Traktordemonstrationen zeigen die Notwendigkeit
eines Großmächtegipfels für die neue Wirtschaftsära
Der Manhattan-Dialog vom 22. Februar 2020
Von Marcia Merry Baker und Robert Baker
Seit vielen Monaten finden in ganz Europa, von Spanien bis Holland, von
Irland bis Deutschland, riesige Traktordemonstrationen und andere
Protestaktionen gegen extrem niedrige Preise und wahnwitzige
pseudo-ökologische Beschränkungen der landwirtschaftlichen Produktion statt.
Die US-amerikanischen Medien haben diese dramatischen Szenen allerdings fast
vollständig ausgeblendet.
Wenn die ganze Wahrheit bekannt wäre, dann ginge diese europäische
Bauernrebellion mit einer verstärkten Aktivierung der Farmer insbesondere im
sogenannten „Farmgürtel“ der USA einher. Dort organisieren Rancher und
Landwirte inzwischen Klagen, Twitter-Kampagnen an die Washingtoner Politik und
andere Proteste sowie große Versammlungen, um über das weitere Vorgehen zu
beraten. Diese Aktionen in der gesamten transatlantischen Region, in der
einige der modernsten landwirtschaftlichen Betriebe der Welt angesiedelt sind,
richten sich gegen die heutigen unerträglichen Bedingungen für unabhängige
landwirtschaftliche Familienbetriebe: Preise weit unter den Erzeugerkosten,
willkürliche neue Vorschriften, die hysterisch, unwissenschaftlich und höchst
zerstörerisch sind – insgesamt ein psychologisches Umfeld gegen produktive
Menschen und ihre moralische Überzeugung, zu einer Zukunft mit mehr Menschen
und mehr guten Nahrungsmitteln beizutragen. Der gemeinsame Schlachtruf der
Proteste in Europa lautet: „Keine Bauern, kein Essen, keine Zukunft!“
Diese Bauerndemonstrationen liefern einen zusätzlichen Anstoß dazu, mit dem
sterbenden monetaristischen System der letzten 50 Jahre zu brechen und den Weg
in eine neue Ära der realen wirtschaftlichen Entwicklung und des Fortschritts
der Menschen in allen Ländern zu bereiten. Um dies zu voranzutreiben, hat die
Präsidentin des Schiller-Instituts, Helga Zepp-LaRouche, am 3. Januar 2020 zu
einem Dringlichkeitsgipfel aufgerufen,1 auf dem die maßgeblichen
Staatsmänner der Welt – die Präsidenten Trump, Putin und Xi Jinping und
andere, die dazu bereit sind – den Prozeß der Beratungen über ein neues,
gerechtes Wirtschafts- und Sicherheitssystem einleiten sollten. In ähnlicher
Weise hat Präsident Putin zu einem Gipfeltreffen der fünf ständigen Mitglieder
des UN-Sicherheitsrats (USA, China, Rußland, Frankreich, Großbritannien)
aufgerufen.
Die europäischen Bauern gehen auf die Straße, weil sie nicht mehr überleben
können. Jahrzehntelang haben sie und ihre amerikanischen Kollegen sich
„angepaßt“, aber jetzt stehen sie mit den Rücken an der Wand. Zu dem gleichen
Bild gehören auch andere akute Krisen: das Coronavirus, die Afrikanische
Schweinepest und andere Krankheiten bei Mensch und Tier, die übernationale
Wüstenheuschreckenplage in Afrika, Südwestasien, Pakistan und Indien, die
anhaltende Dürre und Hungersnot im südlichen Afrika und die unhaltbaren,
zerstörerischen Finanzblasen der City und der Wall Street.
Um sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen, veranstaltete das
LaRouche-Aktionskomitee am 22. Februar 2020 in New York City ein Forum, in dem
die Krise der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie im Mittelpunkt
stand. Im Rahmen des „Manhattan-Dialogs“ sprachen Robert „Bob“ Baker und
Marcia Merry Baker vor einem Publikum aus dem Großraum New York City. Die
Veranstaltung hatte den Titel „Verteidigt unsere Nahrungsmittel gegen die
grünen Oligarchen: Der weltweite Landwirtschafts- und Ernährungssektor braucht
dringend ein neues Finanzsystem“; sie wurde live im Internet übertragen.
Der folgende Bericht faßt die Vorträge in acht Teilen zusammen. Das
Ergebnis der Diskussionen des Tages war ein Konsens, die Mobilisierung und
insbesondere den Austausch der Bauern und Farmer über den Atlantik hinweg
auszuweiten.
© DBV
Abb. 1: Bauerndemonstration am Brandenburger Tor
© DBV
Bill Bullard, Vorstandschef von R-CALF USA (Ranchers-Cattlemen Action Legal
Fund United Stockgrowers of America)
© EIR/Dean Andromidas
Bernhard Perschl, ein Schweinezüchter- und -mäster in Bayern.
I. Bauern gehen auf die Straße
Bob Baker zeigte zu Beginn viele Szenen der manchmal kilometerlangen und
sechs Spuren breiten Traktorkolonnen in Europa (Abbildung 1). In Paris
ließen Bauern im vergangenen Herbst Schweine in Supermärkte laufen und trieben
Schafe durch die Straßen.
Mehrere führende Bauernvertreter übermittelten der Versammlung in Manhattan
Videogrüße, darunter James Benham, Präsident des Vorstands der Indiana Farmers
Union und Mitglied des nationalen Vorstands der National Farmers Union. Anfang
Februar unterzeichnete Benham eine Unterstützungsbotschaft der amerikanischen
Farmerstaaten an die protestierenden europäischen Landwirte: „Wir rollen mit
Euch!“3 Einer der Mitunterzeichner der Botschaft war Tyler Dupy,
Exekutivdirektor des Rinderzüchterverbands Kansas Cattlemen's Association.
Eine weitere Stimme zur Unterstützung der Viehzüchter war der Rancher Bill
Bullard aus Montana, Vorstandschef von R-CALF USA (Ranchers-Cattlemen Action
Legal Fund United Stockgrowers of America), dessen Vortrag auf einer kürzlich
im Westen der USA abgehaltenen Konferenz in Manhattan gezeigt wurde.
Die europäischen Landwirte wußten diese Unterstützung zu schätzen. Bernhard
Perschl, ein mit der LaRouche-Bewegung verbundener Schweinezüchter- und
-mäster aus Bayern, hat Anfang Februar die Unterstützungsbotschaft der
Amerikaner erhalten und begrüßt.4
Dieser Ausdruck transatlantischer Freundschaft steht in direktem Gegensatz
zum aktuellen Vorstoß der Globalisierungslobby für ein neues Handelsabkommen
zwischen den USA und der EU, mit dem man die amerikanischen und die
europäischen Landwirte gegeneinander ausspielen will. Das vorgeschlagene
Handelsabkommen würde es beispielsweise erlauben, mehr Hühner- und Rindfleisch
aus den USA nach Europa zu exportieren, das man dort weder braucht noch will.
