Eine globale Jugendpartnerschaft für ein neues Paradigma
Von Helga Zepp-LaRouche
Dies ist eine gekürzte Abschrift des Hauptvortrags von Helga Zepp-LaRouche
im Rahmen eines Dialogs zwischen jungen Menschen aus 28 Ländern, der am 7. Mai
per Telekonferenz geführt wurde. Dabei ging es um die dringende Notwendigkeit,
eine Jugendbewegung aufzubauen, die sich dafür einsetzt, die Tragödie der
Geopolitik zu beenden und sie durch ein neues Paradigma zu ersetzen. Mit diesem
Dialog wird der Prozeß fortgesetzt, den das Schiller-Institut mit seiner
Konferenz „Die Schaffung einer neuen Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur
für alle Nationen“ am 9. April eingeleitet hat.
Hallo! Ich möchte Sie grüßen, wo immer Sie auch sein mögen. Es ist wirklich
eine Freude, daß junge Menschen so zusammenkommen, denn die Situation in der
Welt ist absolut schrecklich, und viele Menschen machen sich Sorgen: Wohin soll
das alles führen? Gibt es einen Ausweg? Gibt es Hoffnung für die Zukunft?
Ein unheimlich gefährlicher Moment
Ich möchte sagen, daß wir uns in der Tat in einer unglaublich gefährlichen
Zeit befinden. Aber es gibt auch Hoffnung. Es werden aber nicht der „historische
Materialismus“ oder der „dialektische Materialismus“ oder irgendwelche
„objektiven Gesetze der Geschichte“ sein, die entscheiden. Ich denke, etwa 90%
dessen, was geschieht, wird davon abhängen, ob es genügend mutige Menschen gibt,
die ihr individuelles Gewicht in die Waagschale werfen, um etwas zu
bewirken.
Der Zweck dieses Aufrufs ist es also, ein internationales Netzwerk zu
initiieren, eine Partnerschaft vor allem unter jungen Menschen, um für den
Frieden zu kämpfen, um gegen den Krieg zu kämpfen. Aber das ist nur möglich,
indem wir eine bessere Welt und eine Friedensordnung schaffen, die es jeder
einzelnen Nation auf diesem Planeten ermöglicht, nicht nur zu überleben, sondern
zu blühen und gedeihen. Es ist nur möglich, wenn wir die Idee der Geopolitik
überwinden.
Nun, Geopolitik ist die Vorstellung, daß es immer einen Block von Nationen
oder eine Nation geben wird, die ihre Interessen gegen einen anderen Block von
Nationen definiert oder definieren muß, und daß es immer eine tödliche
Kontroverse gibt, bei der entweder der eine oder der andere gewinnt, und das
Ganze ist ein Nullsummenspiel. Und dieses Denken ist genau das, was überwunden
werden muß und was überwunden werden kann.
Was wir tun müssen, ist, eine internationale Ordnung zu schaffen, die im
wesentlichen auf der Idee beruht, daß jede Nation das Recht und die
Mittel hat, alle Potentiale aller ihrer Bürger zu entwickeln. Wir sind in
einer Situation, in der wir einen Systemwechsel brauchen: eine vollständige
Änderung des Systems.
Der Grund, warum ich das sage, ist, daß die Situation sehr dringend ist.
Immer mehr Analysten und Experten sind sich einig, daß die Gefahr eines Dritten
Weltkriegs akut ist, daß die Situation gefährlicher ist als auf dem Höhepunkt
des Kalten Krieges. Für diejenigen unter Ihnen, die sich ein wenig mit
Geschichte beschäftigt haben: Das war die Kubakrise, als die Sowjets Atomraketen
auf der Insel Kuba stationiert hatten. Damals war es wirklich eine Frage von
Minuten und Stunden, wie die Angelegenheit geregelt werden würde, und wir
standen kurz vor dem Dritten Weltkrieg. Aber dieses Mal ist es noch viel
gefährlicher: Das ist die Expertenmeinung vieler Menschen.
Wir sind also nur noch ein Haarbreit von der Vernichtung der menschlichen
Zivilisation entfernt. Im Gegensatz zu anderen Zeiten, in denen wir uns in einer
solchen Gefahr befanden, wie zu Beginn der 1980er Jahre, als es die
„Mittelstreckenraketen-Krise“ in Europa gab, zwischen den SS-20 und den Pershing
20, und Hunderttausende von Menschen auf den Straßen vor dem Dritten Weltkrieg
warnten, ist die „Friedensbewegung“ – wenn es sie denn gibt – heute sehr klein.
Und sie ist zum größten Teil in die Irre geführt, weil sie alle sagen, es seien
die bösen Taten Putins, die für die Situation verantwortlich sind. Darauf werde
ich gleich noch eingehen.
Ich gehe davon aus, daß die meisten von Ihnen in dieser Runde jung sind; das
bedeutet, daß Sie wahrscheinlich zwischen 20 und 35 Jahre alt sind und unter
normalen Umständen noch 50-75 Jahre vor sich hätten. In jedem Fall, ob mit oder
ohne Kriegsgefahr, ist es sehr dringend, daß Sie eine Perspektive entwickeln, in
welcher Art von Welt Sie leben wollen: Darüber sollten Sie nachdenken, denn
sonst wird das jemand anderes für Sie entscheiden.
