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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Extreme Kriegsgefahr und begründete Hoffnung

Von Michael Billington

Eine Internetkonferenz des Schiller-Instituts befaßte sich mit Ansätzen, der gegenwärtigen Kriegsgefahr zu entkommen.

Der sinnlose Marsch in einen Krieg zwischen den Atommächten im Zusammenhang mit der Konfrontation um die Ukraine, aber auch die Hoffnung für die Welt aus dem gemeinsamen Kommuniqué von China und Rußland vom 4. Februar, in dem eine neue Ära für die Menschheit ausgerufen wird: diese Themen standen im Mittelpunkt einer Internetkonferenz „100 Sekunden bis Mitternacht – wir brauchen eine neue Sicherheitsarchitektur“, zu der das Schiller-Institut am 19. Februar führende Persönlichkeiten aus aller Welt versammelte.

Die Konferenz begann mit einer Videoaufnahme des zweiten Satzes der Violinsonate op. 100 von Johannes Brahms mit Norbert Brainin (Violine) und Günter Ludwig (Klavier) aus dem Jahr 1995, gefolgt von den vorausschauenden Worten Lyndon LaRouches, der schon vor über 20 Jahren davor warnte, daß die damalige Politik die Gefahr eines Atomkrieges heraufbeschwören würde, so wie sie heute besteht.

Der daran anschließende erste Konferenzabschnitt stand unter dem Thema „Wer und was treibt die Weltkriegsgefahr an?“ Er wurde eröffnet mit einer Grundsatzrede von Harley Schlanger, einem führenden Sprecher der LaRouche-Organisation (TLO), der die Frage stellte, ob die Welt in eine neue Ära des Friedens durch Entwicklung eintreten oder in ein neues finsteres Zeitalter und einen Weltkrieg abgleiten wird. Er erinnerte an das Versagen der Vereinigten Staaten, die es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion versäumten, eine neue Weltsicherheitsarchitektur zu schaffen, und statt dessen der geopolitischen Phantasie vom „Ende der Geschichte“ verfielen, wonach sich fortan die ganze Welt der anglo-amerikanischen Version der liberalen Demokratie beugen würde. Gefolgt seien eine Flucht nach vorne in aberwitzige Spekulation an der Wall Street und in der Londoner City sowie mutwillige, illegale neokoloniale Kriege der Anglo-Amerikaner, was zusammengenommen die westlichen Volkswirtschaften in den Ruin getrieben und die heutige Hyperinflation verursacht habe.

Aber das chinesische Wirtschaftswunder, die Gürtel- und Straßeninitiative (Belt and Road Initiative, BRI) und die russisch-chinesische Zusammenarbeit in allen strategischen und wirtschaftlichen Fragen hätten den Kern einer neuen Weltordnung geschaffen, die auf der friedlichen Zusammenarbeit aller Nationen bei der wirtschaftlichen Entwicklung beruht. Das Potential dieser Zusammenarbeit für ganz Eurasien habe die geopolitischen Herren in der City und an der Wall Street in Panik versetzt, ganz im Sinne von Sir Halford Mackinders Mahnung, daß das Empire das eurasische „Herzland“ kontrollieren müsse.

Natalja Witrenko, Vorsitzende der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine und langjährige Freundin und Mitarbeiterin des Schiller-Instituts, zeichnete ein verheerendes Bild der aktuellen Zustände in der Ukraine. Sie beschrieb die verzweifelte Armut und den fast völligen Zusammenbruch von Industrie und Landwirtschaft im Gefolge des von den USA und Großbritannien unterstützten und von bekennenden Nazi-Organisationen und Milizen angeführten Staatsstreichs 2014, der das Land dem IWF und westlichen Bankern ausgeliefert habe, die das Land bis auf die Knochen ausplündern.

Der Westen, der die Ukraine in seinem Vorstoß zur Zerstörung Rußlands als Spielball benutzt, liefere ihr jetzt moderne Waffen im Wert von Milliarden von Dollar (auf Kredit), während sich die ukrainische Wirtschaft im freien Fall befinde, mit massiver Kapitalflucht, versperrtem Zugang zu ausländischen Investitionen und Krediten sowie dem Zusammenbruch der Währung. Dies sei genau das Ergebnis, betonte Witrenko, vor dem sie schon 2014 auf einer vom Schiller-Institut mitorganisierten Reise durch Deutschland, Frankreich und Italien gewarnt habe. Sie schloß mit der Forderung nach einer Entnazifizierung und einer Rückkehr zur Ukraine als neutrale Nation.

