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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die neue Architektur

Ein Programm, um zu verhindern, daß wegen der Sanktionen eine Milliarde Menschen verhungern

Von Dennis Small

Dennis Small ist Iberoamerika-Redakteur des Nachrichtenmagazins „Executive Intelligence Review“. Er eröffnete den zweiten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 9. April mit dem folgenden Vortrag.

Ich freue mich sehr, heute hier in dieser angesehenen Gruppe internationaler Akteure oder aktiver Denker zu sein, die zusammengekommen sind, um Lösungen für die Probleme der Welt zu finden. Die Probleme sind in der Tat groß. Ich erinnere mich an die Worte von Ramsey Clark, der einmal sagte, was Lyndon LaRouche für seine Feinde im internationalen Finanzestablishment so gefährlich machte: Seine Organisation sei ein „fruchtbarer Motor der Ideen“. Und genau das ist es auch heute wieder, was uns zu einer so großen Bedrohung für das bestehende Finanzestablishment mit Zentrum in London und seiner Filiale an der Wall Street macht. Es ist jetzt dringend notwendig, daß wir diesen Motor hochfahren, um eine Krise von einem Ausmaß zu bewältigen, wie wir sie nicht mehr seit dem Schwarzen Tod im 14. Jahrhundert – oder vielleicht noch nie – erlebt haben.

© EIR

Abb. 1: Energieverbrauch in Deutschland 2020.

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Abb. 2: Lyndon LaRouches berühmte „typische Kollapsfunktion“.

© EIR

Abb. 3: Ein wesentlicher Aspekt des Kollapses ist der Rückgang der physischen Produktion.

So blicken wir zum Beispiel in den Abgrund einer globalen Hungerkatastrophe: Während man noch vor wenigen Monaten davon ausgegangen war, daß im Laufe dieses Jahres 235-250 Millionen Menschen verhungern würden, gehen die besten, leider zutreffenden Schätzungen davon aus, daß in diesem Jahr bis zu einer Milliarde Menschen verhungern könnten. Das ist ein Achtel der Weltbevölkerung! Die Lage in bestimmten Ländern, vor allem im Nahen Osten und in Nordafrika, ist aufgrund ihrer extremen Abhängigkeit von Importen besonders schlimm. Die russischen und ukrainischen Exporte sind wegen der Supersanktionen gegen Rußland unterbrochen, und immerhin verfügen diese beiden Länder zusammen über ein Drittel des gesamten Weizens, der auf den Weltmärkten gehandelt wird. Das wiederum trifft Afrika und den Nahen Osten besonders hart.

Noch schlimmer ist die Situation bei der Energie. Das trifft Europa besonders hart. Europa ist völlig abhängig von russischen Öl- und Gasexporten. Deutschland, das am stärksten industrialisierte Land Europas, bezieht 24% seiner gesamten Energieversorgung aus russischem Gas und Öl, wie Sie in Abbildung 1 sehen können.

Aber es trifft nicht nur Afrika und trifft nicht nur Deutschland. Diese Supersanktionen treffen die ganze Welt, denn sie kommen noch zu dem Zusammenbruch des gesamten globalen Finanzsystems hinzu.

Womit wir es jetzt zu tun haben, kann man sehen, wenn man sich Lyndon LaRouches berühmte Funktion der „Dreifachkurve“ (Abbildung 2) ansieht, sie vermittelt eine Vorstellung von der Beziehung zwischen dem Wachstum der spekulativen Finanzanlagen und dem darunter liegenden realwirtschaftlichen Zusammenbruch. Sie können sehen, daß der Zusammenbruch der Wachstumsraten der physischen Wirtschaft ungefähr 1971 begann, als das System der freien Wechselkurse international eingeführt wurde. Das von Franklin Delano Roosevelt eingeführte System fester Wechselkurse von Bretton Woods wurde abgeschafft, und damit öffnete man einer Flutwelle von Spekulationen Tür und Tor, die bis heute eine Blase von Derivaten mit einem Volumen von 1,5 bis 2 Billionen Dollar hervorgebracht hat.

