Grußbotschaft des russischen UN-Botschafters
Der Botschafter und Ständige Vertreter der Russischen
Föderation bei den Vereinten Nationen, S.E. Wassili Nebensja, übermittelte der
Konferenz des Schiller-Instituts unter dem Titel „Perspektiven für die
Ost-West-Zusammenarbeit: Die Sicht der Russischen Föderation“ die folgende
Grußbotschaft. Sie wurde von Botschaftsrat Fedor Strschischowskij verlesen
(Übersetzung aus dem Englischen, inoffizielles Transkript des
Schiller-Instituts).
(Fedor Strschischowskij: Sehr geehrte Damen und Herren, es ist mir eine
große Freude, hier zu sein. Ich möchte der Rolle der russisch-amerikanischen
Beziehungen in der modernen Welt und dem Beitrag des Schiller-Instituts zu
dieser Beziehung Tribut zollen. Ich lese nun vor.)
Zunächst begrüße ich die Organisatoren, Teilnehmer und Gäste dieser
Konferenz. Das Schiller-Institut ist bekannt für seinen wertvollen Beitrag zum
Verständnis der internationalen politischen Prozesse und zur Entwicklung
neuartiger Ansätze für die globalen Herausforderungen. Die unter Ihrer
Schirmherrschaft veranstalteten Konferenzen sind respektvolle Plattformen, bei
denen man über die drängendsten aktuellen Themen ohne Politisieren und ohne
ideologische Klischees diskutieren kann.
Wir waren sehr betrübt über die schmerzliche Nachricht vom Tode Lyndon
LaRouches, des Gründers und Ideengebers des Schiller-Instituts. Wir möchten
Helga Zepp-LaRouche sowie den Angehörigen und Kollegen unser tiefes Beileid
aussprechen. Wir sind uns sicher, daß seine Schüler und Mitarbeiter das von
ihm vorgeschlagene Paradigma internationaler politischer und wirtschaftlicher
Intervention weiterentwickeln werden. [Beifall.]
Wir sind überzeugt, daß der Anbruch einer menschlicheren Epoche nur möglich
ist, wenn die Welt sich eines gerechteren, polyzentrischen Steuerungsmodells
erfreut. In letzter Zeit wurden wir jedoch Zeugen von Versuchen, die
Sicherheitsarchitektur der Welt zu erschüttern und vereinbarte universelle
Normen durch eine Ordnung auf der Grundlage willkürlicher Regeln zu ersetzen,
die für einzelne Länder je nach dem geopolitischen Interesse erfunden werden.
Gefährlich für die globale Stabilität ist jedoch das Bestreben der Regierungen
einiger Länder, einseitig der Weltgemeinschaft oder bestimmten souveränen
Staaten ihren Willen aufzuerlegen oder sogar in deren innere Angelegenheiten
einzugreifen. In diesem Sinne sollte man auch den Einsatz von Sanktionen als
Instrument betrachten, um Druck auszuüben und Länder, die eine unabhängige
Politik verfolgen, zu bestrafen.
Rußland ist stolz auf seine Lage zwischen Westen und Osten. Historisch
bedingt betreiben wir eine vielseitig ausgerichtete Außenpolitik und
entwickeln die Beziehungen zu anderen Ländern im Geiste gegenseitigen
Respekts. Rußland hilft in umfassender Weise, auf der Grundlage des
Völkerrechts nach kollektiven Entscheidungen zu den globalen Problemen zu
suchen, mit denen alle Länder heute konfrontiert sind. Wir engagieren uns
ständig in den Aktivitäten der Vereinten Nationen und der Gruppe der 20, um zu
den relevanten Formen der Interaktion beizutragen, wie z.B. der Organisation
des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), der Eurasischen
Wirtschaftsunion (EAEU), der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), der
Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), BRICS.
