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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Der Plan des Schiller-Instituts zur Entwicklung Haitis

Von Richard Freeman und Cynthia Rush
– 2. Teil –

Das Programm des Schiller-Instituts

Im Folgenden werden acht grundlegende Bereiche der Infrastruktur, Industrie und Landwirtschaft aufgeführt, die den Kern der haitianischen Wirtschaft bilden. Für jeden Bereich wird dargestellt, welche Möglichkeiten und Probleme bestehen und welche Lösungen im Rahmen eines Entwicklungsplans empfohlen werden.

I. Energie und Elektrizität

Die Existenz der Menschheit beruht auf der Erhöhung der Energieflußdichte. Die Einführung der Elektrizität schuf ein neues, höheres Niveau der Energieflußdichte, einen neuen Technologiesprung. Eine Wirtschaft, die über eine reichliche Stromversorgung verfügt, kann eine höhere Plattform der physischen Wirtschaft einführen, mit fünfachsigen Werkzeugmaschinen, elektrifizierten Hochgeschwindigkeitsbahnen, Supraleitung, Lasern und kohärenten Energiestrahlen, überregionaler Kommunikation, Magnetresonanztomographie, Computertomographie etc. Derzeit verfügt Haiti über keine zuverlässige Energiequelle, und das wenige, was es hat, größtenteils aus Holzkohle, ist primitiv, stellt eine ernsthafte Gesundheitsbedrohung dar und ist gefährlich. Das ist charakteristisch für die feudalen Zustände, in denen Haiti seit dem 16. Jahrhundert von der City und der Wall Street gehalten wird.

© USAID

Abb. 8: Da es in Haiti keine einheimischen Kohle-, Öl- oder Erdgasvorkommen gibt, und auch keine Mittel vorhanden sind, sie zu importieren, ist Holzkohle – hier in Säcken abgefüllt – die Hauptenergiequelle.

Vor etwa 25 Jahren mußte Haiti sich mangels Strom noch mehr auf Holzkohle als Hauptenergiequelle einstellen (Abbildung 8). Im USAID-Bericht Strategic Framework vom 23. Dezember 2020 heißt es, daß die meisten Haushalte im ländlichen Haiti keinen Zugang zu Energie haben und deshalb Brennholz verwenden, wofür Wälder abgeholzt werden. In Port-au-Prince und anderen Großstädten verwenden fast 90% der Haushalte Holzkohle. Nur 30% der Fläche Haitis sind noch von Wäldern bedeckt. Dagegen beschrieb Frederick Douglass am 2. Januar 1893 noch ein grünes Haiti: „Die tropische Hitze und die Feuchtigkeit der Insel halten die Vegetation das ganze Jahr über frisch, grün und kräftig. In einer Höhe von achttausend Fuß sind seine Berge noch immer mit Wäldern von großer Vielfalt und großem Wert bedeckt.“

Wenn Haiti nicht geholfen wird, aus diesem Gefängnis auszubrechen, wird alle Hilfe der Welt nichts nützen; das Land wird sich nie weiterentwickeln, und seine Bevölkerung wird nie wachsen. Um Haiti auf das Niveau des jährlichen Pro-Kopf-Stromverbrauchs eines Landes wie Spanien zu bringen, muß die installierte Stromerzeugungskapazität von derzeit 350 Megawatt um das 75fache auf etwa 27 Gigawatt erhöht werden – von anderen relevanten Faktoren einmal abgesehen.

Dies kann in zwei Stufen geschehen. Die Hälfte der benötigten Erzeugungskapazität, 13,5 Gigawatt, kann Haiti in den nächsten zehn Jahren erreichen. Dies wird aus einer Mischung aus Kernkraft (einschließlich schwimmender Anlagen), sauberer Kohle und Erdgas bestehen. Die Größe der Anlagen wird zwischen 100 und 1000 Megawatt liegen. Darüber hinaus kann die Stromerzeugungskapazität aus Wasserkraft, einschließlich der 54 MW des Péligre-Damms und neuer Dämme, um das Dreifache erhöht werden. Diese verstärkte Elektrifizierung wird die Blockade bei der Stromversorgung von Häusern und Krankenhäusern, Wasseraufbereitung, Wirtschaft und Industrie, Landwirtschaft und Transportwesen durchbrechen und das tägliche Leben aller Haitianer grundlegend verändern.

II. Ein universelles Gesundheitsversorgungssystem

Haiti braucht dringend ein modernes Gesundheitssystem, so wie es die Gründerin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, für die ganze Welt vorgeschlagen hat. In ihrer Grundsatzrede auf einer Konferenz des Schiller-Instituts am 8. Mai 2021 warnte Zepp-LaRouche angesichts der COVID-19-Pandemie:

    „Der einzige Weg, diese und künftige Pandemien zu stoppen, ist die Schaffung eines Weltgesundheitssystems, d.h. eines modernen Gesundheitssystems in jedem einzelnen Land. Denn wenn man die Pandemie selbst im ärmsten Land der Erde nicht aufhält, wird sie wiederkommen; es wird neue Varianten, neue Stämme geben, die schließlich die bereits verteilten Impfstoffe obsolet machen könnten. Wir befinden uns also in einem Wettlauf mit der Zeit.“

