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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Menschheit zu retten, ist eine ‚Mission Possible‘

Von Natalia Witrenko

Natalia Witrenko ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften und Vorsitzende der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine. Sie war von 1995-2002 Abgeordnete des Ukrainischen Parlaments.

Liebe Konferenzteilnehmer, liebe Frau Helga Zepp-LaRouche, ich habe meinen Vortrag mit „Die Rettung der Menschheit ist eine ,Mission Possible‘“ überschrieben, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, daß eine Tragödie für die Menschheit abgewendet werden kann, wenn drei Bedingungen erfüllt sind. Diese Bedingungen sind: ein neues Bretton-Woods-System, eine globale Bankenreform und die Versorgung der Menschheit mit leistungsfähigen Energiequellen.

Wie der große amerikanische Gelehrte Lyndon LaRouche vorausgesagt hat, steuert die Weltgemeinschaft unaufhaltsam auf einen hyperinflationären Zusammenbruch zu – eine in ihrem Ausmaß beispiellose Krise, die mit dem drohenden Verlust von Milliarden von Menschenleben einhergehen könnte.

Über die große Gefahr einer Weltkatastrophe sind sich inzwischen praktisch alle Experten weltweit einig. Auf dem Gipfeltreffen von US-Präsident Biden und dem russischen Präsidenten Putin im Juni dieses Jahres stand das Problem der strategischen Stabilität im Vordergrund. Die Gespräche über strategische Stabilität werden jedoch keine positiven Ergebnisse zeitigen, wenn nicht die grundlegenden Probleme gelöst werden, die diese Instabilität verursachen und zur Katastrophe führen.

Folgende Fragen müssen beantwortet werden: Was steckt hinter der Situation der Weltwirtschaft, in der internationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Welthandelsorganisation nicht in der Lage sind, die Probleme zu bewältigen, sondern im Gegenteil die Krise begünstigen und verschärfen? Warum geben sie, die Weltregulierer, der Menschheit nicht ein Modell für eine sich entwickelnde, krisenfreie Gesellschaft?

Ich bin Helga Zepp-LaRouche dankbar für ihren weltbürgerlichen Einsatz, der intellektuellen Weltelite zu helfen, das Erbe von Lyndon LaRouche kreativ zu bewältigen. Und dafür, daß sie diese Konferenz in diesem Zusammenhang organisiert hat.

Nun zu den meiner Meinung nach wichtigsten drei Bedingungen, um die drohende Zerstörung abzuwenden.

Ein Neues Bretton Woods

Erstens: Wir brauchen ein neues Bretton-Woods-System. Was im Juli 1944 in Bretton Woods in den USA beschlossen wurde, spielte eine wichtige Rolle bei der Schaffung eines funktionierenden Weltfinanzsystems. Es erleichterte den Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten Volkswirtschaften und schuf die Voraussetzungen für das Wachstum des internationalen Handels und die Zusammenarbeit bei der Kreditbeschaffung. Dies waren die erklärten Ziele des IWF und der Weltbank. Der Wechselkurs des Dollars wurde mit 35 Dollar pro Unze (31,1 Gramm) an den Goldpreis gekoppelt. Feste Wechselkurse für die Währungen der teilnehmenden Länder bildeten eine solide Grundlage für die Erholung der nationalen Währungssysteme. Dies gab den Zentralbanken die Möglichkeit, einen stabilen Wechselkurs für ihre Währungen zu unterstützen. Die Bindung des US-Dollars an das Gold machte ihn zu einer zuverlässigen Weltreservewährung.

Das Wachstum der Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg und die Bildung transnationaler Konzerne und die damit verbundene enorme Nachfrage nach Dollars sowie das wachsende Streben der USA nach Welthegemonie führten jedoch dazu, daß die Vereinigten Staaten selbst begannen, die Grundprinzipien des Bretton-Woods-Systems zu untergraben.

