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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Im Irak entsteht eine Bewegung für die Neue Seidenstraße

LaRouches Ideen als Katalysator

Von Hussein Askary

    Hussein Askary ist irakisch-schwedischer Staatsbürger. Er wurde 1968 in Bagdad im Irak geboren und mußte das Land nach dem Golfkrieg 1991 verlassen. 1992 erhielt er politisches Asyl in Norwegen. 1994 lernte er das Schiller-Institut und die LaRouche-Bewegung kennen und trat ihr 1995 bei. Seit 2006 ist er der Südwestasien-Koordinator des Schiller-Instituts.

Der Irak ist wahrscheinlich das einzige Land der Welt, in dem die Bevölkerung der Regierung weit dabei voraus ist, Zusammenarbeit mit China und aktive Beteiligung an der Gürtel- und Straßen-Initiative (BRI), der Neuen Seidenstraße, zu fordern. Die irakische Regierung hat zwar schon im Dezember 2015 eine Absichtserklärung mit China über die Zusammenarbeit beim Aufbau und der Förderung der BRI geschlossen, tat jedoch mehrere Jahre lang nichts, um diese Zusammenarbeit zu aktivieren. Erst im September 2019 besuchte der damals neue Ministerpräsident Adil Abdel-Mahdi China, und das mit der größten Delegation irakischer Minister und Gouverneure in der Geschichte der Beziehungen beider Länder. Bei diesem Besuch wurden mehrere Absichtserklärungen (Memoranda of Understanding, MoU) für die wirtschaftliche Zusammenarbeit unterzeichnet.

Ein besonders heißes Eisen war dabei ein simpler „Finanzanhang“, der ein bis dahin ruhendes Abkommen aktivierte, den „Kooperationsrahmen“ für das allgemein so genannte chinesisch-irakische „Öl-für-Wiederaufbau-Abkommen“, das im Mai 2018 unter der vorherigen Regierung unterzeichnet, aber nie aktiviert worden war. Wie wir weiter unten erörtern werden, bot dieses Abkommen die Aussicht darauf, den Irak aus der 30 Jahre langen wirtschaftlichen und sozialen Hölle herauszuholen, die durch die „Operation Wüstensturm“ 1991, anschließend zwölf Jahre mörderische Wirtschaftssanktionen und dann die anglo-amerikanische Invasion 2003 verursacht wurde.

Texas und Bagdad

Was die Menschen in Texas im Februar 2021 erlebt haben, mit rollenden Stromausfällen und Lähmung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, das erleiden die Iraker täglich seit 17 Jahren – nicht durch einen Schneesturm, sondern durch die anglo-amerikanische Militärmaschinerie. 1991 und erneut 2003 wurde der Irak (wie US-Außenminister James A. Baker III. versprochen hatte) „zurück in die Steinzeit gebombt“, nachdem er zuvor eine der fortschrittlichsten Volkswirtschaften Westasiens und der arabischen Welt gewesen war.

© Hussein Askary

Nach 17 Jahren regelmäßiger Stromausfälle und Lähmung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens unterstützt das irakische Volk das „Öl für den Wiederaufbau“-Abkommen zwischen China und Irak.

Aber die Probleme endeten damit nicht. Selbst nach all dieser Zerstörung konnte der irakische Staat in den Monaten unmittelbar nach der Invasion noch zehn Stunden am Tag Strom liefern. Doch die Plünderung und Vernachlässigung der Infrastruktur unter den korrupten, von den USA gesteuerten Regierungen hat dazu geführt, daß die Stromversorgung heute für irakische Haushalte und Unternehmen nur noch auf 5-6 Stunden pro Tag beschränkt ist. Der Irak wurde in einen wahren „Cargo-Kult“ verwandelt, indem die Regierung Rohöl verkauft, um 97% aller Bedürfnisse der Bevölkerung aus dem Ausland zu kaufen, es gibt praktisch keinerlei inländische Produktion außer Öl.

