Landwirtschaft und Lebensmittel
Von Michael Callicrate
Michael Callicrate ist Farmer aus Colorado, Viehzüchter und
Eigentümer der Firma Ranch Foods Direct.
Hallo, ich bin Mike Callicrate. Ich lebe in St. Francis/Kansas und in
Colorado Springs/Colorado. Unser Viehzuchtbetrieb befindet sich in Kansas, und
wir bringen unser Rindfleisch nach Colorado Springs, um es in den Städten an
der Grenze zu Colorado zu verkaufen. Bob Baker bat mich, einen kurzen Beitrag
über einige der Dinge zu präsentieren, die wir hier in unserer Region tun, um
das Leben der Viehzüchter und Landwirte zu verbessern und den Verbrauchern
einen besseren Zugang zu echten Nahrungsmitteln aus ihrem lokalen und
regionalen Umfeld zu ermöglichen. Wir sprechen über den Aufbau neuer
Möglichkeiten für Prosperität durch Landwirtschaft und Ernährung.
COVID-19 hat ein gescheitertes System offengelegt, das Mißbrauch treibt,
das ungesund, unmenschlich und unfähig ist, die Menschen zu ernähren. Ich
denke, das ist eine echte Gelegenheit, den Schleier wegzuziehen und den
Menschen überall zu zeigen, wie zerbrechlich das industrielle Ernährungssystem
ist und wie es eigentlich niemandem dient außer einer Handvoll Menschen, die
es an der Spitze der Wirtschaft kontrollieren.
Wie können wir also ein Nahrungsmittelsystem aufbauen, das sicherer ist,
das die mißbräuchliche Marktmacht reduziert und dezentralisiert? Wie stellen
wir sicher, daß Farmer, Viehzüchter und Arbeiter ein existenzsicherndes
Einkommen haben? Wie bauen wir unsere Kommunen wieder auf? Wie produzieren wir
gesündere und sicherere Lebensmittel, und wie werden wir stärker, um den
Risiken standhalten zu können, mit denen wir mit Dingen wie COVID-19 in dieser
sich rasch verändernden Welt konfrontiert sind?
Die Verarmung und Unterernährung einer Zivilisation steht in direktem
Zusammenhang mit der Konsolidierung und Industrialisierung der
Nahrungsmittelversorgung. Was wir heute haben, ist das am stärksten
industrialisierte und am stärksten konzentrierte Nahrungsmittelsystem, das es
je in der Geschichte der Menschheit gegeben hat. Es ist wie ein
Bergbauunternehmen: Es fördert Reichtum in noch nie dagewesenem Ausmaß,
hinterläßt aber eine verschmutzte Welt und viel Armut. Der Reichtum
konzentriert sich an der Spitze, Armut und Hunger an der Basis.
In Washington, in den Büros und im Hauptgebäude des
Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten gibt es eine Inschrift,
ein Paulus-Zitat, das besagt: „Es soll der Bauer, der den Acker bebaut, die
Früchte als Erster genießen.“ Mit anderen Worten: Die Menschen, die die Arbeit
tun, die das Risiko eingehen und das Kapital investieren, verdienen einen
gerechten Anteil an dem Wohlstand, den sie schaffen. Das ist heute nicht der
Fall. Genau das Gegenteil ist der Fall! Der Bauer, der Viehzüchter, die
Menschen auf dem Land, die Arbeiter, bekommen im wesentlichen nur die Krümel,
die Reste. Tatsächlich arbeiten sie meist für weniger als die
Produktionskosten.
Wie können wir also das Leben der Menschen verbessern und die
Landwirtschaft wieder gesunden lassen? Betrachten wir ein regeneratives Modell
der Landwirtschaft. Schauen wir uns ein regeneratives Landwirtschaftsmodell
an, das den Boden aufbaut, das die Gesundheit der Gemeinschaft ebenso
berücksichtigt wie die Gesundheit der Menschen, die an der Produktion unserer
Nahrungsmittel beteiligt sind – aber auch die Gesundheit des Verbrauchers, der
die Lebensmittel verzehrt. Das ist es, was wir in St. Francis/Kansas mit der
Callicrate Cattle Company tun.
Es dreht sich im Grunde genommen alles um den Boden. Wir nehmen dem Boden
etwas weg, und wir geben es dem Boden wieder zurück. Wie fanden wir den Weg
von St. Francis/Kansas nach Colorado Springs und in das Gebiet um Denver? Und
wie sieht es in anderen Ländern und an anderen Orten aus?
