Wir müssen den Kartellen das Rückgrat brechen
Von Joe Maxwell
Joe Maxwell, Präsident und Mitgründer der Family Farm Action
Alliance und ehemaliger Vizegouverneur von Missouri, übermittelte den folgende
Videovortrag für die Konferenz des Schiller-Instituts am 12.-13. Dezember.
Ich möchte Ihnen allen sehr dafür danken, daß ich an diesem Panel
teilnehmen darf. Ich möchte dem Schiller-Institut und Helga natürlich für all
die großartige Arbeit danken, die sie leisten, aber auch für diese
Gelegenheit, hier zu sein und unsere Erfahrungen hier in den Vereinigten
Staaten mit denen in der ganzen Welt zu teilen.
Eines der ersten Dinge, als ich über diese Gelegenheit nachdachte und mich
darauf vorbereitete, war der Gedanke, wie viel wir gemeinsam haben. So viele
von uns sind Landwirte, die sich um unser Land und das, was uns gegeben wurde,
kümmern, und wir haben den Wunsch, unsere Nachbarn mit gesunden, sicheren
Lebensmitteln zu versorgen.
Aber wir haben einen gemeinsamen Feind, ein Kartell – so möchten wir es
nennen – aus einer Handvoll globaler Monopole, die unsere Märkte im Würgegriff
halten und leider auch wachsenden Einfluß auf unsere Regierungen haben, nicht
nur hier in den Vereinigten Staaten, sondern auf der ganzen Welt.
Ich bin Joe Maxwell, und ich bin der Präsident der Family Farm Action
Alliance. Die Family Farm Action Alliance glaubt an den Aufbau einer
integrativen Wirtschaft, in der jeder, der an unserem Lebensmittelsystem
teilnimmt, die Möglichkeit erhält, an dem Wohlstand teilzuhaben, den er mit
aufgebaut hat. Und wir wollen erstens, eine Wirtschaft, die unser Land
respektiert, so daß die zukünftige Generation ihre Nachbarn ernähren kann; wir
wollen, daß sie die Tiere respektiert, weil sie unter unsere Obhut gegeben
wurden; und vor allem wollen wir, daß unsere Wirtschaft hier in den
Vereinigten Staaten unsere Nachbarn auf der ganzen Welt respektiert. Leider
respektiert unsere Wirtschaft heute weder die Landwirte hier zu Hause noch
unsere Nachbarn auf der ganzen Welt.
In diesem Jahr wird unsere Regierung fast 46 Milliarden Dollar ausgeben, um
ein gescheitertes industrielles Agrarmodell zu stützen, das von einer Handvoll
globaler Giganten angeführt wird, während zur gleichen Zeit hier in den
Vereinigten Staaten unsere Familienbetriebe einen 20-prozentigen Anstieg der
Zwangsversteigerungen von Farmen erleben. Es ist fast unvorstellbar, daß 46
Milliarden Dollar in das angebliche „Farmer-Einkommen“ gepumpt werden und
gleichzeitig die Zahl der Zwangsvollstreckungen und Insolvenzen von Farmen im
selben Jahr um 20% steigt.
Das Problem hier in den Vereinigten Staaten ist, daß wir ein System von
Subventionen haben, das Industrieunternehmen unterstützt und nicht den
Landwirt. Unsere Unterstützungen und die Gesetzesentwürfe für unsere
Landwirtschaftsprogramme haben Namen wie „Farmerhilfe“ oder „Rettet den
Familienfarmer“ oder „Landwirtschaftsprogramme“; aber die Realität ist, daß
diese Programme nicht in die Unterstützung von Amerikas unabhängigen
Familienbetrieben gehen. Stattdessen landen diese Subventionen nur bei den
größten Konzernfarmen in den Vereinigten Staaten.
Während sie also die Regierung beeinflussen, um ihr gescheitertes System
mit 46 Milliarden Dollar zu stützen, geht der wahre unabhängige
Familienfarmer, der darum kämpft, seine Nachbarn zu ernähren, hier in den
Vereinigten Staaten in Konkurs. Die Milchproduzenten in den Vereinigten
Staaten erleben die Übernahme durch diese großen Konzerne in der
Milchwirtschaft. In Wisconsin, einem unserer größten Milchstaaten, lauten die
Schlagzeilen: „600 Milchbauern gehen aus dem Geschäft – der Viehbestand bleibt
der gleiche.“ Es geht nur darum, wer die Farm bekommt und wie er sie
bewirtschaften wird. Und in den USA sind das, mit Hilfe der Regierung, die
größten Konzerne der Welt.
