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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Artikel von Helga Zepp-LaRouche:
100 Sekunden vor Zwölf auf der Atomkriegsuhr:
Wir brauchen eine neue Sicherheitsarchitektur!

„Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden“, versicherten die fünf Atommächte und permanenten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates in einer gemeinsamen Erklärung am 3. Januar dieses Jahres. Da der Einsatz von Atomwaffen immer das Risiko des Einsatzes des gesamten nuklearen Arsenals mit einschließt, und schon ein Prozentsatz davon ausreicht, um damit die Auslöschung der menschlichen Gattung zu verursachen, sollte die Bestätigung dieser fundamentalen Einsicht eigentlich praktische Implikationen für die Militärstrategie aller Atommächte haben. Aber ungeachtet dieser gemeinsamen Erklärung lancierte das US Strategic Command in der letzten Januarwoche das Manöver „Global Lightning“, das die Funktion hat, die Einsatzbereitschaft der US-Nuklearstreitkräfte zu testen.

Auch wenn es sich dabei um ein sogenanntes „Routine“- Manöver handelte, das dieses Jahr zusammen mit dem US-Indo-Pacific Command integriert und demzufolge auf eine mögliche Konfrontation mit China ausgerichtet war, konnte es im Kontext der erhöhten Spannungen zwischen Rußland und den USA und der NATO nur als ein weiteres, aber vielleicht das gefährlichste Element des Spiels mit dem Feuer gesehen werden, das der Westen derzeit mit Rußland und China treibt.

Der Zeitpunkt des Manövers traf haargenau zusammen mit den bis dato unbewiesenen Anschuldigungen seitens der USA und Großbritanniens, Rußland plane für den Zeitraum zwischen Ende Januar – Mitte Februar einen Militärangriff auf die Ukraine, was die russische Regierung wiederholt zurückgewiesen hat. Der nuklearen Truppenführungs-Übung liegt der aktuelle nukleare Kriegsplan des US Strategic Command zugrunde. Hans. M. Kristensen, Direktor des Nuklearen Informationsprojekts der Föderation Amerikanischer Wissenschaftler, war in der Lage, auf der Basis des Freedom of Information Acts das Titelblatt dieses Plans mit dem Namen „Stratcom Conplan 0810-12, Stragegic Deterrence and Force Deployment, Change 1“ zu erlangen. Kristensen, einer der kompetentesten Spezialisten im Bereich von Nuklearstrategie und -waffen, erläuterte gegenüber Newsweek, daß bei der Übung „Global Lightning“ nicht nur von einem nuklearen Erstschlag der einen oder anderen Seite ausgegangen wird, sondern von einem fortgesetzten Nuklearkrieg, der nach dem ersten Schlagaustausch weitergeführt wird.

Auch wenn die einzelnen Komponenten dieses neuen Kriegsplans, der seit dem 30. April 2019 operationell ist, den höchsten Geheimhaltungsstufen unterliegen, so ergeben sich doch die Umrisse dieser Konzeption. Die Annahme ist, daß die USA und die NATO in der Lage seien, einen nuklearen Erstschlag Rußlands oder Chinas zu überleben, dann Vergeltungsschläge ausführen, weitere Angriffe zu absorbieren, wieder zu vergelten usw., in einer fortgesetzten militärischen Auseinandersetzung. Dieser nukleare Kriegsplan umfaßt nicht nur Kernwaffen, sondern diverse andere letale Systeme, wie Raketenabwehrsysteme, gerichtete Energiewaffen wie z.B. elektromagnetische Impulswaffen und Laser, Cyber-Attacken, Angriffe der Space Force aus dem Weltraum. Wer soll in der Lage sein, einen solchen fortgesetzten Atomkrieg zu überleben? Die wenigen Personen, die sich in tiefen unterirdischen Bunkern einnisten können? Die morbiden Phantasien des Dr. Strangelove nehmen sich daneben wie ein Kindergeburtstag aus.

