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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Die Notwendigkeit wissenschaftlicher Bildung für Afrikas Jugend

Von Marie Korsaga

Die Astrophysikerin Maria Korsaga aus Burkina Faso hat als erste Frau in Westafrika in Astrophysik promoviert; sie war der Konferenz aus Südafrika zugeschaltet.

Mein Name ist Marie Korsaga, ich bin Astrophysikerin und komme ursprünglich aus Burkina Faso. Meine Forschung konzentriert sich auf die Verteilung von dunkler und sichtbarer Materie in Galaxien. Vereinfacht läßt sich sagen, daß die sichtbare Materie – d.h. die gewöhnliche Materie aus Protonen, Neutronen, Elektronen, alles, was mit unseren Geräten beobachtbar ist - nur etwa 5% des Universums ausmacht; der Rest ist unsichtbare Materie, die sich wie folgt verteilt: 26% dunkle Materie und 68% dunkle Energie. Mit Hilfe der dunklen Materie mit ihrer Gravitationskraft kann man die Tatsache erklären, daß die Galaxien nahe beieinander bleiben, während die dunkle Energie bewirkt, daß sich das Universum mit der Zeit schneller „ausdehnt“. Wir können also nicht von einem Verständnis des Universums sprechen, wenn wir nur etwa 5% seiner Bestandteile kennen. Um unser Universum zu verstehen, d.h. seine Entstehung und Entwicklung erklären zu können, ist es also unerläßlich, zu verstehen, was dunkle Materie und dunkle Energie sind.

Dunkle Materie, wie der Name schon sagt, ist etwas, das man selbst mit den raffiniertesten Teleskopen nicht sehen kann. Bisher wurden noch nie Teilchen der dunklen Materie nachgewiesen; dennoch spüren wir ihre Anwesenheit dank ihres Einflusses auf die Schwerkraft. Der Zweck meiner Forschung ist es, zu untersuchen, wie dunkle Materie innerhalb von Galaxien verteilt ist, um die Entstehung und Entwicklung unseres Universums und damit den Ursprung des Lebens auf der Erde besser zu verstehen.

Neben meiner Forschung interessiere ich mich auch für die Entwicklung der Astronomie in Afrika. Zu diesem Zweck arbeite ich im Office of Astronomy for Development (OAD) an einem Projekt, das darin besteht, die Astronomie als Entwicklungsfaktor fast überall auf der Welt, vor allem aber in den Entwicklungsländern zu nutzen, indem Projekte im Zusammenhang mit Bildung, Bildungstourismus usw. unterstützt werden.

Wenn wir über Bildung sprechen, ist es wichtig, daran zu erinnern, daß Afrika nach Angaben der Afrikanischen Union die jüngste Bevölkerung der Welt hat, mehr als 40% sind Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren, was in den nächsten zehn Jahren zu einer demographischen Explosion führen wird. Dieses Bevölkerungswachstum hat Nachteile, aber auch Vorteile. Die Kehrseite ist die Gefahr, daß diese jungen Menschen, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden – nämlich Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung für Jungen und Mädchen, insbesondere in den Naturwissenschaften –, statt zu einer Quelle der Entwicklung des Kontinents eher zu einer Quelle sozioökonomischer und politischer Instabilität und Konflikte werden, die den Kontinent weiter ins Elend stürzen. Die Vorteile sind jedoch so groß, daß dieses demographische Wachstum, wenn es durch ein gut entwickeltes Bildungssystem und von wirkungsvollen Maßnahmen auf Seiten der öffentlichen Politik wie auch des Privatsektors begleitet wird, eine große Quelle für eine nachhaltige Entwicklung des Kontinents auf wirtschaftlicher und politischer Ebene sein wird. Dazu ist es sehr wichtig, erhebliche Investitionen im Bereich der Bildung mit Schwerpunkt auf Innovation, Wissenschaft und Technologie zu tätigen. Es sei darauf hingewiesen, daß afrikanische Hochschulabsolventen heute ihren Abschluß vor allem in den Bereichen Literatur und Humanwissenschaften machen: MINT-Studenten (Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik) machen laut Weltbank im Durchschnitt nur 25% der Abschlüsse aus. Zudem sind Frauen in diesen Bereichen unterrepräsentiert.