Oder genauer gesagt, in diesem Fall müssen Sie sicherstellen, daß es
überhaupt eine Welt gibt, in der Sie leben können. Denn wenn die derzeitige
Politik fortgesetzt wird, könnte die Welt in wenigen Minuten, in wenigen Tagen,
Wochen oder Monaten ganz plötzlich untergehen.
Dabei ist natürlich der Krieg in der Ukraine der Brennpunkt. Aber bei dieser
ganzen Krise geht es nicht um die Ukraine. Es geht darum, welche Art von
Weltordnung es geben sollte: Soll es eine unipolare Welt sein, die von einer
oder zwei Nationen beherrscht wird? Soll es eine „regelbasierte Ordnung“ sein,
in der ein kleiner Club von Nationen die Regeln festlegt? Oder sollte sie
multipolar sein und auf dem Völkerrecht basieren, wie es in der UN-Charta zum
Ausdruck kommt?
Die Logik des Atomkriegs
Nun, es gibt Leute, wie die derzeitige Außenministerin Deutschlands, Annalena
Baerbock, die sagt, daß wir mehr schwere Waffen in die Ukraine liefern müssen,
selbst wenn die Gefahr eines Atomkriegs besteht. Baerbock sagt, wir können
nichts ausschließen.
© U.S. Space Command/Lewis Carlyle
Lagezentrum des US-Weltraumkommandos während der Übung „Global Lightning“, in
der ein langdauernder „Hybridkrieg“ mit Einsatz von konventionellen und
nuklearen Waffen geprobt wurde.
Schauen wir uns nun an, was das Risiko tatsächlich bedeutet. Im Januar dieses
Jahres gab es eine Militärübung namens Global Lightning, die auf der Idee
eines langwierigen, hybriden Krieges zwischen konventionellen und nuklearen
Streitkräften basierte. Das ist lächerlich! Die Vorstellung, daß man tagelang,
vielleicht sogar wochenlang Krieg führt, ein paar Atombomben abwirft, dann in
den Weltraumkrieg und in den Cyberkrieg übergeht und dann wieder in den
konventionellen Krieg zurückkehrt – das ist einfach völlig verrückt und das wird
es nicht geben.
Es gibt immer mehr Leute, die leichthin sagen: „Kleine Atomwaffen sind sehr
nützlich, denn wenn die eine oder andere Seite in einem konventionellen Krieg
verliert, wird sie mit taktischen Atomwaffen antworten.“
Nun, es gibt ein paar echte Atomwaffenexperten, wie Ted Postol, ein
ehemaliger MIT-Professor, der die Ansicht vertritt, die jetzt auch vor ein paar
Tagen in einem interessanten Video von Colin Powells ehemaligem Stabschef,
Oberst (a.D.) Lawrence Wilkerson, geäußert wurde. Und alle diese Leute sagen,
daß es so etwas wie einen „begrenzten Atomkrieg“ nicht gibt, sondern daß, sobald
man eine einzige Atomwaffe einsetzt, alle eingesetzt werden: Das gesamte
Arsenal der Welt wird eingesetzt. Und Sie sollten wissen und wissen es
wahrscheinlich auch, daß das eine ganze Menge ist. Die USA verfügen über 5.428
Atomraketen, Rußland über 5.977, China 350, Frankreich 290, Großbritannien 225,
Pakistan 165, Indien 160, Israel 90 und Nordkorea 20.
Wenn man all das einsetzt, wird folgendes passieren. Laut Ted Postol wird
sich um jede einzelne dieser Raketendetonationen eine Feuerwand bilden, die die
Temperatur des Sonnenmittelpunkts hat und alles in weniger als Asche verwandelt.
Sie wird fünfmal heißer sein als das Zentrum der Sonne: 100 Millionen Grad
Kelvin. Die Wirkung der Detonation bei einer Explosion in Städten, sagt er,
übersteigt die Vorstellungskraft – selbst alles, was auch er sich vorstellen
kann.
Und er wählt die Worte, um sie zu beschreiben, um vor den Folgen zu warnen:
Eine einzige solche Atomwaffe würde eine automatische Reaktion auslösen. Wenn
zum Beispiel eine einzige Atomwaffe eine Stadt trifft, wird sie ein Gebiet mit
einem Radius von 5-8 km zerstören, das sind etwa 200 km². Angenommen, nur 20%
der amerikanischen Interkontinentalraketen werden eingesetzt, um die russischen
landgestützten Interkontinentalraketen zu zerstören, dann bleiben immer noch 80%
für andere Ziele in Rußland, China und Europa übrig – und umgekehrt natürlich
auch russische Interkontinentalraketen gegen die USA und andere Ziele.