Anschließend sprach Oberst a.D. Alain Corvez, ehemaliger Berater des französischen Verteidigungs- und Innenministeriums. Er erklärte, die aktuelle globale Krise markiere das Ende der amerikanischen Vorherrschaft. Die amerikanische Führung habe in ihrer Hybris der Welt ihre Bedingungen diktiert, anstatt den Zusammenbruch des Ostblocks 1991 zu nutzen, um eine gerechte neue Weltordnung auf der Grundlage der Multipolarität zu schaffen. Dann habe sie die Zusagen gebrochen, die sie Rußland im Gegenzug für den friedlichen Abzug der Streitkräfte aus den ehemaligen Sowjetrepubliken gegeben hatten, und die NATO soweit nach Osten ausgedehnt, daß sie nun drohe, ihre Kriegsmaschinerie an Rußlands Grenzen zu platzieren. Rußlands Forderung nach Sicherheitsgarantien sei vernünftig und sollte von allen Nationen begrüßt werden. Die europäischen Länder wiederholten zwar offiziell die Lügen der USA über die russischen Absichten, hätten jedoch andere Bedürfnisse und Interessen, so daß sie sich in diesem „großen Moment“ wahrscheinlich von der Anti-Rußland-Hysterie lösen werden. Die NATO sollte aufgelöst werden, schloß er.

Jens Jørgen Nielsen, dänischer Professor und Experte für Rußland und die ehemalige Sowjetunion, erinnerte an die Angst vor einem Atomkrieg während des Kalten Krieges und die Erleichterung, als die Berliner Mauer fiel. Doch die Aussicht auf eine neue, friedliche Ordnung habe sich zerschlagen, als die NATO sich zu erweitern begann und dabei die in mehreren Verträgen vereinbarte „unteilbare Sicherheit“ ignorierte. Er gab US-Präsident Bill Clinton die Schuld an der ersten Osterweiterung, die er gegen den dringenden Rat führender Persönlichkeiten vollzogen habe. Jetzt begingen die USA wild illegale Handlungen, einfach „weil sie es können“.

Jim Jatras, ehemaliger US-Diplomat und Berater der republikanischen Fraktion im US-Senat, erklärte, bei der Krise gehe es nicht wirklich um die Ukraine, sondern um die Weigerung der USA und Großbritanniens, Rußlands Kernforderung nach Sicherheitsgarantien auch nur in Betracht zu ziehen. Die Überzeugung der USA, sie hätten nach dem Zusammenbruch der UdSSR das Recht, ihre Vorstellung von „Demokratie, Menschenrechten und freiem Handel“ allen Nationen aufzuzwingen, erinnert Jatras an den „trotzkistischen, bolschewistischen Slogan ,Frieden, Fortschritt und Kommunismus‘, den sie der Welt aufzwingen wollten“. Die eurasische Integration durch Gürtel und Straße widerspreche der Vorstellung der USA und Großbritanniens, die NATO müsse „die USA drinnen, Rußland draußen und Deutschland unten halten“.

Anschließend sprach der pakistanische Wirtschaftswissenschaftler Shakeel Ahmad Ramay über den wichtigen Besuch des pakistanischen Premierministers Imran Khan in Peking, über die katastrophalen Zustände in Afghanistan und über die historische und aktuelle Rolle Pakistans. Die USA lehnten Pakistans Mitwirkung in der BRI und dem Chinesisch-Pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) ab, aber Pakistan werde sich nicht zurückziehen. Die BRI sei eine Chance für alle Nationen.

Neue Perspektive

Der zweite Konferenzabschnitt trug den Titel „Die Schaffung einer neuen strategischen Architektur: das russisch-chinesische Abkommen vom 6. Februar und die wirtschaftliche Entwicklungsperspektive der Weltlandbrücke“. Er begann mit zwei Sätzen aus Beethovens Sonate für Violine und Klavier in G-Dur op. 96, ebenfalls in einer Videoaufnahme mit Brainin und Ludwig. Dann wurden zwei Videoausschnitte aus Reden Lyndon LaRouches vom 4. Mai 2001 und vom November 1985 gezeigt, worin LaRouche dazu aufruft, die Neue Seidenstraße zum Aufbau ganz Eurasiens – mit Rußland als zentralem Element – als Angelpunkt für den weltweiten Aufschwung zu nutzen, auch in Afrika. „Man betrachtet die Menschheit in ihrer Gesamtheit: diejenigen, die über die Mittel verfügen, um sich selbst aufzurichten, und diejenigen, für die sie auf längere Sicht handeln müssen, um auch sie aufzurichten.“

Helga Zepp-LaRouche sagte in ihrer Grundsatzrede, jeder ehrliche Blick „von oben“ auf die heutige Welt zeige den zunehmenden wirtschaftlichen Fortschritt in China und ganz Asien, im Kontrast zum versagenden westlichen System, wo man die Notwendigkeit eines neuen Paradigmas nicht zu erkennen scheine. Wir stünden am Rande eines Krieges, der nur durch eine Beendigung der Geopolitik vollständig verhindert werden kann, sagte sie, und wunderte sich darüber, wie der neokonservative US-Außenminister Tony Blinken und die grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock auf der Münchner Sicherheitskonferenz in ihren wilden Lügen über Rußland „ein Herz und eine Seele“ waren. Der Zusammenbruch der Sowjetunion beweise keineswegs die Überlegenheit des westlichen liberalen Systems, wie man an den horrenden Zuständen in den meisten Entwicklungsländern sehen könne.

