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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

„Es gibt keinen freien Markt für Nahrungsmittel“

Auf die Vorträge des vierten Konferenzabschnitts der Konferenz des Schiller-Instituts am 6. September folgte eine ausführliche Diskussionsrunde, in der die Teilnehmer auf Fragen und Aussagen der anderen Referenten, der Moderatoren und des Publikums antworteten. Wir bringen Auszüge.

Frage: In Europa hört man, die USA hätten niedrigere Sicherheitsstandards für Fleisch. Was sind die amerikanischen Standards?

Nicole Pfrang: Es ist ein paar Mal vorgekommen, daß wir Fleisch aus Brasilien hatten [das von JBS und anderen Monopolen mit US-Fleisch gemischt worden war]. Dann kamen die Inspektoren und erklärten, das Fleisch sei kontaminiert. Es hieß, wir Landwirte hätten es kontaminiert, weil niemand weiß, daß wir aus 20 verschiedenen Ländern importieren.

Michael Callicrate: Weil die Vereinigten Staaten die am meisten industrialisierte Lebensmittelwirtschaft der Welt haben, ist die Sicherheit dieses Systems entsprechend wenig glaubwürdig. Es ist eine eng regulierte Branche. Wenn es ein Problem gibt, dann ist das Problem wirklich groß, weil es sich über das ganze Land und die ganze Welt verteilt.

Tatsache ist, daß das amerikanische Landwirtschaftsministerium [das die Inspektionen durchführt] nicht für die Menschen arbeitet. Es arbeitet für die großen Schlachtketten und Lebensmittelkonzerne auf der ganzen Welt. Eins steht fest: Wir haben das anfälligste Lebensmittelsystem der Welt! Nach COVID-19 hat man gesehen, was in den Lebensmittelgeschäften im ganzen Land los war – die Regale waren leer. Das ist kein lobenswertes Lebensmittelsystem, und insofern ist es auch kein sicheres System.

Ronald Wieczorek: Die letzten zehn Tagen war einer der größeren Hühnerschlachtbetriebe in Kalifornien geschlossen, weil vier oder sechs Menschen am Coronavirus starben und über 500 Menschen infiziert wurden. Das ist ein schreckliches Beispiel, und das kommt daher, daß wir zwar alle möglichen Regeln und Vorschriften für diese Schlachtbetriebe haben, aber werden die auch umgesetzt? Sind die Inspektoren gekauft, oder was geht hier vor?

Frage: Was halten Sie von der derzeitigen amerikanischen und westlichen Methode der Preisfestsetzung für Lebensmittel?

Callicrate: Es gibt keinen Markt. Es ist ein Preis, der vom Zwischenhändler, von den großen Einzelhändlern in Absprache mit den großen Fleisch- und Lebensmittelkonzernen festgelegt wird...

Die Rindfleischindustrie wird von vier multinationalen Konzernen beherrscht. Sie haben die Kontrolle über 85% der Rindfleischindustrie. Es gab eine Konzentration. Der Landwirt bekommt von einem Dollar des Verbrauchers nur etwa 15 Cent. Unser Anteil am Dollar der Rindfleisch-Verbraucher war noch nie so gering.

Gleichzeitig haben die großen Schlachtketten zur Rechtfertigung ihrer Konsolidierung, ihrer Fusionen und Aufkäufe behauptet, Effizienzsteigerungen oder Größenvorteile seien ein guter Grund dafür [weil der Verbraucher Geld spart]. Das ist einfach nicht wahr.

Robert Baker: Die meisten Leute glauben dem Argument: „Das ist eben effizienter. Der Verbraucher verlangt das.“ Das ist die von Monopolen geschaffene Scheinbegründung. Was wäre, wenn wir eine Million neue Landwirte in den Vereinigten Staaten hätten? Eine Million neue Landwirte in Europa? Eine Million neue Landwirte in Afrika, in Südamerika? Alle mit den modernsten Technologien und auf die produktivste Weise erzeugend? Damit hebt man das Qualifikationsniveau der Lebensmittelerzeuger auf der ganzen Welt. Das ist ein ganz neuer dynamischer Prozeß. Aber die Monopole sind eine Methode, wie die Oligarchie sich ein Instrument schafft, mit dem sie Billionen Dollars Umsätze macht und das Geld einfach einstreichen kann, indem sie die Erzeuger und die Bürger abzocken.