Laut einem irakischen Energieberater, den ich kürzlich interviewt habe, beträgt der Gesamtbedarf des Irak an elektrischer Energie 19 Gigawatt. Das Ministerium für Elektrizität, das für die Produktion und Verteilung von Strom zuständig ist, kann aber nur 7 GW bereitstellen. Den Rest decken kleine und mittelgroße Generatoren ab, die im Land an jeder Straßenecke stehen. Die Besitzer bilden eine „Generatoren-Mafia“, die der Allgemeinheit hohe Preise abverlangt, ähnlich wie beim berüchtigten Enron-Betrug in Kalifornien 2000-2001 und auch bei den texanischen Stromversorgern während des jüngsten Blackouts. Wie bei letzteren wird auch diese Mafia von einflußreichen Politikern und Milizen gedeckt, die ihren Anteil von den Einnahmen erhalten. Jeder einzelne dieser dieselbetriebenen Generatoren spuckt Abgase in der Größenordnung von 70 Autos aus, und das an jeder Straßenecke im Irak, einem Land mit 40 Millionen Seelen.

Im September 2018 schloß die Regierung von Ministerpräsident Haidar Al-Abadi ein Abkommen mit dem deutschen Unternehmen Siemens, um erdgasbetriebene Kraftwerke für die fehlenden 11 Gigawatt elektrischer Leistung zu bauen. Das Geschäft hatte einen Umfang von 15 Milliarden Dollar, und der Bau sollte weniger als vier Jahre dauern, es wurde aber unter Drohungen der US-Regierung gekündigt, die behauptete, dies würde den Irak zur Geisel iranischer Gasimporte machen. Statt dessen wurde der Irak gezwungen, ein Vorabkommen mit der US-Firma General Electric zu schließen.

Aber auch diesem Deal war kein Erfolg vergönnt. Seit der Ölpreis abstürzte, hat der Irak weder internationale Kraftwerks-Bauunternehmen als Partner noch finanzielle Mittel, um sie zu bezahlen. Unterdessen sind die korrupten Beamten des Elektrizitätsministeriums und ihre Auftragnehmer glücklich mit dem Geld, das sie erhalten, nur um die alten Generatoren und Stromnetze zu warten, die den Menschen nicht einmal fünf Stunden Strom am Tag liefern.

Eine Revolte zum falschen Zeitpunkt

Das gleiche Bild zeigt sich in auch in allen anderen Bereichen der Wirtschaft: Gesundheitswesen, Bildungswesen, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Verkehr, Beschäftigung usw. Ende 2017, nach dem Sieg über den Islamischen Staat (IS), der fast alles zerstört hatte, was im Land übriggeblieben war, wandte das Volk seine Wut und Energie gegen die korrupte Regierung. In vielen Landesteilen brachen spontane Demonstrationen und Proteste gegen den Mangel an lebenswichtigen Dienstleistungen und gegen die horrende Jugendarbeitslosigkeit aus.

Die zunehmend verzweifelte wirtschaftliche, soziale und sicherheitspolitische Lage machte den im September 2018 neu gewählten Ministerpräsidenten Adel Abdel-Mahdi – der unter der Vorgängerregierung von Al-Abadi Ölminister gewesen war, als das Rahmenabkommen „Öl für Wiederaufbau“ im Mai 2018 unterzeichnet wurde –, gezwungenermaßen vom Saulus zum Paulus. Ende September 2019 reiste Abdel-Mahdi (wie oben erwähnt) mit einer großen Delegation nach China und aktivierte die Vereinbarung.

© Wikimedia Commons/LaGrandeOurs/cc-by-sa 3.0

© CC/Tasnim News Agency

Adil Abdul-Mahdi, Ministerpräsident des Irak, reaktivierte mehrere 2015 unterzeichnete Absichtserklär­ungen zur Zusammenarbeit mit China beim Aufbau und der För­de­rung der Belt & Road Initiative [oben].
Der iranische Generalmajor Kassem Soleimani, der faktisch Schulter an Schulter mit den US-Streitkräften gegen ISIS gekämpft hatte, wurde am 3. Januar 2020 durch einen US-Drohnenangriff ermordet.

Doch just als er am 29. September nach Bagdad zurückkehrte, brach eine „Farbenrevolution“ los, als Hunderttausende junge Menschen, die sehr berechtigte Beschwerden hatten, in eine kompromißlose Haltung gegen Abdul-Mahdis Regierung manipuliert wurden, obwohl die gerade versuchte, die Probleme, die den Aufstand verursachten, durch eine aktive Zusammenarbeit mit China zu lösen.

Eine Kraft von außen, die nie offiziell identifiziert wurde, mischte sich mordend in die Proteste ein und tötete sowohl Demonstranten als auch Polizisten. Ende November, nachdem 50 Demonstranten umgekommen waren, geriet die Situation außer Kontrolle, es gab Rufe nach Abdel-Mahdis Rücktritt auch aus seinen eigenen Reihen und vom obersten schiitischen Geistlichen, Ajatollah Al-Sistani. Abdel-Mahdi erklärte daraufhin seinen Rücktritt, blieb aber noch bis Mai 2020 als geschäftsführender Ministerpräsident an der Macht, solange die großen Parteien im Parlament über einen Nachfolger verhandelten.

