Die Wahrheit über die Syrien-Krise
Von Senator Richard H. Black
Oberst a.D. Richard H. Black war Offizier und Leiter der
Strafrechtsabteilung der US-Armee im Pentagon. Er hielt im dritten Abschnitt
der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 21. März den folgenden
Vortrag.
Nun, ich liebe mein Land. Ich bin pensionierter Oberst, der 32 Jahre lang
in Uniform gedient hat. Ich flog 269 Kampfeinsätze in Vietnam als
Marine-Hubschrauberpilot; ich machte eine Bruchlandung, nachdem
Maschinengewehrfeuer meine Flugsteuerung durchtrennt hatte. Ich machte 70
Kampfpatrouillen als Bodenluftkontrolleur für die 1. Marinedivision; ich wurde
verwundet und meine Funker starben im Kampf neben mir.
Aber ich bin entsetzt über die Unanständigkeit der amerikanischen
Aggression gegenüber Syrien.
Am 17. März züchtigte Außenminister Tony Blinken unsere chinesischen Gäste
in Anchorage in Alaska mit den Worten, sie respektierten nicht die
„regelbasierte Ordnung“, ohne die es eine „viel gewalttätigere Welt“ gäbe.
Aber was ist diese „regelbasierte Ordnung“, die wir immer anpreisen? Es
scheint, die Regeln sind das, was auch immer die USA entscheiden, daß sie zu
einem bestimmten Zeitpunkt wollen.
Mit welchem Recht beschlagnahmen wir Schiffe anderer Nationen auf hoher
See? Die Regeln besagen, daß dies eine Kriegshandlung ist. Aber wir befinden
uns nicht im Krieg, also sagen die Regeln, daß die Beschlagnahmungen Piraterie
sind.
Welche Regeln erlauben uns, eine Seeblockade gegen Syrien, Iran, Venezuela
zu verhängen? Sind das keine Kriegshandlungen?
Welche „regelbasierte Ordnung“ besagt, daß wir Deutschland sagen können,
daß wir es bestrafen werden, wenn eine Gaspipeline es mit Rußland verbindet?
Welche „Regeln“ erlauben uns, jeder souveränen Nation den Handel zu
diktieren?
Der amerikanische Eroberungszug umspannt den Globus. Wir sind in souveräne
Länder wie Serbien, Irak, Libyen, Jemen und Syrien eingefallen und haben sie
alle in rauchende Trümmer verwandelt. Verbietet die „regelbasierte Ordnung“
nicht Angriffskriege? Haben wir die Nazis in Nürnberg nicht für genau solche
Aktionen angeklagt? Welche „Regeln“ machen Angriffskriege für Nazis zu
Verbrechen, aber nicht für uns?
Man sagt uns, daß wir einen „Krieg gegen den Terror“ führen, aber das tun
wir nicht. Wir sind mit Terroristen verbündet, wie Al-Kaida, in dem
skrupellosen Bestreben, die arabischen Zivilisationen im gesamten Nahen Osten
zu zerstören. Nur wenige Amerikaner können unsere Kriege überhaupt aufzählen:
Serbien, Irak, Libyen, Syrien, Jemen, Somalia, Ukraine. Keines dieser Länder
hat uns angegriffen; wir haben sie angegriffen.
Betrachten wir nur den Fall Syrien. Erinnern Sie sich daran, was Syrien
einmal war. Syrien hatte eine schön ausgewogene Wirtschaft; es produzierte die
meisten seiner Industriegüter, Treibstoff und landwirtschaftliche Produkte
selbst. Es gab wenig Armut und es erfreute sich eines florierenden Handels. Es
war finanziell eigenverantwortlich. Es lebte 40 Jahre lang in Frieden mit
Israel. Die unter Präsident Assad erarbeitete Verfassung garantiert den Frauen
gleiche Rechte. Sie garantiert die Religionsfreiheit, an drei verschiedenen
Stellen im Text. Syrien ist ein Vorbild für andere arabische Staaten, vor
allem für solche wie Saudi-Arabien, das überhaupt keine Verfassung hat.
Wir nennen Syriens Präsident einen Diktator, aber 2014 wurde er mit
überwältigender Mehrheit in einer fairen und freien Wahl gewählt. Amerika tut
so, als hätte die Wahl nie stattgefunden, aber viele Syrer wurden von – von
den USA unterstützten – Rebellen getötet, als sie versuchten, ihre Stimme
abzugeben. Nach zehn Jahren Krieg hat sich kein einziger Rebellenführer als
Sympathieträger beim syrischen Volk herauskristallisiert.
Der Westen liebt die Terroristen, die die Menschen in Syrien verachten. Man
indoktriniert uns, Präsident Assad zu hassen, weil er 2011 gegen Aufständische
vorgegangen sei und „sein Volk vergast“ habe. Aber das ist nicht wahr, denn
wir hatten schon zehn Jahre davor beschlossen, Syrien anzugreifen. Im Jahr
2001 befahl Verteidigungsminister Donald Rumsfeld dem Pentagon, Pläne für
einen Umsturz in sieben Ländern im Nahen Osten zu entwerfen, angefangen mit
dem Irak, dann Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, Sudan und zuletzt Iran.
Keines von ihnen hatte den USA jemals Schaden zugefügt.
