Afrika und die Neue Seidenstraße
Von Sébastien Périmony
Die folgende Rede hielt der Autor als Vertreter des
Schiller-Instituts beim Forum Angotic 2019, das vom 18.-20. Juni in Angolas
Hauptstadt Luanda stattfand.
Herr Staatssekretär, werte Ehrengäste, meine Damen und Herren,
Es ist mir eine große Ehre, zu dieser Konferenz in einem so schönen Land
eingeladen zu sein. Ich bin beim Schiller-Institut für Afrika zuständig, und
es ist mir eine große Ehre, hier im Namen der Präsidentin des Instituts, Frau
Helga Zepp-LaRouche, zu sprechen. Zu Beginn möchte ich eine Aussage zitieren,
die sie kürzlich in der chinesischen Zeitung Global Times am Vorabend
ihrer Rede auf der Konferenz zum Dialog der asiatischen Zivilisationen in
Peking am 15. Mai machte:
„Ich denke, wir sind wahrscheinlich die Generation, auf die spätere
Generationen zurückblicken und sagen werden: ‚Oh! Das war wirklich eine
faszinierende Zeit, denn es war ein Wechsel von einer Epoche zu einer
anderen.’ Und ich habe ein Bild davon, das heißt, dieser Wechsel, den wir
gerade erleben, wird wahrscheinlich größer sein als der Wechsel in Europa
zwischen Mittelalter und Neuzeit. Ich denke, wir stehen vor oder mitten in
einem solchen epochalen Wandel, in dem die nächste Ära der Menschheit viel,
viel kreativer sein wird als die jetzige. Darauf können wir uns freuen, denn
wir können sie tatsächlich gestalten. und wir können unseren eigenen kreativen
Input einbringen. Und es gibt nicht viele Perioden in der Geschichte, in denen
dies der Fall ist: Wir haben also tatsächlich Glück.“
Ich wurde eingeladen, den Bericht vorzustellen, den wir gerade
veröffentlicht haben: „Die neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke: Eine
gemeinsame Zukunft für die Menschheit“. Es ist ein 500seitiger Bericht, den
unsere Organisation erstellt hat und der bereits ins Chinesische, Arabische
und neuerdings auch ins Französische übersetzt wurde. In diesem Bericht wird
das neue Paradigma vorgestellt, das Präsident Xi Jinping 2013 mit der
Einführung der Initiative „One Belt, One Road“, die wichtige
Entwicklungsprojekte in der ganzen Welt umfaßt, in Gang gesetzt hat. Ein
wichtiger Teil dieses Berichts ist der Zukunft Afrikas gewidmet. Denn die Neue
Seidenstraße soll auch Afrika dabei helfen, das zu tun, was die Chinesen
geschafft haben und was als Wirtschaftswunder gilt, nämlich 700 Millionen
Menschen aus der Armut zu befreien.
Wie gesagt, ist ein wichtiger Teil des Berichts der Entwicklung Afrikas
gewidmet, mit einem Top-Down-Ansatz, der darin besteht, die Grundlage für die
Durchbrüche in der Wissenschaft zu legen und neue Technologien zu schaffen,
die die Zukunft der Menschheit prägen werden.
Ironischerweise ist das Defizit an grundlegender Infrastruktur in Afrika,
genauso wie es in China herrschte, ein Vorteil, weil es den Nationen
ermöglicht, die Zwischenstufen der Entwicklung, die sich in den
Industrieländern über Jahrhunderte hinzogen, zu überspringen, um direkt in die
modernsten verfügbaren Technologien einzusteigen. Dies ist der Ansatz, den
China mit Hochgeschwindigkeitszügen und Magnetschwebebahnen sowie der
Kerntechnik der vierten Generation verfolgt. In ähnlicher Weise wiederholen
die Chinesen mit ihrem Weltraumprogramm nicht einfach nur, was andere Länder
schon getan haben, sondern sie führen ehrgeizige Missionen durch, die noch nie
zuvor unternommen wurden.
Die laufenden großen Projekte und die Kampagne, die verbleibenden Millionen
Armen in China und in Afrika aus der Armut zu befreien, werden vom Einsatz der
Weltraumtechnik abhängen. Satellitenkommunikation wird die ländliche
Bevölkerung mit ihren Nachbarn, ihren Regierungen und dem Rest der Welt
verbinden und Möglichkeiten für Fernunterricht und Telemedizin schaffen. Durch
die Kartierung geografischer und geologischer Daten werden die idealen
Standorte für neue Projekte und Verkehrswege ermittelt und zusätzliche
Vorkommen von Wasser und Bodenschätzen erschlossen.
In der Zukunft wird die Erdfernerkundung landwirtschaftliche Nutzpflanzen
auf Dürre und Krankheit überwachen, Katastrophenwarnungen ausgeben und
Meeresressourcen orten. Vor kurzem wurde eine Technik unter Verwendung von
GPS-Satelliten entwickelt, um auch kleinste Bewegungen großer Strukturen wie
Brücken und Dämme zu überwachen.
Noch wichtiger als die praktischen Vorteile der Weltraumforschung ist
jedoch der Drang nach Wissen, der in der alleinigen Verantwortung des Menschen
liegt. Der größte Beitrag der Weltraumprogramme in Afrika wird darin bestehen,
das Talent und die Kreativität einer neuen Wissenschaftlergeneration zu
entwickeln, die weit in die Zukunft hinein neue Entdeckungen machen wird.
Deshalb hat Bildung Priorität.
