Eine Rolle für Europa in der Belt & Road Initiative
Von Wang Hao
Wang Hao ist 1. Sekretär für Wirtschaft und Handel an der
Botschaft der Volksrepublik China in der Bundesrepublik Deutschland. Bei der
Bad Sodener Konferenz des Schiller-Instituts hielt er am 30. Juni den folgenden
Vortrag, der für den Abdruck aus dem Englischen übersetzt wurde.
Guten Tag allerseits! Es ist mir eine große Ehre, eingeladen zu sein, heute
an Ihrer Konferenz teilzunehmen. Zunächst einmal möchte ich dem
Schiller-Institut meinen herzlichen Dank dafür aussprechen, daß es viel Mühe
und Leidenschaft aufgewandt hat, um diese Konferenz zu organisieren.
Mein Thema lautet „Eine Rolle für Europa in der Belt & Road Initiative“.
Das ist ein Thema, das mir von den Organisatoren vorgegeben wurde. Ich fand das
Thema schwierig, aber sinnvoll. Schwierig, weil es mir als Diplomat schwer
fällt, Europa zu sagen, wie es sich an der Belt & Road Initiative
beteiligen soll. Aber auf der anderen Seite ist es sinnvoll, daß die
Europäische Union als der größte Handelspartner Chinas sich an dieser
Initiative beteiligen sollte.
Auch Europas Unternehmer haben ihr Interesse gezeigt. Ich möchte daher gerne
mit Ihnen über dieses Thema diskutieren.
Warum die Belt & Road Initiative?
Zunächst einmal möchte ich Ihnen mitteilen, warum China die Belt & Road
Initiative vorgeschlagen hat. Der Geist der Seidenstraße bestand darin, die
Völker miteinander zu verbinden. Auch im Zeitalter der Globalisierung hat
dieser Geist noch seine Bedeutung. Eine der Voraussetzungen für die Verbindung
zwischen den Völkern ist Infrastruktur, wie etwa Straßen und Eisenbahnen. China
hat von den Imperialisten gelernt, wie wichtig Verkehrsnetze für die
Entwicklung der Wirtschaft sind.
Ich möchte Ihnen etwas über meine eigene Geschichte sagen. Als ich noch ein
Kind war, fuhr ich oft zu meinen Großeltern, die in der Provinzhauptstadt
lebten, die weniger als 200 km entfernt war. Aber wegen des schlechten Zustands
der Straßen damals dauerte die Reise fast einen ganzen Tag. Dadurch ging nicht
nur viel Zeit verloren, es zeigte sich auch in der Ineffizienz der Wirtschaft.
Heute sind die beiden Städte durch eine Autobahn miteinander verbunden, wie die
meisten chinesischen Städte, und die Reise dauert keine zwei Stunden. Wir
Chinesen haben ein Sprichwort: „Um reich zu werden, mußt du als erstes eine
Straße bauen.“
Heute ist China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, und der Aufbau
eines modernen Infrastrukturnetzes hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet.
Derzeit hat China 136.000 km Autobahnen und 25.000 km
Hochgeschwindigkeitsbahnen, das sind zwei Drittel aller Strecken weltweit.
Sieben der zehn größten Seehäfen der Welt liegen in China. Sowohl der Personen-
als auch der Güterverkehr der Eisenbahnen entwickelt sich in China sehr
schnell. All das hat das Leben der Menschen verändert, und es hat ein solides
Fundament für die schnelle Entwicklung der chinesischen Wirtschaft gelegt.
Im Zeitalter der Globalisierung gibt es immer noch viele Orte auf der Welt,
die unterentwickelt sind und wo grundlegende Infrastruktur fehlt. Der Bedarf
dieser Gebiete ist enorm. Nach Einschätzung der Asiatischen Entwicklungsbank
muß Asien allein von 2017 bis 2030 jedes Jahr eine Billion Dollar in die
Infrastruktur investieren, um sein Wirtschaftswachstum aufrecht zu
erhalten.
Wie Sie vielleicht wissen, gehört die Schaffung von Einrichtungen zur
Vernetzung zu den fünf Prioritäten der Belt & Road Initiative. Mit
Einrichtungen sind hier nicht nur Verkehrsanlagen gemeint, sondern auch Öl- und
Gaspipelines, Elektrizitätsnetze und der Bau von grenzüberschreitenden Kabeln.