Der letzte Sargnagel für die Regierung Abdel-Mahdi und das irakisch-chinesische Abkommen war die Ermordung des iranischen Generalmajors Kassem Soleimani und des irakischen Kommandeurs der Volksmobilisierungskräfte, Abu Mahdi Al-Muhandis, auf Befehl von US-Präsident Donald Trump (oder wer auch immer die Entscheidung in seinem Namen traf), als die beiden am 3. Januar 2020 in der Nähe des Flughafens von Bagdad unterwegs waren.

Soleimani und Al-Muhandis, die beide quasi Schulter an Schulter mit den US-Streitkräften gegen ISIS gekämpft hatten, bereiteten sich damals gerade auf ein Treffen mit Abdul-Mahdi vor, um eine Botschaft der Versöhnung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien zu überbringen – die Abdul-Mahdi persönlich vermittelt hatte. Er selbst hat diese Tatsache in einem Fernsehinterview im Januar 2021 enthüllt. Die Hintergründe dieses Attentats habe ich in einem Interview mit dem Schiller-Institut vom 6. Januar 2020 erläutert und in den Kontext des China-Irak-Abkommens gestellt (vgl. Neue Solidarität 3/2020).

Genau in jener Woche, Anfang Januar 2020, erreichten die kumulierten Einnahmen des irakisch-chinesischen „Öl für den Wiederaufbau“-Fonds aus irakischen Ölverkäufen nach China (seit dem 1. Oktober 2019, nach Abdel-Mahdis Reise nach Peking) die kritische Masse von 1,5 Milliarden Dollar. Das war laut Vertrag die Summe, die Verhandlungen mit chinesischen Unternehmen über konkrete Infrastrukturprojekte auslöste, die für den sofortigen Baubeginn ausgewählt wurden. (Mehr Details unten.)

Irakische Beamte, die unter Abdul-Mahdi gedient hatten, sagten mir später, daß das, was ich in diesem Interview gesagt hatte, völlig richtig war, obwohl ich nicht in irgendwelche Insiderinformationen aus irakischen oder chinesischen Regierungsquellen eingeweiht war. Es war einfach meine Anwendung der Analysemethode, die ich in den 25 Jahren meiner Zusammenarbeit mit Lyndon LaRouche von ihm gelernt habe – nämlich, ein Objekt oder Ereignis in den größeren Kontext einzuordnen; den vielfältig vernetzten Bereich, in dem es als Wirkung oder „Schatten“ größerer Prozesse und Ursachen definiert oder geschaffen wird, anstatt es nur losgelöst als eine Sache für sich zu betrachten.

LaRouches Ideen kommen ins Spiel

Im November 2019 startete ich die arabischsprachige LaRouche-Onlineschule für physische Ökonomie, in der ich Unterricht in LaRouches Wirtschaftslehre gebe und gleichzeitig Vorträge über die Gürtel- und Straßen-Initiative und Chinas kometenhaften wirtschaftlichen Aufstieg halte.

© Hussein Askary

Von links nach rechts: Hussein Askary, CEO von Swedhydro und Mitglied des Schiller-Instituts; Dr. Jamal Al-Adeli, Minister für Wasserressourcen des Irak; Cai Mantang, Associate Professor und stellvertretender Direktor des Beijing Development Institute, Peking University; und Dr. Nihad Mutlag, Professor für Biologie und Umweltwissenschaften, Universität Kufa. Dezember 2018.

Meine Botschaft an die arabische Jugend, die durch den „Arabischen Frühling“ zu dem Glauben verleitet worden war, ein „Regimewechsel“ sei der Weg zu Wohlstand und Freiheit, war die: Ohne ein Verständnis der Ökonomie in dem wahren Sinne, wie es LaRouche als Staatskunst lehrt, kann man keine Massenbewegung als echte „Revolution“ bezeichnen. Die Revolution sollte zuerst im Kopf des Volkes, oder zumindest in dessen führenden Köpfen, stattfinden. Es gibt 22 Länder, einschließlich des Irak, mit Arabisch als offizieller Sprache, hier herrscht also ein enormes Potential.

