Geordnete Schuldenstreichung
Historische Präzedenzfälle und gegenwärtige Relevanz
Von Marc-Gabriel Draghi
Marc-Gabriel Draghi ist ein französischer Ökonom und Buchautor.
Im zweiten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 12.
Dezember hielt er den folgenden Vortrag. Zwischentitel sind hinzugefügt.
Guten Abend an alle. Zunächst einmal möchte ich dem Schiller-Institut für
die Einladung danken. Ich freue mich, an dieser internationalen Konferenz
teilzunehmen.
Das Thema, das ich ansprechen möchte, trägt den Titel „Rechtliche
Rahmenbedingungen für den Schuldenerlaß angesichts der Bedrohung durch den
Great Reset“. Eingangs möchte ich klarstellen, daß meine Ausführungen zu
diesen rechtlichen und historischen Aspekten des Schuldenerlasses nur in der
Perspektive einer Rückkehr zu unseren jeweiligen Währungshoheiten vollständig
verstanden werden können.
Dies vorausgeschickt, möchte ich meine Ausführungen beginnen. Wie jeder
sehen kann, hat die Weltverschuldung am Ende dieses Jahres 2020 Rekordhöhen
und eine unergründliche Tiefe erreicht. Und im Gegensatz zu dem, was die
Medien sagen, ist daran nicht das Coronavirus schuld, das die Situation zwar
verschlimmert und noch eine beschleunigende Rolle gespielt hat, sondern der
verrückte Trend zur Erhöhung der Staatsverschuldung, der von den großen
Zentralbanken durch ihre Politik der Quantitativen Lockerung (sprich ihre
Gelddruckmaschinen) eingeleitet wurde, war bereits vor mehr als zehn Jahren,
während der vorangegangenen Krise im Jahr 2008, der sogenannten
Subprime-Krise, vorhanden. Seit mehr als einem Jahrzehnt befinden wir uns also
in der gesamten westlichen Welt in einer Phase des Niedergangs und der
Vernichtung von Reichtum. Im Jahr 2008 beschloß die uns regierende
Finanzoligarchie nach dem Prinzip der „Systemrelevanz“ (too big to
fail), dieses korrupte System der Schuldenwirtschaft und der Allmacht der
Märkte aufrechtzuerhalten. Diese Ära, die einige Jahrzehnte zuvor mit dem
System frei schwankender Wechselkurse begonnen hatte, eingeleitet 1971 durch
US-Präsident Nixon und später ratifiziert durch die Jamaika-Abkommen von 1976,
ist in Wirklichkeit vom internationalen Establishment künstlich verlängert und
verschärft worden, um seinen Zwecken zu dienen. Wir befinden uns also seit
fast einem halben Jahrhundert im Zeitalter von Geld und Schulden. Aber was
bedeutet das konkret für uns?
Eigentlich ist es ganz einfach: Es geht um eine allmähliche, fast
vollständige Übernahme der politischen Systeme der Nationen der Welt durch
staatenlose Märkte und Banker. Tatsächlich hat sich seit den 1970er Jahren die
große Mehrheit der führenden Politiker der Welt bewußt dafür entschieden, sich
dem Markt und den großen Kapitalbesitzern zu unterwerfen. Die Konsequenz
dieser Phänomene liegt vor uns: die totale Explosion der Weltverschuldung in
diesem Jahr 2020 auf ein in der Menschheitsgeschichte beispielloses Niveau –
und die Auswirkungen und die Gesamtheit der Sparmaßnahmen und der
zerstörerischen Maßnahmen gegen den sozialen und wirtschaftlichen Schutz in
unseren westlichen Ländern werden wir erst noch abwarten müssen.
Der Große Neustart
In der Tat wird die Weltverschuldung, nachdem sie Ende 2019 den traurigen
Rekord von 332% des BIP erreicht hat, in diesem Jahr nach Angaben des
Internationalen Finanzinstituts Ende 2020 die Marke von 277 Billionen Dollar
erreichen, d.h. 365% des weltweiten BIP. Am Ende dieses Jahres ist die
Verschuldung bereits um weitere 15 Billionen Dollar gestiegen.