Zepp-LaRouche betonte, alle Länder sollten die Mittel haben, zu tun, „was in Wuhan getan wurde, als die Pandemie ausbrach. Krankenhäuser bauen! Man kann das mit dem Pionierkorps der Armee und Hilfsorganisationen machen. In einer Woche kann man ein Krankenhaus für tausend Menschen bauen. Dann brauchen diese modernen Krankenhäuser gut ausgebildete Ärzte und Krankenschwestern. Man braucht viel sauberes Wasser – zwei Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Man braucht viel Strom. Ohne Infrastruktur geht es nicht. Der Aufbau eines modernen Gesundheitssystems in jedem Land kann und muß also der Anfang sein, um die Unterentwicklung der Entwicklungsländer endgültig zu überwinden.“

Am 18. August, vier Tage nach dem Erdbeben, berichtete die Direktorin der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation, Dr. Carissa Etienne, daß in den drei vom Erdbeben am stärksten betroffenen Departements 24 Gesundheitseinrichtungen zerstört oder beschädigt wurden. Sie forderte die internationale Gemeinschaft auf, sofort zu reagieren, um Haitis „immensen Bedarf“ an medizinischem Personal, Versorgungsgütern, Ausrüstung, Patiententransporten u.a.m. zu decken, damit die Gesundheitsversorgung in den betroffenen Gebieten wiederhergestellt werden kann.

Sie wies auch auf den dringenden Bedarf an COVID-19-Impfstoffen hin. Bislang sind weniger als 1% der 11,25 Millionen Einwohner Haitis geimpft worden, und über die COVAX-Einrichtung, die Impfstoffe für Entwicklungsländer bereitstellt, sind nur 500.000 Dosen des Impfstoffs eingetroffen. Die offizielle Zahl der COVID-19-Fälle ist niedrig, aber dabei handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um eine Unterschätzung. Das Schiller-Institut fordert, Haiti 14 Millionen Impfdosen zur Verfügung zu stellen, um die Impfquote schnell auf 60% zu erhöhen.

Die Intensivstationen in Haiti sind kaum in der Lage, COVID-19-Fälle oder andere Notfälle zu behandeln. Laut einer Studie, Critical Care Capacity in Haiti: A Nation-wide Cross-sectional Survey (Intensivbehandlungskapazitäten: Eine landesweite Querschnittserhebung), die am 23. Juni 2019 in der Fachzeitschrift Plos One erschien, verfügt Haiti landesweit nur über 124 Betten für Intensivbehandlungen und weitere 53 Betten für schwerkranke Patienten, die meisten davon in Notaufnahmen. Der Mangel an medizinischem Personal und Krankenhausbetten ist erschreckend. In Haiti kommen 0,25 Ärzte auf 1000 Einwohner, ein Zehntel des US-Niveaus von 2,3 Ärzten pro 1000 Einwohner. Es gibt 0,11 Krankenschwestern pro 1000 Einwohner, ein Hundertstel des US-Niveaus von 11,7 Krankenschwestern pro 1000 Einwohner, was an sich schon unzureichend ist. Im ganzen Land gibt es 7982 Krankenhausbetten, das sind 0,71 Betten pro 1000 Einwohner.

Der Standard, den man in Haiti erreichen sollte, liegt bei etwa vier Krankenhausbetten pro 1000 Einwohner in jeder Gemeinde. Das war die Vorgabe des modellhaften US-amerikanischen Hill-Burton-Gesetzes (Hospital Survey and Construction Act) aus dem Jahr 1946, welches vorgab, daß die Gesundheitsbehörden auf der Grundlage moderner medizinischer Standards und der verfügbaren Transportmittel festlegen, wie viele Betten pro 1000 Einwohner in den einzelnen Regionen benötigt werden. Moderne medizinische Einrichtungen und angemessenes Personal werden – zusammen mit modernen sanitären Einrichtungen und angemessener Ernährung – dazu beitragen, Haitis Kinder- und Müttersterblichkeit zu senken, die die höchste in der westlichen Hemisphäre ist.

Konkret bedeutet dies, daß Haiti in den nächsten acht Jahren – vor allem mit Unterstützung der Vereinigten Staaten und Chinas – 185 neue moderne Krankenhäuser mit 47.000 neuen Betten bauen muß. Die Beschäftigung von Bauarbeitern sowie von medizinischem und technischem Personal für den Bau und Betrieb der Krankenhäuser wird 100.000 Menschen Arbeitsplätze mit steigenden Qualifikationsniveaus bieten. Der Bau von Krankenhäusern wird dezentralisiert, so daß in jedem der neun anderen Departements außer dem Departement Ouest (West), in dem Port-au-Prince liegt und sich heute die Hälfte aller bestehenden Krankenhäuser des Landes befinden, ein Krankenhaus mit 500-700 Betten gebaut wird.

Außerdem braucht Haiti mindestens 50 MRT-, 50 CT- und 200 Röntgengeräte für Diagnosezwecke und gründliche Untersuchungen. Es müssen medizinische Fakultäten eingerichtet werden, um die Zahl der Ärzte von derzeit 2800 auf 20.000 und die Zahl der Krankenschwestern von derzeit 1200 auf 100.000 zu erhöhen. Die haitianische Diaspora in den USA und anderswo, die über ein relativ höheres Qualifikationsniveau als die einheimische Bevölkerung verfügt, muß ermutigt werden, zurückzukehren und in diesem Bereich – wie auch in anderen – zu helfen (siehe unten in Abschnitt VII. Industrie und Arbeitskräfte).