2006 entwarf die US-Botschaft in Damaskus detaillierte Pläne zur
Destabilisierung und zum Sturz der syrischen Regierung. Das war lange vor den
Demonstrationen in Syrien, von denen wir immer behaupten, sie seien der Grund
für unsere Ablehnung von Präsident Assad.
Im März 2011 griffen die USA, Großbritannien und Frankreich Libyen an und
stürzten die Regierung, indem sie Oberst Gaddafi brutal hinrichteten. Die USA
überließen der Türkei einen Flugplatz, um erbeutete libysche Waffen mit
katarischen Flugzeugen zu transportieren. Diese Waffen wurden über die Grenze
zu Terroristen nach Syrien eingeschleust.
Im Jahr 2011, während des Arabischen Frühlings, schickte das hochgeheime
CIA Special Activities Center paramilitärische Teams nach Syrien, um
Terroristen zu identifizieren, zu trainieren, auszurüsten und gegen die
syrische Regierung zu entsenden.
2013 formalisierte Barack Obama unsere langjährige Unterstützung für
antisyrische Terroristen, indem er das geheime CIA-Programm Timber Sycamore
autorisierte. Im Rahmen dieses Programms trainierte, bewaffnete und bezahlte
die Special Operations Division der CIA Tausende Terroristen für den Kampf
gegen Syrien. Die NATO und die USA betrieben eine intensive Propagandakampagne
gegen Syrien. Angriffe mit Saringas, bei denen Zivilisten getötet wurden,
wurden Präsident Assad angelastet. Aber kein einziger Reporter fragte jemals,
warum Assad Gas zwar gegen Kinder einsetzen sollte, aber nicht gegen
gepanzerte Brigaden von Terroristen, die auf Damaskus marschieren?
Verteidigungsminister James Mattis gab 2018 zu, daß die USA keine Beweise
dafür haben, daß Assad Saringas eingesetzt habe. Zwei türkische
Parlamentsabgeordnete wurden des Verrats angeklagt, nachdem sie eine
Anklageschrift enthüllt hatten, die zeigte, wie eine Al-Kaida-Zelle 2,2 Kilo
Saringas über die Grenze einschleuste, um es gegen Syrien einzusetzen.
Warum greifen wir Syrien an? Die USA versuchen, die Öl- und Gasrouten aus
Saudi-Arabien und Katar zu erobern. Neben dem Zugang zu den Pipelines will
Saudi-Arabien den in religiöser Harmonie lebenden Syrern den strengen
wahabitischen Islam aufzwingen. Viele Terrorgruppen haben geschworen, alle
Christen und Alawiten zu enthaupten und aus ihren Frauen und Töchtern
Sexsklaven zu machen. Ein Dschihadist fuhr seinen Geländewagen aus
amerikanischer Produktion in die Schlacht mit einer nackten Sklavin, die an
der Windschutzscheibe festgebunden war, wohl wissend, daß syrische Soldaten
nicht auf sie schießen würden. Amerikanische Waffenhändler profitieren immens
von lukrativen Geschäften, wie den 600 BMP-71 Panzerabwehrraketen, die die CIA
2014 an Al-Kaida lieferte – gerade rechtzeitig, damit die über die türkische
Grenze angreifen und die syrischen Linien durchbrechen konnten, um in der
antiken Stadt Kessab armenische Christen zu enthaupten.
2015 drangen US-Truppen illegal in Nordsyrien ein und beschlagnahmten
unrechtmäßig Syriens Öl. Wir autorisierten eine amerikanische Ölgesellschaft,
dort eine Raffinerie zu bauen, und bohren auf souveränem syrischem Land weiter
nach Öl. Vor dem Krieg mußte Syrien nie Treibstoff importieren, da es sich
selbst mit Öl und Erdgas versorgen konnte. Aber jetzt ist das Erbe der Nation
gestohlen worden und die Syrer erfrieren im Winter, weil wir ihren Treibstoff
stehlen.
Die gleiche Region ist die Kornkammer Syriens. Sie produzierte genug
Weizen, um das Land zu ernähren. Auch er wird gestohlen, und die Kurden
verschiffen syrischen Weizen an türkische Händler, während die syrischen
Bauern verhungern.
Um die Schlinge um Syrien enger zu ziehen, prahlte Außenminister Mike
Pompeo damit, Syrien von Geldquellen abzuschneiden und aus dem Iran kommende
Öltanker zu blockieren. Er hat Recht: Wir haben immensen Tod, Krankheit und
Leid für die armen Syrer verursacht.
Der amerikanischen Bevölkerung wird ständig eingeredet, daß „wir nicht
gegen die Menschen vorgehen, sondern nur gegen die Staatsführung“. Blödsinn!
Wir stehlen den Armen Lebensmittel, Treibstoff und Medizin. Wir blockieren
Lieferungen für den Wiederaufbau, so daß junge syrische Männer für ihren
Lebensunterhalt kämpfen oder verhungern müssen. Würden wir die Blockade
beenden, könnten sie am Wiederaufbau des Landes arbeiten. So wie es jetzt ist,
ist die einzige Arbeit das Kämpfen, das weitergehen wird, solange wir es
weiter finanzieren.
Die Welt muß diese endlosen Kriege verwerfen. Wir kämpfen seit zehn Jahren
gegen die Syrer, aber das irakische Volk unterdrücken wir schon seit 30
Jahren, indem wir es bombardieren und das Land besetzt halten. Der Wahnsinn
muß aufhören!
|