Diese hohe Verschuldung hängt offensichtlich mit der Finanzierung der
umfangreichen COVID-Konjunkturprogramme und der vollständigen oder zumindest
teilweisen Sowjetisierung der Volkswirtschaften in Europa und den Vereinigten
Staaten zusammen. Diese globale Verschuldung, deren Rückzahlung völlig
illusorisch erscheint, wird jedoch wieder einmal unseren Technokraten und
Führern wie Jacques Attali, Klaus Schwab oder Henry Kissinger dienen. Sie wird
ihnen dazu dienen, uns die letzte Etappe ihres Plans zur Versklavung der
Völker aufzuzwingen, nämlich den Großen Neustart (Great Reset) in eine neue
Weltordnung. Die Hyperklasse will uns mit Hilfe der Coronavirus-Pandemie eine
totalitäre Welt aufzwingen, die alles miteinander kombiniert: das Ende des
kleinen Privateigentums, den Tod unabhängiger Aktivitäten – der Machtzuwachs
der GAFAMs1 bestätigt dies –, die Digitalisierung der Währungen,
insbesondere des Euro in Form einer Kryptowährung als digitaler Euro, die
Massenüberwachung oder auch den ökologischen Malthusianismus durch den Grünen
New Deal. So will uns die Hyperklasse durch die Coronavirus-Pandemie eine
totalitäre Welt aufzwingen. Und wie üblich werden die Schulden ihre Rolle als
Instrument zur psychologischen Knechtschaft durch die Verschuldung der Völker
spielen, insbesondere durch die Verantwortung der Schuldner gegenüber den
Gläubigern und das berühmte Motto: „Rechnungen müssen bezahlt werden.“
Wir werden jedoch sehen, daß die Durchsetzbarkeit der Schuldenrückzahlung
wirklich ein Skandal ist. Zunächst einmal, weil sie von einem falschen
Postulat ausgeht. Tatsächlich ist die vermeintliche Gleichheit zwischen
Schuldner und Gläubigern in Wirklichkeit nicht existent. In dieser Hinsicht
ist die Verschuldung stärker und schädlicher als die Sklaverei, wie sie in der
Antike oder vor einigen Jahrhunderten üblich war. Schulden lassen den
Schuldner glauben, er sei dem Gläubiger gleichgestellt, und wenn er
Schwierigkeiten hat, seiner Verpflichtung nachzukommen, sei dies auf seine
mangelnde Fähigkeit und sein eigenes Verschulden zurückzuführen. Darüber
hinaus wird in unseren modernen Gesellschaften Personen oder Personengruppen,
die ihre Schulden nicht zurückzahlen, moralisch eine erhebliche Last
auferlegt. Es wird als schreckliches Versagen hingestellt, und unsere Medien
erklären immer wieder, daß die Gläubiger uns für immer die Schuld geben
werden, wenn wir unsere Schulden nicht begleichen. Aber in Wirklichkeit ist
es, ganz besonders bei Staatsschulden, das System selbst, das versagt hat,
nicht das Verhalten dieses oder jenes Schuldners, dieses oder jenes
Staates.
Darüber hinaus sind zwei Drittel der weltweiten Schulden, wie wir sehen
werden, in Wirklichkeit unrechtmäßig. Und das sind nicht nur die
Schuldenberge, die während der COVID-19-Epidemie entstanden sind. Das ist
bereits so, seit die unabhängigen Zentralbanken ihre Allmacht erlangt haben,
was für uns Franzosen bis 1815 und weltweit bis ins 19. Jahrhundert
zurückreicht. Das derzeitige System der unabhängigen Zentralbanken wird
versuchen, immer mehr Territorien zu erobern und sich den Reichtum der
Nationen der Welt einzuverleiben. Und wir sehen, daß im Laufe der Jahrzehnte
und im Laufe des 19. Jahrhunderts von mehreren Nationen und von verschiedenen
internationalen Juristen, vor allem aus dem angelsächsischen Raum und
insbesondere aus der amerikanischen Welt, rechtliche Kriterien dazu entwickelt
wurden. Wir werden sehen, daß diese rechtlichen Kriterien es uns erlaubt haben
und erlauben werden, die Argumente oder zumindest die Macht- und
Herrschaftsstruktur des Establishments zu entwirren, deren Grundlage die
Verschuldung und insbesondere die Staatsverschuldung ist.
Um unsere Völker und Nationen zu retten, ist es daher von grundlegender
Bedeutung, daß wir die Schulden auf die eine oder andere Weise zurückweisen,
entweder durch einen Schuldenerlaß nach einer Rechnungsprüfung und die
Einsetzung von Fachgerichten, oder durch schlichte und einfache Zurückweisung,
durch eine Zahlung des Nennwertes der Schulden nicht in Affengeld, sondern
durch das Phänomen der Inflation. Vor allem aber, wie ich in der Einleitung
sagte, durch die Ausübung der Währungssouveränität.
