Aufbruch in das neue Paradigma
Die jüngste Konferenz des Schiller-Instituts befaßte sich
mit der Notwendigkeit einer grundlegenden Änderung der Denkweise, um die
globalen Krisen zu überwinden.
Die Online-Konferenz des Schiller-Instituts, die am 25. und 26. April unter
dem Motto „Die Existenz der Menschheit hängt jetzt von der Schaffung eines
neuen Paradigmas ab!“ stattfand, hatte den Zweck, Redner und ein Publikum aus
der ganzen Welt zusammenzubringen, um über die Prinzipien zu diskutieren, auf
denen das entstehende neue Paradigma in den internationalen Beziehungen
basieren soll. Das Ergebnis übertraf die Erwartungen. Wir möchten jedoch alle
unsere Leser, die die Veranstaltung nicht live verfolgen konnten, dazu
ermutigen, sich die Zeit zu nehmen, die Videos unter schillerinstitute.com
anzusehen.
Die Konferenz war um das Lebenswerk des am 12. Februar 2019 verstorbenen
Ökonomen und Staatsmanns Lyndon LaRouche herum organisiert, natürlich im
Bereich der Wirtschaft, aber auch der klassischen Kultur und der Grundlagen
der Wissenschaften. So wurde die erste Sitzung mit zwei Videoausschnitten aus
Reden von LaRouche aus den Jahren 1997 und 2007 eröffnet, die lebhaft die
außerordentliche Weitsicht belegten, die seine gesamte Karriere prägte. Er
betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den USA und China für den
Aufbau großer Infrastruktur-Plattformen sowie die entscheidende strategische
Rolle der vier Nationen USA, Rußland, China und Indien für die Beendigung der
Weltordnung des Britischen Empire.
Helga Zepp-LaRouche versetzte das Publikum dann in den breiteren Rahmen der
Geschichte: Das heutige Zusammentreffen großer Krisen – die
Coronavirus-Pandemie, die Heuschreckenplage von Afrika bis Indien, die
drohende Welternährungskrise, steigende Arbeitslosigkeit usw. – sei nicht
einmal mit dem finsteren Zeitalter des 14. Jahrhunderts vergleichbar. Die Welt
müsse neue Prinzipien entdecken und „die langfristigen Ursachen der
gegenwärtigen Krise ermitteln, um sie zu überwinden und ein neues Kapitel der
Geschichte aufzuschlagen, indem wir die Ära der Geopolitik beenden und ein
neues System errichten, das auf der Identität der Menschheit als schöpferische
Gattung beruht.“
Frau LaRouche sprach auch über die aktuelle Eskalation in Richtung eines
Atomkrieges, mit der verschärften Propaganda derselben Kreise, die schon
hinter dem Putschversuch gegen Präsident Trump standen, wie dem MI-6 und der
Henry Jackson Society, sich diesmal jedoch gegen China richten. Doch diese
Operation entlarve auch den Feind, das Britische Empire, als ein sterbendes
Imperium, das völlig von der Realität abgekoppelt ist. Und wenn jemand
„bezahlen“ sollte – die Kriegsfraktion besteht jetzt darauf, daß China die
wirtschaftlichen Kosten des Virus erstattet –, dann ist es das Britische
Empire, das für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Verlust an
Menschenleben seit mehr als zwei Jahrhunderten bezahlen sollte.
Im Anschluß gab sie einen breiten intellektuellen Überblick über die
degenerierte liberale/neoliberale Weltordnung, von den völlig diskreditierten
Ansichten eines Thomas Malthus zur „Überbevölkerung“ über die Weltsicht von
Adam Smith bis hin zu deren modernen Ausdrucksformen wie der Spieltheorie und
der computergesteuerten Finanzspekulation, die auf Bertrand Russells
Korruption der Wissenschaft gründen. Als charakteristisch für die Bösartigkeit
des Empire zitierte sie Russells Forderung, es sollte regelmäßig ein Schwarzer
Tod über die Welt fegen, um „das Überbevölkerungsproblem zu lösen“.
