Cusas Methode:
Das Zusammenfallen der Gegensätze
(Coincidentia Oppositorum)
Von Daniel Burke und Jason Ross
Jason Ross und Daniel Burke vom Wissenschaftsteam der
LaRouche-Organisation in den Vereinigten Staaten hielten im 3. Abschnitt der
Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 13. Dezember den folgenden Vortrag.
Jason Ross: Für diesen Vortrag habe ich meinen Kollegen
Daniel Burke gebeten, mit mir zusammenzuarbeiten. Daniel Burke hatte die
Gelegenheit, eine Zeitlang im LaRouche-Wissenschaftsteam an
Grundlagenforschung zu arbeiten, und der Schwerpunkt seiner Arbeit lag damals
auf Nikolaus von Kues. Er hat sich viel mit dem „Zusammenfallen von
Gegensätzen“ beschäftigt – das Thema, das Helga für diese Diskussion
vorgegeben hat. Lassen Sie uns also mit Daniel beginnen, und dann werde ich
nachhaken.
Daniel Burke: Vielen Dank, Jason. Ich bin Daniel Burke vom
Schiller-Institut, und ich bin hier in New Jersey. Der Zweck meines kurzen
Vortrags ist es, Ihnen ein besseres Verständnis davon zu geben, was gemeint
ist, wenn wir über die coincidentia oppositorum, das Zusammenfallen von
Gegensätzen sprechen – das ist die Untersuchungsmethode, die von Nikolaus von
Kues, dem deutschen Kardinal, der im 15. Jahrhundert hauptsächlich in Italien
aktiv war, begründet wurde.
Ich beginne meinen Vortrag damit, daß ich Ihnen etwas von Lyndon LaRouche
vorlese, das er 2007 in einem Papier mit dem Titel For Today’s Young
Adults: Kepler & Cusa („Für heutige junge Erwachsene: Kepler und
Cusa“) geschrieben hat:
„Die Fähigkeit der menschlichen Gattung, ihre potentielle relative
Bevölkerungsdichte im Laufe aufeinanderfolgender Generationen willentlich zu
erhöhen, ist der empirische Test für die Behauptung, daß das menschliche
Individuum eine Besonderheit zum Ausdruck bringt, die sich in der Macht der
einzelnen Person ausdrückt. Dieses menschliche Individuum besitzt eine
wesentliche Eigenschaft, eine Macht des Seins, die in gewisser Weise in ihrer
Wirkung unsterblich ist, da es sich durch eine Macht nach dem Vorbild des
Schöpfers auszeichnet, das Universum, in dem die Menschheit existiert, zu
verändern. Es kann solche qualitativen Veränderungen in der Beziehung der
menschlichen Gattung zum Universum vornehmen und sogar die Qualität des
Universums, das unsere Gattung bewohnt, verändern, und dies schöpferisch tun,
in einer Art und Weise, die dem fortwährenden Werk des Schöpfers gleicht, und
im treuen Dienst an ihm.“1
Ich hoffe, ich habe Sie dazu bewogen, diese Schrift von Herrn LaRouche ganz
zu lesen.
Nikolaus von Kues’ Koinzidenz der Gegensätze befreite Europa vom impliziten
Verhängnis einer aristotelischen Ontologie, die auf der Doktrin eines
festgelegten, unveränderlichen Universums beruht. Dies eröffnete eine völlig
andere Art, unsere Fähigkeit, dieses Universum zu verändern, zu
untersuchen.
Zwei Beispiele aus der Geometrie
Ich möchte mit Ihnen zwei Beispiele für das Zusammenfallen von Gegensätzen
teilen, die in Nikolaus’ sehr wichtigem, geradezu revolutionärem Werk De
Docta Ignorantia („Über die belehrte Unwissenheit“), das 1440 vollendet
wurde, angeführt werden. Es geht von der Idee aus, daß wir zu einem
Verständnis gelangen können, bei dem Dinge, die widersprüchlich erscheinen, in
Wirklichkeit eine andere Ursache haben.
© EIR
Abb. 1: Die gerade Linie ist der Extremfall eines Kreises mit unendlich
großem Radius.
