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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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China und die Vereinigten Staaten:
Rivalität, Kooperation oder Konfrontation?

Von Marcelo Muñoz

Marcelo Muñoz ist Gründer und emeritierter Präsident der wichtigsten spanisch-chinesischen Denkfabrik Cátedra China. Bei der Internetkonferenz des Schiller-Instituts hielt er am 12. Dezember den folgenden Vortrag.

Zwei Imperien: die Vereinigten Staaten, die als solches zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden, und China, das, nachdem es 2000 Jahre lang die Weltmacht war, Mitte des 19. Jahrhunderts unterging, doch seit Ende des 20. Jahrhunderts wiedererstarkte und heute die zweite Weltmacht ist.

Zwei Imperien, die zwei verschiedene, sehr unterschiedliche Welten repräsentieren, die sich in den letzten zwei Jahrhunderten begegnet sind oder gegenüberstehen.

Nicht die Vereinigten Staaten, sondern das Britische Empire, sein weißes, protestantisches und angelsächsisches Pendant, führte 1840 gegen China die „Opiumkriege“, um den „freien Handel“ mit Opium durchzusetzen und einen Großteil seines Territoriums mit Gewalt zu besetzen und kolonial zu unterwerfen, bis hin zur Ausschaltung der Rolle Chinas in der internationalen Gemeinschaft.

Die Vereinigten Staaten griffen in China in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein, um sich in dem 20 Jahre andauernden chinesischen Bürgerkrieg auf die Seite der nationalistischen Partei gegen die kommunistische Partei zu stellen: Mit wirtschaftlicher Unterstützung, Krediten, Waffen, Militärberatern und politischer Unterstützung. Der nationalistische Führer war der Diktator Chiang Kai Schek; seine Frau Soon Mai Ling, von anerkannter Schönheit und eine gute Rednerin in der Öffentlichkeit, sein Schwager – ein Finanzier, der amerikanische Wirtschaftshilfe kanalisierte und einen Teil davon zu seinem eigenen Vorteil umlenkte – führten die nationalistische Lobby: sie reisten durch ganz Amerika und organisierten politische und wirtschaftliche Unterstützung zu einer Zeit, als der McCarthyismus in Mode war.

Maos Sieg überraschte die Welt und die Vereinigten Staaten, die im Zweiten Weltkrieg engagiert waren: an der europäischen Front, in die Roosevelt die Vereinigten Staaten verwickelte, und an der asiatischen Front, wo Japans rassistischer Militarismus, ein Verbündeter des Nationalsozialismus, weite Teile Asiens und Chinas militärisch besetzt hatte. Chiang Kai Schek suchte mit dem, was von seiner Armee übrig geblieben war, Zuflucht in Taiwan und errichtete 1949 eine sezessionistische Regierung, die für die Vereinigten Staaten, in den Worten MacArthurs – damals faktischer „Vizekönig“ (Leiter der Besatzungsstreitkräfte) in Japan und Stratege gegen den chinesischen Kommunismus – ein „unsinkbarer Flugzeugträger“ war.

Und so ist Taiwan ein Bollwerk gegen China geblieben, mit der wirtschaftlichen, militärischen und politischen Unterstützung der Vereinigten Staaten, um die territoriale Teilung Chinas aufrechtzuerhalten, entgegen den von der internationalen Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten selbst akzeptierten Resolutionen der Vereinten Nationen, die nur ein China und Taiwan als Teil Chinas anerkennen. Dies wird auch von allen internationalen Organisationen, einschließlich der Sportorganisationen, anerkannt.

Wir beginnen mit dieser historischen Einführung, weil Geschichte, richtig verstanden, „der Lehrer des Lebens“ ist, und in diesem Fall können Rivalität, Zusammenarbeit oder Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und China nicht verstanden werden, ohne die Beziehung zwischen diesen beiden Ländern, zwei Reichen, dem chinesischen und dem westlichen, in den letzten zwei Jahrhunderten eingehend analysiert zu haben.

