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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Krise und Hoffung: ein Bericht aus dem Libanon

Von Bassam El-Hachem

Professor Bassam El-Hachem ist Professor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Libanesischen Universität in Beirut.

Frau Helga Zepp-LaRouche, meine Freunde vom Schiller-Institut, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ich grüße Sie herzlich aus Byblos im Libanon, und gerade auf den Libanon werde ich mich in meinen Ausführungen konzentrieren.

Mein Land befindet sich in einer schrecklichen wirtschaftlichen und sozialen Krise. Das ist bekannt, denn wir kennen Cheminade und Christine Bierre in Paris seit Jahren. Aber wir leiden im Kleinen unter den globalen Problemfragen, mit denen sich die Konferenz befaßt. Dazu gehört auch die Krise eines beispiellosen Volksaufstandes, der am 17. Oktober begonnen hat und der trotz der gegenwärtigen Abriegelung bis heute unaufhaltsam seinen Lauf nimmt.

Ich habe nur 5 oder 7 Minuten Zeit, also will ich gleich auf den Kern der Sache eingehen, ich werde einige Punkte auf der Liste anführen.

Was die Krise und die Zusammenbruchskrise im Libanon betrifft, so gibt es drei Hauptaspekte.

Erstens zeichnet sich ein finanzieller und wirtschaftlicher Zusammenbruch ab, mit einer Staatsverschuldung, die nahe an der astronomischen Zahl von 90 Milliarden Dollar liegt, was 170% des BIP entspricht, gekoppelt mit einem sehr hohen Schuldendienst, der 10-11% des BIP entspricht, und mit einem Haushaltsdefizit, das 2019 bis zu 16% des BIP betragen wird, aber auch mit einem gravierenden Defizit in der Zahlungsbilanz verbunden ist.

Zweitens verschlechtern sich die realen Lebensbedingungen in Libanon kontinuierlich, so weit, daß eine endemische Stagnation der Löhne zu einer Verschlechterung der Kaufkraft der Einkommen geführt hat, was mit einer Erhöhung der Steuern auf importierte Produkte einhergeht, die fast 80% der im Libanon konsumierten Produkte ausmachen. Und ab Sommer 2019 begann die Kürzung der Pensionen und Renten des öffentlichen Dienstes und der Streitkräfte. Hinzu kommt eine Arbeitslosenquote in der Größenordnung von 30-33% der im Libanon lebenden Arbeitskräfte, insbesondere unter der Jugend, die junge Libanesen ins Exil treibt.

Und das dritte ist der skandalöse Verfall der Infrastruktur und der von ihr erbrachten Dienstleistungen, Strom wird abgestellt und fällt aus.

Was die treibenden Kräfte dieser Krise anbelangt, sehe ich folgendes, es sind drei Elemente.

Erstens gibt es das grundlegende Problem der Korruption an der Macht, deren Hauptkoordinaten sich seit Anfang der 90er Jahre bis auf einige kleinere Anpassungen seit 2005 nicht geändert haben. Abgesehen von kleinen Änderungen hat die Korruption eigentlich nie aufgehört.

Zweitens herrscht seither eine im wesentlichen rentenkapitalistische Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Verschuldung begünstigt und Kapital anzieht, das in Staatsanleihen zu jährlichen Zinssätzen angelegt wird, die zeitweise die sehr beunruhigende Schwelle von 40-45% erreicht haben. Dies führte zu einem Anstieg der Staatsverschuldung, zur Anhäufung von Privatvermögen durch simple Unterschlagung zum Nachteil des öffentlichen Interesses und anschließend zum Ruin der Landwirtschaft und der Industrie, die von potentiellen Investoren zugunsten reiner Finanzinvestitionen verlassen wurden.

