Die Lausitz – das Tor zur Neuen Seidenstraße
Aufbruchstimmung prägte eine Vortragsveranstaltung am 16.
Januar in Schwarzheide, getragen von der IHK Cottbus und anderen
Wirtschaftsverbänden, an der auch zwei Mitglieder des Schiller-Instituts
teilnehmen konnten.
Mit der Fertigstellung des letzten Stücks der Niederschlesischen
Eisenbahnmagistrale durch die Lausitz Ende vergangenen Jahres hat sich die
große Hoffnung erfüllt: Eine leistungsfähige Schienenverbindung von Rotterdam
über die deutschen Häfen Hamburg, Bremen, Bremerhaven, über die Lausitz und
Osteuropa bis nach China ist geschaffen. Endlich hat diese Region, gebeutelt
vom Strukturwandel der 90er Jahre, von dem sie sich eigentlich nie richtig
erholt hat, wieder Anschluß gewonnen an produktiven Wirtschaftsaufbau und
damit an eine vielversprechende Zukunft.
Diese Aufbruchstimmung prägte eine Vortragsveranstaltung am 16. Januar in
Schwarzheide mit dem Titel „Standortkonferenz Logistik und Chemie
West-Lausitz", organisiert vom Unternehmerverband Berlin-Brandenburg,
Verbandsbezirk Südbrandenburg, an der auch zwei Mitglieder des
Schiller-Instituts teilnehmen konnten. Es waren die Geschäftsführer der
meisten örtlichen mittelständischen Unternehmen gekommen, dazu Bürgermeister
und Landräte. Natürlich wollte man wissen, was bei dem Treffen von Kanzlerin
Merkel mit der sog. „Kohlekommission“ am Vortag herausgekommen war, und
deshalb war der Lausitz-Beauftragte des Ministerpräsidenten des Landes
Brandenburg, Dr. Freytag, eingeladen worden. In einem exklusiven Bericht
wollte er den Ton setzen. Die „Kohlekommission“ bezeichnete er als vollkommen
unabhängig, die Braunkohlevorkommen seien endlich, die Schließung wurde gar
nicht in Frage gestellt. Ende Januar werde die Kommission die Ergebnisse ihrer
Beratungen veröffentlichen. Es sei jedoch schon jetzt klar, eine
„Wünsch-dir-was-Liste“ werde es nicht geben.
Die Betroffenen in der Region stellen sich den Strukturwandel aber
offensichtlich anders vor, auch aufgrund der Erfahrungen nach 1989. Die
Lausitz ohne Braunkohle – d.h. ohne Kraftwerke und Energie –, das kann sich
eigentlich niemand so richtig vorstellen. Denn die Frage, wie eine
zuverlässige Energieversorgung für Industrie und Bevölkerung ohne Kraftwerke
und nur mit erneuerbaren Energien in der Zukunft gesichert werden kann, konnte
keiner unserer Gesprächspartner beantworten.
Aber der später folgende erfrischende Beitrag des Vertreters der Schweizer
Logistikfirma Bertschi über die Seidenstraße verfolgte einen großen
optimistischen Ansatz, indem er aufzeigte, daß lokale Projekte mit der
Seidenstraße zum Erfolg geführt werden können und daß eine vermeintliche Angst
vor China weder begründet noch verständlich sei.
Von diesem Optimismus konnten wir uns auch in persönlichen Gesprächen
überzeugen: Aufbau und Verdichtung der Verkehrsinfrastruktur ermöglicht die
Ansiedlung weiterer mittelständischer Unternehmen, auch im
Dienstleistungsbereich, und die bestehenden Firmen können ihre Transporte vom
Auto auf die Schiene umstellen, was besonders für die Logistikfirma Bertschi
von Interesse ist. Nur so und eben nicht im Tourismus können Arbeitsplätze
geschaffen und erhalten und die verheerende Bevölkerungsabwanderung gestoppt
werden. Und: Den Strukturwandel nach 1989 habe man hier 1:1 erlebt. 30.000
Arbeitsplätze habe das gekostet, 60% Arbeitslosigkeit in Orten wie Spremberg
zur Folge gehabt, bis 2002 habe sogar noch eine Wegzugsprämie für Schüler in
Höhe von 2000 Euro existiert. Die Politik habe eine ganze Region im Stich
gelassen und Verkehrsprojekte auf den Sanktnimmerleinstag geschoben.