Eine wachsende Sorge hier in den Vereinigten Staaten sind die
Einzelhändler. Und ich weiß, daß viele von Ihnen auf der ganzen Welt mit der
gleichen Sache konfrontiert sind, vielleicht unter einem anderen Namen - aber
es sind die gleichen Kartelle, die in jedem Land zusammenarbeiten. Und sie
fangen jetzt an, ihre eigenen Lieferketten vertikal zu integrieren, haben ihre
eigenen Molkereien, investieren in ihr eigenes Rindfleisch und üben dabei
immer mehr Druck auf die unabhängigen Familienbetriebe aus. All dies geschieht
im Namen und mit dem Stempel der Regierung der Vereinigten Staaten.
Es gibt keinen Markt
Tatsache ist, daß wir in den Vereinigten Staaten einfach keinen Markt
haben. Unser Landwirtschaftssystem wird von so wenigen kontrolliert, daß es
wirklich keinen Markt gibt, und sie teilen unser Land in Regionen auf, so daß
es in einer Region eine Verarbeitungsanlage gibt, und die ist die einzige. Auf
dem Papier sieht es so aus: „Da sind vier Firmen zur Auswahl!“ Nein, sind sie
nicht! Man kann es sich nicht leisten, seine Produkte, Getreide oder Vieh zur
nächsten Firma zu transportieren, weil es zu weit weg ist und zu viel kostet.
Die Realität ist also, daß wir oft nur einen einzigen Käufer haben.
Wir haben hart daran gearbeitet, die Bedeutung unseres
US-Landwirtschaftsministeriums und einer neuen Leitung unter der
Biden-Harris-Administration zu betonen. Leider hat sich der designierte
Präsident Biden für den ehemaligen US-Agrarminister Tom Vilsack entschieden.
Tom Vilsack war während der gesamten acht Jahre unter der Obama-Regierung der
Minister. Während dieser Zeit erlebten die Familienfarmer nur eine weitere
Konzentration des Marktes. Wir sahen, wie die Regierung die
Anti-Kartell-Gesetze lockerte. Wir hoffen, daß sich die Dinge dieses Mal
ändern werden – aber manchmal wird die Hoffnung nicht zur Realität.
Die Landwirtschaftsprogramme in den Vereinigten Staaten sind auf zwei Dinge
ausgerichtet. Das eine ist der Anbau von Futtergetreide für die
Monopol-Schlachtereiketten. Und die sind international, wie Sie wissen,
Cargill hat seinen Sitz in den USA, aber JBS ist brasilianisch und Smithfield
ist chinesisch. Unsere Landwirte und diese Subventionen von 46 Milliarden
Dollar, auf die ich vorhin hingewiesen habe, unterstützen die Produktion von
Futtergetreide - nicht von Nahrung für Menschen!
Während der Pandemie sahen wir die Schwäche des Systems, da die Zahl der
Haushalte stieg, deren Ernährung unsicher war. Wir sehen überall auf der Welt
hungernde Familien. Denn dieses Programm, Futtergetreide für die Monopole zu
züchten, sei es in Brasilien, den Vereinigten Staaten oder sonstwo auf der
Welt, ist in Wirklichkeit eine Subventionierung der Fleischindustrie.
Die anderen Subventionen in unseren Landwirtschaftsprogrammen in den
Vereinigten Staaten unterstützen Landwirte dabei, ein großes Gebäude zu bauen.
Wir nennen sie KAFOs, „kind animal feeding operations“ (tierfreundliche
Mastbetriebe) – ein großes Gebäude, damit JBS oder Pilgrim's Pride oder
Cargill oder jede andere Marke, die Sie nennen wollen, ihre Tiere in diesem
Gebäude unterbringen und eine Miete an diesen Landwirt zahlen kann. Das
Problem ist, daß die Regierung diese ganze Operation subventioniert. Das Geld,
das sie dem Bauern zahlen, reicht kaum aus, um die Hypothek abzuzahlen. In den
USA fließt der Großteil der staatlichen Subventionen entweder in den Anbau von
Futtergetreide für die Monopole oder in den Bau von Gebäuden für die
Viehzucht.
