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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Unmoral von Sanktionen: Der Fall Syrien

Von Richard Black

Oberst a.D. Richard H. Black war Landessenator des US-Bundesstaates Virginia, Offizier der US-Marines und Leiter der Strafrechtsabteilung der US-Armee im Pentagon. Im ersten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 8. Mai sagte er folgendes.

Ich bin Senator Richard Black, und ich möchte mich zunächst vorstellen. Ich habe 32 Jahre im Militär verbracht; ich kämpfte in Vietnam als Offizier des Marine Corps. Ich flog im Kampf als Hubschrauberpilot. Mein Flugzeug wurde viermal von feindlichem Feuer getroffen. Dann kämpfte ich am Boden in einigen der heftigsten Kämpfe des Krieges. Ich wurde verwundet; meine beiden Funker wurden direkt neben mir im Kampf getötet. Ich gehe also als patriotischer Amerikaner an die Sache heran. Ich habe viel Blut für dieses Land vergossen. Ich will, daß mein Land Erfolg hat, aber ich will auch, dass es ein gutes und anständiges Land ist.

Lassen Sie mich die Geschichte der Vereinigten Staaten im Krieg in Syrien rekapitulieren.

2011 war das Jahr, in dem der Krieg begann. Der Krieg dauert schon seit zehn Jahren an, aber angefangen hat er im Jahr 2011. Bevor er sich tatsächlich zu einem ausgewachsenen Krieg entwickelte, gab es innenpolitische Proteste in Syrien. Die Central Intelligence Agency schickte Agenten des Special Activities Center; sie betraten heimlich und gegen alle internationalen Gesetze das souveräne Territorium Syriens. Ihre Mission war es, Al-Kaida nahestehende Terroristen beim Sturz der Regierung von Syrien anzuleiten. Bedenken Sie, daß Al-Kaida am 11. September 2001 die Düsenflugzeuge in die Twin Towers und das Pentagon flog und im größten Terroranschlag unserer Geschichte 3000 Amerikaner ermordete Das waren die Leute, die von der CIA organisiert und angeleitet wurden! Sie benutzten Waffen, die beim US-Angriff auf Libyen erbeutet wurden.

Diese Waffen wurden über die Grenze nach Syrien geschleust, wo sie für einen Feldzug benutzt wurden, zu dem auch die vorsätzliche Massenvergewaltigung von Frauen und Kindern gehörte. Dazu gehörten Enthauptungen; dazu gehörten Kreuzigungen. Wir haben buchstäblich Christen ans Kreuz geschlagen. Das passierte auf Veranlassung der Central Intelligence Agency und mit ihrer Finanzierung und ihrer Führung und Anleitung von Al-Kaida.

Währenddessen eröffneten die Al-Kaida-Terroristen an bestimmten Orten sogar Sklavenmärkte und machten christliche und jesidische Frauen und Kinder zu Sklaven. Sie veröffentlichten sogar Preislisten, in denen die höchsten Preise für die kleinsten Mädchen verlangt wurden. Es war der Wunsch dieser Terroristen, kleine Mädchen zu vergewaltigen. Leider geschah dies mit der Unterstützung, mit Waffen und Organisation, die von den Vereinigten Staaten geliefert wurden.

Trotz alledem, was wir getan hatten, trotz der enormen Macht, die gegen Syrien aufgeboten wurde, um die Regierung zu stürzen, wehrte das syrische Volk den radikalen, wahabitischen Islam ab, und es scharte sich um seinen Präsidenten und um die Armee. Sie vertrieben die Terroristen aus den meisten Teilen Syriens.

2014 fand eine landesweite Wahl statt, und Präsident Baschar Al-Assad wurde mit überwältigender Mehrheit in einer fairen und freien Wahl gewählt, an der sich drei Viertel der gesamten Wählerschaft des Landes beteiligten. Sie wurde von über 30 Nationen beobachtet; ich denke, fast alle waren sich einig, daß es eine vollständige und faire Wahl war. Also hat er die Wahl gewonnen.

2015 wendete sich der Krieg gegen die Terroristen.

2016 erlitten die Al-Kaida-Terroristen ihre große Niederlage in der Industriestadt Aleppo. Das war ähnlich wie die verlorene Schlacht bei Stalingrad, die den Untergang der Nazi-Armee im Zweiten Weltkrieg einleitete. Der Verlust von Aleppo war eine überwältigende und große Niederlage für Al-Kaida und für die amerikanischen Kräfte, die diese Bewegung gegen das syrische Volk inszeniert hatten.

2015 verkündete US-Außenminister John Kerry aus Frustration darüber, daß die Terroristen das Land nicht erobern konnten: „Wir haben einen Plan B.“ Was er sagte, war sehr vage, aber die Fakten widerlegen Barack Obamas Versprechungen, kein einziger US-Soldat würde seinen Fuß auf den Boden Syriens setzen: Die Vereinigten Staaten begannen sofort, US-Bodentruppen nach Syrien zu schicken, und wir entrissen der syrischen Regierung die Kontrolle über Nordsyrien.