Die Lösung, so betonte Helga Zepp-LaRouche, sei eine völlig neue Weltsicht,
die auf dem wissenschaftlichen Fortschritt der Menschheit basiert, wie
Erforschung des Weltraums, Fusionsenergie und Entwicklung des menschlichen
Genies. Die Zusammenarbeit zwischen souveränen Nationen zur Verwirklichung der
gemeinsamen Ziele der Menschheit müsse Vorrang vor Konflikten haben.
Die Sicht Rußlands und Chinas
Der nächste Redner war der Erste Stellv. Vertreter Rußlands bei der UNO,
Dmitrij Poljanskij, der auf die laufende COVID-19-Pandemie, ihre breiteren
sozialen Auswirkungen und die Notwendigkeit einer verstärkten globalen
Zusammenarbeit einging. Er betonte insbesondere, man müsse Schuldzuweisungen
an irgendwelche Länder vermeiden und dürfe nicht versuchen, die Krise zu
nutzen, um Konkurrenzkämpfe zu verstärken. Er forderte die G20 auf, sich
besonders der Anliegen der Entwicklungsländer anzunehmen.
Ihm folgte der Generalkonsul der Volksrepublik China in New York, S.E.
Huang Ping. Botschafter Huang sprach per Videoaufzeichnung, da er bei der
Übergabe medizinischer Hilfsgüter helfen mußte, die zur gleichen Zeit aus
China in Boston eintrafen. Er nutzte die Gelegenheit, um einen Überblick über
Chinas Sichtweise der aktuellen Pandemie und den Ansatz zu ihrer Bekämpfung zu
geben, und rief zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den USA und China
auf.
Es folgte eine kurze Fragerunde, Zhou Guolin, Wissenschaftsberater des
chinesischen Generalkonsulats in New York, beantwortete dabei Fragen im Namen
von Botschafter Huang. Die erste Frage betraf die Bedeutung eines visionären
Gipfels der Ständigen fünf Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, den Rußland
kürzlich angeregt hatte. Eine weitere Frage kam vom stellvertretenden
UN-Vertreter Südafrikas zur Rolle der Kernkraft bei der Entwicklung
Afrikas.
Europa muß sich der Gürtel- und Straßen-Initiative anschließen
Jacques Cheminade, dreimaliger Präsidentschaftskandidat in Frankreich,
begann die zweite Hälfte der ersten Sitzung, sein Vortrag trug den
vielsagenden Titel „Ein Europa, dessen man sich nicht schämen muß“. Cheminade
beschrieb seine Sicht der verlorenen Sache Europas unter dem gegenwärtigen
System von Kultur und Politik, wo „Lügen zu einer perversen Kunst geworden
ist“. Dann sprach er über die notwendigen Veränderungen, um die wahren
souveränen Nationen Europas wiederzubeleben, damit diese am neuen Paradigma
der Entwicklung teilhaben können. Er bezeichnete die 30 Jahre des
Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg als ein Beispiel für das wahre
Europa.
Es folgte Michele Geraci, Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger
Unterstaatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung Italiens.
Geraci verfügt über umfangreiche Erfahrungen in China und war während seiner
Zeit in der Regierung entscheidend daran beteiligt, Chinas globales „Gürtel
und Straße“-Entwicklungsprogramm bei den Italienern bekannt zu machen. Er
sprach sowohl über seine Erfahrungen in China, wo er mehr als zehn Jahre
verbrachte und an der Zhejiang University in Hangzhou lehrte, als auch über
seine Erfahrungen in der italienischen Regierung in den letzten Jahren, wobei
er betonte, man brauche mehr Fachwissen und Kompetenz und eine bessere
Vertretung des italienischen Volkes.