In Buch I, Kapitel 13 dieses Werkes bittet Cusa Sie, darüber nachzudenken,
wie es kommt, daß in der unendlichen Linie die Krümmung die Geradheit
ist.2 Wenn Sie sich diese Kurven anschauen (Abbildung 1),
dann können Sie sich vorstellen, daß, wenn wir von G-H, zu E-F, zu C-D gehen,
die Kurve immer größer und größer wird. Und wenn man sich zum Beispiel einen
Kreis vorstellt: Wenn diese Kurve unendlich wachsen und weiter wachsen würde,
so daß man einen unendlichen Kreis hätte, dann könne man sehen, sagt er, daß
man durch diese Progression schließlich, vom Standpunkt des Unendlichen, zu
einer geraden Linie käme, so daß das maximal Gekrümmte mit dem minimal
Gekrümmten, nämlich der Geraden, zusammenfällt.
Und wenn wir anfangen, von diesem Standpunkt aus unseren Geist von den
rationalen Beschränkungen der deduktiven Logik zu befreien, und die Dinge auf
einer höheren Ebene betrachten – was es im Unendlichen bedeuten würde –, dann
wird man feststellen, daß die Gegensätze zusammenfallen.
Ein zweites Beispiel, das ich Ihnen nennen möchte, hat noch mehr mit der
Idee der unendlichen Linie zu tun. Er fordert uns auf, einen Vergleich
zwischen zwei unendlichen Linien zu betrachten:
„Wenn eine unendliche Linie aus unendlich vielen Fußlängen bestünde und
eine andere aus unendlich vielen doppelten Fußlängen, so wären diese
nichtsdestoweniger notwendig gleich, da das Unendliche nicht größer als das
Unendliche ist.
Wie nämlich auf der unendlichen Linie ein Fuß nicht weniger ist als zwei
Füße, so ist die unendliche Linie bei einem Fuß mehr nicht größer als bei zwei
Fuß mehr.
Da jeder Teil des Unendlichen unendlich ist, wird ein Fuß der unendlichen
Linie so in die ganze verwandelt wie zwei Füße.“3
Dies ist eine Art, über das Wesen, die Essenz der Dinge nachzudenken. Wenn
wir über die endliche Linie vom Standpunkt des Unendlichen sprechen,
untersuchen wir, wie die Essenz der endlichen Linie beschaffen ist. Es
existiert eine Essenz von dem, was vor uns in der Sinnesgewißheit erscheint,
die von einer höheren Ordnung ist. Und tatsächlich messen wir unsere endliche
Welt immer implizit vom Standpunkt des Endlichen, wenn wir diese Methode
anwenden.
Die Menschheit vom Standpunkt der Unsterblichkeit betrachten
Um das Zusammenfallen der Gegensätze zu verstehen, müssen wir die
Menschheit vom Standpunkt einer unsterblichen Essenz betrachten, an der jedes
menschliche Individuum teilhat. Das ist das Mittel, mit dem man jedes
menschliche Individuum betrachten und sagen kann, daß in diesem menschlichen
Individuum das gesamte, wirklich unsterbliche Potential der menschlichen
Gattung an sich enthalten ist, in jeder Generation immer Größeres zu
vollbringen.
Denken Sie daran, was Lincoln in seinem Fragment über die Sklaverei
zu sagen hatte: „Wie ich kein Sklave sein möchte, so möchte ich auch kein Herr
sein.“ Es gibt einen Bereich, in dem wir die wahre Menschlichkeit unserer
Mitmenschen anerkennen, und wir befreien uns von Kategorien, die uns auferlegt
werden.
Vergleichen Sie das mit Aristoteles’ Ansicht, die Welt sei geteilt in
Sklaven und Herren, die Sklaven seien von Natur aus unfähig zur Vernunft und
bräuchten Herren, die sie bewachen und für ihre Zwecke benutzen.
Heute müssen wir uns vor all den Sophisten hüten, die gerne argumentieren,
die Widersprüche der Welt ließen sich durch Kompromisse lösen. Sie möchten,
daß wir nur einen Status quo verwalten, zum Beispiel die Geopolitik, die uns
in die Hölle führt.
Das Zusammenfallen von Gegensätzen ist mehr als bloß gegenseitiges
Interesse, obwohl sich aus der Anwendung dieser Methode Verständnis für das
gegenseitige Interesse ergibt. Es ist die Definition einer höheren Form des
Verstehens, das die bisher unbekannte Ursache der scheinbaren Widersprüche
berücksichtigt. Es ist das Mittel, mit dem wir das Wesen der Dinge entdecken,
das jenseits des Scheins oder des bloß deduktiven Verstehens liegt. Mit den
Vorschlägen, über die wir heute hier diskutieren, möchten wir das Menschenbild
grundlegend verändern, hin zu einer Hypothese, die der konkreten Welt, in der
wir leben, angemessen ist, denn diese Welt wird kein weniger vollkommenes
Konzept dulden, ohne daß dies ein Massensterben oder sogar die Auslöschung
unserer Gattung zur Folge hat.