Offensichtlich wollen das gegenwärtige Establishment und die Leute, die uns
leiten, diese Töne nicht hören. Christine Lagarde, die Direktorin der
Europäischen Zentralbank, erklärt uns, es sei undenkbar, die COVID-Schulden zu
streichen, obwohl diese auf ein außergewöhnliches Ereignis zurückzuführen
sind. Was den Gouverneur der Bank von Frankreich, Villeroy de Galhau,
betrifft, so erklärt er uns, daß wir an keinen Schuldenerlaß denken dürften.
Pierre Moscovici, der frühere europäische Finanzkommissar und heutige
Präsident des französischen Rechnungshofs, erklärt, daß Schulden immer
zurückgezahlt werden müssen. Und unser lieber Mario Draghi, ehemaliger
Direktor der Europäischen Zentralbank und von Goldman Sachs, erklärt, es seien
die jungen Leute, die die Schulden bezahlen werden.
Es liegt also in der Verantwortung unserer Generation, diese Schulden nicht
zurückzuzahlen und das laut und deutlich zu verkünden und zu versuchen, die
öffentliche Meinung trotz der Massenmedien davon zu überzeugen, daß die
Schulden nicht zurückgezahlt werden können und dürfen. Zumindest muß die
Rückzahlung teilweise abgelehnt werden. Denn es gibt einen Teil der Schulden,
der noch legitim ist, nämlich die Ersparnisse der arbeitenden Bevölkerung, der
normalen Menschen und der Leute, die die Wirtschaft der Länder führen, nämlich
die Unternehmen. Es ist möglich, einen Teil der Schulden zu behalten, aber wir
müssen erklären, daß der überwiegende Teil der Weltverschuldung unrechtmäßig
ist, daß diese Schulden nicht zurückgezahlt werden und daß sie nicht als
Herrschaftsinstrument des Establishments benutzt werden dürfen.
Geschichte des Schuldenerlasses
Ich schlage vor, daß wir die im 19. Jahrhundert entwickelte Rechtsdoktrin
genauer untersuchen. Diese Rechtsdoktrin des Schuldenerlasses basiert
tatsächlich auf 150 Jahren des Kampfes freier Völker gegen die Versklavung
durch die Bankiers der City. In der Tat haben die City und die Bank von
England während des gesamten 19. Jahrhunderts versucht, Staatsschulden heilig
zu sprechen, und im Jahr 2020 scheint es, daß ihre Bemühungen auf dem Weg
sind, von Erfolg gekrönt zu werden. Unsere korrupten Eliten erklären uns
ständig, daß die Schulden eines Staates, des unsterblichen Schuldners,
unbedingt zurückgezahlt werden müssen. In Wirklichkeit könnte nichts weiter
von der Wahrheit entfernt sein.
Tatsächlich lehrt uns die Geschichte das Gegenteil, um den verstorbenen
David Graeber und sein berühmtes Buch Schulden: die ersten 5000 Jahre zu zitieren. Wie die an dieser Frage Interessierten wissen, haben die
weisesten Könige der Antike allesamt Schulden erlassen, von Hammurabi bis
Cäsar – aber auch danach, wie einige große Könige des Mittelalters oder der
Renaissance und der Neuzeit, wie Ludwig XIV. Darüber hinaus gibt es in
Frankreich zahlreiche historische Beispiele für die Ablehnung oder den Erlaß
von Schulden; die letzte Episode des Schuldenerlasses war die von Napoleon
Bonaparte im Jahr 1808 in dem sogenannten „berüchtigten“ Dekret. Es stimmt
allerdings, daß diese französischen Beispiele nicht unbedingt auf unsere
heutige Zeit übertragbar sind, in der der König weitaus weniger stark und
souverän ist; selbst wenn wir jemanden hätten, der die Nachfolge von Emmanuel
Macron in Frankreich antreten würde, wäre er vielleicht nicht in der Lage,
einen Schuldenerlaß in der Weise aufzugreifen, wie es die Souveräne vor 150
Jahren taten.
So hat das Völkerrecht im Laufe der Jahre eine reichhaltige Rechtsprechung
hervorgebracht, die insbesondere aus den Vereinigten Staaten von Amerika zu
uns herüberkommt. Eigentlich waren es die Amerikaner, die als erste eine
Revolution machten, um sich von der finanziellen Vorherrschaft der Bank und
des Königs von England zu befreien, und sie waren daher die Eifrigsten bei der
Regulierung des Schuldenerlasses. Der erste symbolische Fall ist der 11.
