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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Drei Marsmissionen und die galaktische Gattung

Von Megan Dobrodt

Megan Dobrodt ist die Präsidentin des US-amerikanischen Schiller-Instituts. Im ersten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 20. März 2021 hielt sie den folgenden Vortrag.

Im Februar 2021 sind drei himmlische Besucher auf dem Planeten Mars angekommen: ein Rover mit einem Hubschrauber an Bord, ein Orbiter-Lander-Paar und ein Orbiter, der die Marsatmosphäre untersuchen wird. Diese drei Besucher, die von den Vereinigten Staaten, China und den Vereinigten Arabischen Emiraten losgeschickt wurden, sind die Abgesandten der Menschheit, unsere kleinen Roboter-Vertreter, die Erweiterung unseres menschlichen Sinnesapparates zu einer anderen Welt in unserem Sonnensystem.

Einige Fakten über diese Missionen: Der Perseverance-Rover der NASA ist im Jezero-Krater gelandet, der vor Milliarden von Jahren ein uraltes Seebett gewesen sein könnte. Perseverance hat die Aufgabe, nach Anzeichen für vergangenes mikrobielles Leben zu suchen, Proben für eine Ende des Jahrzehnts geplante Probenrückführungsmission vorzubereiten, für die Atmung geeigneten Sauerstoff aus Ressourcen vor Ort herzustellen und den ersten Hubschrauber überhaupt auf einem anderen Planeten zu starten.

Der chinesische Orbiter Tianwen-1 wird unter anderem die Topographie und die geologische Struktur des Mars, die Eigenschaften des Marsbodens und die Grundwasserverteilung untersuchen. In einigen Monaten soll der Orbiter einen Rover auf der Oberfläche absetzen. Damit ist China die erste Nation, die bei ihrer ersten Marsmission gleich einen Orbiter und einen Lander einsetzt.

Der Orbiter Hope der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), deren Raumfahrtbehörde gerade einmal sechs Jahre alt ist, wird mindestens ein Jahr lang die Atmosphäre des Mars von den oberen bis in die unteren Schichten studieren, einschließlich ihrer Zusammensetzung, Temperatur und des Wetters, und ist damit der erste Wettersatellit des Planeten.

Die drei Missionen stammen aus nationalen Raumfahrtprogrammen, die sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden, aber sie alle werden in den nächsten Monaten und Jahren wichtige Arbeit leisten, die neues Wissen zum Nutzen der gesamten Menschheit beiträgt.

All dies spielt sich zwar außerhalb der Erde ab, ist aber gleichzeitig auch eines der wichtigsten Ereignisse auf der Erde. Wie die Vorsitzende der VAE-Raumfahrtbehörde, die 33jährige Sarah al Amiri, so schön sagte:

    „Die Marsmission der Emirate inspiriert das Land, auf die Zukunft zu schauen und den Blick zum Himmel zu richten. Sie hat gezeigt, daß die Zusammenarbeit über Nationen, Geographien und Glaubensrichtungen hinweg angesichts bemerkenswerter Herausforderungen brillante Ergebnisse zum Nutzen von uns allen hervorbringen kann.“

Die kulturelle Bedeutung der Raumfahrt

Dies bringt uns genauer zu der Frage, warum die Aktivitäten der Menschheit im Weltraum ein wichtiges Thema für unsere Diskussion über eine Renaissance-Kultur auf der Erde sind. In gewissem Sinne ist es offensichtlich, daß eine erfolgreiche Kultur die Grenzen der Wissenschaft und des technischen Fortschritts erweitert; aber es gibt hierbei einen tieferen kulturellen Aspekt. Wie wird die Erforschung des Weltraums die Menschheit verändern? Wie verändert sie unsere Rolle im Sonnensystem, im Universum und damit unsere Identität als lebende Gattung?

Krafft Ehricke, ein großer technischer und philosophischer Denker, ein Freund von Lyndon und Helga LaRouche, der im Beirat des Schiller-Instituts saß, beschäftigte sich viele Jahrzehnte lang mit dieser Frage. Einerseits entwarf er sehr detailliert die Schritte, die die Menschheit unternehmen muß, um die Infrastruktur zum Leben und Arbeiten auf dem Mond aufzubauen. Er entwarf eine ganze Mondstadt namens „Selenopolis“, mit den dazugehörigen Fusionskraftwerken und Industriebetrieben. Er stellte sich auch die ferne Zukunft vor, in der die Menschheit Satellitenstädte mit Millionen von Einwohnern aufgebaut hat, die er „Astropolis“ nannte – jede mit ihrer eigenen Umlaufbahn, wie ein Planet, der schließlich die Fähigkeit hätte, zu einer Mission jenseits des Sonnensystems über mehrere Generationen aufzubrechen.

Und bei all dem fragte er nicht nur, wie die Menschheit den Mond, die Asteroiden, den Mars verändern würde; sondern: Wie würde es die Menschheit verändern, wenn sie eine außerirdische Spezies wird? Was wird zum Beispiel die nationale Identität des ersten Menschen sein, der auf dem Mond geboren wird? Wie wird sein Verhältnis zu den Kulturen der Erde sein? Wie würde ein solches Kind die Rolle des menschlichen Geistes sehen und seine Fähigkeit, anderen Welten Leben zu bringen?