Die Menschen in Afrika und Lateinamerika sollten nicht denken, daß sie davon
nicht betroffen wären, denn auch wenn die unmittelbaren Ziele nicht in ihren
Gebieten liegen, würden sie vom nuklearen Fallout betroffen sein. Da das
russische Luftverteidigungssystem weniger ausgereift ist als das der USA und der
NATO, hat die russische Militärführung laut Postol eine automatische Reaktion
vorgesehen, so daß sie für den Fall, daß die russische Führung bei einem
überraschenden nuklearen Erstschlag des Westens ums Leben kommt, eine
„Weltuntergangsmaschine“ eingerichtet hat, die praktisch ihr gesamtes Arsenal
automatisch abfeuert. Und das hat die Situation noch gefährlicher gemacht.
Sogar eine Fehleinschätzung der Lage oder ein Unfall kann einen Atomkrieg
auslösen. Es gibt viele Leute, wie z.B. die Internationalen Ärzte für die
Verhütung des Atomkrieges, die davor warnen. Wenn dieses Ereignis eintreten
würde, käme es zu einem nuklearen Winter, und die Wahrscheinlichkeit, daß alles
Leben auf der Erde ausstirbt, ist dann sehr hoch.
Wir sitzen also auf einem Pulverfaß. Vor einem Jahr, am 20. Februar 2021,
wies der Kommandeur des Strategischen Kommandos der USA (US-STRATCOM), Admiral
Charles Richard, das Pentagon an, die Wahrscheinlichkeit eines Atomkriegs von
„nicht wahrscheinlich“ auf „sehr wahrscheinlich“ zu ändern.
Daniel Ellsberg, der berühmte Whistleblower, der die Pentagon-Papiere
veröffentlicht hat, sagt, daß es hier nicht nur um die Ukraine geht, sondern daß
das auch ausgelöst werden könnte, wenn es zu einem konventionellen Krieg um
Taiwan kommt. Etwa in dem Fall, daß Taiwan zu der Vorstellung gedrängt würde, es
könnte seine Unabhängigkeit erklären, und es dann zu einem Krieg zwischen den
Vereinigten Staaten und China käme, den die USA (aus einer Vielzahl von Gründen)
verlieren würden. In diesem Fall käme es dann zum Einsatz von Atomwaffen.
Ellsberg hat Whistleblower aufgerufen, an die Öffentlichkeit zu gehen und zu
sagen, was die tatsächliche interne Debatte im Militär über den Einsatz von
Atomwaffen ist.
Bitte glauben Sie mir, ich will Ihnen keine Angst machen. Manch einer mag
argumentieren, daß jüngere Menschen sich nicht für strategische Fragen
interessieren. Es ist nicht gerade die Art und Weise, wie man Menschen
mobilisieren kann, wenn man jungen Menschen eine Perspektive geben will. Aber
ich wäre sonst nicht ehrlich. Denn das Beängstigende ist nicht nur, daß wir uns
wahrscheinlich am gefährlichsten Punkt befinden, den es je in der Geschichte der
Menschheit gegeben hat. Was mir noch mehr Angst macht, ist, daß die große
Mehrheit der Weltbevölkerung entweder nichts davon weiß oder es sie nicht
interessiert. Ich denke, wenn sie es wirklich wüßten, würde es sie
interessieren, aber die Medien sagen ihnen nicht die Wahrheit.
Ich denke, das ist der Ausgangspunkt. Man muß sich klar machen, daß ein
Atomkrieg zwischen den beiden größten Atommächten, den USA und Rußland, die
Auslöschung der menschlichen Gattung bedeutet, und dann dafür mobilisieren, daß
der Krieg aufhören muß. Und für eine Alternative kämpfen, die von dem Gedanken
ausgehen muß, daß der Krieg aufhören muß und sofort Diplomatie und Verhandlungen
beginnen müssen, um eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.
Das westliche Narrativ und die Wahrheit
Das westliche Narrativ ist derzeit, Putin sei der Aggressor. Sie benutzen
unglaubliche Worte, sie sagen: „Putin ist ein Kriegsverbrecher“, usw. In
Kriegszeiten sagt man, die Wahrheit stirbt zuerst. Aber das Narrativ ist so,
zumindest in Deutschland oder den Vereinigten Staaten, daß wenn man auch nur
erwähnt, daß der Krieg nicht erst am 24. Februar begann (als Rußland in die
Ukraine einmarschierte), man bereits als „Putin-Agent“, „Instrument der
russischen Propaganda“ und so weiter und so fort bezeichnet wird. Aber es gibt
natürlich eine Vorgeschichte, die ich nicht ausführlich beschreiben möchte, die
ich aber ansprechen möchte für diejenigen von Ihnen, die wirklich verstehen
wollen, was passiert ist.
Ich möchte es nur ganz kurz erwähnen: Alles begann zur Zeit der deutschen
Wiedervereinigung. Als die Berliner Mauer [1989] fiel, versprach
US-Außenminister James Baker III dem Generalsekretär Michail Gorbatschow, daß
sich die NATO „keinen Zentimeter“ nach Osten bewegen werde. Heute wird
geleugnet, daß er dies gesagt hat; heute heißt es, das sei niemals versprochen
worden. Aber es gibt historische Dokumente, tatsächliche Dokumente, und
Augenzeugen, die absolut bestätigen, daß die Situation so war, daß deutlich
gemacht wurde, daß die NATO sich nicht nach Osten bewegen würde.