Nachdem Abdul-Mahdis Regierung schließlich im Mai 2020 aus dem Amt gezwungen worden war, wurde in einem abstrusen Kuhhandel unter den Dutzenden von Fraktionen schiitischer, sunnitischer und kurdischer Gruppen ein neuer Ministerpräsident bestimmt (diese Zustände sind ein Resultat der „demokratischen Reformen“ unter der amerikanisch-britischen Besatzung). Der neue Ministerpräsident war Mustafa Al-Kadhimi, der ehemalige Direktor des Geheimdienstes. Al-Kadhimi versprach weitere politische Reformen in Vorbereitung auf Neuwahlen, die 2022 stattfinden sollen.

Die Demonstranten gingen nicht mehr auf die Straße, in der Hoffnung, daß sich etwas ändern würde. Doch als die COVID-19-Pandemie die Weltwirtschaft ausbremste, brach der Ölpreis auf 30 Dollar je Barrel ein, weit unter den Preis, der für die Finanzierung des irakischen Staatshaushalts erforderlich ist. Al-Kadhimi und seine Berater – größtenteils junge Leute aus der Farbrevolution – hatten keine Ahnung von Wirtschaft. Obendrein setzte Al-Kadhimi dubioserweise das China-Irak-Abkommen aus und benutzte die angesammelten Einnahmen aus dem Wiederaufbaufonds, um die akuten Lücken im Haushalt zu füllen. Irakischen Quellen zufolge geschah das auf Geheiß der US-Regierung.

Im September 2020 wurde ich von den Administratoren einer irakischen Facebook-Gruppe kontaktiert, die mich bat, ihrer Gruppe beizutreten und bestimmte Sachverhalte im Zusammenhang mit dem China-Irak-Abkommen und der Lösung der Wirtschaftskrise durch Infrastrukturausbau zu erklären. (Facebook ist das wichtigste Vehikel für Iraker, die sich außerhalb der Kontrolle der Parteien politisch organisieren wollen.) Die Gruppe mobilisiert „für den Bau des Großen Hafens von Faw und gegen die Eisenbahnverbindung nach Kuwait und Iran“. Ich sagte ihnen, ich sei nicht gegen Bahnverbindungen mit anderen Ländern, sei aber definitiv für den Bau dieses für den Irak strategisch wichtigen Hafens, der zum Verbindungspunkt zur Maritimen Seidenstraße würde.

© Hussein Askary

Hussein Askary in verschiedenen irakischen TV-Sendungen

© Schiller-Institut

Südwestasien, am Schnittpunkt dreier Kontinente

Ich begann, Live-Vorträge über die Vorzüge des China-Irak-Abkommens, Infrastruktur und Staatskredit aus der Sicht LaRouches zu halten. Von irakischen Medienexperten erfuhr ich, daß es im Irak fast gar keine glaubwürdigen Ökonomen gibt, die die BRI oder die Bedeutung des China-Irak-Abkommens erklären könnten. In wenigen Monaten wuchs diese Gruppe bis November 2020 von 30.000 auf 280.000 Mitglieder an. Meine Lektionen, die von vielen Mitgliedern an andere Gruppen weitergegeben wurden, führten dazu, daß die etablierten Massenmedien von meiner Arbeit Notiz nahmen. Ich erhielt Anfragen nach Fernsehinterviews über den Wiederaufbau des Irak, die BRI und das China-Abkommen.

Die Seite der Faw-Hafen-Gruppe wurde jedoch Ende November plötzlich von Facebook wegen „Verletzung der Gemeinschaftsregeln“ verboten – dieselbe vage Nicht-Begründung wie bei der gegenwärtigen Polizeistaats-Zensur gegen Präsident Trump und viele andere Personen und Organisationen in den USA. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch bereits mehr als ein Dutzend Gruppen gegründet worden, die die Aktivierung des China-Abkommens unterstützten und chinesischen Firmen den Auftrag zum Bau des Großen Hafens von Faw anbieten wollten.

Die Regierung blockierte weiterhin das Abkommen mit den chinesischen Firmen und bot den Vertrag in einem weiteren üblen Schachzug der koreanischen Daewoo Engineering and Construction Corporation an, die große finanzielle und rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Korruption und finanzieller Mißwirtschaft hat. Der Auftrag wurde ohne ein offenes Bieterverfahren vergeben. Chinesische Firmen wie die China Machinery Engineering Company (CMEC) boten an, den Hafen und zwölf weitere Infrastrukturprojekte für weniger als die von Daewoo geforderten 2,6 Milliarden Dollar und in drei statt vier Jahren zu bauen sowie die Finanzierung durch chinesische Banken über eine 15jährige zinsgünstige Kreditlinie mit einer fünfjährigen tilgungsfreien Zeit zu gewährleisten, doch Al-Kadhimis Regierung lehnte ihre Angebote ab.