III. Hunger und Landwirtschaft

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) stuft 4,4 Millionen Haitianer, d.h. 42% der Bevölkerung, als „ernährungsunsicher“ ein, sie sind dringend auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Bei einer Reise nach Haiti am 16. September berichtete WFP-Direktor David Beasley, daß über vier Millionen Menschen in dem Land „auf dem Weg zum Hunger sind, und bei einer Million davon klopft der Hungertod die Tür“. Aus dem Dorf Manich twitterte er: „Vier Fünftel der Menschen in diesem Dorf benötigen jetzt Zugang zu Nahrung, Unterkunft und medizinischer Versorgung. Ich spreche hier von den elementarsten Bedürfnissen. Diese Familien hatten Glück, daß sie es lebendig heraus geschafft haben. Jetzt brauchen sie unsere Hilfe.“ Das Erdbeben hat die schwere Krise der Ernährungssicherheit, die Haiti schon seit Jahren heimsucht, weiter verschärft, indem es Ernten und Viehbestände vernichtete, Märkte dem Erdboden gleichmachte und Wasserläufe, die als Trinkwasserquelle genutzt worden waren, verseuchte.

Reis ist das wichtigste Grundnahrungsmittel der Haitianer. Im Jahr 1985 belief sich die einheimische Reisproduktion Haitis auf 163.296 Tonnen, zusätzlich wurden 7337 Tonnen aus den USA importiert, also insgesamt 170.663 Tonnen. Die einheimische Produktion deckte 96% des Verbrauchs ab, so daß Haiti beim Reisverbrauch autark war – wenn auch auf einem erbärmlich niedrigen Niveau. Doch in den 80er und 90er Jahren und zu Beginn des neuen Jahrtausends änderte sich die Situation dramatisch durch politische und wirtschaftliche Manipulationen der US-Regierung und die mörderischen „Strukturanpassungsprogramme“ (SAP) des Internationalen Währungsfonds (IWF). 1984 setzte US-Präsident Ronald Reagan eine Freihandelsinitiative für das Karibische Becken durch, wodurch Haiti „in den Weltmarkt integriert“ und bedrängt wurde, 30% seiner einheimischen Nahrungsmittelproduktion auf Exportkulturen umzustellen. Zwei Jahre später akzeptierte die damals herrschende Militärjunta unter General Henri Namphy einen IWF-Kredit über 24,6 Mio. Dollar, der an die Bedingung geknüpft war, daß er einwilligte, die Reiszölle von 150% auf 50% zu senken – die niedrigste Rate in der Karibik.

© UN/Sophia Paris

Abb. 9: Da moderne landwirtschaftliche Techniken und Geräte unerschwinglich sind, hängt Haitis Bevölkerung von den Nahrungsmittellieferungen solcher Einrichtungen wie dem Welternährungsprogramm und der französischen Agentur für technische Zusammenarbeit und Entwicklung ab.

© NASA/JPL/NGA

Abb. 10: Topographische Karte der Insel Hispaniola (Haiti und Dominikanische Republik).

Alle haitianischen Häfen wurden für den internationalen Handel geöffnet, und die wenigen Preisstützungen, die den Landwirten noch verblieben waren, wurden abgeschafft. In den darauffolgenden Jahren kam es zu wiederholten Sparauflagen des IWF, einem Wirtschaftsembargo der USA und einer Invasion, und 1994 wurden die Zölle auf Reisimporte von 35% auf 3% gesenkt, was Haiti zur „offensten Wirtschaft“ in der gesamten Karibik machte.

Die Prognose des US-Landwirtschaftsministeriums für den Zeitraum Juli 2020 bis Juni 2021 geht davon aus, daß Haiti 75.000 Tonnen Reis im Inland produziert und 495.000 Tonnen importiert (90% davon aus den USA), was den Selbstversorgungsgrad auf alptraumhafte 13% senkt (Abbildung 9)! Seit 1985 ist die einheimische Reiserzeugung in Haiti um 55% geschrumpft. Das landwirtschaftliche Einkommen brach ein; viele Bauern wurden von ihrem Land vertrieben und landeten oft in der sogenannten „Schattenwirtschaft“, darunter der mörderische Drogenhandel. Die Folgen dieses „Freihandels“ britisch-imperialer Art griffen immer weiter um sich, so daß heute 40-50% oder noch mehr der haitianischen Ernährung, darunter Weizen und Geflügel, aus Importen stammen.

Damit Haiti genügend Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung und eventuell auch für den Export erzeugen kann, braucht es Zugang zu modernen landwirtschaftlichen Methoden, auch für die fünf Gebirgsketten, die 70% seines Territoriums durchziehen und auf denen einige Nahrungsmittel produziert werden – wenn auch ineffizient (siehe Abbildung 10).

Die Erzeuger müssen in die Lage versetzt werden, Probleme wie die Bodenerosion in den Griff zu bekommen, die zum Teil durch die weitverbreitete Verwendung von Holzkohle verursacht wird, was zum Abholzen der Wälder und Verlust des Mutterbodens bei Regenfällen führt. Den Landwirten fehlt es an Investitionsgütern wie Traktoren und anderen Landmaschinen, und sie haben kaum Zugang zu Kapital. Es gibt so gut wie keine Bewässerung; von Haitis 16.000 km2 landwirtschaftlicher Nutzfläche sind nur 970 km2, ganze 6%, für die Bewässerung ausgerüstet. Die Ernteerträge und die Produktivität in der Landwirtschaft sind extrem niedrig.