Aber die amerikanischen Landwirte würden keinen besseren Preis für ihr
Geflügel oder ihre Rinder erhalten. Dafür sorgen die transnationalen Konzerne,
die den Handel beherrschen. Sie nennen dies das System des „freien“ – in
Wirklichkeit manipulierten – Handels, bei dem die herrschenden Interessen der
Wall Street und der Londoner City die produzierenden und die konsumierenden
Nationen gleichermaßen plündern.
Der Besuch von US-Landwirtschaftsminister Sonny Perdue in Brüssel im
Januar, wo er auf mehr „freien“ Handel zwischen den USA und der EU drängte,
fiel genau in die Zeit, in der die europäischen Landwirte mit Demonstrationen
gegen solchen Freihandel ganze Städte blockierten. Der Freihandel ist einer
der Hauptangriffspunkte der europäischen Landwirtschaftsproteste, in Brüssel
richteten sich viele Schilder an den Traktoren der Landwirte gegen das
anstehende EU-Mercosur-Abkommen, das den transnationalen Konzernen neue
Gelegenheiten zur Ausbeutung und Bereicherung durch mehr Lebensmittelhandel
zwischen Europa und dem südamerikanischen Block aus Argentinien, Brasilien,
Uruguay und Paraguay verschaffen soll. Ein Plakat bei den Traktorenprotesten
lautete: „Mercosur ist der Tod der Landwirtschaft“.
II. Imperiale Kontrolle über die Lebensmittel
Ein zweiter Schwerpunkt der Veranstaltung vom 22. Februar war die
Ernährungsunsicherheit, die die Parasiten der transatlantischen Finanzwelt
vielen Nationen aufzwingen. Das Ausmaß der Abhängigkeit von Importen für den
täglichen Lebensmittelkonsum in den USA zeigt, wie sehr das globale Geschäft
mit Nahrungsmitteln die einheimische Erzeugung verdrängt. So wird heutzutage
beispielsweise die Hälfte des frischen Obstes, das in den USA verbraucht wird,
importiert. Abgesehen von Bananen und anderen tropischen Früchten umfassen
diese Importen auch alle Früchte, die leicht in den USA selbst angebaut werden
könnten, wie Zitrusfrüchte, Trauben, Beeren, Melonen, Avocados usw. Auch über
30% des in den USA konsumierten frischen Gemüses werden eingeführt, und dabei
handelt es sich hauptsächlich nicht um exotisches Gemüse, sondern um Zwiebeln,
Tomaten, Paprika und Gurken, die aus Mexiko, Guatemala, Peru, Kolumbien,
Südafrika und vielen anderen Ländern importiert werden.
Bei einigen Kategorien von verarbeitetem Obst und Gemüse (gefroren, in
Dosen, getrocknet) ist der Prozentsatz der Einfuhren sogar noch weitaus höher.
Zum Beispiel werden 95 Prozent des in den USA konsumierten gefrorenen
Brokkolis importiert, hauptsächlich aus Mexiko und Guatemala. Diese Beispiele
gelten für andere Arten von Lebensmitteln ganz ähnlich.
Schuld an diesem immer größeren Anteil an Importen für den Verbrauch in den
letzten drei Jahrzehnten ist das aggressive Vorgehen einiger weniger
multinationaler Konzerne. Auf dem Etikett erscheinen immer noch bekannte
Markennamen, was zeigt, daß der Ursprung vieler dieser Marken auf Unternehmen
zurückgeht, die früher einmal in den USA produzierten, aber in der Ära des
Freihandels seit den 90er Jahren beschlossen riesige Konzerne, parallel zur
Auslagerung der Produktion alteingesessener Industriekonzerne auch das
Lebensmittelgeschäft weltweit auszulagern. Die Finanzierungsbedingungen der
Wall Street und City sowie die Eigentumsverhältnisse diktierten, daß die
Unternehmen in Billigproduktionsgebiete in anderen Teilen der Welt umziehen
mußten.
Daher bedeutet jedes neue Außenhandelsabkommen, das angekündigt wird –
abgesehen von seltenen Ausnahmen –, gewöhnlich Profitchancen für die Wall
Street mit den betreffenden Rohstoffen, während es der Realwirtschaft und den
Menschen in den exportierenden und importierenden Ländern schadet.
Die Geschichte der lebensmittelverarbeitenden Firmen zeigt regelmäßig
massive Interventionen der Wall Street.
Ein Paradebeispiel ist Del Monte Foods. Heute einer der
Mega-Lebensmittelimporteure, hatte die Firma ihre Anfänge in Kalifornien,
verbunden mit dem damals berühmten Del Monte Hotel. Über die Jahrzehnte blühte
sie durch die kalifornische Obst- und Gemüseerzeugung auf. In den 70er Jahren
begannen dann die finanziellen Machenschaften.
Nachdem R.J. Reynolds 1979 das Del Monte Hotel gekauft hatte, kaufte KKR
(die Wall Street-„Heuschrecke“ Kohlberg Kravis Roberts & Co.) die Firma
auf und begann, sie zu zerschlagen, um schnelle Gewinne zu machen. 1989
kauften Merrill Lynch, Citicorp Venture Capital und Kikkoman das Kerngeschäft
von Del Monte Foods. Nach vielen weiteren Aufspaltungen ging Del Monte Foods
2002 wieder an die Börse. Es kaufte einen großen Teil von H.J. Heinz auf und
verlegte seinen Hauptsitz nach Pittsburgh, dem historischen Sitz von Heinz. Im
März 2011 wurde Del Monte erneut übernommen, diesmal von einer von KKR
angeführten Investorengruppe, zu der auch Vestar Capital Partners und andere
gehörten. Die Aktien des Unternehmens wurden von der Börse genommen, und Del
Monte hat nun wieder seinen Hauptsitz in Kalifornien, wo schwindelerregende
Finanzgeschäfte der Lebensmittelunternehmen nun nicht mehr die Ausnahme,
sondern die Regel geworden sind.