Ich danke Ihnen.
Jason Ross: Danke, Daniel.
Ich möchte an das anknüpfen, was Daniel zu Cusas Arbeit dargelegt hat,
indem ich ein paar weitere Beispiele für dieses Zusammenfallen von Gegensätzen
aufgreife. Wie Daniel es gerade ausgedrückt hat, ist das kein Ausgleich
zwischen zwei Extremen. Oder wie Helga es gestern formuliert hat, wenn man es
mit A und B zu tun hat, addiert man sie nicht und teilt durch zwei und erhält
eine Art Mittelwert. Es geht um etwas Höheres, ein übergreifendes Konzept.
Was ist das Eigeninteresse, richtig verstanden?
Schauen wir uns also ein paar Beispiele dafür an, wo die Dichotomie
zwischen zwei Dingen, nennen wir sie mal A und Nicht-A, einfach nicht gilt.
Umso mehr, wenn A ein leeres Wort ist.
Also, hier ist ein Beispiel: Mike Pompeo, unser schrecklicher
Außenminister, sieht die Welt so, daß Chinas Gewinne Amerikas Verluste sind,
weil er denkt, daß Pekings Weltsicht in demselben Streben nach der
Weltherrschaft besteht, die Pompeo selbst beseelt, bzw. in der
oligarchisch-imperialen Sichtweise, die er selbst als ständiges Echo des
Britischen Empire, des britischen Finanzimperiums, vertritt.
In dem klassischen griechischen Drama Der gefesselte Prometheus
präsentiert uns der große Tragödiendichter Aischylos einen Konflikt zwischen
dem Titanen Prometheus, der der Menschheit Feuer und Wissen geschenkt hat, und
dem olympischen Gott Zeus, der das Feuer für sich behalten will. Wenn die
Sterblichen das Feuer haben, wie kann Zeus dann seine Identität, seine
Überlegenheit aufrechterhalten? Zeus sieht das Eigeninteresse von Prometheus
und der Menschheit als Gegensatz zu seinem eigenen Eigeninteresse, weil der
Nutzen für die Menschheit sein Verlust sei.
Nun hat Prometheus in diesem Streit offensichtlich Recht, aber ist dieser
Konflikt unvermeidlich? Laufen die Eigeninteressen der verschiedenen Menschen
zwangsläufig auseinander? Zeus’ Perspektive ist das, was das Imperium
antreibt: die Gier nach Herrschaft und Macht über andere und die
Identifikation damit.
Ist es das, was China anstrebt? China strebt nach Sicherheit, Stabilität,
expandierenden Märkten, aber nicht nach einem globalen Imperium, wie es
Großbritannien aufgebaut hat. China ist keine europäische Imperialmacht.
Dieser scheinbare Konflikt wird nicht durch einen unsicheren Waffenstillstand
gelöst, sondern durch eine Neukonzeption des Eigeninteresses, durch eine
Neukonzeption des Maßstabs, nach dem der Konflikt gemessen wird.
Für mich persönlich, als Mensch, ist es in meinem eigenen Interesse, daß
die extreme Armut in China vollständig beseitigt worden ist. Das sind
menschliche Wesen! Unsere Brüder und Schwestern. Es liegt in meinem eigenen
Interesse, zu einer Welt beizutragen, in der die Armut der Vergangenheit
angehört, in der ein potentielles Genie, das in Addis Abeba, Nanjing, Kairo,
Paris oder Cleveland geboren wird, sein Potential in einer Gesellschaft
verwirklichen kann, die es ihm ermöglicht, etwas Großes zur Zukunft
beizutragen. Das ist mein eigenes Interesse, das ist unser aller wahres
Eigeninteresse.
Das Eigeninteresse der Vereinigten Staaten besteht somit darin, die großen
Lehren der Amerikanischen Revolution, des Amerikanischen Wirtschaftssystems,
aller großen Elemente unserer Geschichte in die Welt einzubringen, und das in
Zusammenarbeit mit unseren natürlichen Partnern wie Rußland, China und Indien.
Das sollten unsere Freunde sein, es sind nicht unsere Feinde. Es geht nicht um
ein neues Gleichgewicht von Extremen, sondern um eine Neukonzeption des Ziels:
daß diese Gegensätze zusammenfallen.