Als sich der Warschauer Pakt auflöste, als die Sowjetunion zerfiel, verlor
die NATO real betrachtet ihre Daseinsberechtigung, weil Rußland keine Bedrohung
darstellte; schon zu Zeiten von Gorbatschow, in den letzten Jahren, dachte
niemand, daß die Sowjetunion eine Bedrohung darstellen würde. Aber damals
beschlossen bestimmte Kräfte, die Neokonservativen und die Briten, den
Zusammenbruch der Sowjetunion zu nutzen, um eine unipolare Welt zu schaffen, und
die gesamten 1990er Jahre waren von der Idee geprägt, Rußland zu einem
rohstoffproduzierenden Dritte-Welt-Land zu machen. Dazu wurde die neoliberale
Politik der „Schocktherapie“ benutzte, die die russische Wirtschaft zwischen
1991 und 1994 um 30% reduzierte. Der russische Wirtschaftswissenschaftler Sergej
Glasjew hat darüber ein Buch geschrieben, das Sie lesen können, wenn Sie sich
damit beschäftigen wollen. Es heißt „Genozid: Rußland und die neue
Weltordnung“.1
Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton rechtfertige kürzlich, daß er die
NATO-Osterweiterung in den 90er Jahren initiiert oder ihr wenigstens zugestimmt
hat. Was dann folgte, war eine ganze Reihe von Regimewechseln, Farbrevolutionen.
Tony Blair, der frühere britische Premierminister, erklärte 1999 das Ende der
westfälischen Ordnung – nach dem Westfälischen Frieden von 1648 –, d.h. der
Idee, daß Souveränität ein vorrangiger Wert ist, und das wurde durch die
sogenannte „Schutzverantwortung“ und humanitäre Kriege ersetzt. Dies führte 2001
nach dem 11. September zum Krieg in Afghanistan; 2003 zum Krieg im Irak – der
auf Lügen basierte, angeblich hatte Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen, was
eine eklatante Lüge von Tony Blair war –; 2011 zur Ermordung des libyschen
Staatschefs Muammar Gaddafi; und zu dem Versuch, Präsident Baschar al-Assad in
Syrien zu stürzen.
Und dann kam nach der Farbrevolution 2004 in der Ukraine der Maidan-Putsch in
der Ukraine 2014, der ohne Frage mit Hilfe von Nazi-Netzwerken durchgeführt,
aber vom Westen gesteuert wurde. Victoria Nuland, die damalige stellvertretende
US-Außenministerin für europäische und eurasische Angelegenheiten, prahlte
damit, daß das Ministerium fünf Milliarden Dollar dafür ausgegeben hat! Seitdem
gab es acht Jahre lang Kämpfe der ukrainischen Armee gegen die russische
Bevölkerung im Donbaß, was nie in die Schlagzeilen im Westen gelangte.
Jedenfalls war das Endergebnis, daß aus „keinen Zentimeter nach Osten“ der
NATO tatsächlich tausend Kilometer nach Osten wurden, und Rußland fühlte sich
mehr und mehr eingekreist. Im Gegensatz zu dem, was jetzt gesagt wird, gab es
viele Übergriffe, bei denen NATO-Flugzeuge bis auf 15 Meilen an die russische
Grenze heranflogen und sogar den Atomkrieg probten.
Am 15. Dezember letzten Jahres forderte der russische Präsident Wladimir
Putin von der NATO und den Vereinigten Staaten Sicherheitsgarantien dafür, daß
die Ukraine nicht der NATO beitritt, denn wenn die Ukraine der NATO angehört,
beträgt die Vorwarnzeit [für einen Raketenangriff] von der ukrainisch-russischen
Grenze nach Moskau nur drei bis fünf Minuten, wogegen man sich praktisch nicht
verteidigen kann. Die NATO und die Vereinigten Staaten gaben Putin keine
Antwort.
Der Schweizer Militäranalyst Jacques Baud hat neben vielen anderen darauf
hingewiesen, daß der aktuelle Krieg nicht am 24. Februar begann, sondern am 17.
Februar, weil die ukrainische Armee an der Grenze zum Donbaß aufmarschiert war
und die militärischen Angriffe der Ukrainer auf den Donbaß um das 30fache
zunahmen. Daraufhin beschloß Putin, den Krieg, die „militärische
Sonderoperation“, zu beginnen.
Wir sollten uns darüber im klaren sein – und das ist der Standpunkt aller
Mitarbeiter des Schiller-Instituts –, daß Krieg in Zeiten von Atomwaffen keine
Methode der Konfliktlösung sein kann. Ich sage also nicht, daß dieser Krieg
stattfinden mußte, aber man muß die Gründe verstehen, warum er stattfindet.