Bei Fleisch- und Milchprodukten ist die Lage komplexer, dazu gehören
kapital- und arbeitsintensive Viehzuchtbetriebe und verderbliche Produkte,
aber auch hier sieht man den gleichen Prozeß mit der Verlagerung in billigere
Produktionsgebiete innerhalb der Vereinigten Staaten und der Auflösung der
traditionellen Strukturen einheimischer Produktion. In den letzten sechs
Monaten haben zwei der größten amerikanischen Molkereibetriebe – Dean Foods
und Borden Dairy – Konkurs angemeldet. Das US-Landwirtschaftsministerium
(USDA) prognostiziert, daß dieser Trend zur Auslagerung der
Lebensmittelproduktion bald noch stärker wird.
Wie kam es dazu?
Der schicksalhafte Bruch kam im August 1971, als Präsident Richard Nixon
das Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse zwischen den Währungen
beendete und der Dollar anfing, im Wert zu schwanken.
In der Folge wurden in Form von Gesetzen und Verträgen neue Vereinbarungen
im In- und Ausland durchgesetzt. In den 80er Jahren begann eine Reihe
multinationaler Gespräche unter der Ägide des Allgemeinen Zoll- und
Handelsabkommens der Vereinten Nationen (GATT) mit dem Ziel, die nationale
Souveränität nicht nur über die Währungen, sondern auch über die
„Finanzdienstleistungen“ des Bankensektors sowie über die Landwirtschaft und
Nahrungsmittel zu beenden. Die Uruguay-Runde der GATT-Gespräche begann 1986 in
Punta del Este, Uruguay, mit Folgetreffen in Seattle, Montreal und anderen
Orten, die 1995 mit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) ihren
Höhepunkt erreichten. Ihre Prämisse für den Lebensmittelhandel ist, daß kein
Land das Recht hat, seine Bauern in einer Weise zu unterstützen, die den
Bauern in anderen Ländern die Möglichkeit nimmt, ihre Produkte auf diesem
Markt zu verkaufen.
Wie es bei GATT heißt: „Das WTO-Prinzip besagt, daß die Bürger jedes Landes
das Recht haben, überall auf der Welt Zugang zu Nahrungsmitteln zu haben,
nicht bloß zu den eigenen.“ Blickt man jedoch hinter diese heuchlerische Maske
der Menschenrechte, so ging es in Wirklichkeit um die vollständige
Kartellisierung der Produktion und des Handels von Nahrungsmitteln und um die
Spekulation mit ihnen.
Historisch betrachtet ist dieses Prinzip den Vereinigten Staaten eigentlich
fremd. Nach dem traditionellen Amerikanischen System soll eine nationale
Produktivität aufgebaut werden, auch die Außenbeziehungen basieren auf diesem
Prinzip und respektieren das souveräne Recht anderer Nationen, genauso zu
handeln.
Die US-Institutionen gaben dieser Veränderung, die von London massiv
vorangetrieben wurde, jedoch nach. Bei der GATT-Runde in Montreal 1988, deren
Titel „Eine Welt – Ein Markt“ lautete, hieß es in einem Memorandum der
US-Seite, das EIR vor Ort erhielt, daß die USA fortan die nationale
Ernährungssicherheit so umdefinieren, daß dies nicht mehr die nationale
Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, sondern „Zugang zu den Weltmärkten“
bedeutet. In der Erklärung der USA hieß es:
„Ernährungssicherheit und Selbstversorgung sind nicht ein und dasselbe
Ziel. Ernährungssicherheit ist die Fähigkeit, die benötigte Nahrung zu
erwerben, wenn sie benötigt wird. Nahrungsmittelselbstversorgung bedeutet, daß
man unabhängig von den Marktkräften einen Teil der eigenen
Nahrungsmittelversorgung aus heimischen Ressourcen erzeugt, mit der bewußten
Absicht, Importe zu verdrängen oder die Importabhängigkeit zu verringern... In
einigen Fällen kann die Selbstversorgung sogar den Zielen der
Ernährungssicherheit zuwiderlaufen... In der gesamten Menschheitsgeschichte,
bis zu den technischen Fortschritten der Grünen Revolution, war eine weltweite
Nahrungsmittelknappheit aufgrund von Ernteausfällen eine denkbare und oft
reale Bedrohung. Heute... ist sie höchst unwahrscheinlich.“
Nur wenige Tage nach dieser Montrealer GATT-Runde gründete das
Schiller-Institut im Dezember 1988 mit einer internationalen Konferenz in
Chicago eine neue Organisation, Food for Peace. Daran beteiligten sich
Menschen aus den USA und vielen anderen Ländern, vor allem Landwirte und
Diplomaten, um sich gegen diese Verschiebung hin zu einer übernationalen
Weltregierung – nicht nur in Bezug auf Lebensmittel, sondern in allen
wirtschaftlichen und strategischen Aspekten – zu wehren. Lyndon LaRouche hielt
die Hauptrede mit dem Titel „Unser tägliches Brot gib uns heute“,5
in der er die Prinzipien für den Kampf gegen diese Bedrohung vorstellte.
Wenige Wochen später wurde er in einer bösartigen Operation gegen seine
führende internationale Rolle als Staatsmann zu Unrecht ins Gefängnis
geworfen.6
III. Die Auswirkungen
Marcia Baker gab einen Überblick über die Gesetzes- und Vertragsänderungen
in den folgenden 25 Jahren, die zur heutigen Krise geführt haben. Im
„Jahrzehnt vor dem Freihandel“, zur Zeit der GATT-Runden, wurden bestimmte
Schlüsselgesetze der USA geändert; beispielhaft dafür ist der Übergang zur
„Legalisierung“ der Patentierung von Lebensformen, angefangen mit
Nahrungspflanzen.
Bis dahin hatten die Züchter, die Saatgut durch Selektion, Kreuzung,
Hybridisierung etc. verbesserten, ihre Gewinne daraus erzielt, daß sie
ertragreichere, saubere Produkte anboten, doch seit in den 70er Jahren der
wissenschaftliche Durchbruch zur biotechnischen Veränderung von
Pflanzeneigenschaften kam, drängten die Netzwerke des Finanzimperiums der City
und der Wall Street darauf, durch die Einführung privater Patente auf
Saatguteigenschaften und biotechnische Methoden die Kontrolle über die
Nahrungsmittelversorgung an sich zu reißen.
Dies wurde 1984 vom Obersten Gerichtshof bestätigt, es kam sogar zu
privaten Patentrechten auf menschliche Gene, z.B. bei Parkinson, Brustkrebs
und anderem. Die weitreichende Kontrolle über die Landwirtschaft konzentrierte
sich auf wenige multinationale Agrochemie-Unternehmen – Monsanto (heute im
Besitz von Bayer), Cargill, BASF und andere. Die seit Jahrzehnten geltenden
Kartellgesetze wurden nicht mehr durchgesetzt – eine Situation, die bis heute
anhält.