Das Problem der aristotelischen Logik
Kommen wir also zurück zu dieser Idee von „A contra Nicht-A“, nach der
Logik: Wenn etwas entweder A oder Nicht-A ist, muß entweder nur das eine oder
nur das andere wahr sein! Das ist die aristotelische Logik. Aber bedenken Sie
einmal folgendes. Wenn Sie jemand fragen würde: Ist die Liebe ein Festkörper,
eine Flüssigkeit oder ein Gas? – dann würden die Leute denken, Sie seien
verrückt. Wenn Ihr Freund Sie fragen würde, welche Farbe Ihr Lieblingslied
hat, hätten Sie dann eine Antwort? Können Sie mit einem Thermometer messen,
wie groß eine Kiste ist? Nein. Auf dieser Skala zwischen A und Nicht-A zu
entscheiden, ist unmöglich, wenn dieses A entweder ein falsches Konzept ist
oder einfach unzureichend.
Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Betrachten wir die Terminologie in der
Politik, wenn wir über links gegen rechts sprechen – das kommt von den
Stühlen, auf denen Leute vor zwei Jahrhunderten in einem Raum in Frankreich
saßen. Ist das relevant? Ist Donald Trump auf der extremen Rechten? Ist AOC
[die Kongreßabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez] auf der extremen Linken?
Links gegen rechts, ist das der richtige Maßstab? Das richtige Maß? Messen wir
etwas mit einem Thermometer, wenn wir ein Lineal verwenden sollten, oder etwas
ganz anderes? Ist links gegen rechts die nützlichste Dimension, um einen
Prozeß von unendlicher Tiefe zu verstehen, nämlich menschliche soziale
Beziehungen? Nein, das ist es nicht.
Anstatt bei Wahlen für ein Sammelsurium politischer Pläne zu stimmen, die
man „Programm“ nennt und die mit zwei albernen Dingen namens „Parteien“
verbunden sind, sollte man von einer übergreifenden Absicht ausgehen, um die
Ausarbeitung spezifischer Programme, Wahlmöglichkeiten, Entscheidungen für
einen Weg in die Zukunft zu gestalten: Was ist Ihre Vorstellung von der
Menschheit und der Zukunft, die wir genießen sollten? Ich wage zu bezweifeln,
daß Sie das Links-Rechts-Lineal als den richtigen Maßstab befinden werden, um
die Antwort auf diese Frage festzulegen.
Und nun noch drei schnelle, kurze Beispiele, um hier abzuschließen.
Erstens: Steht das kurzfristige Wohlbefinden im Widerspruch zu unserem
langfristigen Überleben? Sind das gegensätzliche Interessen? Gibt es Grenzen
des Wachstums? Braucht der Konsum in der Gegenwart die endlichen Ressourcen
der Natur auf und hinterläßt künftigen Generationen eine traurige Zukunft?
Oder ist das Konzept der „natürlichen Ressourcen“ selbst falsch? Ist es die
falsche Meßlatte? Schaffen wir Menschen nicht eigentlich Ressourcen, indem wir
neue Konzepte und wissenschaftliche Erkenntnisse entdecken?
Beispielsweise Kohle: Kohle war nicht gerade die großartigste Ressource,
solange man sie nur nutzen konnte, um sich abends warm zu halten. Wie hat die
Dampfmaschine die Bedeutung, die Realität, die Ressource der Kohle verändert?
Uran war ohne die Atomwissenschaft keine Ressource, es war ein gelber
Stein.
Zweitens: Als Leibniz die Infinitesimalrechnung entwickelte, führte er in
die Mathematik ein völlig neues Konzept ein, nämlich die Darstellung von
Veränderung an sich. Aber wie groß ist die Veränderung? Wenn Sie einen
Schnappschuß von der Welt machen, eine Skizze, „das ist die Welt in diesem
Moment“, dann hat die Veränderung noch nicht stattgefunden, und doch existiert
sie. Sie existiert in diesem Moment als Potential. Sie ist bereit zu handeln;
es ist eine Entfaltung.
In diesem Moment ist die Veränderung also beides: nichts, denn in diesem
Augenblick wirkt sie nicht, könnte man sagen. Aber sie ist auch nicht nichts;
sie ist etwas. Es ist eine Veränderung, die in der Zukunft stattfinden wird.
Es ist ein Potential. Dafür entwickelte Leibniz diese Infinitesimale, diese
Differentiale. Das war eine neuartige Größe. Es war weder etwas noch nichts.