Der Grund, warum dies besonders wichtig war, ist, daß Nordsyrien die Kornkammer von Syrien ist. Und es liefert auch Syriens Öl und Erdgas. Infolgedessen wurde ihnen das Eigentum Syriens gestohlen – das, worauf alle Syrer als ihre Nahrung und ihren Treibstoff angewiesen sind. Die Vereinigten Staaten autorisierten sogar ein amerikanisches Unternehmen, eine 150-Millionen-Dollar-Raffinerie zu bauen und im Norden Syriens zu bohren, um den Syrern ihr rechtmäßiges Öl und Erdgas zu stehlen. Das Ziel von all dem war, das syrische Volk auszuhungern und im Winter erfrieren zu lassen.

Später haben wir dann die sogenannten Caesar-Sanktionen verhängt. Das war zu der Zeit, als Mike Pompeo Außenminister wurde. Er kündigte maximalen Druck an, denn die Vereinigten Staaten hatten einen Weg gefunden, das Völkerrecht zu umgehen. Obwohl es nach dem Völkerrecht illegal ist, eine Blockade gegen ein Land zu verhängen und zu verhindern, daß es Lieferungen erhält – es sei denn, man befindet sich im Krieg –, fanden sie einen Weg für solche Blockaden.

Vor allem haben wir die Bestimmung über Blockaden einfach ignoriert; wir haben tatsächlich eine Seeblockade in Kraft gesetzt. Aber darüber hinaus hatten wir entdeckt, daß wir durch die Übernahme der Kontrolle über das Bankensystem, das Transaktionen in Syrien ermöglicht, sie effektiv daran hindern konnten, medizinische Lieferungen zu erhalten.

Ich weiß, daß bei meinem Besuch im Jahr 2016 Frauen an Brustkrebs starben, weil sie die üblichen Medikamente nicht bekommen konnten, die hierzulande das Leben der Frauen vor Brustkrebs retten. Wir haben das absichtlich getan, um dieses intensive Gefühl des Leidens und der Hoffnungslosigkeit zu erzeugen.

Heute stehen Menschen in Syrien Schlange für Brot. Der US-Kongreß hat die sogenannten Caesar-Sanktionen beschlossen. Mit den Caesar-Sanktionen haben wir dem Land diese ungeheuer harten Sanktionen auferlegt. Das hat dazu geführt, daß Hungersnöte entstanden und die Menschen hungern. Es gibt eine Hungersnot in Syrien auf einer sehr massiven Basis. Die Menschen frieren im Winter; jetzt ist der Winter vorüber, also hört das Frieren auf. Viele Menschen sind tot, für immer verschwunden. Jetzt greift der Hunger um sich; das ist die primäre Waffe, die die Vereinigten Staaten einsetzen.

Im Juni letzten Jahres erschien in Politico ein Gastkommentar von einem Kollegen namens Charles Lister, der für den Sturz der syrischen Regierung wirbt. Er sagte, es werde durch die Caesar-Sanktionen ein noch größeres Ausmaß an Elend, Hungersnöten, zunehmender Kriminalität und räuberischem Verhalten geben. Und er frohlockte, das sei eine Chance für die USA, in Syrien einen Regimewechsel zu erreichen.

Ich muß Ihnen sagen, ich bin nicht stolz auf mein Land, weil wegen ihm Menschen nach Brot anstehen müssen, weil es Hunger und Hungersnot geschaffen hat, weil es Kinder und ältere Menschen sterben läßt.

Wissen Sie, Syrien war ein sehr moralisches Land – ein sehr moralisches, anständiges, barmherziges, liebendes Volk. Sie sind sehr freundliche Menschen in Syrien. Jetzt zwingen wir Kinder in Syrien dazu, sich zu prostituieren, um ein Stück Brot zu bekommen, damit sie nicht verhungern und auf der Straße tot umfallen. Das ist nichts, auf das Amerika stolz sein sollte; das ist eine Schande!

In der Los Angeles Times hieß es, die Sanktionen würden besonders die medizinische Versorgung hart treffen, weil es immer schwieriger wurde, Chemotherapie-Medikamente zu bekommen. Die Financial Times berichtete am 24. Juni 2020, daß die erste Auswirkung des Caesar-Gesetzes nicht die Insider des Regimes betraf, sondern die einfachen syrischen Bauern, die mitansehen mußten, wie ihr Geld den Wert verlor, die Preise in die Höhe schnellten und sich die Brotwarteschlangen bildeten. Wir verursachen absichtlich Massenhunger – Massenhunger!

Das sind Dinge, die wir den Nazis bei den Nürnberger Prozessen am Ende des Zweiten Weltkriegs vorgeworfen haben. Wenn es für die Nazis ein Verbrechen ist, diese Dinge zu tun, dann ist es für uns genauso ein Verbrechen. Es ist verabscheuungswürdig; es ist schändlich. Die Vorstellung, daß wir Massenvergewaltigungen im ganzen Land als Mittel im Krieg eingesetzt haben, ist einfach abscheulich!

Ich hätte mich nie an solchen Aktionen beteiligt. Ich habe schon früher erklärt: Wenn das Massaker von My Lai stattgefunden hätte, als ich dort war, hätte ich mein Gewehr genommen und den Kompaniechef erschossen, der den Befehl dazu gegeben hat. Ich denke, was wir hier tun, ist viel schlimmer als das My-Lai-Massaker. Es hat ein massives Ausmaß – ein ganzes Land. Es ist verachtenswert; es ist abscheulich. Wir müssen es zurückweisen.

Es ist an der Zeit, daß das amerikanische Volk herausfindet, was getan wird; daß es von unserer engen Allianz mit Al-Kaida erfährt – und daß das ein Ende hat.

Ich danke Ihnen.