Die Global Lightning-Manöver im letzten Jahr, im April 2021, fokussierten auf den potentiellen Konflikt mit Rußland, dieses Jahr war es der möglichen Auseinandersetzung mit China gewidmet. Die verschiedenen Strategie-Papiere des Pentagon seit 2017 hatten Rußland und China zunehmend als geopolitische Rivalen und Gegner definiert und den Kampf gegen den globalen Terrorismus durch die Konkurrenz zwischen den Großmächten als strategische Priorität ersetzt. Gleichzeitig wurde die von der Obama-Administration begonnene Modernisierung der nuklearen Triade fortgesetzt und die Schwelle des Einsatzes von Nuklearwaffen durch die Stationierung von Sprengköpfen mit geringer Sprengkraft u.a. auf Trident U-Booten zunehmend abgesenkt.

Der strategische Konflikt

Auch wenn es von offizieller Seite kaum kommentiert wurde, war Präsident Putins Ankündigung am 1. März 2018 über die neuen russischen Nuklearsysteme – die Hyperschallrakete Awangard, eine Interkontinentalrakete mit 20facher Schallgeschwindigkeit und ausgezeichneter Manövrierfähigkeit, die das amerikanische Raketenabwehrsystem wesentlich obsolet macht, den Hyperschall-Marschflugkörper Kinschal sowie nuklearbetriebene Marschflugkörper, schnelle Unterwasser-Drohnen und Laserwaffen – ein Schock für das westliche Militärestablishment. Inzwischen hat auch China seine eigenen Überschallraketen mit Infrarot-Zielsuch-Technologie entwickelt, eine Kapazität, über die das amerikanische Militär vielleicht erst in zwei bis drei Jahren verfügen wird. Amerikanische Satellitenaufnahmen haben weiterhin etwa 300 im Bau befindliche Raketensilos an verstreuten Orten in China lokalisiert, von denen einige womöglich leer bleiben, in anderen jedoch Nuklearraketen in einem Zustand des „launch on warning“ sind, um einem entwaffnenden Überraschungsangriff vorzubeugen.

Dies ist in groben Zügen der strategische Hintergrund, vor dem Putin am 17. Dezember den USA und der NATO zwei Verträge mit der Aufforderung vorlegte, daß darin legal verbindlich niedergelegt werden solle, daß sich die NATO nicht weiter nach Ost ausdehnen und keine offensiven Waffensysteme an Rußlands Grenzen installieren würde, und das gleichfalls Garantien gegeben würden, daß die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird.

Im Unterschied zu vielen transatlantischen Politikern und Medien ist General Kujat, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, der Auffassung, daß die Ansammlung von etwa 120.000 Mann russischer Truppen in der Nähe der ukrainischen Grenze, teilweise allerdings Hunderte von Kilometern entfernt, nicht auf einen bevorstehenden Angriff auf die Ukraine schließen läßt, sondern daß Rußland mit dieser Drohkulisse Stärke demonstrieren will, um Verhandlungen mit den USA und der NATO auf Augenhöhe zu erzwingen.

Bisher haben die USA und die NATO Zusagen bezüglich der Hauptforderungen Putins abgelehnt und scheinen lediglich bereit, von Rußland als sekundär eingestufte Zusagen über neue Abrüstungsgespräche zu machen. Putin hat für den Fall einer endgültigen Absage „militärisch-technische Maßnahmen“ angekündigt. Angesichts der Tatsache, daß die mit der NATO-Osterweiterung verbundene Stationierung von potentiell offensiven Waffensystemen in der Nähe der russischen Grenzen – dazu gehört z.B. das in Polen und Rumänien stationierte Aegis-Raketenabwehrsystem – eine für Rußland mit der Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba vergleichbare Situation geschaffen hat, stellt sich die Frage, wie diese „Maßnahmen“ aussehen könnten. Der amerikanische Rußlandexperte Gilbert Doctorow vermutet, dabei könne es sich um die Stationierung von nuklearbewaffneten SS-26 Iskander-M-Kurzstreckenraketen in Weißrußland und Kaliningrad handeln, um so die NATO-Frontstaaten und Ostdeutschland im Gegenzug zu bedrohen. Er vermutet weiterhin, Rußland könnte seegestützte nuklearbewaffnete Zirkon-Überschall-Marschflugkörper vor der Küste von Washington DC platzieren, von denen russische Experten zuvor gesagt hätten, sie könnten die amerikanische Hauptstadt so schnell zerstören, daß der Präsident keine Zeit mehr hätte, auf der Air Force One zu entkommen. Theoretisch könnten die Zirkon-Überschallraketen natürlich auch überall auf den Weltmeeren eingesetzt werden und sind für die herkömmliche Luftabwehr angesichts ihrer neunfachen Schallgeschwindigkeit und Manövrierfähigkeit im Flug nur sehr schwer auszumachen und abzufangen.