Es war kleiner als alles, was man sich vorstellen kann, Leibniz’ Konzept ist
sogar noch kleiner das kleinste, was man sich denken kann. Aber, es ist größer
als Null. Es existiert in einer neuen Welt, dort, wo diese Gegensätze etwas
und nichts zusammenfallen, in gewisser Weise ist es beides. Es ist eine neue
Idee, eine neue Entwicklung.
Letztes Beispiel: Um auf das Kreisbeispiel zurückzukommen, das Daniel
verwendet hat. Da gibt es einen Widerspruch. Der Kreis ist eine bestimmte
Idee. Alle Punkte sind gleich weit vom Mittelpunkt entfernt – einfach. Aber
wenn wir ihn als Vieleck betrachten, dann hat er nicht drei Seiten wie ein
Dreieck oder vier wie ein Quadrat; ein Kreis hätte als Vieleck eine unendliche
Anzahl von Seiten. Ist also der Kreis eine bestimmte einfache Form, ein
bestimmtes Ding? Oder ist er ein unendliches Konzept?
Diese Gegensätze fallen in der Idee zusammen, die als „Transzendentale“
bekannt wurde. Wieder fällt ein Gegensatz in eins, um sich zu etwas Höherem
aufzulösen, einem besseren Rahmen, um etwas zu betrachten, das widersprüchlich
erschien, solange man versuchte, es mit einer Sprache oder einem Rahmen zu
verstehen, die dafür nicht geeignet waren.
Wenn wir uns die Welt heute ansehen, gibt es einige Entscheidungen, bei
denen man auf jeden Fall eines von beidem, A und B, dem anderen vorziehen
sollte. Aber kein Verständnis ist perfekt, und kein Ansatz, keine Hypothese
über das Universum und andere Menschen, wird je in der Lage sein, die Tiefe
ihrer Geheimnisse vollständig zu erfassen. Hatte Ptolemäus recht, daß sich die
Sonne um eine ruhende Erde bewegt? Oder hatte Kopernikus recht, daß sich die
Erde um die Sonne bewegt?
Nun, Kopernikus lag weniger falsch als Ptolemäus, aber Johannes Kepler hob
die ganze Frage auf eine höhere Ebene. Er fragte: „Warum bewegen sich
die Planeten?“ Und er entwickelte eine neue Qualität der Wissenschaft und
nannte sie Physik statt Mathematik. Keplers Idee war keine Ergänzung zu
Kopernikus, sie war eine Ablösung, eine Ersetzung; sie war stattdessen, nicht
auch.
Metapher
Lassen Sie mich mit einem Zitat von Lyndon LaRouche aus dem Jahr 2012
schließen, aus seinem Aufsatz End the Folly of Sense-Perception:
Metaphor! („Die Torheit der Sinneswahrnehmung beenden“).4
„Das entscheidende Prinzip liegt in der Unterscheidung der Funktionen
des wahren menschlichen Geistes im Gegensatz zur relativ oberflächlichen
menschlichen Praxis der Sinneswahrnehmung. Der entscheidende Begriff, der für
diesen prinzipiellen Zweck benötigt wird, ist der der Metapher, wenn er
richtig definiert ist.“ (Hervorhebung im Original)
Die Metapher ist eine Verbindung widersprüchlicher Sinneseindrücke, die auf
eine Weise aufgelöst werden, die außerhalb der Sinneswahrnehmung liegt. In
diesem Sinne ist Nikolaus von Kues’ Konzept der Koinzidenz der Gegensätze –
oder Careys Idee der „Harmonie der Interessen“ oder LaRouches Fortführung
dieses Konzepts mit dem Prinzip der Metapher – eine fortlaufende, sich
entwickelnde Idee, die das Verständnis und die Wissenschaft voranbringt.
Wir werden also nie fertig sein mit dem Entdecken, auf einer Reise mit
aufregenden Episoden von „anstatt“ anstelle von „auch“. Es ist in unser aller
Eigeninteresse, die große Freude an diesem Abenteuer zu suchen, das uns oder
zumindest einige von uns von diesem Planeten zum Mond und noch weiter führen
wird. Das ist unsere gemeinsame Zukunft.
Danke.
Anmerkungen
1. https://larouchepub.com/eiw/public/2007/eirv34n09-20070302/10_709_feat-lar.pdf
2. Nikolaus von Kues, Philosophisch-theologische Schriften,
Herausgegeben und eingeführt von Leo Gabriel, übersetzt und kommentiert von
Dietlind und Wilhelm Dupré, S. 235.
3. a.a.O. S. 247.
4. https://larouchepub.com/lar/2019/4609-metaphor-lar.html
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