Friedrich Schiller Denkmal
Friedrich Schiller



Hauptseite
       

Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Warum der Zusammenbruch unvermeidlich ist

Das britische Wirtschaftssystem gegen das amerikanische

Von Paul Gallagher

Paul Gallagher ist Wirtschaftsredakteur des Nachrichtenmagazins EIR. Im vierten Abschnitt der Internetkonferenz des Schiller-Instituts am 6. September hielt er den folgenden Vortrag.

Zwischen 1971 und 1973 zerstörten die Banken der Londoner City und ihre Offshore-Zentren das von Präsident Franklin Roosevelt geschaffene Geld- und Kreditsystem der Nachkriegszeit von Bretton Woods. Londons Offshore-Banken brachen mit dem Segen der Bank von England alle Regeln von Bretton Woods und organisierten mit dem US-Dollar einen gigantischen „Carry Trade“, der als Eurodollar- und Petrodollarmarkt bekannt wurde. Diese Märkte verwendeten wieder das britische Standard-Bankenmodell: die direkte Kreditvergabe zu sehr hohen Zinssätzen an souveräne Regierungen, in diesem Fall an Entwicklungsländer.

In den nächsten Jahren bis 1980 nahmen diese britischen Banken die Wall Street ins Schlepptau und organisierten über diese Märkte zwei riesige Ölschwindel: Es wurde eine ausufernde Inflation in den Industrieländern ausgelöst, eine „Schuldenbombe“ der Dritten Welt gezündet, und die Weltwirtschaft wurde von einer Spekulation mit Devisen, Zinssätzen usw. überrollt. Weitere fünf Jahre Später wurde die überwiegende Mehrheit der neuen Dollarwährung faktisch zu Spekulationszwecken in London geschaffen.

Dieses Londoner und Offshore-System der frei schwankenden Wechselkurse ist dann nach 35 Jahren Deindustrialisierung und Übernahme aller wirtschaftlichen Aktivitäten durch die Finanzwirtschaft in der gewaltigen Implosion der Derivatmärkte, die die Weltfinanzkrise und große Rezession von 2008 auslöste, zusammengebrochen. Trotz mehr als einem Jahrzehnt heroischen keynesianischen Gelddruckens der großen Zentralbanken der Vereinigten Staaten, Europas und Japans gelang es nicht, eine industrielle Erholung, Produktivität oder auch nur Inflation herbeizuführen, und auf jeden Dollar des weitgehend unproduktiven BIP kamen sieben Dollar an Schulden und Derivaten hinzu. Das System der freien Wechselkurse steht vor einem weiteren finanziellen Zusammenbruch, ausgelöst durch unbezahlbare Unternehmensschulden und deren Derivate, und eine „Erholung“ ist unmöglich.

Auf der Konferenz von Bretton Woods nach dem Zweiten Weltkrieg hatte u.a. der berühmte Ökonom John Maynard Keynes einen britischen Plan vorgestellt, der die Idee widerspiegelte, daß der Handel und „Handelspräferenzen“ die Quelle des Wohlstands in der Nachkriegswelt sein sollten. Der Weltwährungsfonds (IWF) sollte dazu dienen, den Welthandel „auszugleichen“: Länder mit Handelsüberschüssen sollten dazu gebracht werden, diese für Importe aus Defizitländern auszugeben, um die Überschüsse auszugleichen. Täten sie dies nicht innerhalb einer bestimmten kurzen Frist, würde der Überschuß durch die vom IWF vorgeschlagenen „Verrechnungsvereinbarungen“ beschlagnahmt. Länder mit Überschüssen sollten diese Überschüsse nicht als Kapital für den Ausbau der inländischen Wirtschaft verwenden dürfen. Zur Verwaltung dieser „Verrechnungsvereinbarungen“ wollte man eine Weltwährung oder eine „nicht konvertierbare Rechnungseinheit“ schaffen.

Abgesehen von Keynes’ Theorien verlangte die britische Delegation, daß Großbritanniens „imperiale Handelspräferenzen“ innerhalb eines „Sterling-Blocks“ beibehalten werden sollten.

Trotzdem spiegelte das von Franklin Roosevelt geprägte „System“ von Bretton Woods eindeutig das Amerikanische System der Ökonomie wider. Es zielte darauf ab, die internationale Spekulation, d.h. den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr zu Spekulationszwecken, zu unterbinden. Die Wechselkurse waren stabilisiert, annähernd fest, nicht an den Goldstandard gebunden, sondern an den Dollar gekoppelt und auf Goldreserven gestützt. Devisenkontrollen wurden gefördert, Kapitalkontrollen jeder Nation erlaubt. Die Zinssätze für Einlagen wurden durch nationale Gesetze begrenzt, um schädliche Leerverkäufe zu unterbinden. Geschäfts- bzw. Kreditbanken waren in den großen Industrienationen von spekulativen Investmentbanken gesetzlich getrennt. Die Weltbank sollte nach Roosevelts – nicht verwirklichter – Absicht Kredite für die wichtigsten Entwicklungsprojekte in den unterentwickelten Nationen vergeben.