Und wir bauen so viel Futtergetreide an, daß der Markt nicht einmal die
Produktionskosten deckt. Also können diese Firmen, diese
Monopol-Schlachtereien, diese Kartelle, das Futter für ihr Vieh und Geflügel
tatsächlich unter den Produktionskosten kaufen! Im Grunde genommen
transferieren wir derzeit 36 Milliarden Dollar in die Taschen der reichsten
Lebensmittelkonzerne der Welt.
70-80% der Lebensmittel werden importiert
In den USA ernähren wir uns eindeutig nicht selbst. Tatsache ist, daß
70-80% der Lebensmittel, die wir essen, von irgendwo anders herkommen! Das
kann sehr wohl aus Ihrem Land sein. Das meiste davon wird von sehr kleinen
Landwirten angebaut, die hart auf dem Land arbeiten, und sie gehen nicht nur
selbst unter, sondern wegen des Systems, das gewachsen ist, sind diese
Einzelhändler und diese großen Firmengiganten hereingekommen, und sie stehlen
das von diesen Landwirten, in diesen Ländern, und bringen es in die USA:
70-80% unserer Lebensmittel kommen von irgendwo anders her. Und sie zahlen den
Bauern in den anderen Teilen der Welt einen so niedrigen Preis, daß auch sie
pleite gehen.
Diesen Unternehmen ist es egal, ob die Menschen zu essen haben. Sie
ernähren nicht die Menschen, sie ernähren ihre Profite. Wir sehen das nicht
nur in den Vereinigten Staaten, wir sehen es überall auf der Welt.
Was ich weiß, ist, daß diese Kartelle mein Feind sind. Ich benutze dieses
Wort nur ungern, aber ich bin ein Farmer in vierter Generation in Missouri,
zusammen mit meinem Bruder Steve. Wir kämpfen jeden Tag, um die Farm zu
halten. Wir wollen eine Farm! Wir wollen unsere Nachbarn ernähren. Wir wollen
unsere Nachbarn auf der ganzen Welt respektieren. Und wo wir können und
sollten, wollen wir ihnen helfen, ihre Nachbarn zu ernähren.
Diese Kartelle sind nicht nur mein Feind, nicht nur diejenigen, die mich
von meiner Farm vertreiben wollen, mit der Macht, die sie über meine Regierung
haben, und der Macht, die sie deshalb über die Programme haben, die mir
eigentlich helfen sollten. Diese Leute weiten auch ihre Reichweite auf der
ganzen Welt aus, und verdrängen Bauern vom Land. Ich habe gerade – dank Bob
Baker – über die Notlage in Indien gelesen, und wie diese großen
Firmengiganten ankamen und den Premierminister beeinflußten, um Resolutionen
zu verabschieden, die dann zu Gesetzesentwürfen wurden, die
Konzern-Einzelhändler begünstigen! Ich bin stolz auf die Bauern dort, die
aufstehen und zum Protest stürmen mit einem Plan. „Haut rein!“, sage ich.
Wir müssen zusammenstehen
Es ist klar, daß wir zusammenarbeiten müssen, und wir müssen solidarisch
sein, auf der ganzen Welt, als Landwirte, die sich um das Land kümmern wollen,
um ihre Tiere, und die wir unsere Nachbarn mit gesunden, sicheren
Lebensmitteln versorgen wollen.
Wir betonen gerne, daß wir hier in der Family Farm Action Alliance eine
internationale Vereinigung von Bauern sind – das sind wir, auf der ganzen Welt
– die fest zusammenstehen, denn das ist etwas, was wir gemeinsam tun müssen.
Sie sollen wissen, daß wir hier alles tun, was wir können, und wir werden es
auch weiterhin tun. Ich ziehe meinen Hut vor denen da draußen in Indien und
anderswo, die sich gegen diese Konzernmacht wehren, die ihre Regierungen unter
Druck setzen.
Ich möchte Ihnen allen noch einmal sehr dafür danken, daß Sie mir erlaubt
haben, hier zu sein. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, was in den
Vereinigten Staaten im „Futtermittel-Fleisch-Komplex“ vor sich geht, und über
die anderen Themen, über die ich gesprochen habe, können Sie auf unsere
Website gehen: https://farmactionalliance.org. Wir haben kürzlich ein
Forschungspapier veröffentlicht, das die Macht beschreibt, die Konzerne hier
in den Vereinigten Staaten haben, und was diese Macht prägt, ist, daß es eine
Handvoll Unternehmen gibt, die die Entscheidung treffen, wer was anbauen darf
und wer essen darf.
Nochmals vielen Dank, daß ich heute hier sein darf.
|