Erklärungen kamen auch von Bassam Al-Hachem von der Universität des Libanon
zur Krise in seinem Land, von Antonio „Butch“ Valdes von der Philippinischen
LaRouche-Gesellschaft sowie von Daniel Burke, unabhängiger Kandidat für den
US-Senat in New Jersey, der die Jugend der Welt aufrief, sich mit den Ideen
Lyndon LaRouches für globale Entwicklung einzusetzen. Fragen kamen u.a. von
den Botschaftern Costa Ricas, Malis und Nigerias in Kanada. Auch zwischen dem
Publikum und Zepp-LaRouche, Geraci und Cheminade entwickelte sich eine
lebhafte Diskussion über die Europäische Union.
Unsere Herrschaft über das Universum verbessern
Die zweite Konferenzsitzung trug den Titel „Für ein besseres Verständnis
der Funktionsweise unseres Universums“. Es war eine breit angelegte,
internationale Diskussion über die Anwendung menschlicher Kreativität,
Wissenschaft und Technik zur Verbesserung der Menschheit durch Zusammenarbeit
zwischen den Nationen. Jason Ross, der die Podiumsdiskussion moderierte,
erklärte zu Beginn, man könne den Aufbau eines Weltgesundheitssystems, wie ihn
Helga Zepp-LaRouche fordert, als Teil der strategischen Verteidigung der
menschlichen Gattung betrachten. Gemeinsam mit seinen Kollegen Megan Beets und
Benjamin Deniston vom Wissenschaftsteam der LaRouche-Bewegung erläuterte
Lyndon LaRouches Perspektive zur Umsetzung dieses Ziels.
Deniston erinnerte zunächst an den russischen Vorschlag für eine
Strategische Verteidigung der Erde (SDE) aus dem Jahr 2011, eine
offensichtliche Bezugnahme auf Präsident Ronald Reagans Vorschlag der
Strategischen Verteidigungsinitiative (SDI) 1983. Lyndon LaRouche war bekannt
als der geistige Vater dieser Politik Reagans, er hatte inoffiziell mit den
Sowjets darüber verhandelt, um deren Zustimmung zu einem solchen Plan zu
erhalten. Aber auch andere wetteiferten um ihre eigene Version der SDI – oft,
um LaRouches Vorschlag zu untergraben. Deniston definierte LaRouches SDI als
ein Wissenschafts-Motor-Programm – ähnlich John F. Kennedys Apollo-Projekt –,
das dazu beitragen sollte, die Volkswirtschaften beider Nationen aus der
Sackgasse zu holen und gleichzeitig die geopolitische Kluft zu überwinden, die
unter dem Prinzip „teile und herrsche“ entstanden war. Die Bedeutung der
internationalen Zusammenarbeit und der ständigen Erweiterung der Grenzen des
menschlichen Wissens waren ein roter Faden der Beiträge. Ein Videoclip
lieferte Lyndon LaRouches eigene Beschreibung des Konzepts.
Beets erläuterte, wie das SDE-Konzept Aspekte des Einflusses des Weltraums
auf das Wetter und den Schutz vor koronalen Massenauswürfen und
Sonneneruptionen umfassen würde. Beets und Deniston griffen auch andere Fragen
der Asteroiden- und Kometenabwehr, der langfristigen solaren und galaktischen
Zyklen auf, wie sich diese auf das Artensterben und auf die Lebenszyklen von
Viren auswirken können. Ross sagte, es wäre eine Tragödie, sich von einem
Virus oder einer gescheiterten Wirtschaftspolitik als Geisel nehmen zu lassen,
wenn wir es nicht schaffen, uns von gescheiterten Axiomen zu befreien.
Jean-Pierre Luminet, Astrophysiker und emeritierter Forscher am
französischen Nationalen Zentrum für Wissenschaftliche Forschung, griff dann
in seinem Vortrag „Die Rolle der freien Erfindung bei der kreativen
Entdeckung“ das Thema des wissenschaftlichen Denkens auf. Luminet erläuterte
seine Sicht der Entwicklung der Wissenschaft von der Antike bis zu Kepler,
Einstein und modernen Theorien, er betonte jedoch, wie ähnlich
wissenschaftliche Durchbrüche künstlerischen Ausdrucksformen sind.
