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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Jugend und der Weltraum

Von Alejandro Yaya

Alejandro Yaya ist Chemieingenieur und Vizepräsident des argentinischen Zivilen Instituts für Raumfahrttechnik, Berater im Bereich Technik- und Innovationsmanagement und Transfer von technologischen Prozessen, sowie in der wissenschaftlichen technischen Ausbildung. Im zweiten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts sagte er am 20. März folgendes.

Guten Tag! Ich möchte mit Ihnen über Bildung, Wissenschaft und Technologie sprechen und über Träume, die Wirklichkeit werden. Die Welt von heute stellt uns vor unerhörte Herausforderungen: eine Pandemie und ständige Krisen – wirtschaftliche, finanzielle, kulturelle, institutionelle. Überall sehen wir Dinge wie Post-Wahrheit, Fake News, Lawfare, Korruption, Kriege, Menschenhandel, Migration, etc. Die Frage ist: Werden wir es schaffen, aus diesem Chaos herauszukommen? Wie werden wir es schaffen?

Diese Krisen haben bereits systemische Krisen hervorgebracht, bei denen es um die Weltordnung geht. Es gibt zwei Modelle – eines ist unipolar, globalistisch und internationalistisch; das andere Modell ist multipolar, integriert, respektiert aber die Identität der Nationen. Welches wird sich durchsetzen? Welchem sollen wir uns anschließen? Das ist eine der wichtigsten Fragen.

In der Konfrontation zwischen diesen beiden Modellen tauchen alte Gespenster wieder auf: Ost gegen West; Rußland gegen die USA; und eine neue Macht, die sich abzeichnet: die USA gegen China; die NATO gegen Rußland. China hat es in weniger als 30 Jahren geschafft, sich nicht nur wirtschaftlich und kommerziell, sondern auch in Wissenschaft und Technologie zu einer Macht zu entwickeln, die die etablierte Ordnung und die heutige Hegemonialmacht, die USA, herausfordert. Die Volkswirtschaften der beiden Länder sind miteinander verwoben.

Die Frage ist: Wie soll Lateinamerika diesen Herausforderungen begegnen?

Kürzlich hat sich der argentinische Präsident mit dem mexikanischen Präsidenten getroffen und sie haben vereinbart, eine strategische Allianz zu gründen. Lassen Sie mich gleich sagen, daß diese strategische Allianz scheitern wird, wenn sie sich nur auf den Handel stützt, wie es in der Vergangenheit geschehen ist. Damit die strategische Allianz funktioniert, muß sie auf vollständiger Integration beruhen. Wenn nicht, ist sie nicht strategisch. Sie muß zum Ziel haben, die Identität der hispanischen Welt wiederzuerlangen, die alle Völker Amerikas eint: Das große Vaterland. Aber es muß geschehen.

Und wie kann das nach meiner bescheidenen Ansicht erreicht werden?

Hauptsächlich durch Wissenschaft und Technologie, durch Bildung. Wenn wir das schaffen, werden wir Fortschritte machen. Aber es muß eine andere Art von Bildung sein, eine, die auf Schönheit, Technologie und Kunst beruht. Denn das sind die Herausforderungen dieses Jahrhunderts.

Vor einigen Jahren schlug eine Gruppe angesehener Fachleute aus den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Ingenieurwesen, die an technischen Hochschulen lehren oder Hochschulabsolventen sind, folgendes vor: Wir müssen uns auf die angewandte Forschung und Entwicklung konzentrieren, um Innovationen in diesem Bildungsumfeld hervorzubringen.

Das Problem ist, daß es sich dabei um Jugendliche zwischen 13 und 19 Jahren handelt. Sofort sagten uns die Kollegen: Das ist unmöglich; das geht nicht. Das müssen die Universitäten oder die Forschungsgruppen in den Wissenschaftsakademien des Landes oder vielleicht in der Privatwirtschaft machen. Aber Jugendliche interessiert so etwas nicht; das ist nicht ihr Ding, das wird nicht funktionieren.

Gott sei Dank haben diese Dozenten und Enthusiasten nicht auf ihre Kollegen gehört; sie waren vielmehr entschlossen, gegen Windmühlen zu kämpfen. Sie beschlossen, mit den Eltern der Kinder zu sprechen und sie einzuladen, sich an dem Projekt zu beteiligen. Viele von ihnen schlossen sich uns an. Es ist interessant, daß viele dieser Jugendlichen nicht die fleißigsten waren – vielleicht gehörten sie sogar zu den am wenigsten fleißigen, die sich dem Projekt anschlossen. Trotzdem waren wir bei allen sehr streng. Es gab keine akademischen Vorteile, aber was es gab, war, daß sie lernten, was nötig war, und daß das, was sie später mit ihrem Studium machen wollten, dabei nicht im Wege stand.