In Übereinstimmung mit dem WTO-Prinzip, einheimische Produktion nicht mehr
zu fördern, wurden in den USA radikale Freihandels-Farmgesetze erlassen,
darunter das berüchtigte „Freedom to Farm“-Gesetz von 1996. Im Jahr 1999
folgte die radikale Deregulierung des Bankwesens mit der Aufhebung des
Glass-Steagall-Gesetzes von 1933. 2001 kam der Commodities Futures
Modernization Act, das „Gesetz zur Modernisierung des Warenterminhandels“, das
die ungehinderte Spekulation mit Rohstoffen ebenso wie mit Währungen und
anderen Werten an der Chicagoer und anderen Börsen erlaubte.
IV. Der Fall Afrika – Rückkehr zum Kolonialismus
Der Extremfall der Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten und der
transnationalen Herrschaft über die Nahrungsmittel ist Afrika. Heute ist
dieser Kontinent bei Grundnahrungsmitteln zu 40% von Importen von außerhalb
des Kontinents abhängig. Zwar wurden die afrikanischen Nationen nach dem
Zweiten Weltkrieg politisch unabhängig, aber ihre wirtschaftliche
Unabhängigkeit wurde durch die jahrzehntelangen Machenschaften des
Weltwährungsfonds (IWF) mit den überhöhten Schuldenlast und Kreditauflagen
durchkreuzt, was die Entwicklung einer modernen Landwirtschaft und
Infrastruktur und allgemein den wirtschaftlichen Fortschritt verhinderte. Nach
1971 kamen dann die neokolonialistischen Operationen, man verlangte von den
afrikanischen Nationen, daß sie sich mit einer Rolle als Lieferanten von
Spezialexporten zufrieden gaben – nicht nur tropische Pflanzen zur Versorgung
nördlicher und südlicher Breitengrade, sondern auch billige Nahrungs- und
andere Pflanzen wie grüne Bohnen, Kürbis und Blumen für Europa, Zitrusfrüchte
für die Vereinigten Staaten usw. All dies wird von den großen Kartellen
gesteuert.
In Wirklichkeit ist das landwirtschaftliche Produktionspotential Afrikas
enorm. Dies wurde in einem Kartierungsprojekt der UNO-Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation in den 1970er Jahren deutlich gemacht, in dem das
agroklimatische Potential für verschiedene Kulturen unter regenreichen
Bedingungen untersucht wurde. Es gibt keine natürlichen Begrenzungen der
physischen Bedingungen für den Kontinent, die ihn zwingen würden, Mais und
andere Grundnahrungsmittel zu importieren, dies tun nur die
politisch-wirtschaftlichen Ausbeutungspraktiken des Systems des „freien“
Welthandels.
Die neue Ära der von China initiierten Projekte in Afrika, insbesondere im
Rahmen der Gürtel und Straßen-Initiative – Eisenbahnen, Staudämme, neue
Reissorten und andere grundlegende Maßnahmen – trägt dazu bei, das
kolonialistische Erbe abzuschütteln. Im Grunde muß jedoch das gesamte
globalistische Handelssystem abgeschafft werden.
Wie dringend dies ist, zeigt die unnötige Anfälligkeit für Krankheiten und
Hungersnöte in Afrika. In den letzten Jahren hat der Heereswurm die Ernten im
südlichen Afrika verwüstet. Hinzu kommen die Auswirkungen der sogenannten
Afrikanischen Schweinepest, die sehr zerstörerisch ist und die weltweite
Schweineproduktion im letzten Jahr um 25 Prozent reduziert hat.
© FAO
Abb. 3: Verbreitung von Heuschreckenschwärmen in Ostafrika und Südwestasien
Anfang März 2020.
Abb. 4: Zwischen 1980 und 2010 verzeichnete fast ein Drittel der
amerikanischen Landkreise (Counties) einen Bevölkerungsrückgang. Quelle:
Vergleich des U.S. Census 2010 mit dem U.S. Census 1980.
Der aktuelle Heuschreckenausbruch in Afrika ist ein globaler Notstand. Die
Karte (Abbildung 3) zeigt die Verbreitung der Heuschreckenschwärme in
Ostafrika und Südwestasien bis nach Indien Anfang März. Am 24. Februar erhöhte
die FAO ihren Aufruf zur internationalen Finanzierung der
Heuschreckenbekämpfung von zuvor 76 Mio.$ auf 138 Mio. –, wovon aber bis dahin
nicht einmal 35 Mio.$ zugesagt waren. Ohne rechtzeitige Maßnahmen könnten sich
die regionalisierten Heuschreckenschwärme bis zum Ende des Frühjahrs in eine
Plage kontinentalen Ausmaßes verwandeln. Bereits jetzt müssen für 40 Millionen
Menschen Hilfslieferungen von Nahrungsmitteln bereitgestellt werden.
V. Der Farmgürtel der USA wird demontiert
Ergänzend zu Frau Bakers Vortrag gab ihr Ehemann Bob Baker einen Bericht
mit zahlreichen Bildern über die Zerstörung des Farmgürtels der USA unter der
Wucht des ungehinderten „Freihandels“. Wenn man heute durch ländliche Gegenden
Amerikas fährt, sieht man häufig Bauernhöfe – Silos, Nebengebäude, Pferche,
Häuser. Aber wenn man genauer hinschaut, sieht man, daß sie leer stehen. In
den Häusern mögen noch Menschen leben, die vielleicht noch Felder bestellen,
aber alle anderen Teile der Höfe sind stillgelegt. Die Häuser der Kleinstädte
in der Umgebung sind mit Brettern vernagelt.
Was man dort sieht, ist das Ergebnis eines Prozesses der Auflösung der
historisch erfolgreichen Arbeitsweise, mit diversifizierter Landwirtschaft,
lokalen Futtermittelanbauflächen, Dienstleistungen und
Lebensmittelverarbeitung, an dessen Stelle größere Ackerbau- und
Viehzuchtbetriebe traten, bei denen das Eigentum an der Verarbeitung und den
Betriebsmitteln in wenigen Händen konzentriert ist. Mit der Kartellbildung kam
die Entvölkerung. Die Landkreise im gesamten Farmgürtel verzeichneten einen
erheblichen Bevölkerungsrückgang, ganz besonders in den High Plains und u.a.
in den Milch- und Industrieregionen im Westen von Pennsylvania. Abbildung
4 zeigt, daß etwa ein Drittel der US-Landkreise zwischen 1980 und 2010 an
Bevölkerung verloren hat.