Raumforschung ist der Schlüssel zur Zukunft
Es folgten zwei ehemalige Astronauten, Michel Tognini und Walt Cunningham.
Tognini, Brigadegeneral der französischen Luftwaffe und ehemaliger Astronaut
des CNES (Nationales Zentrum für Weltraumstudien) und der ESA, war auf der
russischen Weltraumstation Mir, der Internationalen Raumstation sowie
an Bord der Weltraumtransporter Columbia und Sojus insgesamt 19
Tage im Weltraum. Auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrungen plädierte er
nachdrücklich für enge Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen den
Weltraumforschern aller Länder. Walt Cunningham ist ein ehemaliger
NASA-Astronaut, der an der Apollo 7-Mission teilgenommen hat. Er beschrieb
diesen historischen Flug und den Geist, den die NASA heute braucht.
Die Astrophysikerin Dr. Marie Korsaga aus Burkina Faso beschäftigte sich
dann mit der Notwendigkeit der wissenschaftlichen Bildung für junge Afrikaner.
40% der Afrikaner sind unter 15 Jahre alt, was in den kommenden Jahren
explosive Folgen haben wird – im Guten oder im Schlechten, je nachdem, ob
dieser Reichtum mit Bildung und wirtschaftlicher Entwicklung kultiviert wird.
Sie machte sich auch Gedanken über Frauen in der Wissenschaft in Afrika, von
denen es leider nur wenige gibt.
Joe Pennacchio, Landessenator im US-Staat New Jersey, schloß sich in seinem
Vortrag „Kernfusion zur Realität machen“ Korsagas Appell für die Zukunft der
Jugend an. Pennacchio ist der Autor eines Gesetzesvorschlags im Landtag von
New Jersey für die Entwicklung der Kernfusion. Mit 65 Jahren kämpft er für die
Fusion als Energiequelle für die zukünftigen Generationen.
Will Happer, emeritierter Physikprofessor an der Princeton University, der
auch zeitweise in Präsident Trumps Nationalem Sicherheitsrat für
Wissenschaftsfragen zuständig war, gab seine Einblicke in den Streit um den
„menschengemachten Klimawandel“ und bezeichnete die Anhänger dieser These als
„Kultreligion“, deren Anhänger sich weigern, überhaupt darüber zu debattieren.
Happer beschrieb auch, wie viele wissenschaftliche Entdeckungen durch
„Unfälle“ zustande kamen, wenn Wissenschaftler feststellten, daß ihre
Experimente nicht die erwarteten Ergebnisse brachten und sie zwangen, ein
höher geordnetes Konzept der Gesetze des Universums zu entwickeln, um das
unerwartete Ergebnis zu erklären. Dieses Thema löste in der Frageperiode eine
sehr lebhafte Diskussion aus.
Dr. Kildare Clarke, Arzt aus New York, schilderte anschließend seine
Erkenntnisse über die Auswirkungen des Abbaus des öffentlichen
Gesundheitssystems in den USA durch die Privatisierung. Es folgte Dr. Guangxi
Li von der Chinesischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften in Peking
und der Mayo-Klinik. Li stellte seinen Erfolg bei der Anwendung der
traditionellen chinesischen Kräutermedizin bei der Behandlung von COVID-19 in
frühen Stadien vor, die anders als andere virale Pneumonien sei.
Die Sitzung schloß mit der Beantwortung von Fragen, u.a. über die Bedeutung
internationaler Zusammenarbeit, Möglichkeiten für junge Menschen, an
wissenschaftlichen Durchbrüchen teilzuhaben, und den Pessimismus und die
Verzweiflung zu beseitigen, der mit der Klimawandellobby verbunden sind.