Der Schwerpunkt ist die Zerschlagung Rußlands und dann Chinas
Ein deutscher General im Ruhestand, Harald Kujat, der von 2002 bis 2005
Vorsitzender des NATO-Militärausschusses war, gab gerade einem deutschen Magazin
ein Interview, in dem er sagte:
„Center of Gravity ist nicht mehr Schutz und Beistand der Ukraine in
ihrem Abwehrkampf gegen den völkerrechtswidrigen Angriff Rußlands, sondern
Rußland als geopolitischen Rivalen nachhaltig zu schwächen.“
© DOD/Chad J. McNeele
Laut US-Verteidigungsminister Lloyd Austin wollen die USA „sehen, daß Rußland
so stark geschwächt wird, daß es die Dinge, die es beim Einmarsch in der Ukraine
getan hat, nicht mehr tun kann“.
Er bezog sich darauf, daß General Lloyd Austin, der US-Verteidigungsminister,
der gerade in Kiew war, ausdrücklich sagte, daß die Vereinigten Staaten „Rußland
soweit geschwächt sehen wollen, daß es die Dinge nicht mehr tun kann, die es
getan hat, als es in die Ukraine einmarschierte“. Und Kujat sagt: „Dieses
strategische Umdenken – wenn es denn überhaupt ein solches ist – macht eine
Verhandlungslösung noch dringender.“
Ich finde das sehr interessant, daß er sagt, „wenn es überhaupt ein solches
ist“, nämlich ein Strategiewechsel. Das war es nämlich nicht. Schon 2019
sponserte die US-Armee eine 345 Seiten umfassende Studie der RAND Corporation,
die geheim ist. Aber im April dieses Jahres wurde ein Resümee veröffentlicht, in
dem das Projekt beschrieben ist: Wie man Rußland besiegen kann, indem man es
dazu bringt, sich selbst zu überfordern – das genaue Drehbuch dessen, was in den
letzten drei Jahren und insbesondere in den letzten drei Monaten passiert ist.
Wie man Rußland dazu bringt, sich militärisch und wirtschaftlich zu überdehnen,
wodurch das Regime an internationalem Ansehen verliert. Wie man sein
Wirtschaftssystem durch Sanktionen und die Aufgabe von Öl- und Gaspipelines
stark belastet und Nord Stream 2 kaputtmacht – der berühmte Kampf um die
Pipeline, die unter der Ostsee von Rußland nach Deutschland führt. Wie man die
Öl- und Gaseinnahmen, die nach Rußland kommen, begrenzt, indem die Europäer
gedrängt werden, ein Embargo gegen Rußland zu verhängen. Und gleichzeitig sagen
sie, daß das ukrainische Militär Rußland im Donbaß schon jetzt ausbluten läßt,
deshalb müßten wir mehr US-Ausrüstung liefern und alle Verbindungen Rußlands zu
Europa kappen.
Der berühmte amerikanische Stratege George Friedman [Gründer der Denkfabriken
Geopolitical Futures und Stratfor] sagte 2015 in einer Rede in Chicago, das
wichtigste strategische Ziel der Vereinigten Staaten bestehe darin, die
Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland zu kappen, weil russische Rohstoffe
und Arbeitskraft und deutsches Kapital und wissenschaftliches Know-how
zusammengenommen das einzige seien, was die Vereinigten Staaten bedrohen kann.
Das strategische Ziel besteht also darin, diese Beziehung zu kappen. Und genau
das ist im Moment der Fall.
Die Idee ist der RAND-Studie zufolge, mehr tödliche Hilfe in die Ukraine zu
schicken; die Sanktionen zu verschärfen; die russische Abwanderung von
Fachkräften zu verstärken; durch eine Farbrevolution einen Regimewechsel in
Weißrußland herbeizuführen – Sie erinnern sich, daß dies seit den Wahlen im
August 2020 versucht wurde -; die Spannungen im Südkaukasus und in Zentralasien
auszunutzen – Sie erinnern sich an die Unruhen im Januar in Kasachstan, die
durch entschlossenes Handeln Rußlands niedergeschlagen wurden; Ausweitung der
NATO-Übungen in Europa, also alle diese riesigen Manöver, die in den letzten
Jahren stattgefunden haben; Ausstieg aus dem INF-Vertrag (Intermediate-Range
Nuclear Forces), was 2019 geschah.
Und vergessen Sie nicht, wie viele Politiker in letzter Zeit gesagt haben,
daß das Ziel darin besteht, die russische Wirtschaft zum Einsturz zu bringen,
Putin zu vernichten und das russische System zu zerstören – das haben der
französische Finanzminister Le Maire und Mitarbeiter des Weißen Hauses gesagt.
All das stand schon in der Studie der RAND Corporation, und das ist es, was sich
in der Realität abgespielt hat.
Glauben Sie, daß die Russen nichts von der RAND-Studie wußten? Und daß sie
all diese Entwicklungen, die auf sie abzielen, nicht verfolgt haben? Sowohl
Rußland als auch China haben schon vor langer Zeit öffentlich erklärt, daß sie
Sanktionen als eine Form der Kriegführung und Farbrevolutionen als eine Form des
Krieges betrachten. Aus diesem Grund schließen sich China und viele Länder des
globalen Südens nicht der Verurteilung Rußlands durch den Westen an. China weiß
genau, daß der Hauptgrund für den Angriff auf Rußland darin besteht, eine Flanke
auszuschalten, bevor man China angreift.