Wie Sie auf der zweiten Version der Dreifachkurve (Abbildung 3) sehen können, kam zu diesem anhaltenden Zusammenbruch noch eine Pandemie hinzu, die auf der ganzen Welt schwere Krisen auslöste. Darüber hinaus gab es einen weiteren Einbruch durch die absichtliche Deindustrialisierung, die ausgehend von der COP26-Konferenz und dem grünen Programm auf internationaler Ebene eingeleitet wurde. Und jetzt gibt es eine dritte, dramatische Verschlechterung mit den Sanktionen, die international verhängt wurden.

Als 1971 das System der frei schwankenden Wechselkurse eingeführt wurde, war dies der Anfang vom Ende des internationalen Glass-Steagall-Systems, das die produktive Verwendung von Geld und Kredit von Spekulationsgeschäften trennte. Auf internationaler Ebene geht es um ein System fester Wechselkurse; innerhalb der Vereinigten Staaten geht es um das Glass-Steagall-System. In Bezug auf die wirtschaftlichen Grundlagen ist es das Gleiche.

Die Lösung: eine neue Wirtschaftsarchitektur

Lassen Sie mich nun zu der Frage kommen, wie wir dieses Problem lösen können, denn ich denke, darauf müssen sich unsere Aufmerksamkeit und unsere Diskussion vor allem konzentrieren. Wir haben ein Programm zur Bewältigung dieser Krise auf globaler Ebene aufgestellt, um eine neue Wirtschaftsarchitektur zu schaffen, die auf LaRouches grundlegender Wirtschaftspolitik basiert, gestützt auf seine Vier Gesetze.

Beginnen muß man immer mit der physischen Wirtschaft. Nicht mit den finanziellen Aspekten, sondern mit der realen Wirtschaft.

Wenn man sich die Kombination Rußland, Indien und China anschaut – das, was Primakow das Strategische Dreieck nannte –, kann man sehen, daß diese drei Länder allein schon durch die spekulativen Angriffe aus London und Washington sowie die politischen und militärischen Angriffe angegriffen und zerstört werden sollen. Aber diese drei Länder haben zusammen 38% der Weltbevölkerung; sie produzieren 42% des Weizens, 66% des Stahls. Von den neuen Kernkraftwerken, die gebaut werden, 45%.

Es ist nicht so, daß sie autark wären, aber sie haben eine sehr gute Basis, um mit dem spekulativen System zu brechen und – das ist der zweite Punkt unseres Vorschlags – eine gemeinsame Währung zwischen diesen Nationen einzuführen, die einen festen Wechselkurs zwischen ihnen und eine absolute Barriere zwischen ihnen und dem spekulativen Dollarsystem schaffen würde.

In internationalen Finanzkreisen ist viel darüber diskutiert worden, wie das geschehen könnte. Soll das System durch Gold, durch Rohstoffe oder ähnliches gestützt werden? Das wichtigste, was eine Währung wertvoll macht, ist, daß sie durch Kredite gedeckt ist, die für produktive Aktivitäten vergeben werden. Ich möchte zitieren, was Lyndon LaRouche in einem Seminar am 29. Juni 2005 in Berlin dazu gesagt hat:

    „Die gängige Auffassung von Geld bei Regierungen und führenden Institutionen ist verrückt, gemessen an den Auswirkungen des Konzepts und der Art und Weise, wie es angewendet wird. Der Wert des Geldes sollte durch ein wissenschaftliches Prinzip bestimmt werden, nicht durch ein Buchhalter-Prinzip. Und das wissenschaftliche Prinzip ist das, was physikalisch begründbar den Willen und die Fähigkeit von Regierungen ausdrückt, durch die Schaffung von Krediten eine langfristige Entwicklung ihrer Volkswirtschaften und ihrer Produktivität zu erreichen – die Gewißheit, daß die Regierung entschlossen und fähig ist, Werte zu schaffen, Wohlstand zu schaffen und über genügend Wohlstand zu verfügen, um die so geschaffenen Schulden rechtzeitig zurückzuzahlen. Das ist eine physikalische Frage, keine buchhalterische Frage.“

Ich denke, für diese Aufgabe ist es wesentlich, einen solchen gemeinsamen Block und eine Währung zu schaffen, um diesen mit realwirtschaftlichen Fähigkeiten zu stützen.