Es müsse Schluß sein mit endlosen Kosten-Nutzen-Aufstellungen, jahrelangen
zermürbenden Kämpfen um Gleisausbau, Elektrifizierung, Straßenneu- oder
Autobahnausbau (Beispiel Bundesstraße 169), Fördergelder, die dann doch nicht
ankommen – alles dies sei Ausdruck der politischen Penetranz gegen
Entwicklung. Lauchhammer sei einst führend im Großbau von Anlagen im Tagebau
gewesen; werde jetzt die Braunkohle aufgegeben, sei damit auch das technische
Know-how weg.
Drehscheibe von Europa nach Asien
Aber jetzt sind die Weichen für eine Wende gestellt. Herr Berner von der
auch in Schwarzheide ansässigen Schweizer Transportfirma Bertschi, die
weltweit und in China an den Standorten Shanghai, Nanjing und Tianjin
engangiert ist, sagte ganz klar, daß die Politik der Seidenstraße nicht nur
friedensstiftend ist, sondern bereichernd für alle. Er präsentierte mit
anschaulichem Kartenmaterial die verschiedenen Routen der Seidenstraße und
betonte die Zuverlässigkeit der Bahn in Rußland und China im Gegensatz zum
europäischen Teil des Korridors, dessen Zuverlässigkeit er als mangelhaft
bezeichnete. Die Bahn in China sei besser, weil die Regierung den Bahnsektor
subventioniert. Deutschland habe aber gute Karten, deutsche Firmen seien gut
positioniert. Warum also sollen wir von dem Kuchen der großen logistischen
Leistungen nicht auch etwas abbekommen?
Dann schlug er den Bogen zur Region und zeigte, warum Schwarzheide die
Drehscheibe von Europa nach Asien, aber auch wichtig für Importe aus Asien
ist. Er bezeichnete die Ost-West-Verbindung, in die Schwarzheide eingebunden
ist, als zentral für die Entwicklung Osteuropas. Wachstum sei möglich zusammen
mit Rußland und der Seidenstraße. Das Wichtigste dabei sei die
Schieneninfrastruktur.
Den Eindruck, den der Bürgermeister von Lauchhammer in seinem Vortrag
vermittelte, zielte genau in diese Richtung: Die Region steht quasi in den
Startlöchern. Er stellte beispielhaft konkrete Projekte vor, die unter den
Rahmenbedingungen, wie sie Herr Berner von Bertschi genannt hatte, mit
Schwarzheide als Ankerpunkt in Angriff genommen werden könnten. Vorgehaltene
Flächen für mögliche Industrieansiedlungen sind da, Autobahn- und
Gleisanschlüsse sind vorhanden oder können ertüchtigt werden, auch zum bereits
existierenden Flugplatz Schipkau, der jederzeit erweitert werden kann. Mit
diesen hervorragenden Voraussetzungen gebe es also keinen Grund, den Kopf in
den Sand zu stecken.
Isoliert und im Gegensatz zu diesem Ansatz erschien der Vortrag des
BASF-Geschäftsführers Dr. von Ettinghausen. Seine Schwerpunkte waren die
Nachhaltigkeit und die digitale Transformation, die er als den
Wachstumstreiber in der chemischen Industrie definierte. Aber vielleicht
noch bezeichnender ist folgende Feststellung: Die BASF habe sich vorgenommen,
bis 2030 Wachstum ohne ein zusätzliches Gramm CO2 zu erreichen.
Vielleicht hatte man Hoffnungen gesetzt in den Chinabesuch von
Ministerpräsident Woidke im September 2018. In persönlichen Gesprächen wurde
bedauert, daß dieser bislang zu keinen Konsequenzen geführt habe – weder in
der Lausitz, noch sonstwo –, ja, daß man noch nicht einmal über nähere
Einzelheiten informiert worden sei.
Auch wenn die Berliner Politik offensichtlich eine andere Agenda hat: die
Diskussionen in der Lausitz machen deutlich, der Kampf um Deutschlands
möglichen und nötigen Anschluß an die Seidenstraße ist noch lange nicht
entschieden, aber die Zahl der Befürworter der Seidenstraße nimmt zu.
Ulrike Lillge
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