Eine nie dagewesene strategische Neuausrichtung
Der russische Wirtschaftswissenschaftler Glasjew hat eine sehr klare Analyse
vorgelegt. Ich zitiere:
„Zermürbung der russischen Streitkräfte in einem Krieg mit den Kämpfern der
ukrainischen Streitkräfte, die gut ausgebildet sind und direkt vom Pentagon
gesteuert werden, zusammengehalten von den Nazi-Seilschaften; Offiziere, die von
den US-amerikanischen und britischen Geheimdiensten ernannt wurden; Verwandlung
der ukrainischen Bevölkerung in mit Russophobie infizierte Zombies; parallel
dazu Aufhetzung der Weltgemeinschaft gegen Rußland, Vorwürfe von
Kriegsverbrechen und Völkermord gegen seine Führung; auf dieser Grundlage
Konfiszierung der russischen Devisen als Vermögen und Verhängung totaler
Sanktionen gegen Rußland, die den größtmöglichen Schaden verursachen. Diese
Phase ist eigentlich schon abgeschlossen.“
In dieser Weise fährt er fort, was ich hier nicht zitieren möchte. Wir können
Ihnen die einzelnen Artikel angeben, in denen er das alles
beschreibt.2
© RDCY
Der russische Ökonom Sergej Glasjew ist überzeugt: Der Versuch der USA und
der NATO, die Weltgemeinschaft gegen Rußland zu wenden, wird nicht
funktionieren.
Glasjew ist sich auch darüber im klaren, daß das Ganze nicht funktionieren
wird, weil der Unterschied zwischen den beiden Systemen darin besteht, daß das
russisch-chinesische System darauf abzielt, das Gemeinwohl zu fördern, während
das westliche System derzeit tatsächlich darauf ausgerichtet ist, die
Privilegien einer kleinen Elite zu schützen.
Wie Sie wissen, wurden in letzter Zeit etwa 300 Milliarden Dollar der
russischen Devisenreserven von verschiedenen Ländern beschlagnahmt, und die EU
hat jetzt die sechste Runde von Sanktionen eingeleitet. All diese antirussischen
Sanktionen haben die globale Dominanz der Vereinigten Staaten und der EU nicht
gestärkt, sondern im Gegenteil untergraben, weil der Rest der Welt diesen beiden
zunehmend mit Mißtrauen und Besorgnis begegnet. Mit diesen Maßnahmen haben sie
den Übergang zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung und die Verlagerung des
Zentrums der Weltwirtschaft nach Südostasien beschleunigt.
In einem kürzlich von den Vereinigten Staaten veröffentlichten
Strategiepapier, der Nationalen Verteidigungsstrategie 2022, wird China
als Hauptgegner und Hauptbedrohung für die Vereinigten Staaten genannt. Wie ist
die Lage? Die meisten Menschen wissen, daß China in den letzten 40 Jahren das
größte Wirtschaftswunder vollbracht hat: Es hat 850 Millionen seiner eigenen
Bevölkerung zumindest aus der bitteren Armut befreit; bis Ende 2021 konnte es
die extreme Armut in China vollständig beseitigen. Seit neun Jahren baut es die
Neue Seidenstraße auf – die Gürtel- und Straßen-Initiative –, die viele
Entwicklungsländer aus der Unterentwicklung und Armut herausführt.
In der gegenwärtigen Situation haben wir es also mit einer noch nie
dagewesenen strategischen Neuausrichtung zu tun: Es gibt eine strategische
Partnerschaft zwischen Rußland und China, an der sich jetzt auch Indien
beteiligt, das sich weigert, sich in eine Anti-Rußland-Allianz und eine
Anti-China-Allianz, den Quadrilateralen Sicherheitsdialog oder Quad,
hineinziehen zu lassen.
Südafrika hat sich eindeutig geweigert, Rußland zu verurteilen, und Nigeria
ebenso. Indonesien weigert sich, Putin beim kommenden G20-Gipfel im November in
Bali auszuschließen. Brasilien greift Rußland auch unter seiner derzeitigen
Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro nicht an, und wenn Lula da Silva die
nächsten Wahlen gewinnt, was sehr wahrscheinlich ist, werden die BRICS
[Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika] ihre Arbeit wieder voll
aufnehmen.
Die ASEAN-Länder sind mit der Verurteilung Rußlands nicht einverstanden. Die
Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) natürlich auch nicht. Die
Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU); die RCEP (die Regionale Umfassende
Wirtschaftspartnerschaft), die 2,2 Milliarden Menschen umfaßt – sie alle weigern
sich, sich in eine geopolitische Konfrontation zwischen den USA und der NATO auf
der einen Seite und Rußland und China auf der anderen Seite hineinziehen zu
lassen.