Dabei verfügt das Land über ein großes agro-klimatisches Potential, denn es können sowohl tropische als auch gemäßigte Pflanzen und Bäume angebaut werden; es gibt gute Niederschläge und zwei Wachstumsperioden. Mit gutem Dünger, Saatgut, landwirtschaftlichen Geräten, zeitlich abgestimmter Bewässerung usw. lassen sich die Erträge für die möglichen Kulturen erheblich steigern: Reis, Mais, Sorghum (Hirse), Zuckerrohr und eine breite Palette von Obst und Gemüse (z.B. Mangos) sowie Spezialitäten wie Kaffee, Sisal und Gewürzkräuter. Auch die Wiederaufforstung muß vorangetrieben werden, indem alle Arten von Bäumen, von Kiefern bis hin zu Obstbäumen, die in den richtigen Höhenlagen gedeihen, wieder angesiedelt werden.

Die Bedingungen für Süßwasserfische in Flüssen und Seen können verbessert werden. Da Haiti von drei Seiten vom Meer umgeben ist, sollte das Potential für den Aufbau einer Fischereiindustrie sowohl für die einheimische Produktion als auch für den Export ganz erschlossen werden. Im Golf von Gonaives gibt es 270 verschiedene Fischarten, aber die bittere Armut in den ländlichen Gebieten hindert die Fischer daran, größere Boote oder Schiffe zu erwerben, die für große Fänge erforderlich sind. Die Fische wären auch eine hervorragende Quelle für tierisches Eiweiß, das in der haitianischen Ernährung heute so sehr fehlt.

Internationale Hilfsprogramme haben zwar mehrere Milliarden Dollar für Haiti bereitgestellt, wovon ein Teil für sinnvolle, kurzfristige Zwecke verwendet wird, aber die Grundlagen der Wirtschaft haben sich dadurch nicht verändert. Weniger als eine halbe Milliarde Dollar für den Kauf von 3000 großen Traktoren mit 100 PS und Vierradantrieb, einer Flotte von hundert kommerziellen Fischerbooten, Pumpen, Sprinklern usw. für Pivot- (Kreis-) oder Tropfbewässerung, Düngemitteln und Saatgut sowie Hydro- und Aquakulturen würden einen viel stärkeren und nachhaltigeren Entwicklungsschub bewirken.

IV. Eisenbahnen und Straßen

Wir haben bereits über den Plan der China Civil Engineering Construction Corporation berichtet (vgl. Neue Solidarität 41/2021), eine internationale Eisenbahnlinie zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti zu bauen, die beide miteinander verbinden soll. Die CCECC ist ein sehr kompetentes und erfahrenes Unternehmen. Wenn sie eine haitianisch-dominikanische Eisenbahnlinie vorschlägt und befürwortet und sich verpflichtet, sie unter angemessenen Umständen zu finanzieren, dann hat sie mit ziemlicher Sicherheit bereits einen Plan für den haitianischen Teil der Strecke in groben Zügen (und vielleicht auch in allen Einzelheiten) erstellt und entworfen.

© EIR

Abb. 11: Ein Entwicklungsplan für Haiti: Vorschlag für ein Eisenbahnnetz für Haiti.

Das Schiller-Institut konnte bisher die Entwürfe der CCECC für den haitianischen Teil der Bahnstrecke noch nicht einsehen, aber ein Eisenbahnnetz, das der Wirtschaft sehr zugute käme, sollte sinnvollerweise viele oder alle Hafenstädte an der 1770 km langen Küste Haitis miteinander verbinden. Die komplette Strecke würde in der Hafenstadt Fort Liberté beginnen und westwärts zur Hafenstadt Cap-Haitien, nach Port-de-Paix, dann südwärts nach Anse Rouge, Gonaives und nach Port-au-Prince und dann westwärts nach Jeremie, Port-Salut, Les Cayes und Laborieux führen (siehe Abbildung 11).

Zusätzlich zu den auf der Karte eingezeichneten Strecken könnten zwei Bahnlinien von Port-au-Prince aus gebaut werden: eine direkte Strecke nach Norden nach Fort Liberté und eine weitere nach Südwesten nach Jacmel. Beide sollten entweder elektrifizierte Hochgeschwindigkeitsstrecken oder Magnetschwebebahnen sein. Dies wird den Güter- und Personenverkehr in alle Teile des Landes beschleunigen.

Darüber hinaus ist der Plan des Southwest Municipal Engineering Design and Research Institute of China (SMEDRIC), 100 km Straßen im Raum Port-au-Prince zu modernisieren und zu verbreitern, ein guter Anfang, um ein Netz von etwa 1500 km modernen Hauptverkehrsstraßen aufzubauen, die sich durch ganz Haiti schlängeln, um alle Landesteile zu verbinden.