Im August 1971 verkündete US-Präsident Nixon ein vorübergehendes Verbot der Konvertierbarkeit des Dollars in Gold zum offiziellen Kurs und legte damit eine Lunte unter das Weltwährungssystem. Auf der internationalen Währungskonferenz von Jamaika im Jahr 1976 wurde diese Lunte entzündet, indem die festen Wechselkurse durch ein System flexibler Wechselkurse ersetzt wurden. Dies war ein starker Impuls für die Entwicklung der Finanzspekulation, vor allem in den USA selbst, aber auch in den Bankensystemen aller kapitalistischen Länder.

Die Emission des Dollars selbst wurde an eine private Organisation ausgelagert (deren Aktien einen besonderen Status haben), das U.S. Federal Reserve System. Das Drucken von Papiergeld mit einem Nennwert von 1 bis 100 Dollar, während die Herstellung eines Geldscheins höchstens 20 Cents kostet, war ein profitables Geschäft. Inzwischen gehen die Vermögenswerte der Fed auf wie Hefe. Von 2008 bis 2020 haben sie sich verachtfacht, von weniger als 1 Billion Dollar auf 7,8 Billionen Dollar. Und die US-Machtelite ist nicht sonderlich besorgt über das ständige Wachstum der US-Staatsverschuldung, die im Mai 2021 28,3 Billionen Dollar oder 149 Prozent des BIP erreichte.

Die Auslandsverschuldung fast aller Länder der Welt nimmt zu. Im Jahr 2020 stieg sie um 24 Billionen Dollar und damit auf 366 Prozent des globalen BIP.

Dieser Prozeß wird durch die bösartige Politik des IWF im Einklang mit dem Washingtoner Konsens gefördert, der die Vergabe von Krediten an die Bedingung von Reformen knüpft, die eine Verringerung der Rolle des Staates in der nationalen Wirtschaftsentwicklung (und insbesondere im realwirtschaftlichen Sektor) und bei den Sozialleistungen erfordern.

Die Volkswirtschaften werden durch die ständige Abwertung des US-Dollars ausgelaugt. Am 20. Juli 2021 lag der niedrigste Goldpreis an den Börsen bei 1.806,20 Dollar. Das bedeutet, daß der Dollar seit 1944 um den Faktor 52 an Wert verloren hat!

Die Einberufung einer neuen Bretton-Woods-Konferenz ist daher dringend erforderlich. Das Schiller-Institut leistet seit mehr als einem Jahrzehnt enorme Arbeit, um dies zu initiieren. Auch der französische Staatspräsident Sarkozy, der britische Premierminister Gordon Brown und der deutsche Bundespräsident Horst Köhler forderten 2008 die Einberufung einer neuen Bretton-Woods-Konferenz, um ein neues Weltfinanzsystem auszuarbeiten.

Wir brauchen ein System, das auf mehreren Reservewährungen basiert. Meines Erachtens könnte der Währungskorb neben dem Dollar und dem Euro auch den chinesischen Yuan, den russischen Rubel, das britische Pfund, den japanischen Yen und die indische Rupie umfassen, so daß die Währungen der wirtschaftlich stärksten, bevölkerungsreichsten und rohstoffreichsten Länder zusammengeführt werden. Wir brauchen eine neue Bindung an Gold als Grundlage für feste Wechselkurse zwischen den führenden Weltwährungen.

Ohne Frage muß die Politik des IWF radikal geändert werden.

Eine globale Bankenreform

Zweitens. Eine globale Bankenreform. Die Abkehr von den Grundsätzen der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 führte zu einer beispiellosen Zunahme der Bankenspekulation. Anstelle einer durchdachten Kreditpolitik (mit Vorrang für langfristige Kredite, die für die Entwicklung einer Wirtschaft, insbesondere des realwirtschaftlichen Sektors, benötigt werden) haben sich die Banken überall in spekulative Riesenkraken verwandelt, die den Unternehmen und der Bevölkerung die Geldmittel aus der Tasche ziehen. Und dann werden diese Ressourcen in kurzfristige Mikrofinanzierungen gesteckt oder immer wieder verkauft, um die Profite der Banken zu maximieren.