Der Mythos vom „Markt“

Frage: Was verbirgt sich hinter dem Mythos vom „Markt“?

Helga Zepp-LaRouche: Ich glaube, dahinter verbirgt sich eine Methode, bei der es nicht nur um den Profit geht. Die Entwicklungsländer sind mit billigen Importen konfrontiert, die viel billiger sind als das, was sie vor Ort produzieren können, und das ruiniert ihre Landwirtschaft völlig.

Es steckt eine Methode dahinter, die zum Beispiel auch in den EU-Richtlinien zum Ausdruck kommt. Jeder weiß, daß die deutschen Landwirte und die europäischen Landwirte alle in den Ruin getrieben werden, weil die Preise, die sie über Jahre und Jahre bekommen haben, immer niedriger und niedriger geworden sind...

Und jetzt hat die EU neue Richtlinien erlassen, die meiner Einschätzung nach die Landwirte zwingen, 25 Prozent des Landes für Unkraut zur Verfügung zu stellen. Und weil Unkraut auf schlechten Böden besser gedeiht, müssen die Landwirte guten Boden ruinieren, damit das Unkraut wachsen kann – im Namen der Artenvielfalt, damit die Insekten usw. gut leben können.

Es ist offensichtlich, daß dies eine vollständige Zerstörung der Nahrungsmittelproduktion bedeutet. Und es steht ganz im Einklang mit dem Ausstieg aus der Energiewirtschaft. Das ist der Grüne New Deal, den die EU jetzt sehr schnell durchsetzt... Hinter all dem steckt eigentlich die oligarchische Idee, die Bevölkerung zu reduzieren. Ich denke, das sollte man nicht übersehen. Ich bin fest davon überzeugt, daß es Menschen wie Prinz Philip, dem World Wildlife Fund und ähnlichen Organisationen völlig egal ist, ob Menschen verhungern…

Marcia Merry Baker: Schauen Sie sich die speziellen Umstände in Afrika an. In der Demokratischen Republik Kongo kosten importierte Hühner 2 Dollar, während einheimische Hühner 6 Dollar kosten. Für den gesamten afrikanischen Kontinent müssen 40 Prozent der täglichen Grundnahrungsmittel importiert werden – keine Spezialitäten, sondern Weizen, Reis, Hirse und Mais…

Die Dinge entwickeln sich sehr schnell und schlecht, was die Nahrungsmittelknappheit betrifft. Erst am Freitag [4. September] wurde der UN-Sicherheitsrat davon in Kenntnis gesetzt, daß sich vier Nationen am Rande einer Hungersnot befinden: die Demokratische Republik Kongo, der Jemen, der Südsudan und der Nordosten Nigerias. Tatsächlich ist die Hungersnot die Kehrseite der Medaille, nämlich des Bankrotts der Landwirte in Amerika und Europa.

Das zeigt nur, daß das System am Ende ist. Wir brauchen Paritätspreise, wir brauchen Anti-Trust-Maßnahmen – die Gesetze gibt es. Und wir sollten die Mengen an Nahrungsmitteln für Notfälle aufbringen, die für jeden Ort auf der Welt benötigt werden, an dem es an Nahrungsmitteln fehlt.

Frage: Was trägt die US-Notenbank, ein privates Unternehmen, zur Finanzkraft des Britischen Empire bei? Wenn wir sie verstaatlichen würden, würde das das Empire besiegen?