Das Ziel ist es, die Eisenbahn- und Straßenverbindungen auszubauen und die
Verkehrsengpässe zu beseitigen, um den internationalen Verkehr und Handel zu
erleichtern, und die Häfen, Öl- und Gaspipelines, Leitungs- und Kabelnetze in
Asien zu verbessern.
Wir glauben, daß eine gute Verkehrsinfrastruktur die Grundlage für
wirtschaftliche Entwicklung darstellt. Das ist einer der Gründe, warum China
die Belt & Road Initiative vorgeschlagen hat.
Ich möchte hier betonen, daß die Belt & Road Initiative keine Strategie
ist, sondern eine Initiative. Jede Nation kann sich daran beteiligen und Nutzen
daraus ziehen. Die Belt & Road Initiative ist ein öffentliches Gut, das
China der Welt anbietet: Sie ist ein Schnellzug zur Prosperität, der bereit
ist, jeden mitzunehmen. Sie ist auch ein massives, langfristiges Projekt und
dient nicht nur dem kurzfristigen Profit.
Europa profitiert schon jetzt
China ist ein Land mit begrenzten Ressourcen und Kapazitäten, es ist auf die
aktive Teilnahme anderer Partner, darunter Deutschland und Europa,
angewiesen.
Wie kann Europa einen Beitrag leisten und davon profitieren?
19 europäische Länder, darunter Deutschland, Großbritannien und Frankreich,
sind schon Mitglieder der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB),
die solide finanzielle Unterstützung für die Seidenstraßen-Initiative liefert.
Deutschland ist als größter Partner außerhalb der Region in der AIIB vertreten.
Die Deutsche Bank gehörte zu der ersten Gruppe von Anbietern finanzieller
Dienstleistungen für die Seidenstraßen-Initiative, die nicht aus der Region
kommen.
An Projekten im Rahmen der Belt & Road Initiative beteiligen sich auch
europäische Unternehmen mit ihrer Technologie, Kapital, Produkten und Knowhow.
Ich möchte betonen, daß europäische Unternehmen selbst Initiativen ergreifen
sollten, um sich an Belt & Road zu beteiligen, und nicht darauf warten
sollten, daß das Projekt zu ihnen kommt. Sie sollten ihre Chancen suchen. In
dieser Hinsicht können die europäischen Handelskammern in den Ländern entlang
der Routen eine wichtige Rolle spielen.
Meine Damen und Herren, von der Kooperation an Gürtel und Straße werden
sowohl China als auch Europa wirtschaftlich profitieren, und die Staaten an den
Routen erhalten Verbesserungen der wirtschaftlichen Entwicklung und
Lebensbedingungen, was weitere neue Gelegenheiten für Geschäfte schaffen und
die innere und äußere Sicherheit Europas verbessern wird.
Es gibt bereits einige sichtbare Errungenschaften, etwa, daß 2017 mehr als
3000 Schnellzüge zwischen China und Europa gefahren sind – 48 davon zwischen
China und Deutschland. Der Schnellzug wurde zum Symbol für die Initiative in
Europa. Duisburg und Hamburg sind zwei wichtige Destinationen in Europa und
haben viel davon profitiert. Auch andere Städte, wie Mannheim, Rostock und
Bremen, haben großes Interesse am Betrieb der Schnellzüge gezeigt. Wir
ermutigen weitere europäische Länder, Schnellzüge zum Transport ihrer Güter
nach China und in andere asiatische Länder zu nutzen und so Zeit zu sparen und
die Kosten zu senken.
Doch last but not least hoffe ich sehr, daß Europa und China sich dem
Zug der Zeit anschließen, eine offene Win-Win-Kooperation eingehen, Reformen
und Innovationen annehmen und die historische Gelegenheit der Belt & Road
Initiative wahrnehmen werden.
Ich bitte um Entschuldigung, daß ich vorzeitig abreisen muß und mich nicht
an der Podiumsdiskussion beteiligen kann, obwohl ich das gerne tun würde, aber
mein Kollege und ich müssen unseren Zug zurück nach Berlin erreichen, denn
unser Premierminister wird kommende Woche Deutschland besuchen. Es wartet also
viel Arbeit auf uns.
Ich wünsche dieser Konferenz viel Erfolg und wünsche Ihnen allen einen guten
Tag.
Vielen Dank.
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