Zudem wollte das irakische Finanzministerium den Vertrag mit Daewoo durch Kreditaufnahme auf den kommerziellen Märkten finanzieren, konnte aber von den benötigten 2,6 Milliarden Dollar nur 400 Millionen auftreiben. Das bedeutet, daß das Projekt nach ein paar Monaten im Sande verlaufen wird, weil sehr unwahrscheinlich ist, daß die Regierung es in dieser Art scheibchenweise finanzieren kann. Eine skandalöse Folge des Mangels an Geldmitteln ist, daß Daewoo nur noch einen der beiden benötigten Wellenbrecher für den Hafen bauen will und selbst dafür zehn Jahre veranschlagt hat.

Frustriert vom Druck der Öffentlichkeit und offensichtlich auch dem regierungsnaher Kreise trat Al-Kadhimi am 17. November in einer eigens einberufenen Pressekonferenz auf, um ausdrücklich zu erklären, daß es „so etwas wie ein China-Abkommen nicht gibt“ und daß eine „Lügenkampagne“ gegen ihn behaupte, er habe es gekündigt. Es gäbe nur Absichtserklärungen mit China, keine Abkommen.

Al-Kadhimis Behauptungen sind offensichtlich Wortklauberei, denn tatsächlich ist das offiziell so genannte „Exportkreditversicherungs-Kooperationsrahmenwerk“ weder ein „Abkommen“ noch eine „Absichtserklärung“. Beamte der früheren Regierung stellten mir den Text zur Verfügung, wobei sie mich darauf hinwiesen, daß der „Kooperationsrahmen“ absichtlich so formuliert wurde, um nicht das typische Schicksal von „Abkommen“ zu erleiden, die von einem gespaltenen und generell korrupten Parlament ratifiziert werden müssen. Dieser „Kooperationsrahmen“ wurde vom irakischen Finanzministerium und der China Export and Credit Insurance Corporation (Sinosure) unterzeichnet.

Der Text ist vertraulich, deshalb hat die vorherige Regierung ihn der Öffentlichkeit nicht vorgelegt. Ich habe die Regierung Abdel-Mahdi aber öffentlich kritisiert, weil sie die Vorzüge und Ziele der Zusammenarbeit mit China nicht transparent erläutert hat, was auch möglich gewesen wäre, ohne den Text im Wortlaut zu veröffentlichen.

Wieder einmal mußte ich in den sozialen Medien und einigen Fernsehkanälen auftreten, um auf die Gegenoffensive des Ministerpräsidenten zu reagieren.

Al-Kadhimis Vorgehen veranlaßte verschiedene Gruppen junger Leute, auf die Straße zu gehen und spontane Demonstrationen zu organisieren. Einige begannen zu improvisieren, entwarfen und druckten Plakate und Transparente, um sie an öffentlichen Plätzen aufzuhängen. Ich wurde von einigen Gruppen gebeten, kurze Texte für Flugblätter zu schreiben: über das Abkommen mit China und die Neue Seidenstraße, und warum es für den Irak von Vorteil wäre, sich daran zu beteiligen. Diese Flugblätter wurden von einigen bei diesen Veranstaltungen verteilt und in den sozialen Medien gepostet.

Die Katze ist aus dem Sack

Kürzlich wurde ich darüber informiert, daß eine Gruppe von Parlamentariern aus verschiedenen Parteien eine „Seidenstraßen“-Allianz im Parlament gebildet hat, um sich als Unterstützer der BRI und des Irak-China-Abkommens zu profilieren. Einige Parlamentarier bringen in den sozialen Medien ihre Unterstützung für das Abkommen mit China und die Neue Seidenstraße zum Ausdruck. Das hat sich allmählich zu einer Massenbewegung ausgeweitet. Inzwischen ist es so populär geworden, für die Seidenstraße und China einzutreten, daß viele Politiker an der Spitze der schiitischen religiösen und militärischen Führung – wie Muktada As-Sadr, Hadi Al-Ameri (Badr-Brigaden) und Kais Al-Chasali (Anführer der Asaiib-Miliz) – in öffentlichen Reden ihre Unterstützung dafür äußern.