Paul Gallagher: Die vollständige Beantwortung dieser Fragen würde ziemlich lange dauern. Aber was trägt die amerikanische Notenbank zum Britischen Empire bei? An diesem Punkt praktisch alles. Sowohl die Banken der Londoner City als auch die Banken der Wall Street werden von unserer Federal Reserve mit riesigen Mengen an Liquidität versorgt, sowohl direkt als auch über Swap-Kreditlinien mit der Bank of England. Die Federal Reserve liefert Rückendeckung für die Schritte, die die Bank of England unter der Leitung von Andrew Bailey, der die Nachfolge von Mark Carney angetreten hat, zu unternehmen versucht, um die sogenannten digitalen Zentralbankwährungen einzuführen. Das braucht ein wenig Zeit, aber wenn die Zentralbanken ihre digitalen Währungen einführen und es schaffen, mit diesen digitalen Währungen die direkte Kontrolle über die Volkswirtschaften zu übernehmen, dann wird es einen wahren grünen Holocaust geben.

Was also die Nationalisierung der Fed betrifft, so sollten wir das tun, ja.

Aber ich möchte noch auf das eingehen, was hier insgesamt diskutiert wurde. Zu sagen, daß es einen Markt für Nahrungsmittel gibt – einen nationalen oder einen internationalen Markt für Nahrungsmittel –, und daß man für oder gegen diesen Markt sein sollte, das ist so, als würde man sagen, daß es in den Vereinigten Staaten einen Markt für Kredite gibt. Es gibt aber keinen Markt für Kredite. Es gibt elf riesige Banken, und sie entziehen die Kredite, wie ich vorhin schon erwähnt habe. Sie sind dabei, Kredite von diesem Kreditmarkt abzuziehen, anstatt welche zu vergeben. Die Fed pumpt Liquidität in diese Banken, und die Banken ziehen Liquidität aus dem Markt ab, um zu spekulieren.

Der einzelne landwirtschaftliche Betrieb sieht sich also nicht mit einem Kreditmarkt konfrontiert. Stattdessen kämpft er mit wahrscheinlich einer lokalen Bank, die im Moment viele faule Kredite und hohe Kosten für die Kapitalbeschaffung hat und daher nicht viel an Krediten anbietet.

Die gleiche Antwort gilt für die Frage, ob es einen Markt für Lebensmittel gibt.

Im 19. Jahrhundert haben amerikanische Ökonomen viel über Löhne, Preise und Zölle geschrieben. Vor allem Henry Carey, ein Freund und zeitweiliger Berater Lincolns, legte als Grundsatz fest, daß das Einkommen für alle umso höher sei, je näher man die Produzenten an ihre Lieferanten heranbringt und an diejenigen, die ihre Produkte kaufen sollen. Wenn man eine lokale Vielfalt sowohl in der Industrie als auch in der Landwirtschaft hat und der Austausch von Produkten hauptsächlich lokal und regional stattfindet, dann werden dadurch die Preise, Löhne und Einkommen für alle höher sein.

Das müssen wir herbeiführen durch solche Betriebe, wie sie Herr Callicrate vorhin beschrieben hat – seinen eigenen Betrieb. Wir müssen es möglich machen, daß sich so etwas in Amerika und auch in Europa ausbreiten kann.

Hier kommt ein echtes nationales Kreditinstitut ins Spiel – eine verstaatlichte Federal Reserve, eine Reconstruction Finance Corporation nach dem Vorbild von Roosevelt. Ein solches Kreditinstitut kann solche Fortschritte ermöglichen, wie sie zu der Firma Friesla beschrieben wurden – mit den örtlichen Kühlhäusern und der Art und Weise, wie man sie in die Strom- und Wasserversorgung und verwandte Versorgung integriert. Durch Kredite kann man es ermöglichen, daß so etwas überall dort, wo Nahrungsmittel und andere landwirtschaftliche Produkte angebaut werden, vermehrt geschaffen wird. Auf diese Weise hat jeder Zugang zu solchen Krediten und auch Zugang zu einem Produktions- und Vertriebssystem, das man selbst nachverfolgen kann und das funktioniert, was die Einkommen allgemein erhöht.

Ob wir die Federal Reserve verstaatlichen oder nicht, der entscheidende Punkt ist das Ziel: Was will man mit dem Kredit, den ein nationales Kreditinstitut schaffen wird, erreichen? Sobald das klar ist, gibt es viele Möglichkeiten, dies zu verwirklichen.