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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Kreativität als solche

Auszug aus einer Rede auf der Konferenz des Europäischen Schiller-Instituts am 3. Juli 2011.

Das ist wirklich die wichtigste aller strategischen Fragen, mit denen wir uns heute auseinandersetzen müssen: die Tatsache, daß die menschliche Gattung in ihren Fähigkeiten absolut einzigartig ist. Es gibt keine andere derartige Gattung im Universum, von der man weiß, daß sie jemals existiert hat oder hätte existieren können – auch wenn wir natürlich den Krebsnebel oder ähnliche Teile der großen Galaxie, in der wir uns befinden, der Milchstraße, noch nicht vollständig erforscht haben. Es mag da draußen viele Gattungen mit kognitiven Fähigkeiten geben...

Unsere Organisation in den Vereinigten Staaten hat viel Mühe darauf verwendet, sich auf eben diese Frage zu konzentrieren: Wie alt ist das Leben? Seit wann gibt es Leben in dieser Galaxie oder an einem bestimmten Ort in ihr? Was ist die Natur des Menschen, der erst seit ein paar Millionen Jahren auf diesem Planeten lebt? Soweit wir wissen, gab es bis vor ein paar Millionen Jahren keinen Menschen auf diesem Planeten.

Und doch sprechen wir von Milliarden von Jahren dieser Galaxie, in denen alle uns bekannten Lebensprozesse entstanden sind. Und alles Leben ist schöpferisch. Aber es gibt einen traurigen Aspekt: daß über 95% aller bekannten lebenden Arten zu ihrer Zeit als Fehlschläge ausgestorben sind.

Die Frage lautet also: Warum sollten wir in diesen Zeiten, da wir in eine Periode eingetreten sind, in der mehr lebende Prozesse aussterben werden – in dieser Phase der Bewegung des Sonnensystems durch die Galaxie –, warum sollten wir so vermessen sein, uns vorzustellen, daß das menschliche Leben nicht im Begriff ist, zu verschwinden, wie die Dinosaurier beim letzten Massenaussterben? ...

Was ist in uns, das es in anderen uns bekannten Lebewesen nicht gibt? Das irgendwie, auf wundersame Weise, unserer Gattung ein Schicksal verleihen könnte, das wir keiner anderen lebenden Gattung zugestehen? Der Name für diese spezifische Eigenschaft, die wir bei der menschlichen Gattung kennen, die es bei keiner anderen bekannten lebenden Gattung gibt: Es gibt eine Eigenschaft der Kreativität, die absolut einzigartig für die Menschheit ist...

Was ist also menschlich? Was ist an uns, das potentiell menschlich ist, von Natur aus menschlich, aber potentiell, das uns befähigt, dort zu überleben, wo normalerweise keine Tierart überleben kann? Weil wir in der Lage sind, eine Form des Geistes zu entwickeln, die nicht durch die Vorstellung von fünf Sinnen, fünf ursprünglichen Sinnen, begrenzt ist. Und wenn wir darüber hinausgehen in höhere Bereiche und die Ausrichtung unseres Geistes auf entsprechende Experimente abstimmen, dann zeigt sich der wahre Unterschied der Menschheit zu anderen Gattungen. Und es zeigt ein Potential für die Überlebensfähigkeit der Menschheit, wo keine Tierart eine solche Fähigkeit hätte, die Art von Anpassung vorzunehmen, durch die der Mensch sein eigenes Überleben bewirken kann: Man nennt es Kreativität! …

Und deshalb brauchen wir eine Bevölkerung, die für diesen Aspekt des menschlichen Geistes empfänglich ist. Dieser Aspekt des menschlichen Geistes ist der Ort der menschlichen Kreativität. Und die Förderung dieses Aspekts der menschlichen Erfahrung – der klassischen künstlerischen Kultur als Ausdruck des Prinzips der Metapher – ist das Prinzip der typischen Entdeckung, der Entdeckung eines Prinzips.

Wenn man diese Art des Denkens auf den Bereich der Naturwissenschaft überträgt, ist es das gleiche! Und dort gibt es Beispiele für die Rolle der klassischen musikalischen Komposition, wie insbesondere in den anschaulichen Fällen von Max Planck und Albert Einstein, und auch Wernadskij! Man bekommt eine Demonstration im Bereich der klassischen künstlerischen Komposition, wo der Geist experimentiert, um Prinzipien zu entdecken, es zeigt sich das Verlangen nach diesem experimentellen Ergebnis als Anreiz für die Kreativität des menschlichen Geistes. Das ist Kreativität. Es bedeutet, aus den alltäglichen Gewohnheiten, dem Gewöhnungseffekt des Lebens herauszukommen...

Es geht um die Sensibilität für die Sinne, die wir nicht haben, die aber im Universum existieren und die wir als solche entdecken. Oder wir können sogar ein neues Prinzip im Universum erschaffen – und das wurde schon einmal getan! Wenn wir in diesen Begriffen denken, statt in der vulgären Art von Argumenten und all den Interpretationen und so weiter, die am Ende gar nichts bedeuten, darin liegt die Kreativität...

Das Problem der heutigen Gesellschaft besteht darin, daß dieses kostbare Wissen, das ich persönlich als kostbar erachte, weil ich es erfahren habe, das Geheimnis der Menschheit ist. Und es liefert das Gespür für die Absicht, für das Ziel, das uns hin zur Entdeckung treibt, um Prinzipien zu entdecken – universelle Prinzipien physikalischer und verwandter Wirkungen –, die sich nicht durch die Modalitäten der sogenannten Sinneswahrnehmung definieren lassen.

Was uns in großer Musik, in einer großartigen Aufführung bewegt, ist keine Sinneswahrnehmung: Es ist etwas, das unabhängig von der Sinneswahrnehmung liegt und dich ergreift! Weil es außerhalb der Domäne des Sensoriums liegt! Es gibt eine Art von Zauber und Geheimnis in den großen Errungenschaften der musikalischen Aufführung, besonders in den größten: Weil es ein Kontrast zwischen verschiedenen Arten von Sinneswahrnehmungen ist – man findet etwas, was einen mehr als alles andere ergreift, und man kann keinen einzelnen Sinn definieren, der dafür verantwortlich ist! Es kommt wie Zauberei. Es ist keine Zauberei: Es ist wahre Menschlichkeit.