Das dritte ist natürlich der Krieg in Syrien mit seinen schädlichen Auswirkungen auf die libanesische Wirtschaft, mit dem Zustrom – zusätzlich zu den Palästinensern in den letzten 60 Jahren –, der Tragödie all der Flüchtlinge, die vor dem Krieg in Syrien fliehen, sowie seine schädlichen Auswirkungen auf die libanesische Wirtschaft. Es ist eine riesige Masse von Syrern, die vor dem Krieg fliehen, etwa eine Million Menschen, die zu den vier Millionen Einwohnern des Libanon hinzugekommen sind. Dies führte einerseits zu einer unhaltbaren Lage für die libanesischen Arbeitskräfte und für den Markt für lokale Produkte, und zum anderen zu einer beispiellosen Sperrung der Landroute, die für den Transport der libanesischen Produktion sowohl der Industrie als auch der Landwirtschaft, nach Jordanien und insbesondere in alle Länder des Arabischen Golfs, vor allem aber auf den irakischen Markt, unersetzlich ist.

Zu den Hindernissen, die dem Ausweg aus der Krise im Wege stehen, läßt sich folgendes sagen:

    1. eine Politik der Vereinigten Staaten, die Gegner einer Lösung sind. Es ist die systematische Politik der Vereinigten Staaten mit wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen, die an die Stelle der Kanonenboote vergangener Zeiten treten, vorzugsweise im Dienste Israels, die das Land der Zeder erstickt und die Banken unter Druck setzt.

    2. Druck, der in ähnlicher Weise von derselben Supermacht ausgeübt wird, um dieses Land zu zwingen, den Verlauf der Land- und Seegrenzen zu Israel und dem besetzten Palästina zu ändern, was zur Folge hat, die Fortschritte des Libanon bei der Öl- und Gasförderung im Mittelmeer so weit wie möglich zu verzögern.

    3. verbieten uns die Vereinigten Staaten von Amerika durch ihre Handlanger auch jegliche Wiederaufnahme des Dialogs mit der syrischen Regierung – die mit Hilfe ihrer Freunde und Verbündeten, insbesondere Rußland, Iran und der libanesischen Hisbollah, ausgehalten hat –, was jegliche Lösung für unseren wirtschaftlichen Fortschritt behindert. Das hängt mit dem Transit unserer Waren durch syrisches Territorium zusammen, sowie mit dem Wunsch, daß die 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge, die wegen des Krieges im eigenen Land seit 2011 in den Libanon geflohen sind, so bald wie möglich zurückkehren.

    4. sind am Horizont Hoffnungsschimmer auf einen Ausweg zu sehen, aber nicht auf Hilfe von außen. Der IWF steht unter großem Druck der USA, dem Libanon die erforderlichen Kredite zur Bewältigung seiner Krise nicht zu gewähren.

Was sind Hoffnungsschimmer, um uns aus der Krise herauszuführen? Damit möchte ich schließen, aber ohne Hilfe von außen kann es uns nicht gelingen, sie in die Tat umzusetzen:

    1. eine mögliche Rückführung öffentlicher Gelder, die von Kriminellen, die wir nicht mehr ignorieren, geraubt wurden, in Form von Einlagen auf Auslandskonten, deren Umfang etwa 160 bis 200 Milliarden Dollar betragen dürfte. Das sind hinterzogene Steuergelder außerhalb des Libanon.

    2. die Neutralisierung regionaler Faktoren. Ich sprach gerade von der palästinensischen Frage und der syrischen Frage, das ist eine wesentliche Voraussetzung, um die regionale Einmischung von der libanesischen Szene auszuschließen, sei es durch den Iran oder Israel, Saudi-Arabien und so weiter.

    3. muß eine Umstrukturierung unserer Wirtschaft die produktiven Sektoren der physischen Wirtschaft, nämlich Landwirtschaft, Industrie und Technologie, zum Nachteil des Profitsystems begünstigen.

All dies, und damit möchte ich schließen, wird wahrscheinlich nicht möglich sein, es sei denn im Zusammenhang mit einer Neugründung der Beziehungen zwischen den Nationen, für die das Schiller-Institut und Lyndon LaRouche kämpfen, auf der Grundlage einer Win-Win-Situation und einer neuen, ausgewogeneren Finanz- und Wirtschaftsordnung, die dem gefährlichen, bis zum äußersten gehenden Hegemonismus der US-Methoden ein Ende setzt und an seiner Stelle allen Nationen, großen und kleinen, eine Stimme bei der Gestaltung der Weltpolitik gibt. Deshalb sind wir heute hier vereint, um über eine solche Alternative nachzudenken. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.