V. Seehäfen und Flughäfen

Haiti hat heute nur drei internationale Seehäfen. Der Port International de Port-au-Prince, über den ein großer Teil des Verkehrs abgewickelt wird, ist veraltet und hat nur begrenzte Kapazitäten. Um Haiti bei der Erholung vom Erdbeben 2010 zu helfen, gab die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) 2011 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, um zu prüfen, ob ein oder zwei Häfen im Norden des Landes – der begrenzte Hafen von Cap-Haitien und der Hafen von Fort Liberté, der heute nur ein geringes Verkehrsaufkommen hat – vertieft und mit modernen Vollportalkränen usw. ausgestattet werden könnten, um ihre Kapazitäten zu erhöhen. USAID bezifferte die Kosten für den Ausbau der beiden Häfen auf 185-250 Mio. Dollar, wovon die US-Regierung 70 Mio. bereitstellen würde, während die private Wirtschaft den Rest aufbringen sollte. Da der Hafen von Cap-Haitien nur über begrenzte geeignete Flächen verfügt, lag der Schwerpunkt auf dem Ausbau des Hafens von Fort Liberté.

Der Vorschlag der USAID für den Ausbau des Hafens von Fort Liberté und die Aussicht auf die damit verbundene Entwicklung Haitis ließen bei den internationalen Malthusianern die Alarmglocken schrillen. Kurz nach der Veröffentlichung des ersten Berichts von 2011 warnten sie in einer absurden Argumentation, das Projekt gefährde die Korallenriffe in der gesamten Karibik. In einem Artikel in Reef Relief vom 1. Oktober 2012 hieß es: „Eidechsen und seltene Korallenriffe erschweren das Multimillionen-Dollar-Hafenprojekt in Haiti“. Es wurde eine „düstere Studie“ der Naturschutzorganisation International Union for the Conservation of Nature (IUCN) zitiert, deren „Untersuchungen ergaben, daß die Korallenriffe in der gesamten Karibik am Rande des Zusammenbruchs stehen“. Es sei daran erinnert, daß die IUCN von dem Eugeniker und Malthusianer Julian Huxley gegründet wurde, dessen erklärtes Ziel es war, den Anteil der „minderwertigen Menschen“ in den Reihen der Menschheit auszudünnen.

Dann veröffentlichte der Rechnungshof der US-Regierung Government Accountability Office (GAO) – der viele Mitarbeiter hat, deren Spezialität es ist, Infrastrukturausgaben zu kürzen – im Juni 2013 einen Bericht mit dem Titel „Haiti-Wiederaufbau“, der die Arbeit der USAID in Haiti kritisierte. In zwei Berichten der Internationalen Finanz-Corporation der Weltbank wurde vorgeschlagen, nichts zu tun und damit das Hafenerweiterungsprojekt Fort Liberté zu stoppen. 2018 schlug USAID statt dessen nur relativ geringfügige Änderungen am Hafen von Cap-Haitien vor.

Kein Wunder, daß das Projekt Fort Liberté den Entvölkerungsfanatikern sauer aufgestoßen ist: Die Bucht von Fort Liberté hat eine Tiefe von 22 Metern – viel tiefer als die 16 Meter von Amerikas größtem Handelshafen, Los Angeles, der die größten Containerschiffe der Welt aufnehmen kann.

Das Schiller-Institut schlägt vor, das Projekt zum Ausbau und zur Modernisierung des Hafens von Fort Liberté als wesentliche Komponente des Plans zur Erneuerung Haitis aus der Schublade zu holen und zu aktualisieren. Ein nützlicher Ausgangspunkt wäre es, die vom Pionierkorps der US-Armee erstellten Dokumente heranzuziehen, die 2011-12 in die Bewertung des Projekts einflossen.

Mitglieder der haitianischen Diaspora in den USA haben sich ebenfalls an der Diskussion über dieses Projekt beteiligt. Kürzlich berichtete ein in den USA lebender haitianischer Ingenieur in einem Gespräch mit dem Schiller-Institut, daß der Hafen von Fort Liberté, wenn er groß genug gebaut wird, Containerschiffe mit mehr als 16.000 Standardcontainern (TEU, Twenty-foot Equivalent Unit) abfertigen könnte, die derzeit in den beiden größten Häfen Floridas, Port Jacksonville und Port Everglades (maximal 9.000 TEU), nicht abgefertigt werden können. Dieser Ingenieur schlug vor, daß große internationale Containerschiffe zunächst den Hafen von Fort Liberté mit seiner größeren Kapazität anlaufen und dort entladen werden. Anschließend würde die Ladung in TEU-Containern auf Schiffen mit einer geringeren Containerkapazität nach Port Jacksonville und Port Everglades verschifft.

Der Ausbau des Hafens wird nicht nur die Rolle Haitis als Handelsdrehscheibe für die Region erheblich stärken, er wäre auch ein Anziehungspunkt für die Anwerbung und Ausbildung der für den Betrieb des Hafens erforderlichen Arbeitskräfte.

Innerhalb Haitis wird der Inlandstransport durch den Mangel an Flughäfen (und brauchbaren Straßen) stark behindert, was sich besonders deutlich bei den jüngsten Bemühungen von Hilfsorganisationen zeigt, Nothilfe in die vom Erdbeben am 14. August am stärksten betroffenen Landesteile zu transportieren. Das Land verfügt nur über 14 Flughäfen, von denen nur fünf oder sechs über befestigte Start- und Landebahnen und Linienflüge verfügen. Viele „Start- und Landebahnen“ sind kaum mehr als unbefestigte Straßen. Die Radarsysteme sind veraltet, wenn es sie überhaupt gibt. Dem Flughafen von Port-de-Paix, der drittgrößte des Landes in Bezug auf das Passagieraufkommen, fehlte zum Beispiel bis kürzlich eine Radaranlage. Zum Vergleich: Der US-Bundesstaat Florida, der doppelt so viele Einwohner hat wie Haiti, verfügt über 520 Flughäfen.