Es ist also nur folgerichtig, wenn die „Doomsday Clock“ des Bulletin of Atomic Scientists am 20. Januar 2022 nur noch 100 Sekunden vor Zwölf anzeigte. Das sind nur noch etwa eineinhalb Minuten bis zur atomaren Apokalypse. Auch wenn es seit der Eskalation der Krise um die Ukraine nach einem beinah vierzigjährigen Tiefschlaf der Antikriegsbewegung eine ganze Reihe von Appellen, Aufrufen und Offenen Briefen gibt – zuletzt von 100 Organisationen in den USA mit der Forderung an Präsident Biden, die Spannungen mit Rußland zu deeskalieren -, ist das ungeheure Ausmaß der Bedrohung noch keineswegs ins öffentliche Bewußtsein eingedrungen.

Unklarheit über die Ursachen

Aber selbst bei den meisten Personen im Westen, die die akute Gefahr erkennen, herrscht Unklarheit über die zugrundeliegenden Ursachen für die existentielle Gefahr für die Existenz der Menschheit. Sie liegen einerseits in dem systemischen Charakter der Krise des neoliberalen Finanzsystems, das jetzt in seine hyperinflationäre Endphase eingetreten ist, und andererseits in dem Anspruch des Establishments dieses Finanzsystems in der Londoner City, der Wall Street und des Silikon Valleys auf eine unipolare Welt, in der allein die Machtinteressen dieses Establishments darüber bestimmen, was in der „regelbasierten Ordnung“ zu geschehen hat.

Das Dilemma besteht nun in einer gegenläufigen Dynamik. In der transatlantischen Welt herrscht seit dem von Lyndon LaRouche prophetisch erkannten Paradigmenwechsel vom August 1971, als Nixon faktisch das Bretton-Woods-System durch die Abschaffung fester Wechselkurse beendete und damit der spekulativen Profitmaximierung den Weg freimachte, eine zunehmende Verschiebung vor, weg von Investitionen in die produktive physische Ökonomie und hin zur Spekulation in immer exotischer werdende, derivatbasierte Finanzprodukte, deren jüngste Torheit im „shifting the trillions“ in den Green New Deal besteht.

Die damit assoziierten Investitionen in Industrien mit einer möglichst geringen Energieflußdichte stellen vom Standpunkt der physischen Ökonomie letztlich ebenso eine weitgehende Kapitalvernichtung dar wie Investitionen in die Militärproduktion von Waffensystemen und die Armee. Daß dieser Effekt meist nicht erkannt wird, hängt mit der Verwechslung von monetären Werten, von Geld mit realem Reichtum zusammen, und der Illusion, daß die Aktienwerte von börsennotierten Unternehmen etwas über die Produktivität der Wirtschaft aussagen. Natürlich liegt es im Interesse der yachtbesitzenden Milliardäre, von denen einige längst Eigentumswohnungen in tiefliegenden Bunkern in Australien und anderswo erworben haben, daß die Blasen-Wirtschaft so lange wie möglich aufrecht erhalten wird, auch wenn der Anteil der verarmenden Bevölkerung immer mehr zunimmt und der Mittelstand immer mehr schrumpft.