Die treibenden Kräfte hinter diesem Prozeß waren niedrige Preise, fehlende
Durchsetzung des Kartellrechts gegen die Großunternehmen, Rohstoffspekulation
sowie die transnationalen Konzerne mit ihrer ständigen Suche nach den
billigsten Herkunftsregionen für ihre gewünschten Rohstoffe. Zum Beispiel
organisiert das Sojabohnen-Kartell – Cargill, Louis Dreyfus, Bunge und einige
andere – Exporte von Soja aus den USA und Südamerika – Brasilien, Uruguay,
Paraguay und Argentinien –, die zusammen über 90% aller gehandelten Sojabohnen
und 80% der gesamten Weltproduktion ausmachen. Wenn also ein neues
Handelsabkommen angekündigt wird – so wie jüngst die erste Phase des
Handelsabkommens zwischen China und den USA – und Sojabohnen darin eine
wichtige Komponente sind, wird nie angegeben, welchen Preis die
Kartell-Handelsfirmen den amerikanischen Landwirten zahlen.
© EIR
Abb. 5: Einkommensentwicklung der Haushalte amerikanischer Landwirte.
On-Farm: Einkommen aus der Landwirtschaft. Off-Farm: Einkommen aus anderen
Aktivitäten.
Abb. 6: Anteile der Farmen verschiedener Umsatzkategorien an der Gesamtzahl
der Farmen und am Gesamtwert der Agrarproduktion in den USA (Angaben in
Prozent, 2015, Quelle: USDA).
Bob Baker erinnerte weiter daran, daß die gesetzlichen Paritätspreise für
die Landwirte bei den Agrarprodukten aufgegeben wurden. Parität bedeutet, daß
die Landwirte für ihre Erzeugnisse einen Preis erhalten, der ihre
Erzeugerkosten deckt, plus eine angemessene Gewinnspanne, damit sie in
technische Verbesserungen investieren und so auch in Zukunft weiter
produzieren können. Das nutzt sowohl den Landwirten als auch der
Nahrungsmittelsicherheit für das ganze Land. Das Prinzip des Paritätspreises
wurde in den 1930er Jahren unter Präsident Franklin D. Roosevelt gesetzlich
verankert und blieb bis in die 70er Jahre gültig, als die Deregulierung der
gesamten Volkswirtschaft einsetzte. Formell sind die Gesetze über
Paritätspreise für landwirtschaftliche Betriebe aber immer noch in Kraft.
Sehr viele Landwirte können ihren Betrieb nur mit Einkommen außerhalb der
Landwirtschaft aufrechterhalten, indem Mitglieder der Familie zusätzlich
Teilzeitarbeit oder Nebentätigkeiten für Einkommen, Krankenversicherung und
Sozialversicherung leisten, wie in Abbildung 5 dargestellt.
Das Endergebnis all dieser Faktoren ist, daß der Großteil der heutigen
Produktion in der US-Landwirtschaft nur noch von sehr wenigen Betrieben
stammt. Von den zwei Millionen Betrieben in den Vereinigten Staaten liefern
ganze 4,2 Prozent mehr als die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen
Produktion (gemessen am Umsatz). Zehn Prozent der Betriebe machen 75 Prozent
der Produktion aus (gemessen am Umsatz). Alle Aspekte der Nahrungsmittelkette
werden von einer Handvoll von Unternehmen monopolisiert.
Das Ausmaß dieser Demontage der US-Landwirtschaft wurde dem Publikum in
Manhattan durch Ausschnitte aus einem Videointerview mit dem Rancher Bill
Bullard, das Bob Baker am 18. Juli 2019 für EIR geführt hatte, lebhaft
vor Augen gestellt.7 Bullard ist Vorsitzender der Vereinigung
R-CALF USA aus Montana und einer der führenden Köpfe der Kampagne für eine
korrekte Etikettierung von Fleisch. Das Ziel ist die Wiedereinführung des sog.
COOL-Gesetzes (Country of Origin Labeling, Herkunftsland-Kennzeichnung) für
Fleisch, ein Gesetz, das nur kurzzeitig (2013-15) in Kraft war und dann unter
dem Druck des Fleischhandelskartells der Wall Street und der City vom
US-Kongreß wieder abgeschafft wurde.
Derzeit darf in die USA importiertes ausländisches Rindfleisch das Etikett
„Product of the U.S.A.“ tragen, wenn es hier „verarbeitet“ ist, was aber in
der Regel nur bedeutet, daß es neu verpackt wurde. Fast 10 Prozent des
US-Rindfleischverbrauchs werden importiert.
Die Zerstörung der Ernährungssicherheit war alles andere als unvermeidlich.
Man hätte sie niemals tolerieren dürfen.
VI. Dirigistische Produktion: einige Beispiele
Marcia Baker stellte anschließend drei Modellfälle einer „dirigistischen“
Produktion vor, die dem Interesse des Landes dient: zwei historische Beispiele
des Amerikanischen Systems und das jüngste Beispiel für das Wachstum der
Landwirtschaft Chinas unter dem „Sozialismus mit chinesischen Merkmalen“.
Unter Präsident Abraham Lincoln gab es in den USA große Initiativen, die
direkt die Landwirtschaft ausweiteten. Erstens wurden durch das Siedlergesetz
(Homestead Act) von 1862 die Anbaufläche und das Weideland erheblich
vergrößert und andere landwirtschaftliche Verbesserungen gefördert. Ein
Landwirt erhielt in den neuen westlichen Gebieten kostenlos 160 Acre Land,
wenn er darauf lebte und dieses zugewiesene Land nutzte. In der Diskussion in
Manhattan erzählte ein Gast, daß seine Familie bis heute auf Land in Montana
lebt, das sie vor Generationen unter diesem Gesetz Lincolns erworben hatte.
Wie viele andere bestätigte er, daß sie heute die Frage beschäftigt: „Wo
bleibt die Kontinuität? Wer soll unter den heutigen Krisenbedingungen noch
Landwirtschaft betreiben?“
Ebenfalls unter Lincoln entstand die Transkontinentale Eisenbahn, die die
ländlichen Regionen mit den Städten verband, landwirtschaftliche Produkte und
Material für die Farmen transportierte und das Land gesellschaftlich einigte.
Lincolns Währungspolitik mit der Einführung des nationalen Papiergelds, den
berühmten „Greenbacks“, bewies einmal mehr die Macht der Regierung, Kredit für
den Aufbau des Landes zu schöpfen. Das Morrill-Gesetz von 1862 förderte die
wissenschaftliche und technische Arbeit durch die Einrichtung von
Landwirtschaftsschulen und die Gründung des Landwirtschaftsministeriums USDA.
