Nur eine weltweite Renaissance kann ein neues finsteres Zeitalter
verhindern
Von Mike Billington
Michael Billington, Asien-Redakteur des Executive
Intelligence Review, hielt am 6. September im Rahmen des 4. Abschnitts der
Internetkonferenz des Schiller-Instituts den folgenden Vortrag.
Jede große Kultur hat Zeiten großer wissenschaftlicher und kultureller
Entwicklung durchgemacht, aber auch Zeiten des Verfalls und Niedergangs. In
der europäischen Kultur haben wir Sokrates und Platon, die die schöpferischen
Kräfte der Europäer entfesselten, und später auch die arabischen und
persischen islamischen Gelehrten des Abbasiden-Kalifats in Bagdad im 8.
Jahrhundert, die dann das griechische Denken in Europa wieder einführten, wo
es durch das Mittelalter weitgehend verloren gegangen war.
Aber es gab auch den totalen Zusammenbruch des 14. Jahrhunderts, als der
kulturelle und wirtschaftliche Verfall 1315 zur großen Hungersnot und 1346 zum
Schwarzen Tod führte, als fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung ums
Leben kam und die Lebenserwartung in ganz Europa von 35 auf 17 Jahre sank. Es
gab auch einen Zustand „permanenter Kriegsführung“, den sogenannten
Hundertjährigen Krieg, in der Art, wie ihn Präsident Trump heute beenden
will.
Philosophisch gesehen läßt sich leicht zeigen, daß die Perioden der
schöpferischen Entwicklung denjenigen der Hegemonie des platonischen Denkens
entsprachen. Platon erkannte, daß die schöpferischen Kräfte des menschlichen
Geistes mit dem schöpferischen Prozeß des Universums übereinstimmten und daß
der Geist daher in einzigartiger Weise in der Lage ist, die Gesetze und
Prinzipien des Universums zu entdecken und zum Wohle der gesamten Menschheit
anzuwenden.
Es ist auch kein Zufall, daß Oligarchen aller Zeitalter Aristoteles
bevorzugen, der glaubte, daß der Mensch nur ein Tier sei, mit einem Verstand,
der nicht besser ist als eine Computerdatenbank, die Sinneswahrnehmungen
speichert und die Computerlogik – die aristotelische Logik – benutzt, um neue
Theoreme abzuleiten, die aber nichts grundlegend Neues entdeckt, denn echte
Kreativität erfordert die Entdeckung neuer Prinzipien, neuer Axiome des
Denkens, so wie bei Platonikern wie Kepler und Einstein.
Nicht zufällig veranlaßte dieses Menschenbild Aristoteles zu der
Behauptung, daß Menschen entweder als Herren oder als Sklaven geboren werden –
sehr bequem für Oligarchen und Imperialisten.
Lassen Sie uns nun China in diesem Licht betrachten.
Das Zeitalter von Konfuzius und Menzius, parallel zu Platon, war die
treibende Kraft für jede Ära des Fortschritts in Wissenschaft und Kunst in
China. Sie sahen die Natur des Menschen im Ren, der Liebe zur
Menschheit und zur Wahrheit, ähnlich wie das griechische
Agapē.
Aber es gab auch Denkschulen wie die des Aristoteles, die sogenannten
Legalisten und Daoisten, die von Oligarchen bevorzugt wurden; sie
argumentierten, die Natur des Menschen sei die eines Tieres, das so viel Böses
wie möglich tut, um die sinnlichen Begierden zu befriedigen, und das daher
durch Strafe und Belohnung kontrolliert werden muß – durch Tierdressur. Unter
den Legalisten wurden die konfuzianischen Gelehrten lebendig begraben und die
konfuzianischen Texte verbrannt, viele davon gingen der Nachwelt verloren.
Die Daoisten argumentierten sogar, die Wissenschaft sei nutzlos und
verhindere die Einheit mit der Natur, so wie die Grünen heute.
Doch allgemein herrschte der Konfuzianismus in China in den nächsten 2000
Jahren vor. Maschinen für die Landwirtschaft und die Verwendung von Eisen und
Stahl waren in der Han-Dynastie in Gebrauch, mehr als tausend Jahre, bevor sie
in Europa „entdeckt“ wurden. Die Produktivität der Getreideproduktion pro
Hektar war in China um ein Vielfaches höher als in Europa, nicht wegen
Konzentration der Arbeit, sondern wegen höherer Arbeitsproduktivkraft dank
fortschrittlicher Technik, was eine Bevölkerungsdichte und einen
Lebensstandard ermöglichte, die bis zur europäischen Renaissance alles in
Europa weit übertrafen.
In der Song-Dynastie des 11. und 12. Jahrhunderts gab es eine
konfuzianische Renaissance, die die konfuzianischen Konzepte weiterentwickelte
und einen gewaltigen wissenschaftlichen und künstlerischen Fortschritt
bewirkte: die Entwicklung beweglicher Lettern, die Verbreitung von Büchern im
ganzen Land, 400 Jahre bevor gedruckte Bücher in Europa erschienen; die
Entdeckung des Kompasses und des Magnetfelds der Erde, Schießpulver und vieles
mehr.
Aber China erlebte auch finstere Zeitalter, zuletzt infolge der britischen
Invasion und Opiumkriege des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert, mit dem
Großen Sprung nach vorn und der Großen Proletarischen Kulturrevolution in den
1950er und 60er Jahren; erstere verursachte eine Hungersnot, durch die 30
Millionen Menschen starben, letztere war eine Verherrlichung der Legalisten
und Verdammung von Konfuzius, was die Gesellschaft zerrüttete und weitere
Millionen Opfer forderte. Wie die Hungersnot und das Chaos im Europa des 14.
Jahrhunderts konnte nichts Geringeres als eine wahre Renaissance das Gemetzel
beenden – keine Halbherzigkeit würde ausreichen, nur eine vollständige
wissenschaftliche und kulturelle Renaissance.
Und das ist es, worüber wir heute nachdenken müssen.
Die Hysterie gegen China, die vom britischen Geheimdienst und seinen
amerikanischen Handlangern wie Mike Pompeo geschürt wird, kann nur widerlegt
werden, indem man die Amerikaner und Europäer dazu bringt, sich über den
Informationskrieg unserer Politiker und Medien zu erheben.
Schauen Sie sich um: Überall gibt es Anzeichen für den Verfall in ein
finsteres Zeitalter im Westen – Anarchie auf den Straßen, legalisierte Drogen,
Verherrlichung von Pornographie und Gewalt, Zusammenbruch der produktiven
Wirtschaft zugunsten der Spekulation, permanente Kriege.
Trump hat sich verpflichtet, das meiste davon zu bekämpfen, aber
halbherzige Maßnahmen funktionieren nicht und werden nicht funktionieren – wir
brauchen eine umfassende Renaissance.
Und hier ist die entscheidende Realität: China erlebt die größte
konfuzianische Renaissance seiner Geschichte, eine der größten in der
Geschichte überhaupt. Die völlige Beseitigung der Armut, die noch nie zuvor
irgendwo in der Geschichte erreicht wurde; massive technologische und
wissenschaftliche Fortschritte – und dies wird jetzt auf den Rest der Welt
übertragen durch die Neue Seidenstraße, „Gürtel und Straße“, eine Idee, die
Lyndon und Helga LaRouche eingeführt haben. Wir müssen daraus eine weltweite
Renaissance machen, um die imperiale Geopolitik ein für alle Mal zu
beenden.
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