Als sich die Sowjetunion 1991 auflöste und das transatlantische Establishment allen Warnungen – z.B. von Papst Johannes Paul II – zum Trotz der Phantasie erlag, den Kalten Krieg „gewonnen“ zu haben, und das „Ende der Geschichte“ dahingehend interpretierte, die ganze Welt müsse sich nun der neoliberalen regelbasierten Ordnung unterwerfen, sah man auch keine Notwendigkeit mehr, sich an irgendwelche Versprechen gegenüber Rußland zu halten, die NATO nicht nach Osten auszuweiten. Das ganze Spektrum von Instrumenten für die Zementierung der unipolaren Welt wurde zur Anwendung gebracht: Regimewechsel entweder durch Farbrevolutionen oder „humanitäre“ Kriege gegen alle Regierungen, die noch anderen Wertvorstellungen anhingen. Viktoria Nuland prahlte öffentlich, das State Department habe fünf Milliarden Dollar allein für die NGOs in der Ukraine ausgegeben, was zunächst zur „Orangen Revolution“ 2004 führte. Als sich Präsident Janukowitsch Ende 2013 weigerte, dem EU-Assoziierungsabkommen beizutreten, nicht zuletzt, weil die EU vertrags- und sicherheitstechnisch vollkommen mit der NATO vernetzt ist, kam die nicht so demokratische Seite der regelbasierten Ordnung in der Form des Nazi-Putsches des Maidan vom Februar 2014 zum Vorschein. Als Folge davon gab es keine Annexion der Krim durch Putin, sondern ein Referendum durch die Bevölkerung der Krim, die sich der faschistischen Politik Kiews entziehen wollte. Schon damals konstatierte Putin, daß es dem Westen eigentlich um die Eindämmung Rußlands gehe und daß man, wenn nicht die Ukraine, eben einen anderen Vorwand dazu gefunden hätte.

Die entscheidende Verhärtung gegenüber Rußland und China wurde spätestens 2017 in der veränderten Sprachregelung in den Sicherheitsdoktrinen des Pentagon und der Charakterisierung dieser beiden Länder als „Gegner“ und „Autokratien“ sichtbar. Während die westlichen Institutionen auf die Ankündigung der Neuen Seidenstraße durch Xi Jinping im September 2013 zunächst erstaunliche vier Jahre mit einem weitgehenden Blackout reagiert hatten, reagierten diese Institutionen jetzt auf dieses größte Infrastrukturprojekt in der Geschichte der Menschheit, als handle es sich um eine existentielle Bedrohung – nämlich für die unipolare Welt! So gut wie alle Sanktionen, die irgendwo auf der Welt unilateral, also ohne UN-Sicherheitsratsbeschlüsse, verhängt worden sind, hatten letztlich den Hauptzweck, den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas und Rußlands Wiedererlangung des Status als Weltspieler zu verhindern.

Das Transkript des Hintergrund-Pressebriefings zweier namentlich nicht genannter Offizieller des Weißen Hauses vom 25. Januar legt diese Absicht auf schockierende Weise offen. Sie stellen dort ein ganzes Spektrum von „schwerwiegenden ökonomischen Maßnahmen vor“ – angefangen mit der höchsten Eskalationsstufe -, um Putins strategische Ambitionen, seine Wirtschaft zu industrialisieren, zu vereiteln, indem man ihm den Zugang zu allen modernen, entwickelten Technologien, wie KI, Quantum-Computer und alle Technologien, die mit Verteidigung oder Luft- und Raumfahrt zu tun haben, verwehrt, um ihn daran zu hindern, die Wirtschaft über den Export von Öl und Gas hinaus zu „diversifizieren“, und eine Atrophie der russischen Wirtschaft zu erreichen.

Diese in unglaublich brutaler Sprache formulierte Politik ist nichts anderes als die Fortsetzung der sogenannten „Schocktherapie“ Jeffrey Sachs‘ aus den 90er Jahren, deren ausdrückliches Ziel es war, Rußland vom Status einer Supermacht zu Zeiten der Sowjetunion auf den eines rohstoffexportierenden Dritte-Welt-Landes zu reduzieren. Diese Politik war damals wie heute eine Kriegserklärung – nur mit dem Unterschied, daß Putin nicht eine erbärmliche, vom Westen aus geopolitischen Motiven gehätschelte Figur wie Jelzin ist, sondern ein brillanter Stratege, der die Interessen Rußlands zu verteidigen weiß.

Die nicht minder haßerfüllten Tiraden gegen China, die heute von Hof-Schreiberlingen des Empires ebenso zu hören sind wie von ehemaligen Maoisten der SDS-Zeit, die heute zu Spitzenpositionen bei den Grünen aufgestiegen sind, können jedoch nichts an dem überragenden Erfolg der chinesischen Wirtschaft ändern, die 2021 trotz Corona eine Wachstumsrate von über 8 Prozent zu verzeichnen hatte. China hat mehr für die Menschenrechte getan als irgendein Land der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft, indem es 850 Millionen Menschen im eigenen Land aus der Armut befreit hat – einschließlich der Uiguren, die sich jetzt eines wesentlich besseren Lebensstandards und überdurchschnittlichem Bevölkerungswachstum erfreuen -, und indem es vielen Entwicklungsländern zum ersten Mal die Chance der Überwindung der Armut eröffnet hat.

