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Schiller-Institut e. V.
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Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
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Deutscher Außenminister gibt zu, daß harte Sparmaßnahmen Folterinstrumente sind

Von Leonidas Chrysanthopoulos
13. April 2020

Der folgende kurze Artikel stammt von Leonidas Chrysanthopoulos, Botschafter ad Honorem Griechenlands und Mitglied des Schiller-Instituts, der darin erneut die Aussetzung der griechischen Schuldenzahlungen als gerechte Antwort auf die Coronavirus-Krise fordert.

Auf der offiziellen Internetseite des Auswärtigen Amtes lesen wir den folgenden Auszug aus einem Interview von Außenminister Heiko Maas mit dem Magazin Der Spiegel [veröffentlicht am 10. April]: „In dieser Krise brauchen wir schnelle Hilfe ohne Folterinstrumente wie die Troika oder harte Sparmaßnahmen...“ Wir können diese Aussage nicht verurteilen, weil der deutsche Minister die Wahrheit sagt, eine Wahrheit, die die Mehrheit der Griechen gespürt hat. Es ist jedoch das erste Mal, daß ein deutscher Minister die Troika und harte Sparmaßnahmen als Werkzeuge der Folter bezeichnet, Werkzeuge, die das griechische Volk zehn Jahre lang gefoltert haben, Werkzeuge, die von den griechischen Regierungen akzeptiert wurden.

Es waren die harten Sparmaßnahmen, die zum Zusammenbruch des griechischen Gesundheitssystems führten, indem etwa 42,5% des Budgets für die Gesundheitsversorgung gestrichen wurden, die Arbeitslosigkeit auf 28% und die Jugendarbeitslosigkeit auf 60% anstiegen, die Zahl der jährlichen Todesfälle von 70.000 auf 124.000 anstieg und etwa 800.000 Griechen gezwungen wurden, ihr gequältes Land zu verlassen, um im Ausland, hauptsächlich in anderen EU-Ländern, Arbeit zu finden.

Bei der Auferlegung dieser Maßnahmen gegenüber dem griechischen Volk wurden Fehler gemacht, Fehler, die sogar von der Troika und dem IWF eingeräumt wurden. Der ehemalige Präsident der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, gab in einem Interview mit der griechischen Zeitung Ta Nea vom 27. August 2018 zu, daß die Europäer bei der Bewältigung der griechischen Krise Fehler gemacht hätten, und sagte, sie hätten zunächst experimentiert und es habe vier Jahre gedauert, bis sie auf den Beinen waren und Mechanismen zur Bewältigung der Krise eingerichtet hätten. Er räumte ein, daß in Griechenland eine andere Politik hätte umgesetzt werden müssen, da die Rettungsprogramme sehr streng und ihre Umsetzung sehr schwierig gewesen seien.

Offener war das ehemalige Mitglied der Europäischen Kommission Paul Moscovici, der in seinem Blog vom 20. August 2018 folgendes erwähnte: „Aber es wurden auch Fehler gemacht – in Athen, Brüssel, Berlin und Washington –, die die Krise unnötig verlängerten. Wir haben auch den katastrophalen Zustand unterschätzt, in dem sich Griechenland befand, als diese Krise begann. Was wie eine vereinzelte Haushaltskrise aussah, war in Wirklichkeit eine tiefe Krise des griechischen Staates und der griechischen Wirtschaft. So tief, daß es sogar mehrere Jahre dauerte, um sie richtig einzuschätzen. Infolgedessen war der Entwurf der drei aufeinander folgenden Finanzhilfeprogramme unvollkommen... Die Finanzexpertise des IWF war anfangs notwendig und nützlich gewesen; aber bestimmte Positionen waren zu brutal und persönlich, führten zu konträren Beziehungen zu den Griechen und veranlaßten die Eurogruppe sogar dazu, Reformen zu verabschieden, die meiner Meinung nach zu hart waren, insbesondere jene, die die Renten betrafen, die 2019 in Kraft treten sollten. Acht Jahre Krise sind viel zu lang. Die Politiker tragen eine gewisse Verantwortung, und ich werde meinen Teil davon übernehmen... Es muß anerkannt werden, daß die angewandten Methoden manchmal aufdringlich waren und daß diese Beamten einen großen Einfluß auf den Prozeß hatten...“

Und natürlich scheiterte auch der offizielle Grund für die Auferlegung der Memorandumsprogramme an Griechenland, nämlich die Reduzierung der Staatsschulden von 120% des BIP im Jahr 2010, da sie heute 185% des BIP erreicht haben.

Maas‘ Erklärung zu den Folterinstrumenten kann der griechischen Regierung die Ankündigung erleichtern, die jährliche Zahlung der Memorandumsverpflichtungen einzustellen, damit diese Mittel zur Unterstützung der griechischen Bevölkerung während der Coronavirus-Krise verwendet werden können.

Wir danken Ihnen, Herr Minister Maas, für Ihre Ehrlichkeit.