Das dürftige Flughafennetz des Landes muß aufgerüstet werden, was auch die Installation eines modernen, gut funktionierenden Radarsystems erfordert. Bis 2027 sollte Haiti über 25 Flughäfen verfügen, auf denen Linienflüge abgewickelt werden können, die Hälfte davon mit befestigten Start- und Landebahnen, die lang genug sind, um Boeing 787-Passagierjets und Boeing C17 Globemaster III-Militärtransporter aufzunehmen, die in Notfällen Hilfe leisten können.

VI. Abwasserentsorgung und Wasseraufbereitung

In der Hauptstadt Port-au-Prince, in deren Stadtgebiet drei Millionen Menschen leben, gibt es keine einzige Kläranlage. Es gibt auch keine Abwasserkanäle, die die Abwässer aus Waschbecken etc. aufnehmen. Viele Einwohner benutzen Plumpsklos; die Menschen kippen Müll und Abwasser in Kanäle, die mitten durch die Stadt verlaufen, Krankheiten verbreiten und bei Regen überlaufen. Die Freiluftkläranlage in Morne a Cabrit, 65 km von Port-au-Prince entfernt, ist die einzige Kläranlage im ganzen Land! Abfälle einschließlich menschlicher Exkremente und Müll fließen durch Flüsse und Bäche und überschwemmen das Land. Durch Wasser übertragene Krankheiten – vor allem Typhus, Cholera und Durchfallerkrankungen – machen einen erheblichen Anteil der Todesfälle aus. Gleichzeitig müssen die Bewohner von Wohnkomplexen das Wasser des Gebäudes oft selbst chloren, um sicher duschen zu können.

„42,3% der haitianischen Gesamtbevölkerung haben derzeit keinen Zugang zu sauberem Wasser“, gibt das Borgen Project an, das den Zugang der Entwicklungsländer zu grundlegenden Dienstleistungen verfolgt. Anderen Schätzungen zufolge liegt die Zahl sogar bei 50%. Das Borgen Project berichtet auch, daß drei Viertel der haitianischen Haushalte keinen Zugang zu fließendem Wasser haben. Hunderte von haitianischen Dörfern beziehen ihr Wasser aus Handpumpen, die oft nicht einmal funktionieren, oder aus Brunnen. Dörfer, in denen es weder Brunnen noch Handpumpen gibt, sind darauf angewiesen, daß die Regierung oder NGOs Wasser in Lastwagen liefern, die mit 200 Fünf-Gallonen-Eimern (knapp 20 Liter) Wasser beladen sind, um insgesamt 4000 Liter sauberes Wasser zu liefern – wenn möglich. In den Städten trinken viele Menschen abgefülltes Wasser in Flaschen. Der Mangel an zuverlässigem, sauberem Wasser behindert den täglichen Betrieb von Lebensmittelverarbeitungsbetrieben, Bäckereien und anderen Unternehmen.

Der Vorschlag von SMEDRIC und MCC sieht den Bau einer neuen Kläranlage in Port-au-Prince vor, die 180.000 Kubikmeter Abwasser pro Tag behandeln kann. Die Kläranlage wird nach der dreistufigen Methode von Vorbehandlung, Erstbehandlung und biologischer Zweitbehandlung arbeiten. Bis 2026 sollen in allen zehn Departements des Landes Kläranlagen mit dieser Kapazität gebaut werden, wodurch die Gesamtkapazität der Abwasserbehandlung auf 1,8 Mio. m³ pro Tag steigen wird. Dies ist ein guter Ausgangspunkt, könnte sich aber als unzureichend erweisen. Die Kläranlage in der US-Hauptstadt Washington, Blue Plains Advanced Wastewater Treatment, verarbeitet mindestens das Vierfache der für Haiti prognostizierten Kapazität, und das bei einer Bevölkerung, die weniger als ein Drittel der haitianischen beträgt.

Der Vorschlag von SMEDRIC und MCC sieht auch den Bau einer Wasseraufbereitungsanlage vor, die täglich 225.000 m³ reines, sicheres Trinkwasser in Port-au-Prince aufbereiten kann. Bis 2026 sollen im ganzen Land 15 solcher Anlagen mit der gleichen Kapazität gebaut werden, mindestens eine in jedem Departement. Um schnell eine ausreichende Versorgung mit sauberem Wasser zu erreichen, werden nukleare Entsalzungsanlagen und der Einsatz von Lasern zur modernen Wasserreinigung in Betracht gezogen.