Das Schweigen der gleichen Kreise zu der durch die westlichen Sanktionen ausgelösten größten humanitären Katastrophe in Afghanistan, in der akut eine Million Kinder am Verhungern sind und insgesamt 24 Millionen Menschen diesen Winter der Tod droht, besiegelt ihre vollkommene Diskreditierung.

Gemeinsame Erklärung von Putin und Xi

Wenn diverse Autoren gewarnt haben, daß die Kampagnen gegen Rußland und China dazu führen könnten, daß sich diese beiden Länder noch enger zusammenschließen, dann können sie zufrieden sein, denn genau dies ist jetzt im Rahmen von Putins Besuch bei den in China stattfindenden Olympischen Spielen geschehen. Es ist allerdings dringend geboten, die ideologischen Brillen abzusetzen und die außergewöhnliche Chance zu erkennen, die sich in der gemeinsamen Erklärung für die ganze Welt in dieser extrem gefährlichen Weltlage bietet.

In dem 16 Seiten langen Dokument mit dem Titel „Gemeinsame Erklärung der Russischen Föderation und der Volksrepublik China zu den internationalen Beziehungen in einer neuen Ära und globaler nachhaltiger Entwicklung“ wird ein Aufruf formuliert, geopolitische Konfrontation durch wirtschaftliche Kooperation als Basis für eine gemeinsame Sicherheitspolitik zu ersetzen. Beide Nationen appellieren an die NATO, von weiteren Expansionsplänen abzusehen, das Denken in Kategorien des Kalten Krieges zu überwinden und die von Rußland geforderten langfristigen Sicherheitsgarantien zu verankern. Die Rolle internationaler Organisationen wie der G20, BRICS, APEC und ASEAN soll gestärkt werden. Rußland wird bei der Verwirklichung der von China vorgeschlagenen „Globalen Entwicklungs-Initiative“ mitarbeiten und hebt die Bedeutung des Konzepts der „einen Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ hervor.

Denken wir an die hundert Sekunden vor Zwölf der Atomkriegsuhr zurück: Wer will bestreiten, daß wir eine unteilbare Schicksalsgemeinschaft sind? In den vergangenen Wochen sind besonnenere Stimmen laut geworden und haben sich für eine neue gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur unter Einschluß von Rußland und der Ukraine ausgesprochen, die in einem neuen Helsinki-Abkommen beschlossen werden könnte. Angesichts der Komplexität der Weltlage, die alle Staaten betreffende Gefährdung des Weltfriedens und der Untrennbarkeit der Sicherheit aller, muß man jedoch über Helsinki hinausgehen und eine internationale Sicherheitsarchitektur schaffen, die Sicherheitsinteressen aller Staaten auf der Erde umfaßt.

Diese Architektur muß auf den Prinzipien des Westfälischen Friedens aufbauen, d.h. die Interessen aller Staaten und vor allem ihr Recht auf wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung garantieren. Die Erhaltung des Weltfriedens setzt eine vollkommene und endgültige Absage an die malthusianische Politik voraus und erfordert den ungeteilten Zugang zu den Errungenschaften des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts für alle Nationen. Diese neue Ordnung – die Voraussetzung für das Überleben der menschlichen Gattung – erfordert ein neues Paradigma im Denken, das sich die besten Traditionen aller Kulturen auf dem höchsten humanistischen Niveau zu Nutzen machen muß.

Wir haben die Wahl: entweder wir lassen die Uhr weiter ticken, bis die letzte der hundert Sekunden geschlagen hat, und dann wird niemand mehr da sein, der das Ergebnis noch kommentieren könnte. Oder wir erinnern uns daran, daß wir die einzig bisher bekannte kreative Gattung im Universum sind, und gestalten unsere gemeinsame Zukunft.

zepp-larouche@eir.de