Drittens müssen die Nationen, die sich an der Rettung der physischen Volkswirtschaften beteiligen, nationale Währungen mit festen Wechselkursen einführen, statt mit frei schwankenden Wechselkursen, die der Spekulation mit dem Dollar Tür und Tor öffnen, daß sie und diese mit Devisenkontrollen schützen. Auf diese Weise können wir einen Hamiltonischen Kredit für produktive Tätigkeiten einführen, genau so, wie Lyndon LaRouche es gerade beschrieben hat. Die Notwendigkeit einer solchen hohen Mauer zwischen der spekulativen Wirtschaft und der produktiven Wirtschaft ist der Kern eines Glass-Steagall-Systems.

Wenn das als Baustein oder Ausgangspunkt vorhanden ist, bildet das den Ausgangspunkt für die drei RIC-Staaten [Rußland, Indien, China], woraus die BRIC und dann die BRICS wurden [Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika]. Sie sollten expandieren, indem sie Kapital für produktive Aktivitäten zur Entwicklung des Entwicklungssektors bereitstellen. Die meisten Länder des Entwicklungssektors werden sehr froh sein, einer solchen Vereinbarung beizutreten, weil die Politik des untergehenden, sich selbst zerstörenden transatlantischen Finanzsystems sie buchstäblich umbringt.

Es ist extrem wichtig, diese neuen Vereinbarungen auch den Vereinigten Staaten und den europäischen Nationen anzubieten. Das ist es, was Lyndon LaRouche immer vorgeschlagen hatte: ein Vier-Mächte-Abkommen zwischen Rußland, Indien, China und den Vereinigten Staaten. Bei Vorschlägen wie der chinesischen Gürtel- und Straßen-Initiative wird den Vereinigten Staaten und Europa angeboten, sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen, die natürlich nicht der Wall Street oder der Londoner City, aber der Bevölkerung und der Industrie der gesamten Region zugute kommen werden. Für die Vereinigten Staaten ist das keine so große Veränderung. Es bedeutet lediglich eine Rückbesinnung auf die Grundsätze von Alexander Hamilton, auf denen unser Amerikanisches System der politischen Ökonomie faktisch beruht.

Schließlich schlagen wir sechstens vor, daß diese neue Orientierung, dieser Ansatz der Ost-West-Zusammenarbeit für eine Win-Win-Entwicklung auf die Ukraine angewandt wird – das vielleicht schwierigste Problem auf dem Planeten. Die Ukraine ist durch 30 Jahre liberale Wirtschaftspolitik zerstört worden, nicht nur durch den Krieg. Das hat dazu geführt, daß die Bevölkerung um ein Drittel geschrumpft ist, daß die Zahl der Arbeitskräfte schrumpfte, die Zahl der Arbeitskräfte im verarbeitenden Gewerbe sank um 25%. Und das in einer Wirtschaft, die zu den fortschrittlichsten Industrienationen gehörte, mit Hochtechnologie, Luft- und Raumfahrt und anderen Fähigkeiten, Atomenergie usw. Und natürlich hat die Ukraine die berühmte Schwarzerde, die für eine hohe landwirtschaftliche Produktivität sorgt.

Das alles muß wieder aufgebaut werden, und zwar in gemeinsamer Kooperation zwischen Ost und West. Auf diese Weise wird die Ukraine nicht zum Auslöser eines potentiellen thermonuklearen Krieges, sondern für eine Neuordnung auf der Grundlage des westfälischen Prinzips des „Vorteils des anderen“, das die Grundlage für die Lösung der Probleme des gesamten Planeten ist. Wir müssen uns der Herausforderung mit der Ukraine stellen, nicht weil sie einfach ist, sondern weil sie schwierig ist.

Ich danke Ihnen.