Das Amerikanische System

Das amerikanische Wirtschaftssystem war von Alexander Hamilton entwickelt worden. Als erster US-Finanzminister widersprach Hamilton zwei grundlegenden Vorstellungen darüber, was Wohlstand, Wert und Fortschritt für Volkswirtschaften erzeugt. Die französischen Physiokraten sagten, die Quelle des wirtschaftlichen Reichtums oder Profits sei der Grund und Boden; er allein könne mehr Wert zurückgeben oder erzeugen, als ihm durch menschliche Arbeit oder Kapital zugeführt wird, die lediglich, von einem Zyklus zum nächsten, ihren eigenen Wert reproduzieren. Diese Vorstellung war auf in der einen oder anderen Form unter den Anführern der amerikanischen Unabhängigkeit weit verbreitet.

Die englischen Wirtschaftsschulen hingegen lehrten, die Quelle des Wertes sei der Handel – billig kaufen und teuer verkaufen zu können –, daher solle man wo immer möglich das produzieren, was ein Land mit dem größten Gewinn exportieren und billig importieren konnte. Das wird heute als die Idee des „Wettbewerbsvorteils“ gelehrt.

Adam Smith schrieb in seinem Buch Der Wohlstand der Nationen immer und immer wieder, unterschiedlich formuliert: „Wenn die Amerikaner ... die Einfuhr europäischer Erzeugnisse stoppen würden und, indem sie denjenigen ihrer Landsleute, die ähnliche Waren herstellen könnten, ein Monopol einräumen, einen beträchtlichen Teil ihres Kapitals in diese Beschäftigung umleiten würden, dann würden sie den weiteren Anstieg des Wertes ihrer jährlichen Produktion verzögern, anstatt ihn zu beschleunigen, und den Fortschritt ihres Landes hin zu wahrem Reichtum und Größe behindern, anstatt ihn zu fördern.“ Mit anderen Worten: Versucht nicht, eine Volkswirtschaft zu entwickeln, die auf eigenen Beinen stehen kann, ihr wärt die Verlierer.

Die britisch-indischen Kolonialbeziehungen waren der Inbegriff der britischen Wirtschaftsdoktrin des „Freihandels“: Das koloniale Indien hatte ab 1820 mehr als ein Jahrhundert lang einen großen Handelsüberschuß mit der Welt – 40% davon aus erzwungenen Opiumverkäufen an China. Und es war gezwungen, all diesen Überschuß und noch mehr zu verwenden, um Industriegüter sowie Gold und Silber aus Großbritannien zu kaufen, mit dem es gleichzeitig ein großes Handelsdefizit hatte.

Das war das System der „imperialen Präferenzen“, das Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen Franklin Roosevelt und Winston Churchill über die Wirtschaftspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg war. Indiens Kapital wurde nicht in Indien investiert, sondern floß über den sogenannten „Handel“ ständig nach Großbritannien ab. Die indische Landwirtschaft produzierte zwar den größten Teil der Exporte, die diesen Handelsüberschuß mit der Welt ermöglichten, war aber trotzdem nicht mehr in der Lage, zuverlässig Nahrungsmittel zu produzieren, und in dieser Zeit starben zigmillionen Inder in beispiellosen Hungersnöten.

Als Finanzminister Hamilton die Berichte verfaßte, in denen die Wirtschaftswissenschaft der Amerikanischen Schule vorgestellt wurde, hatte er erkannt, daß die wahre Quelle des wirtschaftlichen Wertes in der schöpferischen Erfindungskraft des Menschen liegt, die zur Verbesserung der Qualifikation der Arbeitskräfte und zur Schaffung künstlicher Arbeitskräfte in Form von Maschinen eingesetzt wird. Sein Bericht an den US-Kongreß von 1790 Über das Manufakturwesen begann mit einer direkten Erklärung und Widerlegung zunächst der physiokratischen Doktrin und dann des britischen Dogmas von Smiths Wohlstand der Nationen. Gegen den hartnäckigen Widerstand seiner Zeitgenossen verbreitete er den Gedanken, daß die Manufaktur nicht nur ebenso viel neuen Wert schafft wie Grund und Boden, sondern mehr; und noch mehr mit einer größeren Vielfalt der Manufakturen und einer stärkeren Arbeitsteilung; und nochmals mehr mit mehr menschlicher, kreativer Erfindung.