So entstehen Finanzderivatblasen. Die Finanzblase der Derivate ist jetzt größer als 1 Billiarde Dollar, was dem 10-fachen des weltweiten BIP entspricht. Das verrottete Finanzsystem kann jeden Moment in einer Kettenreaktion zusammenbrechen. Das Ausmaß der Zerstörung durch einen Zusammenbruch des Weltfinanzsystems könnte apokalyptisch sein. Schon jetzt führt der anhaltende Prozeß des Aufpumpens von Finanzblasen zu einem kontinuierlichen Rückgang der Investitionen in Produktion und Infrastruktur und vergrößert die Kluft zwischen Reich und Arm.

Als Reaktion auf die Abwertung des US-Dollars (und die damit verbundene Entwertung der Arbeitskraft und der natürlichen Ressourcen der Nationen) sind Krypto-Währungen entstanden. Völlig anonym und durch nichts gedeckt.

Aber eine Rettung des Bankensystems wird nur dann sinnvoll und zukunftsweisend sein, wenn es eine globale Bankenreform gibt. Lyndon LaRouche wurde nicht müde, diese Notwendigkeit zu wiederholen, und schlug vor, nach dem Vorbild des Glass-Steagall-Trennbankengesetzes das spekulative Bankenkapital zu amputieren, der „Kasinowirtschaft“, wie er es nannte, ein Ende zu setzen und die Ablösung des monetaristischen Systems durch ein neues Kreditsystem zu ermöglichen. Das war ein wesentlicher Bestandteil des amerikanischen Kreditsystems, das vor 200 Jahren von Alexander Hamilton eingeführt wurde und sich als äußerst wirksam erwiesen hat.

Leistungsstarke Energiequellen

Drittens. Leistungsstarke Energiequellen. Wladimir Lenin, der Ideologe und Organisator der sozialistischen Revolution in Rußland und Führer des ersten sozialistischen Staates der Welt, der UdSSR, hat vor 100 Jahren diesen genialen Satz gesagt: „Kommunismus ist gleich Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes.“ Das war eine verblüffend präzise Formulierung des Kerngedankens, daß die menschliche Gesellschaft ihre Vollkommenheit erreicht, wenn die Regierung gerecht ist und aus dem Volk und für das Volk ist (diese Idee hatte auch US-Präsident Abraham Lincoln). Diese zweite Bedingung war die vollständige Elektrifizierung des Landes. Daraus entstand der geniale GOELRO-Plan, der die Grundlage für die rasante Entwicklung der sowjetischen Wirtschaft bildete.

Die Frage nach einer gerechten Regierung ist ein Thema für sich. Betrachten wir nun die Frage der Versorgung des gesamten Planeten mit der Energie, die notwendig ist, um die größten wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen zu bewältigen, das weltweite Wirtschaftswachstum und sichere und komfortable Lebensbedingungen für die Menschen zu gewährleisten. Das ist die Aufgabe aller Aufgaben.

LaRouche philosophierte nicht nur über die Notwendigkeit eines ständigen Wachstums der Energiequellen; er richtete die physische Ökonomie auf genau dieses Ziel aus. Um diesen Prozeß objektiv beurteilen zu können, entwickelte er das Kriterium des Verhältnisses zwischen Energieflußdichte und relativer Bevölkerungsdichte. LaRouche sah die Lösung dieses Problems darin, der Menschheit die zuverlässigste und billigste Energie zur Verfügung zu stellen: die Kernenergie. Deshalb begrüßte er die technologische Verbesserung von Kernkraftwerken und betonte die Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit bei ihrer Entwicklung und Inbetriebnahme.

Wir erinnern uns, wie Lyndon LaRouche nachdrücklich erklärte: „Wir sollten alle verdammten Windmühlen in den Vereinigten Staaten abreißen und die Sonnenkollektoren zerstören. Das sind Technologien mit geringer Energieflußdichte. Sie bedeuten Bankrott!“

Und was haben wir nun in der Realität? Entgegen der wissenschaftlichen Logik und den realen Erfordernissen des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts wird die „grüne Energie“ verbreitet. Dabei spielt keine Rolle, ob sie zu den klimatischen Bedingungen eines bestimmten Landes paßt. Im Jahr 2020 wurde der „Great Reset“ offen verkündet, in dessen Rahmen der „Green New Deal“ zur offiziellen Doktrin von US-Präsident Biden wurde – offen und brutal allen Nationen der Welt aufgezwungen. Das bedeutet in erster Linie die Entwicklungsländer. Mit Verlockungen über den Kampf für die Verbesserung des Klimas und den Schutz der Umwelt werden die Länder der Dritten Welt in die Falle der chronischen Energieinsuffizienz getrieben. Dadurch wird ihnen die Möglichkeit genommen, ihre Volkswirtschaften zu entwickeln, die Armut zu bekämpfen und das Aussterben ihrer Bevölkerung zu verhindern.