Warum wir eine klassische Renaissance brauchen
Die dritte Sitzung begann mit einer Einführung von Dennis Speed vom
Schiller-Institut, der diesen Konferenzteil Lyndon LaRouche und dem berühmten
afroamerikanischen Baßbariton William Warfield widmete, der bis zu seinem Tod
im Jahr 2002 dem Vorstand des Schiller-Instituts angehörte.
Nach einer Aufführung von Beethovens Liederzyklus An die ferne
Geliebte durch den Tenor John Sigerson und die Pianistin Margaret
Greenspan wurde ein ausdrucksstarker Videoclip von Lyndon LaRouche bei einer
Ansprache in einem Konzert an der Howard University in den 90er Jahren
gezeigt. Er sprach über die notwendige Verbindung zwischen der klassischen
Wissenschaft und der klassischen Kunst und betonte, alle Kunst sei verstehbar,
keine Zauberei, und sie sei universell.
Helga Zepp-LaRouche erörterte in ihrem Eröffnungsvortrag Friedrich
Schillers großartiges Menschenbild, das Erreichen unserer wahren Identität als
schöpferische Wesen. Sie habe das große Glück gehabt, in der Schule Schiller
und andere klassische Werke kennenzulernen, die ihren Charakter und ihre
Weltanschauung tiefgreifend prägten und stärkten, bevor sie begann, sich mit
dem Zeitgeschehen zu beschäftigen. Einen Einblick in die heutige Kultur könne
man gewinnen, indem man sich anschaut, wie die Menschen auf die Ausgeh- und
Kontaktbeschränkungen aufgrund von COVID-19 reagieren. Während viele Menschen
als Reaktion darauf ihren schlimmsten hedonistischen Impulsen folgten, hätten
sich andere der klassischen Musik und der Inspiration durch die große Kunst
zugewandt. Dies sehe man in Italien, Frankreich, Deutschland und anderen
Ländern an den Menschen, die auf ihren Balkonen gemeinsam Opernstücke singen
und Musik aufführen.
Zepp-LaRouche führte die Zuhörer dann durch verschiedene Auszüge aus
Schillers Ästhetischen Briefen, um zu zeigen, warum der Künstler selbst
auf dem moralisch höchsten Niveau sein muß, da der eigentliche Zweck der
klassischen Kunst darin bestehe, die individuellen Ziele des einzelnen mit den
höheren Zielen der Menschheit in Einklang zu bringen.
Die Einzigartigkeit der Spirituals
Professor Eugene Thamon Simpson bot in seinem Vortrag „Hall Johnson und
Dvoraks Traum – vom Spiritual zum Kunstlied“ einen Rückblick auf einige
wesentliche Aspekte der Geschichte des afroamerikanischen Spirituals,
einschließlich des Kampfes darum, diese schöne Musik auf die Konzertbühne zu
bringen. Er zeigte die Verwandtschaft zwischen dem deutschen Kunstlied und dem
Spiritual auf. Nachdem die Spirituals anfangs an den Rand gedrängt und sogar
lächerlich gemacht wurden, habe die Ankunft von Antonin Dvorak in Amerika und
seine Entdeckung dieser Musik diese Kunstform befreit und veredelt.
Professor emeritus Willis Patterson aus Michigan widmete seinen Vortrag dem
Thema „Die Präsenz des klassischen Prinzips in der Volksmusik“. Es war eine
bewegende Diskussion über die veredelnde Wirkung von Volksliedern und
Spirituals auf die Seele als Quelle des Trostes und die auffällige Tatsache,
daß schöne Musik sinnvoller ist, als immer neue Kriege zu führen. Dr.
Patterson beendete seinen Vortrag mit einem Verweis auf Schillers Ode an
die Freude und spielte eine Aufnahme eines eigenen Auftritts als Solist
(Baßbariton) in Beethovens Neunter Symphonie vor.