Zusatzartikel der Verfassung, wo es heißt: „Die richterliche Gewalt der
Vereinigten Staaten darf nicht dahingehend ausgelegt werden, daß sie sich auf
Klagen nach dem Gesetzes- oder Billigkeitsrecht erstreckt, die gegen einen
Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Bürgern eines anderen Einzelstaates
oder von Bürgern oder Untertanen eines ausländischen Staates angestrengt oder
durchgefochten werden.“
Für den Uneingeweihten mag es schwierig sein, einen Zusammenhang mit dem
Schuldenproblem zu erkennen, aber in Wirklichkeit war dieser Text die Folge
einer Schuldenablehnung in den 1830er Jahren durch vier amerikanische Staaten:
Mississippi, Arkansas, Florida, Michigan – berühmte „Swing-Staaten“, die bei
den letzten amerikanischen Wahlen eine wichtige Rolle spielten oder spielen.
Diese vier amerikanischen Bundesstaaten weigerten sich, Schulden
zurückzuzahlen, die sie bei britischen internationalen Gläubigern eingegangen
waren, von denen die meisten Geschäftsbanken auf ihrem Territorium errichten
wollten, um den Bau mehrerer Eisenbahnlinien zu fördern. Das Ergebnis war
katastrophal, so daß in den 1830er Jahren alle Banken in Konkurs gingen und
die Eisenbahnlinien nie fertig gestellt wurden. Die genannten Staaten
weigerten sich daher, diese Kredite zurückzuzahlen, und erklärten diese von
korrupten Gouverneuren oder anderen korrupten Politikern gezeichneten Kredite
für unrechtmäßig. Und dieser 11. Zusatzartikel begründete verschiedene
Gerichtsentscheidungen und wurde dann in die amerikanische Verfassung
aufgenommen. Damit war der einseitige Akt des Schuldenerlasses durch diese
US-Bundesstaaten erfolgreich und wurde in der amerikanischen Verfassung in
Stein gemeißelt.
Dies ist das erste Beispiel, das uns vorliegt. Aber der beste Ausdruck
dieses amerikanischen Grundsatzes der Schuldenverweigerung findet sich im 14.
Verfassungszusatz, der nach dem Bürgerkrieg und dem Vorgehen von Präsident
Abraham Lincoln verfaßt wurde. So heißt es im 14. Zusatzartikel: „Doch dürfen
weder die Vereinigten Staaten noch irgendein Einzelstaat eine Schuld oder
Verbindlichkeit übernehmen oder einlösen, die aus der Unterstützung eines
Aufstands oder Aufruhrs gegen die Vereinigten Staaten erwachsen ist, oder
irgendeinem Ersatzanspruch für den Verlust oder die Freilassung eines Sklaven
stattgeben; vielmehr sind alle derartigen Schulden, Verbindlichkeiten und
Ansprüche ungesetzlich und nichtig.“
Wie schon bei Abraham Lincoln ist das daher eine ausdrückliche Bekräftigung
der Weigerung, eine Schuld zu begleichen. Zur gleichen Zeit wie Abraham
Lincoln vollzog auch Benito Juarez in Mexiko mehrere Schuldenerlasse in mehr
oder weniger demselben politischen Kontext der ausländischen Einmischung und
der Destabilisierung von Ländern mit militärischen Mitteln – insbesondere
vorangetrieben durch die Londoner City, die Napoleon III. beauftragte,
Maximilian von Habsburg auf dem mexikanischen Thron einzusetzen, damit Mexiko
seine Schulden leichter begleichen könnte.
Wir sehen also, die Schulden waren ein zentrales Thema. Man kann auch den
Fall Venezuela anführen, der sehr interessant ist. Venezuelas Weigerung, die
Schulden den – immer gleichen – Bankiers der City zurückzuzahlen, erlaubte es
dem argentinischen Juristen Luis Maria Drago, eine erste Doktrin
auszuarbeiten, die ein Prinzip enthält, nämlich das folgende:
„Staatsverschuldung kann nicht der Grund für eine bewaffnete Intervention,
geschweige denn für die physische Besetzung einer amerikanischen Nation durch
eine europäische Macht sein.“
Wichtig dabei ist also, zu verstehen, daß eine öffentliche Schuld für
unrechtmäßig erklärt und daher gestrichen werden kann, wenn diese beiden
Prinzipien ins Spiel kommen: nämlich das Fehlen von Vorteilen für die
Bevölkerung und die Komplizenschaft der Gläubiger. Das heißt, die Gläubiger
haben ein Darlehen gewährt und wußten, daß die Bevölkerung aus diesem Darlehen
keinen Nutzen zieht. Diese Doktrin wurde durch die Entscheidung des Obersten
Gerichtshofs der Vereinigten Staaten unter dem Vorsitz des ehemaligen
US-Präsidenten William Howard Taft, der zwischen Costa Rica und der United
Fruit Company schlichtete, offiziell bestätigt. Das war der Fall des Diktators
Tinoco, der ein demokratisch gewähltes Regime zugunsten dieser Firma, der
United Fruit Company, und auch der Royal Bank of Canada stürzte. Das sind die
Interessen der City. Aus dieser Affäre ging später ein bekannter Ausdruck
hervor – daß man ein Regime oder eine Republik als „Bananenrepublik“
qualifizieren kann.