Bildung hat Priorität
Leider ist heute das Bildungsniveau in Afrika noch zu niedrig. Die
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur
(UNESCO), die regelmäßig Erhebungen über die Alphabetisierung durchführt, hat
Statistiken veröffentlicht, aus denen hervorgeht, daß die
Alphabetisierungsrate in Afrika südlich der Sahara 2017 nur 65% betrug. Mit
anderen Worten, jeder dritte Mensch ab 15 Jahren konnte nicht lesen und
schreiben.
Und wenn Afrika im allgemeinen oder ein afrikanisches Land im besonderen in
seinem Industrialisierungsprozeß und der Gestaltung seiner Zukunft erfolgreich
sein will, dann braucht man dazu ein hocheffizientes Bildungsprogramm.
Sie wissen vielleicht, daß vor der Französischen Revolution 50% der Männer
und 70% der Frauen in Frankreich weder lesen noch schreiben konnten! Aber im
Jahr 1801 erklärte Jean-Antoine Chaptal, der Vater der öffentlichen Bildung in
Frankreich: „Keine freie öffentliche Bildung für alle anzubieten, bedeutet,
das Volk ins Herz zu treffen und eine Demoralisierung der Nation zu
verursachen. Daher ist es notwendig, die Bildung sicherzustellen und allgemein
und für alle zugänglich zu machen. Der Staat muß überall öffentliche Schulen
schaffen.“
Chaptal war ein Mitarbeiter von Lazare Carnot und Gaspard Monge, die die
Ecole Polytechnique gründeten, die seitdem eine der besten Schulen der Welt
ist und bedeutende Durchbrüche in Wissenschaft und Technik hervorgebracht hat.
Zur gleichen Zeit gründete Abbé Grégoire 1794 die nationale Kunst- und
Gewerbehochschule CNAM, um die „Industrie des Landes zu perfektionieren“. Und
ich denke, das könnten Modelle für Afrikas Bildungsstrategie sein.
Nachdem das gesagt ist: Womit soll man anfangen? Das erste, was man
braucht, ist eine Schule in jedem Dorf – „One village, One School“ – in allen
Ländern Afrikas! Gleichzeitig sollten Technische Universitäten aufgebaut
werden, so wie es derzeit in China geschieht. Wie ich in meiner Einführung
bereits sagte: Hochgeschwindigkeitsbahnen, Kernspaltungstechnik der vierten
Generation und Kernfusion, moderne Landwirtschaft, Raumfahrtindustrie und so
weiter und so fort. Also eine doppelte Dynamik: eine Schule für jedes Dorf und
dann Universitäten, die die bestmögliche Ausbildung in Wissenschaft, Technik
und Kunst bieten.
Ich bin optimistisch, denn 2017 verabschiedeten Minister für Forschung und
Bildung, die die Nationen der Afrikanischen Union vertreten, die erste
„Afrikanische Weltraumpolitik: Auf dem Weg zu sozialer, politischer und
wirtschaftlicher Integration“. Darin heißt es, die Vorteile der
Weltraumtechnik seien „entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung des
Kontinents“.
Wir müssen die Jugend auf diese Herausforderung vorbereiten.
Dr. Lee-Anne McKinnell, die amtierende Direktorin des
Weltraum-Wissenschaftsprogramms der südafrikanischen Weltraumagentur SANSA,
hat erklärt, daß im Rahmen ihres Programms Studenten aus ganz Afrika
ausgebildet werden und ein Austausch zwischen Studenten aus Kenia, Nigeria und
Sambia stattfindet.
Am 11. Februar dieses Jahres hat Angolas Minister für Telekommunikation und
Informationstechnologie, José Carvalho da Rocha, bekannt gegeben, daß der
Satellit Angosat-2, der sich in Frankreich im Bau befindet, 2021 in Betrieb
gehen wird. Er wird von unserem französischen Luftfahrtunternehmen Airbus
gebaut. Mir ist aufgefallen, daß kürzlich ANGOSAT EDUCA auf den Weg gebracht
wurde, eine pädagogische Initiative der Leitung des nationalen angolanischen
Weltraumprogramms GGPEN im Bereich der Weltraumerziehung, die darauf abzielt,
grundlegende Konzepte zum Weltraum zu verbreiten und Informationen über das im
nationalen Raumfahrtprogramm festgelegte ANGOSAT-Projekt zu sammeln.
Fazit: Die Ankündigung der Initiative „One Belt, One Road“ hat ein neues
Paradigma in der Welt definiert. Das ist keine hypothetische oder akademische
Spekulation, es ist eine Realität, die jetzt in der Welt Einzug hält.
Das gibt guten Grund für Optimismus für den afrikanischen Kontinent, denn
mit dem Aufstieg Chinas und insbesondere des neuen Paradigmas, das mit der
Gürtel- und Straßeninitiative entstanden ist, hat sich die Welt verändert, und
das besonders in den letzten fünf Jahren mit einer unglaublichen
Geschwindigkeit. Was China mit der Neuen Seidenstraße geschafft hat, ist die
Entwicklung eines neuen Modells der Beziehungen zwischen Nationen – und es ist
eine Initiative, die allen Nationen der Welt offensteht.
Unser Bericht präsentiert im Detail einen integrierten, kontinentalen
Verkehrsplan, ein transafrikanisches Verkehrsnetz, aber auch ein
interregionales Wasserprojekt, das Transaqua-Projekt, die Bekämpfung der
Wüstenbildung mit der Großen Grünen Mauer, die wirtschaftliche Entwicklung der
Demokratischen Republik Kongo und ihrer Nachbarn sowie viele weitere
Projekte.
Es ist höchste Zeit, Afrika mit den Augen der Zukunft zu sehen. Vielen
Dank!
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