Die Katastrophe in Texas im Winter 2021 hat deutlich gezeigt, wie verwundbar Windkraftanlagen sind und wie unfähig die Regierung ist, die Bevölkerung zu schützen. Und das war in den Vereinigten Staaten!

In der Ukraine sehen wir sehr gut die künstliche, aggressive Durchsetzung der grünen Energie unter dem Druck des Westens. Im Jahr 2020 erzeugten die ukrainischen Kernkraftwerke 51,2% des Stroms des Landes, während 35,2% aus Wärmekraftwerken stammten, die mit Kohle oder Erdgas betrieben wurden. Ich betone, daß die Ukraine über genügend Kohlevorkommen für die nächsten 100 Jahre verfügt. Die ukrainische Erdgasförderung deckt den gesamten Bedarf des Landes für Wohnraum und Versorgungsleistungen. 5,1% des ukrainischen Stroms stammen aus Wasserkraftwerken und nur 7,3% aus Wind- und Solarkraftwerken. Doch obwohl die grüne Energie nur 7% des Stroms erzeugt, macht sie 25% der Stromkosten aus. Der ständige Anstieg der Strompreise ist eine unerträgliche Belastung für praktisch die gesamte Bevölkerung.

Seit 30 Jahren erlebt die Ukraine die Zerstörung ihrer materiellen Produktion. Das BIP betrug im Jahr 2020 nur noch zwei Drittel des Wertes von 1990. Die Energiebasis des Landes wurde noch schneller zerstört: Von 298,8 Mrd. kWh im Jahr 1990 ist die Stromerzeugung auf 148,8 Mrd. kWh im Jahr 2020 gesunken. Sie ist um die Hälfte gesunken!

Doch anstatt die Energieflußdichte zu erhöhen, was in erster Linie den Ausbau der Kernenergie und die Verbesserung unserer Wärmekraftwerke bedeuten würde, zwingt der Westen der ukrainischen Regierung die grüne Energie auf. Staatliche Bürgschaften in einer Größenordnung, die den Staatshaushalt in den Ruin treiben würde, werden für die Installation von Windrädern und Solarzellen aufgelegt, die bereits Millionen von Hektar des fruchtbaren Ackerlandes der Ukraine belegen.

Präsident Biden und Bundeskanzlerin Merkel vereinbarten bei ihrem Treffen am 15. Juli 2021 (ohne Beteiligung oder Zustimmung der Ukraine!), unserem Land 1 Mrd.$ für einen „grünen Fonds“ zur Verfügung zu stellen, dessen Zweck der Übergang zu erneuerbaren Energiequellen ist. Dies ist ein Fonds, der die Ukraine umbringt.

Ich möchte Sie daran erinnern, daß die Ukraine vor dem Zusammenbruch der UdSSR gemessen am Pro-Kopf-BIP zu den zehn am besten entwickelten Ländern gehörte, jetzt aber das ärmste Land in Europa mit der niedrigsten Lebenserwartung ist. In einem UNICEF-Bericht vom Juli dieses Jahres wurde festgestellt, daß 10 Millionen Menschen in der Ukraine Hunger leiden. Das ist einer von drei! (Von der ukrainischen Bevölkerung, die 1990 52 Millionen betrug, sind nur noch 30 Millionen Menschen übrig).

Was erwartet die Ukraine in der Zukunft? Wird sie ein Friedhof mit Windrädern anstelle von Kreuzen sein?

Die Menschheit muß sich also entscheiden: entweder kämpfen wir für unsere eigene Rettung und fortschrittliche Entwicklung oder wir stehen vor der schrecklichen Aussicht auf globale Destabilisierung und Katastrophen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!