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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Apollo 7 – Reflexionen eines Astronauten

Der frühere Astronaut Walter Cunningham übermittelte das folgende Interview als Videobeitrag für die Konferenz des Schiller-Instituts am 25. April 2020.

Frage: Was mußten Sie tun, um sich als Astronaut zu qualifizieren?

Cunningham: Meine persönliche Einschätzung ist, daß man das wirklich nur machen sollte, wenn man bereit ist, ein wenig den Hals zu riskieren. Ich habe danach noch Jahre gebraucht, um das bei den Kampfpiloten wirklich klarzustellen. In meinem Buch habe ich einen Abschnitt über den Tag geschrieben, an dem ich beschloß, mich als Astronaut zu bewerben. Das war eines morgens, als ich dabei war, mit Mitte 20 meinen College-Abschluß zu machen. Ich war früher noch nicht auf dem College gewesen, ich war nach der High School in die Navy eingetreten, schaffte es, den zweijährigen Test zu bestehen, und wurde Kampfpilot. Ich war klug genug, zum Marinekorps statt zur Marine zu gehen, was ich nie bereut habe.

Aber in diesem Jahr ging ich aufs College, um einen Abschluß zu machen, und an diesem Morgen war ich im Wagen unterwegs zu meiner Arbeit bei der RAND Corporation. Zu der Zeit lief gerade der Countdown für Alan Shepard, das war 1961 oder 62 – 1961 glaube ich. Es war an der Ostküste, ich fuhr in meinem Auto, und wir hatten zu der Zeit noch nicht so viele Autobahnen in Los Angeles, ich ging zur UCLA (Universität von Kalifornien in Los Angeles). Es ging auf die letzten vier oder fünf Minuten (des Countdowns) zu, und ich mußte einfach am Straßenrand anhalten und parken, damit ich hören konnte, was vor sich ging. Ich konnte einfach nicht weiterfahren. Ich erinnere mich noch an den Countdown – 5, 4, 3, 2, 1, Abheben – und ich ertappte mich dabei, wie ich laut ausrief: „Du verdammter SOB!“ („Hurensohn“, gemeint im Sinne von „Glückspilz“, Red.) Ich ging zwar davon aus, daß ich allein war, aber sicherheitshalber schaute ich mich nochmal um, ob wirklich niemand auf dem Parkplatz war und mich anstarrte. In dem Augenblick beschloß ich, daß das genau das war, was ich tun wollte, ich erfüllte alle Voraussetzungen dafür.

Und 18 Monate später teilte ich mir ein Büro mit Alan. Es war wie der Eintritt in ein damals ganz ungewöhnliches, einzigartiges Leben. Das hat sich so entwickelt, wie es bei solchen Dingen oft der Fall ist. Als die ersten Menschen um die Welt segelten, war das anders als bei den Routinefahrten da draußen auf dem Ozean, zu denen sich das entwickelt hat.

Frage: Was hielten Sie von Präsident Kennedys Herausforderung, auf dem Mond zu landen? Was ging Ihnen dabei durch den Kopf?

Cunningham: Das wird mit der Zeit immer interessanter. Ich kann nur für mich selbst sprechen, aber ich bin mir sicher, daß viele andere auch so denken. Wenn man älter und reifer wird, kann man einige dieser Dinge relativieren, über die man damals gar nicht nachgedacht hat; man hat sie einfach als selbstverständlich angesehen. Als er seine Rede hielt, erinnere ich mich, war das noch bevor ich von der NASA ausgewählt wurde. Ich wurde gleich bei der ersten Bewerbung angenommen. Aber ich kann mich gut daran erinnern; es war eine gute Rede. Das ist in die Geschichte eingegangen, und ich meine, das liegt daran, daß wir damals noch nicht so dachten wie heute. Man muß den Verstand reifen lassen, um eine Perspektive zu bekommen, was in der Geschichte vor sich geht. Es war eine einzigartige Periode in unserer Geschichte, in die die Menschen sich hier mit diesen Aktivitäten aufmachten.

Wenn man 500 Jahre zurückdenkt und sich ansieht, wie Menschen sich aufmachten, die Welt zu umsegeln – ich glaube, am Anfang waren es etwa 240 Menschen, und es gab vier Schiffe. Als es schließlich anderthalb oder zwei Jahre später geschafft war, waren nur noch 18 dieser ersten beteiligten Menschen am Leben. Aber sie hatten es rund um die Welt geschafft. Sie waren bereit, den Preis dafür zu zahlen. Sie haben unsere Gesellschaft vorangebracht. Davon gingen viele Impulse aus in der Gesellschaft. Das war vor 500 Jahren. Die Gesellschaft in der Welt profitiert davon, wenn man bereit ist, seinen Kopf zu riskieren, aber nicht, wenn man es irrational tut. Man muß sich dem, was man erreichen will, verpflichtet fühlen. Ich habe das sichere Gefühl, daß ich heute viel besser darüber sprechen kann als damals, denn man muß weise werden.

Frage: Wie war das, einer der ersten Menschen im Weltraum zu sein?