Sie zitierte die früheren Außenminister Roland Dumas und Hans-Dietrich Genscher sowie US-Botschafter Jack Matlock, die alle 1991 an den Vereinbarungen mit Rußland beteiligt waren und das feste Versprechen des Westens bestätigten, die NATO werde sich „keinen Zentimeter“ östlich von Deutschland ausdehnen. Zepp-LaRouche beschrieb ihre Rolle, zusammen mit ihrem Mann, bei der Schaffung der Neuen Seidenstraße (BRI). Die historische gemeinsame Erklärung der Präsidenten XI Jinping und Wladimir Putin vom 4. Februar verkünde eine neue Ära ohne Geopolitik, der sich die USA und Europa anschließen müssen, anstatt sie zu sabotieren. Wir brauchen einen neuen Westfälischen Frieden, sagte sie, in dem sich alle Nationen mit den realen Bedürfnissen der gesamten Menschheit befassen. „Wir sind die größte Gattung. Beweist es! Machen wir dies zur Sternstunde der unsterblichen Gattung.“ (Den vollständigen Text ihrer Ausführungen finden Sie in dieser Ausgabe.)

Dr. Wang Wen, geschäftsführender Dekan des Chongyang-Instituts für Finanzstudien und Professor der Silk Road School an der Renmin-Universität in Peking, erörterte die Beziehungen zwischen Xi und Putin, die sich in den letzten neun Jahren 38 Mal trafen, bis hin zu der historischen Gemeinsamen Erklärung vom 4. Februar über eine neue Ära. Zu dieser neuen Ära gehöre die rasche Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, aber auch, sich im gegenwärtigen gefährlichen globalen Umfeld, in dem „ein bestimmtes Land“ das Recht beansprucht, sich in andere Länder einzumischen, „gegenseitig den Rücken freizuhalten“.

Alejandro Yaya vom argentinischen Ziviltechnischen Institut für Weltraumfahrt beschrieb Ergebnisse der historischen Besuche des argentinischen Präsidenten Alberto Fernández in Rußland und China, wo Argentinien der BRI beigetreten ist. Zu den Vereinbarungen gehört die Sanierung des argentinischen Eisenbahnnetzes, wozu Lokomotiven und Waggons aus China und Rußland geliefert werden. Rußland wird in Argentinien auch ein viertes Kernkraftwerk bauen. Weitere Vereinbarungen betreffen die Zusammenarbeit in der Raumfahrt, den Ausbau des argentinischen Telekommunikationssystems durch Huawei und den Austausch von technischem Know-how in beide Richtungen.

Graham Fuller, langjähriger Beamter des US-Außenministeriums und der CIA und ehemaliger stellvertretender Vorsitzender des National Intelligence Council, machte sich über Tony Blinkens Behauptung lustig, es gäbe in Bezug auf die Ukraine und Rußland keine „Einflußsphären“ mehr. Er ließ die Geschichte der amerikanischen Außenpolitik Revue passieren, die gänzlich auf der Behauptung von Einflußsphären aufgebaut ist, so daß nun die ganze Welt als Teil ihrer eigenen Sphäre betrachtet wird. Fuller erörterte die Probleme kleiner Länder, die in der Nähe von Großmächten wie Rußland, China, Indien oder den USA liegen, und zitierte dazu den mexikanischen Präsidenten Porfirio Díaz: „Armes Mexiko: so weit weg von Gott und so nah an den Vereinigten Staaten“. Jetzt müßten sich diese Mächte zusammensetzen und ein besseres System schaffen.

Dr. Carlos Gallardo, Präsident der Christdemokratischen Partei Perus, die vor kurzem beschloß, geschlossen dem Schiller-Institut und der BRI beizutreten, erläuterte die Unterstützung seiner Partei für die BRI. Dazu beschrieb er das hocheffektive Straßennetz der Inkas, deren Territorien im 16. Jahrhundert vom heutigen Kolumbien bis hinunter nach Argentinien und Teilen Brasiliens reichten, die alle durch das Straßensystem verbunden waren. „Wie sollten wir da nicht an Gürtel und Straße glauben?“ Er zeigte Karten der vorgeschlagenen Biozeanischen (transkontinentalen) Eisenbahn, die in Zusammenarbeit mit China entstehen soll.

Der letzte Redner war Tony Magliano, ein katholischer Kolumnist für soziale Gerechtigkeit und Frieden. Er berichtete über den Massenhunger in der Welt und konzentrierte sich dabei auf Afghanistan, und er bemerkte: „Die humanitäre Hilfe, die die USA jetzt Afghanistan anbieten, entspricht in etwa dem, was sie die letzten 20 Jahre lang in drei Tagen für die Bombardierung und Zerstörung des Landes ausgegeben haben.“