„Die physische Kraft der klassischen Poesie und Musik“ war das Thema des
Vortrags von John Sigerson, dem musikalischen Direktor des Schiller-Instituts.
Er polemisierte gegen die Vorstellung, klassische Musik sei in ihren
Auswirkungen auf die physische Welt um uns herum nur eine „Stilfrage“, aber
kein physikalisches Prinzip. In der Klassik geht es um Musik mit einem Zweck,
im Gegensatz zu bloßen momentanen Effekten. Ausgehend von Zitaten von Max
Planck und Albert Einstein setzte Sigerson Agapē mit dem Hunger nach
Wahrheit gleich. Das sei ein Handlungsprinzip, das man sowohl in der
klassischen Musik als auch in der klassischen Wissenschaft antreffe.
Teng Jimeng, Professor für Amerikastudien an der Beijing Foreign Studies
University, gab mit einem Video aus Peking einen willkommenen Einblick in die
klassische Tradition in China. Er zitierte aus Präsident Xi Jinpings jüngsten
Schriften über Tugend und Kunst und erklärte, dies sei Teil der ästhetischen
Erziehung in China, zusammen mit Altruismus und Patriotismus. Teng erörterte
den Konfuzianismus, der die Verpflichtung der Chinesen präge, die alten
Menschen zu ehren und der Welt und den Notleidenden zu helfen.
Diane Sare und Leah DeGruchy vom Schiller-Institut sprachen dann über den
„Einsatz des Chors in der Politik“, wobei sie Beispiele aus Shakespeares
Kaufmann von Venedig sowie Beethovens Missa Solemnis und Bachs
Passionen anführten.
Ein begeistertes Grußwort an die Konferenz kam vom Dirigenten und Tenor
Gregory Hopkins aus New York, der seit vielen Jahren mit dem Schiller-Institut
zusammenarbeitet. Er berichtete, dies sei eine sehr schwierige Zeit für
Musiker, von denen so viele durch die Pandemie ihren Arbeitsplatz und ihre
Krankenversicherung verloren haben, er erinnerte jedoch an das bekannte
tröstliche Spiritual „I'm so glad trouble don't last always“ – „Ich bin so
froh, daß die Not nicht ewig währt“.
Auf die Vorträge folgte eine sehr intensive Diskussion, die sich am besten
auf Video verfolgen läßt. Vor allem aber rief Zepp-LaRouche alle Zuhörer auf,
sich ihr in einer weltweiten Renaissancebewegung anzuschließen.
Die Wissenschaft der physischen Ökonomie
Die vierte Sitzung, die sich mit LaRouches Wissenschaft der physischen
Ökonomie befaßte, umfaßte ein breites Spektrum von 16 Rednern sowie
zahlreichen Zuschauerfragen. In seinem Eröffnungsvortrag befaßte sich Dennis
Small, Direktor des Schiller-Instituts für Iberoamerika, mit der aktuellen
Krise der Zivilisation mit der Pandemie und dem finanziell-ökonomischen
Kollaps im Kontext von LaRouches grundlegendem, neuem Konzept der
„potentiellen relativen Bevölkerungsdichte“. Er zeigte eine Rede LaRouches von
1997, der darin erklärt, warum der Verfall der europäischen Zivilisation zur
Hungerkatastrophe des 14. Jahrhunderts führte, und davor warnt, die damaligen
„afrikanischen“ wirtschaftlichen Bedingungen würden diese Realität,
einschließlich Seuchen, in die ganze Welt bringen, „wenn wir das todgeweihte
IWF-System nicht ablösen können“. Small sagte unter Bezug auf LaRouche, die
potentielle relative Bevölkerungsdichte – ausgedrückt in den
wissenschaftlichen, technischen und kulturell-pädagogischen Fähigkeiten der
Gesellschaft, eine wachsende Bevölkerung zu versorgen und bereichern –, könne
auch auf ein Niveau unterhalb der vorhandenen Bevölkerungsdichte sinken, was
zu einer menschlichen Katastrophe führen kann. Er beschrieb LaRouches
Vorschlag der „Vier Gesetze“ von 2014 als unmittelbare Schritte zur Umkehrung
solcher Katastrophen und trug Helga Zepp-LaRouches Vorschlag für ein neues
„Weltgesundheitssystem“ vor.