VII. Industrie und Arbeitskräfte

Die haitianische Wirtschaft ähnelt heute am ehesten einer Wirtschaft, wie sie von der Britischen Ostindiengesellschaft im 18. Jahrhundert beherrscht wurde. Die informelle Wirtschaft, die sehr schlecht bezahlte Bekleidungs- und Textilindustrie und die Holzkohle produzierende Industrie sind typisch für eine Wirtschaft, die ihre Arbeitskräfte entwürdigt und unmenschlich behandelt. In einem Bericht der Weltbank vom Mai 2015 (Haiti: Towards a New Narrative) wird berichtet, daß 47% der haitianischen Wirtschaft informell ist und die „Arbeitskräfte“ darin alles verkaufen – von Kunsthandwerk, Straßenessen und Kaugummi bis hin zu Schmuggelware, Diebesgut und Drogen. Insgesamt sind 65% der haitianischen Arbeitskräfte entweder arbeitslos oder in der informellen Wirtschaft unterbeschäftigt. Die Landwirtschaft macht 40% der Wirtschaft aus, und der Anteil der formellen Beschäftigung – vor allem in der Industrie und im Dienstleistungssektor – beträgt lediglich 13%.

Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist mit 57.000 Beschäftigten die treibende Kraft der primitiven Wirtschaft. Ein Textilarbeiter, der für den Export produziert, verdient in der Landeswährung 420 Gourdes, das entspricht etwa 5 US-Dollar am Tag. Die Textilexporte, die meisten davon in die Vereinigten Staaten, machen 90% aller Exporteinnahmen Haitis aus.

Das ist kein neues Phänomen. Die Austeritätsprogramme des IWF, die dem Land ab Mitte der 1980er Jahre auferlegt wurden, trugen dazu bei, Haiti in einen riesigen Ausbeuterbetrieb zu verwandeln, die zollfreien Montagebetriebe – die berüchtigten Maquiladoras, wie man sie in Mexiko, Mittelamerika und vielen Entwicklungsländern kennt – wurden die größten Arbeitgeber im Land. 1985 lag Haiti bei der Herstellung von Waren für den US-Konsum weltweit an neunter Stelle und hatte die zweifelhafte Ehre, der weltgrößte Produzent von Baseballs zu sein, und es gehörte bei der Herstellung von Produkten wie Stofftieren, Puppen und Kleidung zu den drei führenden Ländern.

Im USAID-Bericht über den „Strategischen Rahmen“ 2020-22 für Haiti wird festgestellt, daß die Holzkohleproduktion landesweit mehr als 150.000 Menschen beschäftigt. Abgesehen von der Landwirtschaft ist dies heute die größte Quelle informeller Beschäftigung in Haiti. Sie ist Teil der Holzkohlewirtschaft, die Haiti in einer feudalen, primitiven und massenmörderischen Wirtschaft gefangen hält.

Der größte Teil der haitianischen Industrie ist Leichtindustrie, da es fast keine mittelschweren oder schweren Investitionsgüter gibt. Die Arbeitskräfte haben ein sehr niedriges Bildungsniveau und sind ungelernt.

Im ganzen Land werden fünf Maschinenbauparks mit jeweils 5-10 Werkzeugmaschinenbetrieben mit jeweils 5-30 Beschäftigten entstehen. Jedes Unternehmen wird von einem qualifizierten Werkzeugmaschinenführer geleitet, der aus den USA, China, Frankreich, Deutschland, der Schweiz oder Italien kommen kann. Die Ausbildung der Mitarbeiter umfaßt vier bis fünf Jahre kombinierten Schulunterricht und Ausbildung am Arbeitsplatz.

2015 wurden Pläne für den Bau des 300-Millionen-Dollar-Zementwerks Siman Lakay in Gonaives bekanntgegeben, das einen großen Teil der von Haiti benötigten 4,5 Mio. Tonnen Zement pro Jahr produzieren und etwa 2200 qualifizierte Arbeitsplätze schaffen sollte. Das Projekt sollte von ausländischen und haitianischen Investoren finanziert werden, wurde aber aus unklaren Gründen nie gebaut. Es soll nun im Rahmen des Entwicklungsprogramms gebaut werden.

Haitis Nachbarland, die Dominikanische Republik, kann sich mit seiner Zementindustrie im Rahmen eines regionalen Entwicklungsplans an diesen Plänen beteiligen, da es über 16 Zementwerke verfügt und bereits mehr als die Hälfte seiner Jahresproduktion nach Haiti exportiert. Zwei Mini-Stahlwerke mit einer Kapazität von je 150 Tonnen werden ebenfalls für insgesamt 250 Mio. Dollar gebaut, einige weitere sollen später folgen, ebenso wie einige Fabrikationsanlagen. Diese Anlagen werden Haiti in die Lage versetzen, einige seiner grundlegendsten industriellen Bedürfnisse selbst zu befriedigen.

Ein Faktor, der die Entwicklung Haitis entscheidend vorantreiben wird, ist seine große Diaspora. Eine Schätzung geht von 760.000 haitianischen Einwanderern aus, die in den Vereinigten Staaten leben, eine andere Schätzung, die auch die haitianischen US-Amerikaner einschließt, von 1,3 Millionen Menschen. Außerdem leben insgesamt mehr als eine Million Haitianer in der Dominikanischen Republik, in Kuba, Kanada und Frankreich. Einige von ihnen haben ein starkes emotionales Engagement für die Entwicklung Haitis. Eine bedeutende Schicht der Diaspora sind Fachkräfte, darunter Ingenieure, Ärzte, Krankenschwestern, Architekten, Handwerker und einige Finanzfachleute.