Die Vorherrschaft des Britischen Empire über einen Großteil der Welt, von der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, fällt zeitlich zusammen und war zu einem großen Teil Ursache für den Zusammenbruch des chinesischen Reichs bis zu seinem Verschwinden.

Das entstehende amerikanische Imperium schloß sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit anderen westlichen Ländern zusammen, um die internationale Gemeinschaft gemäß ihren Werten und Regeln politisch, wirtschaftlich und kommerziell zu organisieren, und zwar durch das Abkommen von Bretton Woods und später durch den Washingtoner Konsens, durch Institutionen wie die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds, internationale Gerichte usw.

China stand in diesem Machtgefüge an zweiter Stelle und außerhalb, mit Ausnahme der Vereinten Nationen, da China eine der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs war. In dieser Zeit hatte China in der internationalen Gemeinschaft kein Gewicht, da es gemessen am BIP die 120. Macht war; zudem wurde es vom Westen als kommunistisches Land marginalisiert.

Chinas Wiederaufstieg

Aber seit 1978 begann China zu erstarken, um zur zweiten Weltmacht zu werden, auch wenn die harten, von den Vereinigten Staaten dominierten Machtstrukturen es China nicht erlaubten, den ihm gebührenden Platz in diesen Strukturen der internationalen Macht einzunehmen. Das ist ein großes Ungleichgewicht, das die Vereinigten Staaten vor allem mit ihrer Strategie der „Eindämmung“ Chinas, oder der Verhinderung seines Aufstiegs in jeder Hinsicht dauerhaft zu machen versuchen – daher die Handelskriege mit Zöllen, die technologische Kriegsführung mit dem Kampf gegen Huawei und das 5G, der politische Krieg mit der Einmischung der Vereinigten Staaten in die souveränen Angelegenheiten Chinas, wie die Statuten Hongkongs, die Anerkennung Taiwans als Teil des chinesischen Territoriums gemäß den Vereinten Nationen usw. usw.

Mit einem Wort: China ist in seine Position als Weltmacht ersten Ranges zurückgekehrt, die es 2000 Jahre lang inne hatte, und die Vereinigten Staaten, die neue Macht, die im 20. Jahrhundert entstanden ist, wollen das nicht akzeptieren. Das ist kein Problem, das sich erst mit der Trump-Administration ergeben hat, es war schon ein Problem mit allen früheren Administrationen, und es wird, so fürchte ich, auch weiterhin mit der Biden-Administration bestehen, auch wenn der Anschein des Gegenteils erweckt wird.

Was ist der Ausweg aus dieser neuen Situation: Rivalität, Konfrontation oder Kooperation?

Ich stimme Allison und seiner ebenso brillanten wie angelsächsischen These von der Thukydides-Falle, d.h. der sicheren Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und China, nicht zu. Ich habe sehr gute Gründe, das zu glauben.

Zunächst einmal will China keine Konfrontation, denn das würde gegen seine gesamte konfuzianische Philosophie verstoßen, die Harmonie, eine Synthese zwischen Gegensätzen, befürwortet. In der internationalen Politik bedeuten diese Prinzipien: Achtung der Autonomie der Länder, Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten und Verhandlungen, um zu Vereinbarungen zu gelangen.

Zweitens strebt China nicht danach, eine Supermacht zu sein: das ist es, was seine Führung ständig auf internationalen Foren erklärt. Der chinesische Traum ist kein individueller Triumph über andere – weder auf persönlicher Ebene noch in Bezug auf ein Land. Die konfuzianische Philosophie - wiederum die Stimme der Philosophie – verteidigt die Anerkennung des Individuums in der Gesellschaft und betrachtet die nationale oder internationale Gesellschaft als Koordinator des kollektiven Guten. China fordert daher nur die Anerkennung seiner Realität und die Anerkennung der ihm gebührenden Stellung in der Welt und in der internationalen Gemeinschaft.

Diese konfuzianische Philosophie schließt im Prinzip Rivalität und Konfrontation aus, die nur in legitimer Selbstverteidigung gerechtfertigt sind. Chinesische Dynastien wurden zu verschiedenen Zeiten in ihrer tausendjährigen Geschichte wegen ihrer Ineffizienz bei der Verteidigung des kollektiven Guten gestürzt.