Es folgten fünf Vorträge über die dringende wirtschaftliche Entwicklung
Afrikas, wobei die „potentielle relative Bevölkerungsdichte“ ein implizites
Thema war. Sébastien Périmony, Leiter der Afrika-Sektion des französischen
Schiller-Instituts, bezeichnete die Gründung von neun nationalen
Raumfahrtbehörden und einer Afrikanischen Weltraumbehörde in den letzten 20
Jahren als entscheidend für das Entwicklungspotential des Kontinents.
Satelliten können die Verbesserung der Landwirtschaft steuern, die ländliche
Bildung fördern, Terroristen und Heuschreckenschwärme aufspüren,
Krankheitsausbrüche kartieren und die enormen Möglichkeiten großer
Infrastrukturprojekte, wie das Transaqua-Projekt zur Wiederauffüllung des
Tschadsees, unter Beweis stellen. „Nichts ist lokaler als der Weltraum“, sagte
Périmony, und er erinnerte daran, daß die afrikanische Gesellschaft für
Weltraum und Wissenschaft mit Sitz in Äthiopien mehr als 10.000 Mitglieder
hat.
Cédric Mbeng Mezui ist der Gründer der Denkfabrik FinanceAfrika in Gabun
und Autor mehrerer Bücher, u.a. über die Bedeutung von Alexander Hamiltons
Kreditpolitik für Afrika (Unlocking the Potential of Africa – Ideas by
Alexander Hamilton). Er beschrieb Hamiltons Prinzipien für den Aufbau
eines nationalen Kreditwesens, der Inlandsnachfrage und der Lieferketten sowie
der Industrialisierung. Ihm folgte der ehemalige Vorsitzende der South African
Nuclear Energy Corp., Dr. Kelvin Kemm, der alle Zuschauer aufforderte, bei
dieser Konferenz „an die ganze Welt zu denken“.
Phillip Tsokolibane kehrte zum ursprünglichen Konzept von Dennis Small
zurück. „Wenn Afrika sein volles Potential ausschöpfen würde, dann würde es
ein wirtschaftliches Kraftzentrum“, sagte er. Gleich mehrere Redner erinnerten
an die enorme Größe Afrikas und seines fruchtbaren Landes, mit 1,3 Milliarden
Afrikanern auf einem Kontinent, in dessen Fläche Regionen mit fast 4
Milliarden Menschen (China, Indien, USA und EU zusammen) hineinpassen würden.
Die potentielle relative Bevölkerungsdichte nach LaRouches Begriff sei dort
also sehr gering, und sie könnte unter die reale heutige Bevölkerungsdichte in
Afrika fallen, was – wie schon Small gewarnt hatte – eine große Zahl unnötiger
Todesfälle verursachen könnte. Daher sind der unmittelbare Aufbau eines
Gesundheitssystems, das den Menschen an die erste Stelle setzt („People
First“) und die wirtschaftliche Entwicklung für Millionen Menschen eine Frage
von Leben oder Tod.
Die Diplomatin Yang Yan vom chinesischen Konsulat in Paris beschrieb, wie
China und Frankreich versuchen, Chinas produktive Kapazität mit den
fortgeschrittenen technologischen Kapazitäten Frankreichs zu kombinieren, um
die wirtschaftliche Produktivität in Afrika durch Investitionen zu verbessern.
Sie betonte, daß diese Zusammenarbeit „anderen Ländern und internationalen
Organisationen angeboten wird, um zur Entwicklung Afrikas beizutragen“.
