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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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Bemerkungen zu den Beziehungen zwischen Rußland und den USA und den UN

Von Alexej Boguslawskij

Alexej Boguslawskij ist der Erste Sekretär der Ständigen Vertretung der Russischen Föderation bei den Vereinten Nationen in New York. Er hielt den folgenden Vortrag am 20. März 2021 im Rahmen des zweiten Abschnitts der Internetkonferenz des Schiller-Instituts.

Danke, daß Sie mir die Gelegenheit geben, an der Konferenz des Schiller-Instituts teilzunehmen. Zu Beginn möchte ich einige Anmerkungen zu dem Thema der Konferenz „Zwei Monate unter der neuen Biden-Regierung“ machen. Ich denke, es ist noch schwierig, irgendwelche Schlußfolgerungen zu diesen Zeitraum zu ziehen. Was derzeit in der Außenpolitik und sogar in der Innenpolitik passiert, ist für niemanden eine Überraschung. Zunächst hat Präsident Biden nur seine Wahlkampfversprechen erfüllt: Die USA sind zum Klimaabkommen zurückgekehrt, sie unternehmen eher vorsichtige Schritte in Richtung Iran. Allerdings ist es noch zu früh, um über die Aussichten einer baldigen Rückkehr der USA zum Atomabkommen zu sprechen. Was Syrien, den Nahen Osten und Nordkorea betrifft, denke ich, ist noch nicht viel bekannt.

Was leider vorerst unverändert bleibt, ist eine eher unfreundliche Rhetorik gegenüber Rußland. Wir alle haben gehört, was der amerikanische Präsident über den russischen Präsidenten gesagt hat. Ich denke, aus der Sicht der Normen politischer Ethik liegt dies irgendwo jenseits von vernünftig. Zugleich hat die russische Führung keine so tiefen Emotionen gegenüber den Vereinigten Staaten. Wir sind bereit zu einem konstruktiven Dialog über die Fragen, wo er möglich ist, und ich möchte unterstreichen: wo er notwendig ist. Deshalb setzen wir die Priorität auf unsere Zusammenarbeit in den Vereinten Nationen.

Was die tägliche Routine des UN-Sicherheitsrates betrifft, kann ich sagen, daß sich in den letzten zwei Monaten nichts Konkretes geändert hat – außer dem amerikanischen Ständigen Vertreter bei den Vereinten Nationen. Generell muß man sagen, daß wir hier in der UNO in den meisten politischen Fragen einen Konsens mit anderen erreichen können. Ja, es gibt einige Themen, die uns entzweien. Sie sind der ganzen Welt sehr gut bekannt, aber es ist nur ein sehr kleiner Bruchteil der Themen, die hier in den Vereinten Nationen diskutiert werden.

Im allgemeinen sprechen in letzter Zeit viele Experten oder politische Analysten gern über Risse im Multilateralismus. Unserer Meinung nach ist es zu früh, sich Sorgen zu machen, denn in Wirklichkeit ist er noch gar nicht geboren worden. Wir befinden uns erst in der Anfangsphase seiner Entstehung. Es kann noch Jahre und vielleicht Jahrzehnte dauern, bis sich echter Multilateralismus auf unserem Planeten durchsetzt. Neue Machtzentren, politisch und wirtschaftlich, gewinnen gerade erst ihre unabhängige Stimme. Die Vereinten Nationen stehen im Zentrum dieser Bemühungen.

Sicher, Prinzipien, die im Fundament der Vereinten Nationen liegen und die ich in der UN-Charta finde, klingen heute noch relevanter im Vergleich zu der Zeit, als die Vereinten Nationen vor 75 Jahren gegründet wurden: Nichteinmischung in innere Angelegenheiten; friedliche Beilegung von Streitigkeiten; Achtung des Rechts der Menschen, ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Kaum jemand kann diese Prinzipien aufgeben. Und es gibt keine Alternative zur UNO selbst. Es gibt keine andere solch globale und universelle Plattform, auf der Fragen von Krieg und Frieden, sozialer wirtschaftlicher Entwicklung, Schutz der Menschenrechte und viele andere wichtige Themen für alle Länder der Welt diskutiert werden.

Die globalen Probleme, mit denen sich die UN tagtäglich beschäftigen – wie internationaler Terrorismus, Drogenhandel, Cyberkriminalität, Klimawandel – wurden in diesem Jahr vermehrt durch die neue, gefährliche Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie. Man sollte zugeben, daß wir alle, sowohl Staaten als auch internationale Strukturen und Organisationen, davon überrascht wurden. Aber trotz aller Schwierigkeiten scheint die internationale Hauptstruktur diesen Stresstest recht erfolgreich bestanden zu haben.

Natürlich sind die Vereinten Nationen nicht perfekt, weil die Welt selbst nicht perfekt ist. Es wird von Jahr zu Jahr immer schwieriger, auf die vielfältigen globalen Probleme zu reagieren. Um so mehr, wenn einige internationale Akteure weiterhin ihre Dominanz beanspruchen oder sich einbilden, ihre Werte seien universell. Leider versuchen einige Länder, und zwar ziemlich mächtige Länder, unsere Zusammenarbeit in der Weltorganisation zu verhindern, indem sie Konzepte wie eine „regelbasierte Weltordnung“ einführen. Es werden Interessenkoalitionen geschaffen, die eine reale und echte internationale Zusammenarbeit unterbinden, und das ist nicht gut. Die Welt hat die Trennlinien und die Einteilung in Freunde und Feinde satt. Angesichts der Pandemie, die unseren Planeten getroffen hat, fordern die Menschen mehr umfassende gegenseitige Hilfe und Zusammenarbeit.

Ich denke, mit anderen Worten, die Ziele, die vor 75 Jahren bei der Gründung der Vereinten Nationen formuliert wurden, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Parallel dazu müssen wir natürlich auch über Reformen der bestehenden Institutionen nachdenken. Die Vereinten Nationen sind genauso eine Organisation, die ständiger Erneuerung bedarf. Ihr wichtigstes Gremium, der Sicherheitsrat, muß selbstverständlich auch reformiert werden. Wir brauchen eine stärkere Vertretung der Entwicklungsländer der Welt, und Ungleichgewichte, mit denen der kollektive Westen sich seine Dominanz sichert, müssen beseitigt werden. Das sollte Hand in Hand gehen mit der Aufrechterhaltung der Effizienz und der Fähigkeit zur schnellen Reaktion auf neue Herausforderungen. Die Vereinten Nationen bleiben das unangefochtene, universelle globale Forum für den kontinuierlichen offenen und ehrlichen Dialog, um eine nachhaltigere und gerechtere Architektur der internationalen Beziehungen zu schaffen.

Ich möchte Ihnen versichern, daß dieses Verständnis von der großen Mehrheit der Länder der Welt geteilt wird. Unser Glaube an die zukünftige Mission der Vereinten Nationen, an die Zukunft ihres Dienstes für die gesamte Menschheit wird nicht schwächer.

Zum Schluß möchte ich an das erinnern, was Präsident John Quincy Adams vor fast 200 Jahren gesagt hat. Es war eine Art Warnung, daß Amerika „nicht im Ausland auf die Suche nach Monstern gehen sollte, die es zerstören will“. Ich denke, wenn dieses Versprechen eingelöst wird und wenn das aufhört, dann wird die ganze Welt wahrscheinlich sicherer werden.

Ich danke Ihnen.