Damals wurden an dieser Einrichtung Fächer wie Bauwesen, Chemie, Mechanik, Elektronik und Computerwissenschaften gelehrt. Gesagt, getan: Die Projekte, die wir den Jugendlichen vorstellten, beruhten auf fortschrittlichen Technologien, sie waren für die damalige Zeit und den Ort anspruchsvoll. Sie umfaßten Robotik, nachhaltiges Bauen, Telekommunikation, Luft- und Raumfahrt sowie das Internet der Dinge. Die Frage war: Ist das machbar?

Alle Projekte hatten eines gemeinsam, einen roten Faden: den Weltraum. Warum Raumfahrt? Weil der Weltraum die Industrie der Industrien ist und weil die Souveränität der Nationen vom Zugang zum Weltraum abhängt. Wir waren der Meinung, daß wir die Jugend nicht für die Revolutionen des 19. oder 20. Jahrhunderts ausbilden sollten, sondern für das 21. Jahrhundert, wo man zum Beispiel von Industrie 4.0 spricht. Alle Mittel standen ihnen zur Verfügung, obwohl wir wenig Mittel hatten, die alle aus unseren eigenen Taschen kamen. Niemand hat uns bezahlt.

Trotzdem haben wir durchgehalten und andere dazu gebracht, mitzumachen. Wir mußten beweisen, daß wir nicht verrückt waren. Wir beschlossen, die vielversprechendsten Projekte beim wichtigsten Innovationswettbewerb in Argentinien anzumelden.

Das taten wir mit einer Taktik: Wir wußten, daß das eigentlich Wesentliche für das Auge leider nicht sichtbar ist. Deshalb registrierten wir die Projekte nicht nur als Technikschule, sondern auch in den Kategorien, in denen sie etwas zu sagen hatten. Zwei davon waren aus der angewandten Forschung und der Robotik.

Nachdem die Bewertungsphase überstanden war und die Projekte in den Wettbewerb aufgenommen wurden, kam die Zeit, sie zu präsentieren. Man merkte sofort, daß sie junge Hochschüler waren, die angewandte Forschung in der Robotik betrieben. Das sollte an technischen Gymnasien eigentlich nicht der Fall sein. Also wurden sie von der Jury befragt und bewertet, und die Jugendlichen verteidigten ihre Projekte souverän.

Sie hatten das Pech, daß wir, ihre Ausbilder, nicht dabei waren, um ihnen zu helfen. So fragten wir uns in der Verwirrung, was wir tun sollten: Wenn wir sie herausnähmen und in die Kategorie der Fachoberschüler steckten, würden wir alles über Bord werfen, was wir zur Bedeutung von Jugend und Bildung gesagt und getan haben. Wenn wir sie dort ließen, wäre es eine Blamage für das, was wir im wissenschaftlich-technischen System taten.

Das Ergebnis war eine Verhandlung. Sie gewannen den ersten Preis für technische Gymnasien, für ein Projekt, das die Jugendlichen im Bereich der numerischen Computersteuerung durchgeführt hatten, basierend auf ausrangierten Elektronikteilen, die mit einem Handy betrieben werden konnten. Dann gewannen sie in der Kategorie Robotik den zweiten Preis mit einem selbst gebauten Luftschiff, das autonom fliegen konnte und das ein Kommunikationsprotokoll hatte, das mit dem ersten Projekt aus der angewandten Forschung verbunden war. In dieser Kategorie wurde kein Preis gewonnen, aber das Projekt wurde in den Innovations-Katalog aufgenommen. Es handelte sich um eine suborbitale Raumsonde, die mit einem Ballon in die Stratosphäre fliegen sollte. Die Innovation war ein Weltraum-Protokoll, das Wi-Fi nutzte.

Jahre später, nicht mehr an dieser Einrichtung, führten wir unsere Arbeit mit Begeisterung in anderen Institutionen weiter und nahmen an anderen Wettbewerben teil. Ein Netzwerk von technischen Raumfahrtschulen präsentierte eine Anti-Hagel-Rakete. Die revolutionäre Technologie lag in der Bauweise. Einer der Jugendlichen, der an diesem Projekt teilnahm, gründete ein Start-up, UA Aerospace. Kürzlich, vor etwa drei Monaten, gab es einen Meilenstein in der Geschichte Lateinamerikas: das erste private Unternehmen startete eine Rakete mit flüssigem Treibstoff, und zwar mit Bio-Diesel – eine Weltpremiere, mit der die Vereinigten Staaten um etwa zwei Wochen geschlagen wurden, als sie dasselbe taten.

Wir haben die Welt nicht verändert, soweit würde ich nicht gehen. Aber wenn ich heute zu Ihnen spreche, dann deshalb, weil das Unmögliche möglich ist, und weil Träume Wirklichkeit werden. Ich schließe mit einem Video über die Leistung dieses Jugendlichen, der heute arbeitet und auch hilft, andere Jugendliche auszubilden.

Ich danke Ihnen sehr.