Cunningham: Es heißt wohl, daß 25 oder 35% der Menschen auf die Schwerelosigkeit reagieren und sich am ersten Tag übergeben und so etwas. Aber sie waren alle entschlossen, sie würden trotzdem alle weitermachen. Die Leute haben auch viel Gewicht verloren. Unsere Mission war die längste Apollo-Mission, glaube ich, vielleicht gab es noch eine etwas längere Mission. Ich glaube, der größte Gewichtsverlust bei unserer Mission waren zehn Pfund oder so etwas in der Art. Die damalige Einstellung dieser Leute war eine andere als die heutige, denn wir waren alle militärische Kampfpiloten. Ob es der Welt gefällt oder nicht, es braucht eine gewisse Einstellung dazu, solche Aktivitäten zu rechtfertigen.

Aber ich muß Ihnen etwas erzählen – einer der Gründe dafür, warum unsere Mission ein solcher Erfolg war. Es hatte erst viel Kritik gegeben, weil Wally Schirra damals erkältet war. Aber eins muß ich Ihnen sagen, alles, was Wally operativ tun mußte, das hat er trotzdem getan. Es wurde viel hin und her geredet, weil er sich gerade von einer Erkältung erholte. Er ließ die Leute am Boden sogar glauben, daß wir alle eine Erkältung hatten. Wir hatten aber keine Erkältung, ich habe kein einziges Mal gehustet. Donn Eisele hat vielleicht ein oder zweimal gehustet, aber wir waren jung, er war ein sehr ernsthafter Typ. Und ob es uns jetzt gefällt oder nicht, ich glaube, er hat sehr gute Arbeit geleistet. Meiner Meinung nach war er ein guter Pilot.

Dieser Flug hat ihn damals, glaube ich, überrascht, denn es war eine elftägige Mission, und zu der Mission wurden noch vier weitere Aufgaben hinzugefügt. Am Boden hatten sie sehr große Vorbehalte, ob wir elf Tage schaffen würden; wir haben es geschafft. Ich kann mich an die letzten Tage erinnern, da hatten wir etwas Zeit zur Verfügung, und der Film ging uns aus. Heute werden ja ständig Fotos gemacht. Unser gesamter Film für die elf Tage für uns drei, die die Kamera benutzten, waren 500 Bilder. Heute macht man die bei einem einzigen Umlauf um die Erde. Der Welt ist nicht bewußt, daß 53% der Erdoberfläche von Wolken bedeckt sind. Ob es uns gefällt oder nicht, der größte Teil der Erde da draußen ist Ozean. Damals, und auch heute noch, sind wir fast vollständig von der Luft-Boden-Kommunikation abhängig. Heute gibt es schicke Geräte, so daß die Kommunikation zwischen Luft und Boden so ziemlich zu 100% funktioniert. Wir hatten die Luft-Boden-Kommunikation gerade einmal zu 4% unserer Zeit; man mußte dazu eine Direktverbindung herstellen können. Die Leute sagen: „O je, das war ja schrecklich!“ Nein, wir fanden das gut, weil wir so viel zu tun hatten, daß wir es für gut hielten, wenn wir nicht zu anderen Dingen gedrängt wurden. Aber wir brauchten eine bestimmte Menge an Informationen. Das waren 4% oder 4,5% der Zeit, in der wir Kommunikation hatten. Sie schauen mich an und sprechen mit mir in meinem Alter – ich bin 88 Jahre alt. Ich sage Ihnen, wir hatten eine großartige Mission, davon war ich schon damals ehrlich überzeugt.

Frage: Welchen Rat würden Sie jungen Leuten heute geben, die in den Weltraum fliegen wollen?

Cunningham: Ich sehe mich nicht in der Lage, die wirklich beste Antwort zu geben. Ich stecke immer noch in dieser Welt fest, wo das Wichtige ist, der beste Kampfpilot der Welt zu sein – zumindest mental. Aber es ist heute eine andere Art zu leben, und die Öffentlichkeit, jedenfalls die meisten, werden seit 50 Jahren darüber informiert. Ich kann nicht einmal sagen, ob es die meisten sind, aber viele wollen die Möglichkeit dazu haben. Man verkauft inzwischen Tickets an Leute, die mit dem Raumschiff da oben mitfliegen wollen.

Es tut mir leid, ich kann das nicht alles positiv sehen. Ich weiß, es hat seine positive Seite, aber ich lebe in einer anderen Welt. Ich denke, jeder kann sich glücklich schätzen, wenn er einer der heutigen Astronauten werden will. Aber um das zu erreichen, tut man gut daran, seine Fähigkeiten zu perfektionieren. Das sind viele verschiedene Fähigkeiten, die man heute braucht. Es gibt zum Beispiel eine ganze Reihe von Ärzten, die dort oben gewesen sind. Das ist gut. Auch mehrere Frauen – es gab übrigens auch einige Pilotinnen, die ich verdammt gut fand. Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet.

Frage: Was halten Sie davon, Risiken einzugehen und etwas zu tun, was manchmal fast unmöglich erscheint?

Cunningham: Man muß die Einstellung haben, die sich automatisch einstellt, wenn man Kampfpilot der Spitzenklasse ist. Man muß zumindest einer der besten Kampfpiloten sein, und das sage ich ganz konkret, oder zumindest fest daran glauben, daß man das ist. Die beste Einstellung ist: Wenn man jemanden angreift, ob zu Recht oder zu Unrecht, dann man muß das Selbstvertrauen haben, das einem sagt, daß man die Nase vorn haben wird, und man ist bereit, jeden Preis zu zahlen, um das zu erreichen.