Ein Entwicklungsprogramm der Art, wie es das Schiller-Institut vorschlägt, wird ein Anziehungspunkt sein, um viele dieser Fachkräfte in ihr Land zurückzuholen, entweder dauerhaft oder für kürzere Zeiträume, wo sie mit chinesischen, US-amerikanischen und haitianischen Projektmanagern zusammenarbeiten oder ihre beruflichen Fähigkeiten auf andere Weise einbringen werden. Sie werden einen wertvollen Beitrag zum Erfolg dieser Projekte leisten.

VIII. Bildung

Das feudale Wirtschaftssystem, das Haiti während des größten Teils seiner Geschichte auferlegt wurde, hat das Land daran gehindert, die gebildeten Arbeitskräfte hervorzubringen, die es für seine zukünftige Entwicklung braucht. Die Organisation Schools for Education in Haiti berichtet auf ihrer Webseite: „Die Einschulungsrate für die Grundschule in Haiti beträgt 57%, und weniger als 30% der Schüler erreichen die sechste Klasse. In den Sekundarschulen werden 20% der Kinder im entsprechenden Alter eingeschult... Haiti liegt bei den nationalen Bildungsausgaben auf Platz 177 von 186 in der Welt.“ Die Alphabetisierungsrate wird mit 61,7% angegeben, aber wenn weniger als 30% der Schüler die sechste Klasse erreichen, dann liegt die tatsächliche Alphabetisierungsrate wahrscheinlich darunter.

Gegenwärtig werden 80-90% der Schüler an internationalen Privatschulen unterrichtet, die hauptsächlich von Kanada, Frankreich oder den Vereinigten Staaten betrieben werden, sowie an Schulen in kirchlicher Trägerschaft und von NGOs. In Haiti gibt es insgesamt 15.200 Grundschulen, davon sind jedoch nur etwa 1800 öffentlich. Das ist weit entfernt von dem, was die haitianische Verfassung von 1804-05 vorsah, als sie festlegte: „Bildung soll kostenlos sein. Die Grundschulbildung ist obligatorisch... Die staatliche Bildung ist auf allen Ebenen kostenlos.“ Einem Bericht der Weltbank aus dem Jahr 2015 zufolge geben haitianische Eltern jedes Jahr durchschnittlich 130 Dollar aus, um ihr Kind auf eine (private) Schule zu schicken. In einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung weniger als 3 Dollar am Tag verdient, können sich die meisten Eltern die Kosten für eine Privatschule nicht leisten, doch viele kämpfen darum, das Geld dafür zusammenzukratzen.

Ein weiteres großes Problem ist die Abwanderung von Fachkräften. Die Weltbank hat dokumentiert, daß 84% der Hochschulabsolventen das Land kurz nach dem Abschluß verlassen. Das Land hat viele talentierte Ingenieure, aber im Verhältnis zum Bedarf gibt es nur wenige.

Das haitianische Schulsystem muß überarbeitet werden, wobei der Rolle der öffentlichen Schulen mehr Bedeutung beigemessen werden sollte. Dazu werden 2000 neue, modernisierte öffentliche Schulgebäude gebaut und 1000 bestehende Gebäude mit moderner Wasserversorgung, Toiletten, Belüftungsanlagen, Essensräumen usw. ausgestattet. Außerdem sollten sie erdbeben- und hurrikansicher gemacht werden, wobei man erfolgreiche Konzepte aus anderen erdbebengefährdeten Ländern anwendet. Ein realistisches Ziel wäre es, die Hälfte dieses Programms innerhalb von fünf Jahren abzuschließen. Darüber hinaus sollte der derzeitige niedrige durchschnittliche Monatslohn eines Grundschullehrers von 445 Dollar oder 47.300 Gourdes klar geregelt und verdoppelt werden.

Am besten sollte der Unterricht in der Schule auf dem klassischen Lehrplan Wilhelm von Humboldts basieren, mit einer starken Betonung der Naturwissenschaften und der klassischen Fächer.

Das Schiller-Institut schlägt vor, mit der steigenden Zahl naturwissenschaftlicher Absolventen zwei Technische Hochschulen zu errichten, mit einer Anfangsklasse von jeweils 250 Studenten, wobei die Studentenzahl im Laufe der Jahre zunimmt. Es sollen Programme für haitianische Auszubildende im Werkzeugmaschinenbau eingerichtet werden, die etwa vier oder fünf Jahre lang eine kombinierte Ausbildung in der Schule und am Arbeitsplatz umfassen.

Unmittelbar nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 in Haiti schlug Lyndon LaRouche vor, ein Projekt in der Tradition des US-amerikanischen Civilian Conservation Corps aus den 1930er Jahren einzurichten, um haitianische und US-Jugendliche zu beschäftigen. Heute schlägt das Komitee für den Zusammenfall der Gegensätze des Schiller-Instituts vor, sofort ein solches Projekt mit 5000 Jugendlichen aus der ganzen Welt einzurichten, die als Auszubildende in Wiederaufbauprojekten oder in COVID-19-Tracking- und Impfeinsätzen sowie im Krankenhausdienst arbeiten.

Die Zukunft Haitis, wie die der ganzen Welt, liegt in der Jugend. Das Schiller-Institut hat hiermit einen umfassenden Plan vorgelegt, um den herum mobilisiert werden muß, damit diese Zukunft Wirklichkeit wird.