In einem Artikel aus dem Jahr 1957 mit dem Titel Die Anthropologie der Raumfahrt schrieb Ehricke folgendes:

    „Die Vorstellung, zu anderen Himmelskörpern zu fliegen, spiegelt im höchsten Grade die Unabhängigkeit und Gewandtheit des menschlichen Geistes. Sie verleiht den technischen und wissenschaftlichen Unternehmungen des Menschen höchste Würde. Vor allem aber berührt sie die Philosophie seiner Existenz überhaupt. Folglich kennt die Idee der Raumfahrt keine Staatsgrenzen, erkennt keine Unterschiede historischer oder ethnischer Abstammung an und durchdringt das Gewebe des einen soziologischen oder politischen Weltbildes ebenso rasch wie das eines anderen.

    Deswegen hat vielleicht die Raumfahrt in unserer heutigen komplexen und gespaltenen Welt die größte Anziehungskraft. Sie verspricht weniger unmittelbaren materiellen Gewinn als die Atomtechnik. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, ist ihre geistige Anziehungskraft so stark – denn sie symbolisiert ja geradezu, daß der Mensch die Fähigkeit noch nicht verloren hat, den Gordischen Knoten alter Vorstellungen, die seine Entwicklung behindern, zu durchschlagen und scheinbar unüberwindliche physikalische Hindernisse zu überwinden.

    Wenn es hier gelingt, gelingt es uns schließlich auch in anderen Bereichen des heutigen Lebens, in denen der Mensch hoffnungslos für immer festgefahren zu sein scheint.“

Lyndon LaRouche, ein weiteres großes wissenschaftliches und philosophisches Genie, schrieb und sprach jahrzehntelang über die Notwendigkeit einer 40jährigen Mission zur Kolonisierung von Mond und Mars und machte ein solches Programm zum Kernstück seiner US-Präsidentschaftskampagne 1988.

Viele Jahre später, inmitten der Rekrutierung einer neuen Jugendbewegung, schrieb LaRouche ein Papier mit dem Titel „Das Prinzip der Macht“. Darin greift er die Notwendigkeit auf, sich über die dekadente, reduktionistische Kultur zu erheben, die die Wissenschaft im Westen in den letzten Jahrzehnten dominiert hat, und eine Vorstellung von der menschlichen Identität zu schmieden, zu schaffen und anzunehmen, die nicht auf Sinneswahrnehmung beruht, sondern auf der Macht des menschlichen Geistes im und über das Universum. Er beendet diese Schrift mit der folgenden Aufforderung:

    „Wir müssen das Menschenbild von der relativ schlechten Vorstellung, die heute vorherrscht, ändern zu einer Vorstellung vom Menschen als Ebenbild des Schöpfers, einer Menschheit mit einer Mission im Universum – einer Mission, in der die Menschen das Recht auf ein Gefühl der Teilhabe an dieser großen, universellen Mission haben sollten. Wir brauchen souveräne Staaten, denn nur so kann die wirksame kulturelle Entwicklung des neuen Individuums stattfinden; aber wir sind im Grunde eine Gattung mit einer einigenden Mission für alle Zeiten. Dieses vermittelte Gefühl der persönlichen Identität muß sich in jedem souveränen Individuum widerspiegeln. Wir müssen den Blick nach oben richten, so daß wir sogar in unseren täglichen Aufgaben dazu angehalten sind, uns selbst und einander auf eine bessere Weise zu sehen, als die Menschheit in der Vergangenheit im allgemeinen die Menschheit gesehen hat.“

Wie soll es also weitergehen? Einer der schönsten Aspekte der drei aktuellen Marsmissionen wie auch anderer laufender Weltraummissionen ist, daß sie einen eindeutig internationalen Charakter haben; alle waren gemeinsame Anstrengungen vieler Nationen. In diesem Monat haben Rußland und China ein Kooperationsabkommen zum Bau einer Basis am Südpol des Mondes bekanntgegeben. Die Vereinigten Staaten planen, innerhalb des nächsten Jahrzehnts wieder Menschen auf den Mond zu bringen. China wird seine Raumstation in diesem Frühjahr starten und hat Pläne für bemannte Landungen auf dem Mond und dem Mars in den kommenden Jahrzehnten. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben 2017 angekündigt, bis 2117 den Mars zu besiedeln.

Wir können stolz auf die diesjährigen Erfolge auf dem Mars sein, aber verglichen damit, wo wir sein könnten, wenn wir LaRouches Vision gefolgt wären, treten wir seit einigen Jahrzehnten auf der Stelle – nicht wegen der technischen Herausforderungen (die wurden überwunden oder können überwunden werden), sondern wegen der geistigen Herausforderungen: ein kultureller Verfall, vor allem im Westen. Wir haben fast völlig das Gefühl für das verloren, worauf Lyndon LaRouche und Krafft Ehricke hingewiesen haben, nämlich das Gute der menschlichen Kreativität in unserem Universum.

Ich schlage vor, daß wir Lyndon LaRouches Rat befolgen und „den Blick nach oben in den Weltraum richten, so daß wir selbst in unseren täglichen Aufgaben dazu angehalten sind, uns selbst und einander auf eine bessere Weise zu sehen, als die Menschheit in der Vergangenheit im allgemeinen die Menschheit gesehen hat“.