Alle diese Punkte wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts von dem zaristischen
Juristen Alexander Sack wieder aufgegriffen, der 1917 die bolschewistische
Revolution erlebte und sich um den größtmöglichen Schutz der Gläubiger
bemühte, wobei er kumulative Fälle von Schuldenerlassen akzeptierte. So
bekräftigte seine Doktrin insbesondere die Regel der Kontinuität der
völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates, während er die beiden oben
genannten Regelungspunkte bestätigte und sie als legitim für einen
Schuldenerlaß qualifizierte. Auf diese Weise legt das Völkerrecht eindeutig
Begriffe der Grenzen der Eintreibbarkeit von Schulden fest.
Eine obligatorische Buchprüfung
Gegenwärtig besteht keine Notwendigkeit, vollständig dazulegen, daß
staatliche Kredite nicht produktiven Investitionen und der Schaffung von
konkretem Reichtum dienen. Im Gegenteil, die Politik der unabhängigen
Zentralbanken (Federal Reserve, Europäische Zentralbank, Bank von England oder
Bank von Japan) zielt nur darauf ab, die Märkte in ihrem Wettlauf um
unendliche Profite zu unterstützen. Der Nichtzusammenbruch der Märkte im Jahr
2020 und die Rekordbörsenbewertungen, die wir mit dem Überhang von 100
Billionen Dollar vor wenigen Tagen erlebt haben, dienen nur dazu, die
Hyperklasse zu bereichern, während sie darauf warten, daß das Kartenhaus unter
ihrer Kontrolle und in ihrem Interesse zusammenbricht.
Um aus diesem System herauszukommen, müssen wir daher in unseren jeweiligen
Ländern eine obligatorische Buchprüfung durchführen, um herauszufinden, wer
unsere Gläubiger sind und unter welchen Bedingungen und zu welchen Zwecken wir
diese Kredite aufgenommen haben. Wir dürfen das Leid unserer griechischen
Brüder nicht vergessen, die, nachdem sie von der Troika ausgeblutet wurden,
innerhalb weniger Monate erlebten, wie ihre öffentlichen Dienstleistungen
zerstört und ihre nationalen Vermögenswerte verkauft wurden und die
Sterblichkeitsrate in die Höhe schoß, nachdem die Troika ihre Anweisungen und
„Rettungsmaßnahmen“ formuliert hatte. In Griechenland sterben Menschen, weil
weiterhin Schulden bezahlt werden! Ganz zu schweigen von Afrika und dem
südamerikanischen Kontinent, die diesen Zustand seit Jahrzehnten durchmachen
und die als Laboratorium für die Hyperklasse dienen.
Ich möchte meine Rede mit einem Zitat des berühmten burkinischen
Staatsführers Thomas Sankara schließen, der ebenfalls gegen die Schulden
kämpfte, die in den 1980er Jahren der Dritten Welt auferlegt wurden
(insbesondere durch die Strukturanpassungspläne des IWF): „Wenn wir diese
Schulden nicht bezahlen, werden unsere Gläubiger nicht sterben. Doch wenn wir
weiterhin gehorchen und alles tun, um sie zu bezahlen, werden wir
sterben!“
Zudem steht mit dem Great Reset unser Überleben auf dem Spiel. Wenn sich
die Völker in den kommenden Wochen und Monaten nicht bewußt werden, daß die
Schulden das Grundproblem sind, vor dem wir stehen, dann sind wir endgültig
verloren. Denn täuschen wir uns nicht: der Mangel, die Pleiten, die
Arbeitslosen und die Selbstmordwellen werden diesmal mit Sicherheit kommen,
und um all dies zu überwinden, werden wir sehr wahrscheinlich gezwungen sein,
uns zu verkaufen – im wahrsten Sinne des Wortes. Es liegt daher an unserer
Generation, die Ketten von Wucher und Schulden zu zerbrechen. Unsere Freiheit
hängt davon ab.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und stehe Ihnen für die
Beantwortung Ihrer Fragen gerne zur Verfügung.
Anmerkung
1. Akronym für die fünf amerikanischen Technologie-Giganten Google, Apple,
Facebook, Amazon und Microsoft.
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