Marcia Baker merkte an, daß sie und ihr Mann zwei dieser Hochschulen
absolvierten – sie in Pennsylvania, einem traditionellen Zentrum der
Milchwirtschaft, und Bob in Iowa, dem traditionellen Zentrum für Mais und
Schweine.
Auch unter Präsident Franklin D. Roosevelt wurden viele Maßnahmen zur
Förderung der Landwirtschaft und zum Schutz der Lebensmittelversorgung
eingeleitet. Neben dem gesetzlichen Paritätspreis waren dies der 1935
gegründete Soil Conservation Service (Bodenerhaltungsdienst) – eine Abteilung
des USDA für Förderprogramme für Landwirte –, die Elektrifizierung der
ländlichen Gebiete sowie die großen Entwicklungsprogramme an den Flüssen
Columbia und Colorado und der revolutionären Tennessee Valley Authority (TVA).
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die landwirtschaftliche Produktion
gezielt erhöht, obwohl viele junge Landwirte an der Front dienten.
Bob und Marcia Baker führten auch einige persönliche Beispiele an. Bob
Bakers Vater in Iowa meldete sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig, wurde aber
nicht angenommen mit der Begründung, als einziger Sohn müsse er die Farm
leiten, um für den Kriegsbedarf zu produzieren. Marcia Baker sprach dann von
ihrem Vater, Walter Merry, der sich ebenfalls für den Kriegsdienst meldete,
aber stattdessen in der Milchwirtschaft für die Versorgung der Streitkräfte
eingesetzt wurde. Seiner Familie gehörte damals schon seit Jahrzehnten die
Molkerei Merry Dairy, und sie war Miteigentümer der Molkerei Menzie Dairy in
McKeesport, die zur Versorgung von Militärbasen bestimmt war. Im Februar 1943
halfen er und andere bei der Gründung der ersten Milchbauerngenossenschaft in
Pennsylvania, über die 600 Bauern Milch an Menzie verkauften. Menzie wiederum
wurde von Arbeitern aus drei Gewerkschaften – Lieferwagenfahrer, Rohrschlosser
und Betriebsingenieure – geleitet. Es gab Tausende dieser lokalen und
regionalen Molkereien im ganzen Land. Bis zur Jahrhundertwende mußten die
meisten dieser Betriebe schließen, sie wurden von den transnationalen
Unternehmen der Freihandelsära – Nestlé, Unilever, Kraft, Danone u.a. – aus
dem Geschäft gedrängt. Das jüngste Beispiel in diesem Zusammenhang ist, daß
Wal-Mart 2018 in Indiana eine gigantische Molkereianlage in eigenem Besitz
eröffnete.
Chinas Bilanz der landwirtschaftlichen Entwicklung ist ein Modell für
zielgerichtetes Handeln. Nachdem China sich zuverlässig mit Nahrungsmitteln
selbst versorgen konnte und 1984 sogar einen Getreideüberschuß anhäufte,
arbeitete man in den folgenden 35 Jahren systematisch an der Verbesserung der
Ernährung und Steigerung der Produktivität der Betriebe.
Das Ziel war dabei nicht nur, mehr Getreide zu erzeugen, sondern einen
größeren Anteil davon für Viehfutter zu verwenden, damit sich der
Durchschnittsbürger mehr Fleisch leisten konnte. 1980 dienten nur 8% des
Getreideverbrauchs als Viehfutter der Fleischerzeugung. Dieser Anteil stieg
bis 2010 auf 38%, und bis 2030 zielt man auf 50%. Auf dem Weg dorthin gab es
Probleme, wie die Afrikanische Schweinepest, die Chinas Schweinebestand 2019
um die Hälfte reduziert hat, und die jüngsten Störungen durch Covid-19, aber
der jährliche Fleischkonsum pro Kopf ist weiter gestiegen, von 29 kg 1995 auf
35 kg bis 2020. Auch der Verbrauch von Eiern, Milchprodukten und
Meeresfrüchten hat zugenommen. Ein wichtiger Faktor in diesem Prozeß ist, daß
China planmäßig importierte Sojabohnen als Viehfutter verwendet.
Am 7. Juli 2017 hat Mei Fangquan, Professor am Agriculture Information
Institute und Chefexperte des Ausschusses für globale Ernährungssicherheit der
Vereinten Nationen, auf dem Forum des Schiller-Instituts „Nahrung für den
Frieden und für das Denken“ in New York City Chinas Maßnahmen erläutert. Seine
Rede und die vollständige Berichterstattung über die Konferenz wurde in der
Ausgabe vom 14. Juli 2017 in EIR veröffentlicht.8
Marcia Baker faßte ihren Vortrag zusammen, indem sie erneut betonte, daß
das leitende Prinzip in der Agrarpolitik die nationale Souveränität sein muß:
das Recht und die Pflicht der Regierungen, sich für ihr Volk und seine Zukunft
und für eine Weltordnung des gegenseitigen Nutzens für alle Länder
einzusetzen. Das sei auch der Ausgangspunkt dafür, was ein gutes
Handelsabkommen ausmacht. Ist es für beide Handelspartner komplementär? Die
Lieferung von Schweinefleisch aus den USA nach China sei gegenwärtig für beide
Seiten komplementär, weil China letztes Jahr durch die Afrikanische
Schweinepest die Hälfte seines Schweinebestandes verloren hat und Fleisch
braucht, solange es seinen eigenen Schweinebestand wieder aufbaut. Es gibt
viele andere Beispiele. Baker zitierte Präsident Trump, sein Lieblingswort für
den Handel sei „reziprok“, und sagte: „Ich möchte ihn sagen hören, daß
,komplementärer‘ Handel am besten ist.“
VII. High-Tech-Landwirte gegen den grünen Ansturm
Was macht ein guter Landwirt, wenn er einen fairen Preis für seine
Erzeugnisse erhält? Er steckt das Geld in seinen Betrieb, in die Verbesserung
des Bodens, in die Modernisierung der Maschinen, in bessere Be- und
Entwässerung, in Viehgebäude, in besseres Saatgut und andere
Betriebsmittel.
Bob Baker bemerkte, die meisten New Yorker Stadtmenschen müßten sich heute
ziemlich gut vorstellen können, wie es in der Fahrerkabine eines modernen
Traktors, einer Sämaschine oder eines Mähdreschers aussieht, da heutzutage
jedermann GPS und allerlei andere elektronische Geräte benutzt. Der
amerikanische Farmer von heute hat all das und noch viel mehr. Er verfolgt
Daten über Ertrag, Fruchtbarkeit, Bodenfeuchtigkeit usw. in Echtzeit. Er
arbeitet mit bis zu drei Computerbildschirmen gleichzeitig.