Eine der konzeptionellen Säulen für die Entwicklung dieser Art von
Zusammenarbeit hat Präsident Putin mit seiner Initiative „Größere Eurasische
Partnerschaft“ vorgeschlagen. Sie würde die Mitgliedstaaten der Eurasischen
Wirtschaftsunion, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und der
Vereinigung Südostasiatischer Nationen (ASEAN) zusammenbringen. Wahrscheinlich
würde sie eines Tages auch die Europäische Union einschließen.
Das vergangene Jahr war durch eine Reihe von wichtigen Schritten zur
Umsetzung dieses Projekts gekennzeichnet: Die Eurasische Wirtschaftskommission
und ASEAN unterzeichneten eine Vereinbarung, die für die räumliche und
wirtschaftliche Ausweitung der Eurasischen Partnerschaft von entscheidender
Bedeutung ist. Die Annahme der Erklärung zur Weiterentwicklung des
Integrationsprozesses in der Eurasischen Wirtschaftsunion ermöglichte es, die
Schaffung gemeinsamer Märkte voranzutreiben und auf solche
Kooperationsbereiche wie Bildung, Forschung, Gesundheitswesen und Handel
auszuweiten. Die Eurasische Wirtschaftsunion und die chinesische Initiative
„One Belt, One Road“ haben sich auf der vertraglichen und rechtlichen
Grundlage des Abkommens über handelspolitische und wirtschaftliche
Zusammenarbeit den Integrations- und Transportprojekten angeschlossen.
Die bilaterale Zusammenarbeit Rußlands und Chinas nimmt auch eine globale
Dimension an. Unsere effektive außenpolitische Koordinierung, einschließlich
der Plattform der Vereinten Nationen, hat sich zu einem wichtigen Faktor für
die Stabilisierung der Weltpolitik entwickelt.
Wir sind auch entschlossen, unsere Beziehungen zu einem anderen
privilegierten strategischen Partner auszubauen: Indien. Diese Verpflichtung
wurde bekräftigt in der auf dem bilateralen Gipfel im Oktober verabschiedeten
gemeinsamen Erklärung „Zuverlässige Partnerschaft Rußland-Indien in einer sich
verändernden Welt“. Wir müssen auch ein inoffizielles Gipfeltreffen
Rußland-Indien-China erwähnen, das nach zwölfjähriger Unterbrechung im
Dezember in Buenos Aires stattfand.
Die Beziehungen zwischen Rußland und den USA sind auch für die globale
Stabilität von entscheidender Bedeutung, weil wir zwei Staaten, große
Atommächte und Ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sind. Wir stehen vor
gemeinsamen Herausforderungen: internationaler Terrorismus, militärische und
humanitäre Krisen, Drogenhandel, grenzüberschreitende Kriminalität und
andere.
Der Erfolg unserer gemeinsamen Bemühungen auf diesen und vielen anderen
Wegen besteht darin, daß sowohl Moskau als auch Washington ein Interesse an
dem haben, was für eine nachhaltige Entwicklung aller Länder erforderlich ist.
Rußland weiß um die wachsende Verantwortung beider Staaten für Frieden und
Sicherheit in der Welt. Wir haben wiederholt unsere Bereitschaft geäußert, die
Beziehungen zwischen unseren Ländern zu normalisieren. Wir hoffen, daß der
systemische politische Dialog mit unseren amerikanischen Partnern auf der
Grundlage von gegenseitigem Respekt und Rücksichtnahme auf die nationalen
Interessen des anderen wieder aufgenommen wird.
Wir sind überzeugt: Es gibt in der heutigen Welt keine Alternative zur
Kooperation und zum Zusammenschluß von Potentialen. Nur dieser Weg kann zum
Anbruch einer menschlicheren Epoche führen.
Wir wünschen uns, daß diese Konferenz kreativ ist und zu gegenseitigem
Vertrauen und Zuversicht in globalen Angelegenheiten beiträgt. Wir wünschen
Ihnen viel Erfolg und hoffen auf bedeutungsvolle Gespräche.
Vielen Dank. [Beifall]
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