte die
Vereinbarungen mit Huawei über den Aufbau einer Infrastruktur für die
5-G-Technologie erwähnen. Auch hier ist es wichtig, daß unsere Berufsverbände
und Institutionen an der Festlegung der Normen und Maßnahmen in unserem Land
beteiligt werden.
Ich sollte erwähnen, daß es bei unserer Suche nach 5-G-Technologien keine
Gegenangebote aus anderen Ländern wie der EU und den USA gegeben hat. Das
gleiche gilt für fast alle Bereiche, die ich genannt habe. Was die industrielle
Produktion für das 5-G-Netz anbelangt, so wird das Unternehmen Xiaomi in der
Provinz Feuerland ein Werk zur Herstellung von Computern und verwandter
Technologie errichten.
Auch das ist eine historische Chance, unsere Lieferkapazitäten in den
Bereichen Warenproduktion und Technologie zu verbessern.
Austausch in der Wissenschaft
Was steht an, was ist wichtig, was muß meiner Meinung nach gefördert und
entwickelt werden?
Wenn Sie die gemeinsame Erklärung der argentinischen Botschaft und der
Volksrepublik China lesen, dann sehen Sie, daß die Abkommen und die Beziehungen
umfassend sind. Das heißt, sie reichen von der Wissenschaft bis zur Technologie,
decken aber auch Einzelheiten des Handels und des kulturellen Austauschs ab.
Und wenn ich mir dazu eine Bemerkung erlauben darf – denn aus meiner Arbeit
und meinem beruflichen Standpunkt aus betrachtet kämpfen wir dafür –, sollte der
Aspekt des Kulturaustauschs auf allen technischen Ebenen der angewandten
Wissenschaft stattfinden, das heißt, Vereinbarungen zwischen argentinischen
Universitäten und Forschungszentren mit ihren Pendants in der Volksrepublik
China.
Ich werde Ihnen ein konkretes Beispiel nennen, das ich hervorheben möchte und
das nicht nur für Argentinien von Interesse sein sollte, sondern wie ich glaube,
auch für alle anderen Länder der Welt. Ich werde über den Bereich sprechen, aus
dem ich komme – das Bauwesen –, und mich dabei auf China beziehen.
Wenn man sich die letzten zehn Jahre anschaut, was die Infrastrukturprojekte
im Bauwesen angeht: der längste Tunnel, die größte Brücke, das größte
Wasserkraftwerk, das am schnellsten gebaute Gebäude usw. – dann ist klar, daß
sie alle von den Ingenieurschulen der Volksrepublik China entwickelt und
ausgeführt wurden. Die Chinesen kopieren nicht mehr die Technologien anderer,
wie man ihnen früher nachsagte, sondern sie schaffen ihre eigenen Technologien,
produzieren ihre eigenen Patente, ihre eigenen Innovationen. Und das alles auf
dem Gebiet der technologischen Kultur. Dies zeigt, und das halte ich für sehr
wichtig, daß Argentinien in dieser Hinsicht nicht schlafen darf und das
Lernpotential nutzen muß.
Es ist wichtig zu betonen, beispielsweise beim Thema Atomkraft, daß auch
Argentinien hier über Wissen und Fähigkeiten verfügt. Unser Beitrag: Sie
erinnern sich vielleicht, daß Argentinien auch im Nuklearbereich verkauft und
vermarktet hat, und zwar über INVAP, eine weitere sehr wichtige Institution in
unserem Land, die mit Wissenschaft und Technologie zu tun hat, und wir sind in
der Lage, Forschungsreaktoren in China zu bauen. Mit anderen Worten: Unsere
Beziehungen sind derzeit eine Win-Win-Situation.
Ich hoffe, daß dieser Vortrag nützlich war, und ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit.
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