Ich selbst bin die erste Frau, die in Burkina Faso und sogar in ganz Westafrika in Astrophysik promoviert hat; das mag schmeichelhaft klingen, aber es offenbart eine ziemlich beunruhigende Diagnose, obwohl es ein Hoffnungsstrahl ist. Selbst wenn es in der Region ein Dutzend Doktoranden auf diesem Gebiet gibt, sind unter ihnen fast keine Frauen. Leider zeigt dies, daß wir von einer Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft noch weit entfernt sind, und es bleibt noch viel zu tun. Was wir brauchen, ist ein Mentalitätswandel und ein besserer Zugang für Frauen zur Wissenschaft, insbesondere für die Unterprivilegierten. Es ist nicht unbekannt, daß ein Berufsweg in der Astrophysik einen Studiengang in Physik erfordert, was für Frauen in unseren Gesellschaften nicht offensichtlich ist, denn die Mehrheit der Menschen ist der Meinung, die naturwissenschaftlichen Bereiche seien den Männern vorbehalten und die Frauen gehörten in den literarischen Bereich. Dies hat zur Folge, daß Frauen davon abgehalten werden, sich für ein langes Studium zu entscheiden, vor allem in wissenschaftlichen Bereichen, und selbst wenn sie sich für ein solches entscheiden, neigen sie dazu, bei den ersten Hindernissen aufgrund mangelnder Unterstützung aufzugeben. Ich kann für mich heute sagen, daß ich diese Barriere auf meiner Ebene durchbrochen habe, und ich möchte dieses Privileg nutzen, um so viele Mädchen wie möglich zu inspirieren und zu ermutigen, sich genauso zu entscheiden.

Es stimmt, daß heute von mehreren Regierungen Anstrengungen unternommen werden, um mit diesen Klischeevorstellungen aufzuräumen – zum Beispiel mit dem NEF (Next Einstein Forum) in Ruanda, einer Plattform für die Popularisierung der Wissenschaft, die Studentinnen durch Stipendien Möglichkeiten eröffnet, oder mit dem Netzwerk von Frauen in der Wissenschaft namens OWSD (Organisation für Frauen in der Wissenschaft für die Dritte Welt), das Mädchen und Frauen in den MINT-Bereichen Möglichkeiten bietet. Es gibt jedoch noch viel zu tun, denn die angemessene Repräsentation von Frauen in der Wissenschaft ist noch lange nicht erreicht. Über die Forschung hinaus beabsichtige ich, zur Ausbildung junger Menschen in der Wissenschaft in Burkina Faso und in Afrika im allgemeinen beizutragen, indem ich Kurse an Universitäten gebe und auch Masterstudentinnen und Doktorandinnen betreue. Ich habe auch vor, Maßnahmen zur Popularisierung der wissenschaftlichen Ausbildung im allgemeinen und der Astrophysik im besonderen in Ländern einzuleiten, in denen der Zugang zur Wissenschaft begrenzt ist. Dies wird dazu dienen, Mädchen und Jungen (insbesondere Mädchen) zur Aufnahme eines wissenschaftlichen Studiums zu motivieren.

Es gibt noch weitere zukünftige Initiativen, die ich in Zusammenarbeit mit anderen Forschern durchzuführen plane, nämlich die Einrichtung naturwissenschaftlicher Schulen in Afrika, die besonders Frauen gewidmet sind, die Organisation von Workshops, um Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit zu geben, über ihre inspirierende Arbeit zu sprechen und ihr Selbstvertrauen zu stärken, die Gründung eines Astronomie-Clubs für Kinder usw.

Die Astronomie ist nicht nur als Wissenschaft faszinierend, sondern sie kann auch als Entwicklungsinstrument eingesetzt werden, z.B. durch Bildung und Tourismus. Die Internationale Astronomische Union (UIA) ist sich dessen bewußt und unternimmt große Anstrengungen, um diese Entwicklungsperspektive in den Entwicklungsländern aufzugreifen und die von den Vereinten Nationen festgelegten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen.

Ein typisches Beispiel in Subsahara-Afrika hierfür ist Südafrika, wo die Installation von Teleskopen in mehreren Ortschaften nicht nur dazu beiträgt, die Wissenschaft beliebter zu machen und Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen, sondern auch die Wirtschaft und den Ausbau der Infrastruktur in diesen Ortschaften angekurbelt hat. Der aktuelle Kontext, in dem wir uns befinden, insbesondere die COVID-19-Pandemie, erinnert uns daran, welche wichtige Rolle die Wissenschaft in unserem Leben und unserem Bildungssystem spielen muß. Die afrikanischen Behörden müssen davon überzeugt werden, daß es mehr als notwendig ist, einen großen Teil der nationalen Haushalte für die Unterstützung und Förderung von Studium und Forschung aufzuwenden, denn Investitionen in das Humankapital sind ein sicheres Mittel für das Wachstum eines Landes.

Um unseren Kontinent aus der Unterentwicklung herauszuführen, müssen wir vor allem verstehen, daß wir unsere Programme viel effektiver umsetzen müssen. Die Konzentration auf Bildung und Ausbildung in Wissenschaft, Technologie und Innovation, insbesondere in der Weltraumwissenschaft, kann nicht nur das Humanpotential erhöhen, das eine Quelle nachhaltiger Entwicklung ist, sondern auch die Kontrolle über unsere Rohstoffe verbessern, was sich auf die Wirtschaft des ganzen Kontinents positiv auswirken würde. Afrika verfügt über eine immense Menge an Rohstoffen, die für den Ausbau der Industrie unerläßlich sind. Wir müssen dazu kommen, diese Ressourcen zuerst für unsere eigene Entwicklung auszubeuten, und zwar durch Frauen und Männer, die auf dem Kontinent ausgebildet werden, und mit entsprechenden kompatiblen Techniken.