Und alle diese Länder halten an der Idee der Blockfreiheit fest, und das ist
meiner Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt der Schlüssel zum Frieden. Die
Grundsätze der Bewegung der Blockfreien Staaten waren die Grundsätze der
UN-Charta, der Konferenz von Bandung, die Fünf Prinzipien der friedlichen
Koexistenz, d.h. Souveränität, Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten
des anderen Landes, Akzeptanz des Gesellschaftssystems des anderen. Diese
Grundsätze wurden von Mahatma Gandhi, dem indischen Ministerpräsidenten
Jawaharlal Nehru und dem damaligen jugoslawischen Präsidenten Josip Broz Tito
entwickelt. Tito und Nehru gaben am 22. Dezember 1954 eine gemeinsame Erklärung
ab, in der es hieß:
„Die Politik der Blockfreiheit ... bedeutet nicht ,Neutralität‘ oder
,Neutralismus‘; sie bedeutet auch nicht Passivität, wie manchmal behauptet wird.
Sie steht für eine positive, aktive und konstruktive Politik, deren Ziel der
kollektive Frieden als Grundlage der kollektiven Sicherheit ist.“
Die Kluft besteht heute nicht zwischen Demokratien und Autokratien, wie die
westlichen Medien behaupten, sondern ganz klar zwischen den ehemaligen und
heutigen kolonialistischen Mächten und den ehemals kolonialisierten Ländern, dem
globalen Süden, der mehr als 80% der Weltbevölkerung ausmacht, und diese mehr
als 80% sind von den politischen Entscheidungen völlig ausgeschlossen worden.
Gabriel Valdes, Chiles Außenminister in den 1960er Jahren, berichtete, daß [der
damalige Nationale US-Sicherheitsberater Henry] Kissinger im Juni 1969 zu ihm
sagte:
„Aus dem Süden kann nichts wichtiges kommen. Im Süden wurde noch nie
Geschichte geschrieben. Die Achse der Geschichte beginnt in Moskau, geht nach
Bonn [der damaligen deutschen Hauptstadt], geht hinüber nach Washington und dann
nach Tokio. Was im Süden passiert, ist nicht wichtig.“
Ich weiß, daß dies die Haltung der großen Mehrheit des Establishments in den
Vereinigten Staaten und Europa ist und war. Ich weiß das aus meiner eigenen
Erfahrung von 50 Jahren politischer Arbeit.
Als Antwort auf all das, was ich gerade angesprochen habe, gibt es eine
absolut massive Reaktion auf die Sanktionen gegen Rußland – Sanktionen, wie sie
zuvor gegen Venezuela, Iran, Irak, Afghanistan, Jemen und Syrien verhängt worden
waren. Die Antwort ist, daß sich all diese Länder zusammenschließen, um ein
neues Finanzsystem zu schaffen, in dessen Mittelpunkt Rußland, China und Indien
stehen.
Das Amerikanische System als Lösung
© EIRNS/Stuart Lewis
Lyndon LaRouche betonte, daß eine Reorganisation des Weltfinanzsystems
notwendig ist – entweder geschieht dies freiwillig, in geordneter Weise, oder
Schockwellen des finanziellen Chaos werden sie erzwingen.
Mein verstorbener Mann, Lyndon LaRouche, schrieb bereits im Juli 2000 ein
äußerst wichtiges Papier: „Warenkorb statt Währungskorb: Handel unabhängig vom
Wechselkurs“, ich kann allen nur empfehlen, es zu lesen und zu studieren. Wenn
Sie dieses Papier studieren, werden Sie feststellen, daß es viele konzeptionelle
Ähnlichkeiten mit dem gibt, was heute vor allem zwischen Rußland und China
geschieht – ich glaube, weil wir seine Ideen seit zwei Jahrzehnten verbreiten.
Ich denke, daß das, was jetzt geschieht, alle Merkmale seiner Ideen hat.
Lyndon LaRouche warnte im Jahr 2000, daß wir schon damals am Rande einer
demographischen Katastrophe standen, und diese demographische Katastrophe haben
wir jetzt! Die UNO hat gewarnt, daß wegen der Sanktionen und davor der
COVID-19-Pandemie jetzt 1,7 Milliarden Menschen vom Hungertod bedroht sind.
Deshalb ist jetzt das Dringendste die Bildung einer globalen Partnerschaft der
Länder des globalen Südens mit Rußland und China, es muß sofort eine
Glass-Steagall-Bankentrennung geben, die in den Entwicklungsländern die Form von
Kapitalkontrollen annimmt; der spekulative Teil des Finanzsystems muß beseitigt
werden.
Es muß ein neues System geben, in dem jedes Land eine Nationalbank hat in der
Tradition von Alexander Hamilton, der zufällig der erste US-Finanzminister der
jungen amerikanischen Republik war. Das ist genau das, was China tut – China ist
dem amerikanischen Wirtschaftssystem viel näher, als die Leute wissen. Und wie
mein verstorbener Mann sagte: Entweder wird diese Umstrukturierung in
geordneter, freiwilliger Weise durchgeführt, oder die Schockwellen des
Finanzchaos werden eine solche Umstrukturierung erzwingen.