Mir gefällt das Konzept eines öffentlichen
Lebensmittel-Versorgungsunternehmens, bei dem die Öffentlichkeit tatsächlich
einen Großteil der Infrastruktur besitzt, von der Farm und dem Weidegatter bis
zum Weg auf den Teller des Verbrauchers. So können die Menschen auf dem Land
Zugang zu den Verbrauchern erhalten und die Konzerne umgehen, mit denen wir
es derzeit zu tun haben: die großen Fleischverarbeiter, die großen
Einzelhändler, die großen Nahrungsmittelkonzerne, die den Reichtum abziehen
und uns nichts übrig lassen. Wie bauen wir sichere und profitable Wege zum
Verbraucher auf?
© Friesla
Mit dieser mobilen Schlachteinheit kommt der Schlachter zur Herde, anstatt
die Herde zum Schlachter – und macht die Viehhalter unabhängig von den großen
Schlachtbetrieben.
Wir haben beschlossen, unser Vieh nicht mehr an große Fleischkonzerne zu
verkaufen. Seit neun Jahren arbeiten wir in unserem Viehzuchtbetrieb in St.
Francis mit einer mobilen Schlachteinheit. Sie verfügt über ein komplettes
Einpferchsystem, wie Sie hier sehen können, es hat eine Tötungsbox, in der das
Tier unter tierärztlicher Aufsicht schmerzfrei getötet wird. In diesem
Anhänger wird es zerlegt und dann nach Colorado Springs zu unserem
Lebensmittel-Umschlagplatz transportiert. Das könnte auch ein Umschlagplatz in
Lusaka in Sambia, sein oder in Philadelphia; es könnte ein Umschlagplatz
überall auf der Welt sein. Es ist der Ort, wohin Lebensmittel in ihrer rohen
Form hingebracht und in Nahrung verwandelt werden, die der Verbraucher kaufen
kann. Natürlich muß daran auch ein Markt angeschlossen sein, wo der
Verbraucher nicht nur sehen kann, wie seine Lebensmittel behandelt, produziert
und verarbeitet werden, sondern auch die Möglichkeit zum Kauf hat. Das ist es,
was wir in Colorado Springs haben.
Das Unternehmen Ranch Foods Direct besteht seit etwa 20 Jahren. Der
Umschlagsplatz „Peak to Plains Food Distribution Hub“ ist ein drei Jahre altes
Projekt hier in Colorado Springs. Es ist ein Vorbild für eine Einrichtung, die
es auch in Namibia in Afrika gibt. Es läuft dort sehr gut. Es ist
vorschriftsmäßig gebaut, so daß es geprüft werden kann, je nach den Regeln des
Ortes, an dem sich die Anlage befindet. Das ist eine weitaus bessere
Alternative für eine Kommune als die großen Schlachtkonzerne, die den gesamten
Profit einkassieren und uns nichts übrig lassen. Bei diesem Modell werden die
Tiere dort getötet, wo sie sich befinden, was weitaus tierfreundlicher ist,
und es entsteht ein saubereres Produkt, das an den Verbraucher geht. Die
Tierkörper können richtig abhängen und werden dann im Stadtzentrum oder in der
Nähe der Verbraucher zerlegt.
Friesla ist der Name des Unternehmens, das diese Einrichtungen zur
Verfügung stellt. Ich halte es einfach für eine brillante Art und Weise, die
Infrastruktur wieder aufzubauen, und zwar entweder in einer mobilen Form oder,
wie im Fall dieses Bildes (siehe Abbildung), in einer modularen Art und Weise,
wenn Sie die Anlage nicht bewegen wollen. Das würde ich Ihnen übrigens nicht
empfehlen, denn wenn man sie in einer Art Docking-Station oder einem anderen
Format verwendet, können wir wirklich alles kontrollieren. Wir können den
Wasser- und Stromverbrauch kontrollieren, wir können die Schlachtabfälle
kontrollieren, und wir können auch die Tiere in einem guten Gehegesystem
kontrollieren, wo sie schmerzfrei eingeschläfert werden können.
Das ist unsere Vorstellung von dem, woran wir in Colorado und Kansas und
eigentlich im ganzen Land arbeiten. Wir sehen jetzt ein wachsendes, viel
größeres Interesse daran. Aber wir brauchen die Unterstützung der Verbraucher.
Ohne die Unterstützung des Verbrauchers, der bereit ist, seine Lebensmittel
aus diesen Quellen zu kaufen, kann das System nicht überleben. Diese
Nahrungsmittel müssen nicht teurer sein! Wir haben einen Großteil der unfairen
Profite, die sich die großen Schlachthöfe und Einzelhändler und
Foodservice-Unternehmen abzweigen, gestrichen und schicken im Grunde einfach
dorthin zurück, wo sie hingehören. Sie gehören den Farmen und Ranchen, wo die
Arbeiter einen fairen Preis für ihre Arbeit verdienen. Wir kümmern uns um die
Umwelt. Das ist ein schöner, nachhaltiger und regenerativer Weg, den wir
beschreiten.
Ich danke Ihnen.
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