Einige Beobachter sagen, dies sei ein opportunistischer Schachzug, um vor den nächsten Wahlen an Popularität zu gewinnen. Aber die Realität ist, daß die sprichwörtliche Katze aus dem Sack ist. Viele junge Menschen sagen mir, sie bedauerten zwar, an der Revolte gegen Adel Abdel-Mahdi teilgenommen zu haben, sie würden sich aber nicht noch einmal von Politikern täuschen lassen, die es mit dem Wiederaufbau des Landes und der aktiven Zusammenarbeit mit China entlang der BRI nicht ernst meinen. Sie hätten dank der LaRouche-Schule die Grundlagen der wahren Ökonomie gelernt und seien daher gerüstet, die Politiker auf den richtigen Weg zu führen.

© Hussein Askary


Bürger in Basra. Auf den Schildern steht (links): „Meinem Land zuliebe wähle ich die Investitionsmöglichkeit für den Bau des Großen Hafens von Faw.“ (Mitte): „Die Investition in den Hafen von Faw ist die beste Lösung. Ja zum Angebot der chinesischen Firma CMEC statt zum Angebot der bankrotten koreanischen Firma.“ (Rechts): „Ja zum Abkommen mit China. Ja zum Bau des Großen Hafens von Faw. Ja zum Beitritt des Irak zur Neuen Seidenstraße.“

© Hussein Askary

Eine Demonstration auf dem Tahrir-Platz in Bagdad im Oktober 2020. Auf dem Schild steht: „Wir fordern den Ministerpräsidenten auf, das irakisch-chinesische Abkommen zu aktivieren, weil es einen Wendepunkt in der irakischen Wirtschaft darstellt.“

Kleine Schritte

Dieser Druck der Bevölkerung hat die Regierung gezwungen, einige kleine Schritte zu unternehmen, um ihr Bekenntnis zum „China-Abkommen“ zu erneuern – obwohl sie selbst behauptet hatte, es existiere gar nicht. Im Dezember 2020 sagte Planungsminister Najm Al-Battal dem irakischen Fernsehen, die Regierung führe Gespräche mit dem chinesischen Botschafter Zhang Tao über die Wiederbelebung des Abkommens. Al-Battal fügte hinzu: „Sobald die Coronavirus-Pandemie unter Kontrolle ist, werden chinesische Firmen in den Irak kommen, um die Wiederaufbauarbeiten an ausgewählten Projekten zu beginnen.“

Zhang veröffentlichte am 10. Januar 2021 eine Mitteilung auf der Internetseite der chinesischen Botschaft, daß er sich mit Elektrizitätsminister Majed Mahdi Al-Amara getroffen habe, um zu besprechen, welche Kraftwerksprojekte in das irakisch-chinesische Abkommen aufgenommen werden können. Das Ministerium bestätigte dies in einem ausführlichen Bericht auf seiner Webseite. Auf der Seite des Ministeriums wurde auch berichtet, Zhang habe sich darüber beschwert, daß die irakische Regierung keine Mittel für den Wiederaufbau gemäß dem „Kooperationsrahmen“ zur Verfügung stelle. Wie bereits berichtet, verwendet die Regierung die Mittel, um Lücken im Haushalt zu schließen und die Gehälter von hunderttausenden Staatsangestellten zu zahlen, die 2020 mehrere Monate lang keine Gehälter erhielten.

Bemerkenswert ist, daß der einzige erfolgreiche neue Kraftwerksbau im Irak seit 2003 von der chinesischen Shanghai Electric im südirakischen Wassit durchgeführt wurde, ein 2450-MW-Wärmekraftwerk, das, wie Xinhua berichtet, den Irak seit 2019 mit 20% seines Stroms versorgt.

Zhang traf sich auch mit dem Minister für Wohnungsbau, um den Bau der ersten tausend Wohneinheiten zu besprechen, die Teil der irakisch-chinesischen Vereinbarung sind.

Irakische Aktivisten, die diese Entwicklungen begrüßen, stehen solchen „kleinen Schritten“ aber auch kritisch gegenüber. Sie betonen, daß der Irak in fast allen Bereichen der Infrastruktur des Landes „Megaprojekte“ benötigt und daß die chinesischen Unternehmen bereit sind, diese effektiv, schnell und kostengünstig zu bauen. Und chinesische Banken sind bereit, diese Projekte mit langfristigen Krediten zu niedrigen Zinssätzen zu finanzieren.