Nun, seine Warnungen im Jahr 2000 wurden offensichtlich ignoriert, so daß es
nicht auf geordnete Weise geschah, aber jetzt sind die Sanktionen gegen Rußland
der Katalysator für Veränderungen in diese Richtung.
LaRouche verweist in seinen Schriften auf die Notwendigkeit einer
Kreditpolitik, wie sie in den Zeiten praktiziert wurde, in denen die Wirtschaft
in Europa und den Vereinigten Staaten gut lief, in den Zeiten des Wachstums. Das
war in der Zeit zwischen 1945 und 1965, als John F. Kennedy, Charles de Gaulle
in Frankreich oder Konrad Adenauer in Deutschland die Wirtschaftspolitik
bestimmten. Es ist auch im wesentlichen das, was ein berühmter deutscher
Wirtschaftswissenschaftler, Dr. Wilhelm Lautenbach, 1931 der
Friedrich-List-Gesellschaft vorschlug.
Das war ein Vorschlag, der genau dem entsprach, was Franklin D. Roosevelt mit
dem New Deal in den Vereinigten Staaten gemacht hat, nämlich, daß jedes Land das
Recht hat, Kredite zu vergeben, um die Wirtschaft in Gang zu bringen, solange
diese Kredite nach ganz klaren Kriterien der physischen Ökonomie vergeben
werden. Sie müssen darauf abzielen, die Arbeitsproduktivität und die
Industriekapazitäten zu erhöhen, und wenn das geschieht, dann ist die
Kreditvergabe nicht inflationär, weil sie realen Wohlstand schafft.
Man muß unbedingt feste Wechselkurse einführen und dann langfristige Kredite
ausgeben, mit maximal 1-2% Zinsen. Und der Maßstab, ob die Investition richtig
oder falsch ist, wird dadurch bestimmt, ob eine solche Investition zu einer
Erhöhung der potentiellen relativen Bevölkerungsdichte führt. Oder anders
ausgedrückt: Resultiert sie in einer Erhöhung der Zahl der Menschen, die von
dieser Wirtschaft ernährt werden können, oder resultiert sie in einer
Verringerung der Bevölkerungsdichte?
Wir befinden uns derzeit in einem epochalen Wandel, der vielleicht größer ist
als je zuvor in der Geschichte. Präsident Xi Jinping sagt, daß solche
Veränderungen nur einmal in hundert Jahren vorkommen. Deshalb brauchen wir eine
neue internationale Sicherheits- und Entwicklungsarchitektur, die die Interessen
jedes einzelnen Landes auf dem Planeten berücksichtigt. Nicht nur die eurasische
Architektur, denn wenn man die Vereinigten Staaten außen vor läßt, dann ist die
Gefahr, daß das einen Krieg auslöst, immer noch sehr groß.
Ich weiß, daß es viele Leute gibt, die gerne sagen würden: „Laßt uns einfach
unser eigenes Ding machen und die Vereinigten Staaten loswerden, und dann wird
alles gut.“ Ich glaube nicht, daß das funktionieren wird. Ich denke, wir
brauchen in der Tradition des Westfälischen Friedens, der 150 Jahre Krieg in
Europa beendete, eine Sicherheitsarchitektur, die an erster Stelle die
Interessen der Entwicklungsländer berücksichtigt; der Lebensstandard jedes
einzelnen muß erhöht werden, in Europa, in den Vereinigten Staaten, in Rußland
und in China. Ich denke, das ist die entscheidende Frage für das Überleben der
Menschheit.
Das heißt, wir brauchen ein neues Paradigma im Denken, nämlich die Idee, daß
jede Nation das Recht hat, ihr volles Potential zu entwickeln. Jedes Kind, jedes
Baby, das geboren wird, egal in welchem Land der Welt, hat das Recht, sein
volles Potential zu entfalten, was bedeutet, daß es eine universelle Bildung
erhalten muß.
Genau darum geht es bei diesem Aufruf. Die Jugend der Welt muß die Initiative
ergreifen und eine Diskussion darüber anfangen. Denn wir waren noch nie an einem
wichtigeren Punkt in der Geschichte. Die Gefahren sind so groß wie nie, aber es
war auch noch nie das Potential so nah, eine völlig neue Welt zu schaffen – das
Ende des Kolonialismus; eine Wirtschaft auf der Basis der Kernfusion, was
bedeuten würde, daß wir Energiesicherheit für alle Nationen und
Rohstoffsicherheit haben; daß wir eine internationale Zusammenarbeit bei der
Nutzung des Weltraums haben können; daß die Menschheit erwachsen wird und daß
geopolitische Kriege der Vergangenheit angehören werden.
Wir befinden uns in einer solchen Übergangsphase, und genau darüber sollten
wir diskutieren.
Anmerkungen
1. Genocide: Russia and the New World Order,
https://store.larouchepub.com/product-p/eirbk-1999-002-00-000.htm
2. https://www.business-gazeta.ru/article/548834 (in russischer
Sprache).
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