In diesem Bericht findet sich Hamiltons berühmtester Ausspruch über die menschliche schöpferische Erfindung und Wirtschaft: „Die Tätigkeit des menschlichen Geistes zu würdigen und anzuregen, indem man die Gegenstände des Unternehmertums vervielfacht, gehört nicht zu den unbedeutendsten unter den Mitteln, mit denen der Reichtum einer Nation gefördert werden kann.“

Er schrieb dort auch: „Die Erfahrung lehrt, daß die Menschen oft so sehr von dem beherrscht werden, was sie zu sehen und zu praktizieren gewohnt sind, daß ... Verbesserungen nur mit Zögern, mit Widerwillen ... angenommen werden... Um die wünschenswerten Veränderungen so früh wie möglich herbeizuführen, wie es zweckmäßig ist, kann daher die Anregung und Schirmherrschaft der Regierung erforderlich sein... Es ist von Bedeutung, daß das Vertrauen vorsichtiger, kluger Kapitalisten, sowohl von Bürgern als auch von Ausländern, geweckt wird. Und um bei den so beschriebenen Personen Vertrauen zu erwecken, ist es von wesentlicher Bedeutung, daß man ihnen bei jedem neuen und ... riskanten Projekt die Aussicht auf ein solches Maß an Zustimmung und Unterstützung seitens der Regierung vermittelt, das in der Lage sein könnte, die mit den ersten Experimenten untrennbar verbundenen Hindernisse zu überwinden.“

Eines der wichtigsten Prinzipien Hamiltons war die Arbeit der Banken: Sie sammeln die Ersparnisse der Nation als Einlagen und stellen sie denjenigen zur Verfügung, die sie zu einem bestimmten Zeitpunkt am produktivsten nutzen können, indem sie Kredite vergeben, in erster Linie an produktive Unternehmen und in zweiter Linie an Einzelpersonen und Haushalte. Sie spekulieren nicht mit Wertpapieren, Makler- oder Immobiliengeschäften, wie es verschiedene Arten von Investitionspartnerschaften tun.

Wir nennen dies heute Geschäftsbank; im britischen System der variablen Wechselkurse wurde sie nach und nach durch die heutigen riesigen Universalbanken der Wall Street und City ersetzt, und die Glass-Steagall-Bankentrennung wurde aufgegeben.

Die von Hamilton gegründete Nationalbank, die Bank of the United States, war einfach eine größere Geschäftsbank, die ausdrücklich nationale, „öffentliche Zwecke“ verfolgte, darunter die Gewährleistung eines ausreichenden Umlaufs von ordnungsgemäß fundierten Staatsschulden in Form von Goldreservewährung, und die Kredite für nationale Projekte neuer wirtschaftlicher Infrastruktur vergab.

Die Bank von England entsprach in keiner Weise Hamiltons Nationalbankmodell. Sie wurde 1694 als eine Investitionspartnerschaft wohlhabender Makler gegründet, um der britischen Regierung 1,2 Millionen Pfund zu dem sehr hohen Zinssatz von 8% zu leihen. Und in diesem Jahr am 8. April, rund 325 Jahre später, verkündete sie noch immer ihre Absicht, der britischen Regierung bei Bedarf direkt Geld zu leihen. Hamiltons Grundsätze verlangten, daß die Regierung angemessen fundierte Schulden an das Volk und private Institutionen verkauft und nicht an ihre eigene Nationalbank. Hamilton sagte, die von ihm vorgeschlagene und 1790 gegründete Nationalbank würde die von der Öffentlichkeit erworbenen Staatsschulden als ihr Kapital halten, aber auch Einlagenkonten der Öffentlichkeit annehmen und Unternehmen und Institutionen, die neue Produktionskapazitäten und neue wirtschaftliche Infrastruktur schaffen, Kredite gewähren. Das nationale Kreditinstitut würde tätig werden, um öffentliches Kapital mit privatem Kapital für Investitionen „für öffentliche Zwecke“ zu kombinieren, und nicht mit dem Ziel, eine hohe Rendite aus privatem Kapital zu erzielen.

Lyndon LaRouche ging über Hamilton noch hinaus, indem er definierte, welche Art von menschlicher Erfindung die Gesellschaft voranbringt, wenn sie durch Kredite realisiert wird. Es muß, wie es in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte immer wieder der Fall war, eine Erfindung sein, welche die Energieflußdichte der eingesetzten Technologien erhöht und dadurch die durchschnittliche Produktivkraft der Bürger und die potentielle Bevölkerungsdichte der Gesellschaft steigert.