Den Menschen dienen, nicht den Banken
Die folgenden Beiträge gingen auf verschiedene Aspekte des Scheiterns des
neoliberalen, monetaristischen Finanzsystems ein. Sechs führende Vertreter von
Bauernverbänden aus den USA, die der Agrarexperte des Schiller-Instituts Bob
Baker vorstellte, beschrieben, warum die unabhängige Landwirtschaft in Amerika
nicht mehr überleben kann. Die Preise für die amerikanische und europäische
Agrarproduktion sind seit mehreren Jahren extrem niedrig und stürzen nun
weiter ab, da die Lebensmittelversorgungsketten unter den Pandemiebedingungen
unterbrochen sind. Alle Bauernvertreter forderten Paritätspreise für
landwirtschaftliche Güter. (Wir werden in einer späteren Ausgabe ausführlicher
auf dieses Thema eingehen).
Professor Mario Roberto Morales aus Guatemala gab einen Überblick über die
Unterschiede zwischen einer produktiven und einer spekulativen Wirtschaft.
Nach ihm beschrieb Jack Lynch, ehemaliger Leiter der First Midwest Bank of
Illinois, wie er 2016 erreichte, daß die Wiedereinführung der
Glass-Steagall-Bankentrennung in das Präsidentschaftswahlprogramm der
Republikaner aufgenommen wurde. Er hatte LaRouches Analysen bereits viele
Jahre verfolgt. Der ehemalige Exekutivdirektor für Japan beim IWF, Daisuke
Kotegawa, beschrieb, wie 2008 große Banken und Hedgefonds auf Kosten der
Gesundheitssysteme, der Lebensstandards der Arbeitnehmer und der kleinen
Unternehmen gerettet wurden. Ellen Brown, Präsidentin des Public Banking
Institute, hielt einen Vortrag über „Produktive Kredite im Gegensatz zu
räuberischen Schulden“ und stellte fest, daß LaRouche bereits vor 40 Jahren
direkte Währungsemissionen des Finanzministeriums vorgeschlagen hatte.
Am Ende der zweitägigen Beratungen forderte Zepp-LaRouche alle Zuhörer auf,
die vom Schiller-Institut vorgeschlagene Lösung für die Krisen aufzugreifen,
„insbesondere den Vier-Mächte-Ansatz, den wir vorantreiben. Machen Sie mit bei
einer umfassenden Mobilisierung für diesen Vorschlag.“
Erster Band von LaRouches gesammelten Werken veröffentlicht
Im Verlauf der Konferenz wurde der erste Band der gesammelten Werke von
Lyndon LaRouche vorgestellt, herausgegeben von der LaRouche Legacy Foundation
(im englischen Original). Er enthält einige seiner wichtigsten
wirtschaftswissenschaftlichen Schriften, die bis in die frühen 1970er Jahre
zurückreichen. Dazu wurde eine Videopräsentation gezeigt, die Helga
Zepp-LaRouche im vergangenen Jahr zur Erläuterung der Initiative gemacht hat.
Sie stellt dort fest, daß LaRouches Denkmethode ihn auf die Ebene jener
wenigen Denker stellt, die „durch ihren intellektuellen Beitrag das gesamte
Wissen ihrer Zeit verändern und die Grundlage für kommende Generationen
schaffen“. In der heutigen Zeit, in der sich der Westen wirtschaftlich,
kulturell und wissenschaftlich in einer tiefen Krise befinde, könne die weite
Verbreitung von LaRouches Ideen eine neue Renaissance auslösen, mit ebenso
weitreichenden Folgen wie die italienische Renaissance. Sie rief alle auf,
nach Kräften dazu beizutragen, unter anderem durch Spenden an die Legacy
Foundation und durch den Kauf mehrerer Exemplare des Buches, um es Schulen und
Bibliotheken zu spenden. Der Link zur Webseite ist:
https://www.larouchelegacyfoundation.org/collected-works/volume1.
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