Doch zusätzlich zu alledem forderte Baker das Publikum auf: „Schauen wir
einmal, was unter der Erde passiert.“ Er nahm seinen Heimatstaat als
Beispiel.
Iowa hat den größten Agrarflächen-Anteil unter allen US-Bundesstaaten –
über 85 Prozent der Fläche des Staates. Der Boden gehört zu den besten
Schwarzerde-Böden der Welt. Aber wie der Name Iowa schon sagt – „Land zwischen
den Flüssen“ –, ist die Entwässerung ein Problem. Das Land liegt zwischen dem
Missouri und dem Mississippi, und sein natürlicher Zustand ist sumpfig. Seit
mehr als 125 Jahren haben die Landwirte in Iowa jedoch unterirdische Leitungen
verlegt, um überschüssiges Wasser abzuführen und die Erosion zu minimieren.
Baker beschrieb, wie der gesamte Bundesstaat mit alten Holz-, Ziegel-, in den
letzten Jahrzehnten auch PVC-Rohren unterlegt ist. Unter einem typischen Feld
sind alle 20 Meter oder sogar alle 12 Meter solche Rohre verlegt, die Wasser
in nahegelegene Bäche leiten. Die Erträge an Sojabohnen und Mais in Iowa
gehören zu den höchsten der Welt.
Iowa ist ein Beispiel für die Verbesserungen der Natur, wie sie die
Landwirte ständig vornehmen und dabei die Nahrungsmittelproduktion ausweiten.
Das ist genau das, wogegen die grüne Bewegung mobilisiert wird, um es zu
verhindern. Marcia Baker berichtete über einige der neuen „grünen“ Auflagen
für die Landwirtschaft in Europa: Gesetze zur Beschränkung des Einsatzes von
Chemikalien, Beschränkungen und Verbote von Viehhaltung und sogar
Vorschriften, um Landwirte zu veranlassen oder zu nötigen, ihr Land in Solar-
oder Windkraftanlagen umzuwandeln.
Neben den berüchtigten Persönlichkeiten an der Spitze dieser
massenmörderischen Kampagne, wie Mark Carney, der ehemalige Gouverneur der
Bank of England und heutige UN-Sondergesandte für Klimaschutz und Finanzen,
und sein Kumpan, der Anti-Kohle-Oligarch Sir Michael Bloomberg, gibt es noch
andere, die ebenso die Landwirtschaft bekämpfen. So kaufte beispielsweise der
Investorenguru Warren Buffett einen führenden staatlichen Stromversorger,
Mid-America Energy, und will damit bis 2030 vollständig auf „erneuerbare
Energien“ umsteigen und überall Windturbinen aufstellen. Frühere Pläne für den
Bau eines neuen Kernkraftwerks in Iowa gab er auf. Im letzten Jahr kam es in
Minnesota zu Stromausfällen in den Farmgemeinden, weil die Windturbinen bei
Stürmen abgeschaltet werden mußten.
Die Fleischproduzenten sind ein Hauptopfer des grünen Angriffs. Eine
bösartige Operation in diesem Zusammenhang ist der Global Roundtable for
Sustainable Beef. In diesem Gremium sind Organisationen wie der World Wildlife
Fund, McDonald's, Mega-Supermarktketten und andere vertreten, die einen Plan
zur elektronischen Kennzeichnung allen Rindfleischs von der Krippe bis zum
Eßtisch vorantreiben und den Ranchern vorschreiben wollen, was sie tun müssen
und ob sie im Betrieb bleiben können oder nicht. Als Anfang 2019 vom USDA der
Vorschlag zur elektronischen Kennzeichnung
(RFTD-Funkfrequenz-Identifikationsmarken) kam, protestierten die Viehzüchtern
vehement, und das Weiße Haus setzte ihn im Oktober aus. Auch andere „grüne“
Vorschriften zur Einschränkung der Wassernutzung in Kalifornien und andere
Bedrohungen der Landwirtschaft hat die Regierung Trump außer Kraft
gesetzt.
Abb. 8: Konzentrationsgrad im fleischverarbeitenden Sektor:
Marktanteil der jeweils vier größten Rindfleisch-, Schweinefleisch- und
Geflügelfleisch-verarbeitenden Unternehmen
(Quelle: National Farmers Union).
Unterdessen wirbt das Fleischvermarktungskartell (Abbildung 8) für
Fleischersatz, entweder auf pflanzlicher Basis oder sogar im Labor
hergestelltes „Kunstfleisch“. Am 24. Februar verkündete Cargill, einer der
vier großen Rindfleischverarbeiter in den USA, daß er im April einen neuen
Soja- und Erbsenburger einführen wird. Der Fleischverarbeiter Marfrig, der
seinen Hauptsitz in Brasilien hat und Eigentümer von National Beef in den USA
ist, brachte 2019 als erster Mega-Lebensmittelverarbeiter eine Anleihe für die
„grüne Wende“ auf den Markt. Die 500 Mio.-$-Anleihe enthält Klauseln, die im
Namen der Rettung der Umwelt, des Tierschutzes oder anderer Vorwände gegen die
Viehhalter verwendet werden können.
Wie ist es so weit gekommen? Wer hat das erlaubt?
Marcia Baker betonte, daß die Landwirte politisch ins Abseits gedrängt
wurden, indem man sie unter Druck setzte, wider ihr besseres Urteilsvermögen
alles zu tun, was Hoffnung auf einen besseren Preis bot. Dabei folgte eine
falsche Perspektive der anderen.
1980 wurde mit dem Risiko-Management-Gesetz eine erweiterte Ernte- und
Einkommensversicherung eingeführt (diese war erstmals 1938 in Kraft getreten,
jedoch zu Paritätspreisen für die Landwirte). 1990 ließ das Gesetz über den
organischen Anbau von Lebensmitteln den Hoffnungsschimmer besserer Preise
durch Verzicht auf Chemikalien aufkommen, was den transnationalen Unternehmen
neue Profitchancen bot. Mit dem Gesetz über die Energiepolitik unter Präsident
George W. Bush wurden ab 2005 die Biotreibstoffe in großem Stil gefördert, was
unter den Regierungen Obama und Trump weiterlief. Mais- und Sojabohnenbauern
sollen von Äthanol und Biodiesel profitieren. Aber obwohl heute über 30% der
US-Maisernte in Biotreibstoffe fließen, erhalten die Maisfarmer immer noch
einen niedrigen Preis.