Die Lösung: Zusammenarbeit durch Dialog

Für China ist also aus all diesen Gründen die einzig akzeptable Politik zur Lösung des bestehenden Problems im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten die Zusammenarbeit durch Dialog. Diese Strategie setzt natürlich voraus, daß beide Mächte die Realität der anderen gleichberechtigt akzeptieren und auf jede Überlegenheit verzichten, seien sie ethnischer, ideologischer, politischer oder wirtschaftlicher Natur.

Aber Zusammenarbeit und Dialog müssen zuvor Punkte der Annäherung finden, die auf den Unterschieden zwischen zwei Ländern beruhen, die zwei verschiedenen Welten angehören. Diese Punkte einer möglichen Annäherung oder eines Dialogs kann man wiederum nur finden, indem man die Philosophie auffordert, sie ideologisch, politisch und wirtschaftlich zu suchen. Man wird keine Vereinbarungen treffen, die auf Übereinstimmungen beruhen, sondern auf Divergenzen, auf Unterschieden zwischen diesen beiden Welten und auf den Möglichkeiten der Annäherung, des Verständnisses oder der Komplementarität.

Ideologisch gesehen sind die Unterschiede groß: Die Vereinigten Staaten und der Westen im allgemeinen gründen ihre Prinzipien auf eine deistische Philosophie, mit Gottesbezug selbst in ihrem Geld, dem Dollar, und unterwerfen sich den Geboten und Normen, die von einer Göttlichkeit ausgehen. Die konfuzianische Philosophie ist nicht-deistisch und nur den Normen unterworfen, die von der in der „Polis“ organisierten Gesellschaft ausgehen.

Auf diesem ideologischen Terrain können die Unterschiede zwischen diesen beiden Welten nur durch gegenseitigen Respekt für die Philosophie des anderen gelöst werden. Mit einem möglichen Mehrwert für die Global Governance, den beide verfolgen: In dieser globalisierten Welt hängt die Mehrheit der schwersten Konflikte mit verschiedenen Religionen und der unterschiedlichen Art und Weise zusammen, wie sie verstanden oder praktiziert werden. China kann zu dieser Global Governance seine Philosophie des Respekts vor der absoluten Souveränität des Individuums in der Gesellschaft als der ethischen Grundlage aller Zivilisationen beitragen.

Auch politisch sind die Unterschiede groß – zwischen Demokratie und Meritokratie oder zwischen den verschiedenen Konzepten der Menschenrechte. Aber der Dialog wird immer das große Instrument der Annäherung sein. Es kann einen großen Konsens über die sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechte geben, sogar einen gesunden Wettbewerb, sie besser zu erfüllen. In diesem Jahr hat China zum Beispiel das Ziel erreicht, die extreme Armut zu beseitigen. Bei den politischen Rechten gibt es große Divergenzen, aber mit einem weiten Feld, das offen ist für einen Dialog, wenn jeder Überlegenheitskomplex außen vor bleibt, der versucht, dem anderen die eigene Verständnisweise aufzuzwingen.

In wirtschaftlicher Hinsicht basieren die Unterschiede zu einem großen Teil auf Vorurteilen oder Stereotypen. Seitens der Vereinigten Staaten herrscht immer noch weitgehend der McCarthy’sche und eingefleischte Antikommunismus vor, wobei die Tatsache ignoriert wird, daß China eine fortgeschrittene kapitalistische Gesellschaft ist, mit eigenen sozialistischen Strukturen und mit sehr positiven Ergebnissen. Auf chinesischer Seite schließt die Ablehnung des wirtschaftlichen Neoliberalismus die Möglichkeit des Dialogs und der Diskussion nicht aus.

Wenn die Beziehung zwischen China und den Vereinigten Staaten auf diesen philosophischen Prinzipien beruht, ist die Gefahr einer Konfrontation ausgeschlossen. Dies ist meine These, und ich freue mich darauf, sie mit Ihnen zu diskutieren.

Ich danke Ihnen.