Nachdem nichts davon den Preisen half, sollen nun Hanf und die Chemikalie
Cannabidiol aus der Marihuanapflanze – die im Landwirtschaftsgesetz von 2019
legalisiert wurde – die Rettung sein. Wer soll das glauben?
So schlimm all dies auch ist: Weil die wenigsten einen Überblick über die
Agrarproduktion und die Agrarpolitik insgesamt haben, wird die Öffentlichkeit
noch mehr getäuscht und mit immer neuen Lebensmittelmoden hereingelegt. Als
Beispiel dafür führte Marcia eine Kampagne an, die der aktuellen Kampagne für
fleischlose Hamburger („Beyond Beef“) vorausging: die Förderung von „Milch“
auf Pflanzenbasis. Vor Jahren wurden Soja-, Hafer- und andere pflanzliche
„Milchgetränke“ in ultra-hochpasteurisierten Behältern verpackt, die für
ungekühlte Lebensmittelregale geeignet waren. Heute werden sie den
leichtgläubigen Verbrauchern neben Kuhmilch im Kühlregal angeboten. Natürlich
kostet diese Pseudo-Milch mehr als Kuhmilch.
VIII. LaRouches Vier Gesetze und das Heimstättengesetz für das 21. Jahrhundert
Zum Abschluß der Vorträge ging Bob Baker auf die wirtschaftlichen
Sofortmaßnahmen ein, die Lyndon LaRouche im Juni 2014 unter dem Titel „Vier
neue Gesetze zur Rettung der USA“ als Ausweg aus der sich verschärfenden Krise
vorgeschlagen hatte.9 Baker faßte sie zusammen und verwies
ergänzend dazu auf die verschiedenen Notmaßnahmen für die landwirtschaftlichen
Betriebe und die Lebensmittelversorgung, die er und Marcia zuvor in ihren
Reden gefordert hatten:
Der erste Punkt ist die Neuregelung des Bankwesens durch die
Wiedereinführung des Glass-Steagall-Gesetzes zur Bankentrennung. Parallel dazu
müssen die geltenden Kartellgesetze umgesetzt werden, um die im Inland
operierenden Monopole für Nahrungsmittel und landwirtschaftliche
Betriebsmittel aufzubrechen. Dies läßt sich auch als Ausgangspunkt nutzen, um
die Zerschlagung der transnationalen Konzerne, die heute den internationalen
Handel dominieren, in die Wege zu leiten. Dies öffnet den Weg zu einem für
alle Beteiligten vorteilhaften Handel mit Lebensmitteln und anderen Waren,
indem man unterbindet, daß die Kartelle die Handelsverträge im Sinne ihrer
Profitgier und Kontrolle über die Lebensmittel manipulieren.
Der zweite und dritte Punkt LaRouches betrifft die Schaffung einer
Nationalbank, die dort Kredit zur Verfügung stellt, wo er benötigt wird,
darunter reichlich Kredit für den Aufbau der Infrastruktur und andere
Prioritäten: für die Agrarindustrie, das öffentliche Gesundheitswesen,
medizinische Forschung, das Bildungssystem und ähnliches.
Baker betonte in diesem Zusammenhang, man müsse die Zahl der unabhängigen
Familienbetriebe in der Landwirtschaft vervielfachen, und dazu brauche man ein
„Heimstättengesetz des 21. Jahrhunderts“, wie er es nannte. Es müsse folgendes
enthalten: Wiedereinführung eines Paritätssystems der Rohstoffpreisgestaltung,
wobei man auf bereits bestehende Gesetze zurückgreifen kann; neue steuerliche
und andere Anreize für in den Ruhestand tretende Landwirte, mit jüngeren
Landwirten zusammenzuarbeiten, anfangs nach dem Prinzip „Halbe-Halbe“, so daß
der jüngere Landwirt Zugang zu zinsgünstigen Krediten hat und beide einen
Paritätspreis für ihre Ernte und ihr Vieh erhalten. Baker nannte dies einen
neuen Kurs für „eine Million neue Landwirte“.10
LaRouches viertes Gesetz fordert ein Sofortprogramm, um fortgeschrittene
wissenschaftliche Arbeiten in der Weltraumforschung und -entwicklung zu
fördern und um die Kernfusionsenergie nutzbar zu machen. Dies wird auch
fabelhafte Fortschritte in der Nahrungsmittelproduktion ermöglichen, von
Landwirtschaft in kontrollierten Umgebungen auf der Erde über die Biotechnik
zur Verhinderung von Pflanzen- und Tierkrankheiten bis hin zu anderen
wissenschaftlichen Durchbrüchen.
Abschließend wiederholte Marcia Baker einige der im Dialog angesprochenen
Punkte, darunter dringend erforderliche Maßnahmen, um den Heuschreckenausbruch
in Afrika und Asien zu bekämpfen und vorübergehend eine umfassende
Notversorgung der betroffenen Regionen mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten.
Darüber hinaus macht die Unterbrechung der Langstrecken-Lieferketten durch die
Auswirkungen von Covid-19 es zwingend erforderlich, für ein Gipfeltreffen der
Großmächte zu mobilisieren, so wie es Helga Zepp-LaRouche im Januar in ihrem
„Dringenden Appell an Präsident Trump, Präsident Xi, Präsident Putin,
Premierminister Modi und die Führer anderer Länder für die dringende Umsetzung
der Vier Gesetze von Lyndon LaRouche“ gefordert und in weiteren Erklärungen
vom 27. Februar und vom 9. März bekräftigt hat.11
Anmerkungen
1. Eine aktualisierte Fassung dieses Aufrufs finden Sie in dieser
Ausgabe.
3. Siehe Neue Solidarität 7/2020, https://solidaritaet.com/neuesol/2020/7/farmer.htm
4. Siehe Neue Solidarität 9/2020, https://solidaritaet.com/neuesol/2020/9/perschl.htm
5. Siehe https://larouchepub.com/lar/2008/3516give_daily_bread.html
6. Informationen zu diesem Verfahren finden Sie auf der Internetseite des
Schiller-Instituts https://de-schillerinstitute.nationbuilder.com
7. Siehe https://larouchepub.com/other/interviews/2019/4631-defend_food_supply_and_indepen.html
8. Siehe https://larouchepub.com/eiw/public/2017/eirv44n28-20170714/44-51_4428.pdf
9. Siehe https://solidaritaet.com/neuesol/2014/25/larouche-gesetze.htm
10. Siehe https://larouchepub.com/other/2019/4605-one_million_new_family_farms.html
11. Siehe https://schillerinstitute.com/de/blog/2020/02/28/urgent-call-for-larouches-four-laws-globally/
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