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Schiller-Institut e. V.
"Zweck der Menschheit ist kein anderer als die
Ausbildung der Kräfte des Menschen, Fortschreitung."
Friedrich Schiller

 

Nach dem Transaqua-Durchbruch: Nigeria tritt ins Blickfeld

Von S.E. Yusuf Maitama Tuggar,
Botschafter der Bundesrepublik Nigeria

Der Botschafter der Bundesrepublik Nigeria hielt bei der Konferenz des Schiller-Instituts den folgenden Vortrag, er wurde für den Abdruck aus dem Englischen übersetzt.

Lassen Sie mich zunächst den Organisatoren, dem Schiller-Institut, mein Lob dafür aussprechen, daß sie eine solche Konferenz veranstalten, die über etwas diskutieren will, das dem Präsidenten der Bundesrepublik Nigeria und mir selbst besonders am Herzen liegt, nämlich den Wassertransfer vom Kongo-Becken in das Becken des Tschadsees.

Als ich eingeladen wurde, sollte dies eine Podiumsdiskussion sein, ich habe mich also darauf vorbereitet, einfach nur zu diskutieren. Das Thema sollte sein: „Nach dem Transaqua-Durchbruch: Nigeria tritt ins Blickfeld“. Anstatt eine Rede vorzubereiten, beschloß ich daher, an meinem Diskussionsbeitrag festzuhalten, und das werde ich tun, während ich hier stehe, und ich hoffe, das Sie mir das nicht übel nehmen.

Wassertransfer zur Rettung des Tschadsees

Bei dem Wassertransfer zwischen den Becken wird versucht, etwa 100 Mrd. m3 pro Jahr aus dem Kongo-Becken ins Becken des Tschadsees zu leiten, insbesondere zum Tschadsee selbst, der seit Jahren schrumpft. Dies wurde zum Gegenstand internationaler Diskussionen, weil es unterstreicht, worüber sich die meisten von uns Sorgen machen – den Klimawandel, die Ausbreitung der Wüsten, Konflikte. Denn die Sahara-Region und insbesondere das Becken des Tschadsees ist ein Gebiet, wo viele Probleme zusammenkommen. Es ist ein Komplex von Konflikten, Migration, Exploration von Rohstoffen, weil in der Republik Niger und im Tschad Erdöl und Erdgas gefunden wurden.

Und natürlich kennen wir alle den Konflikt mit Boko Haram, der sich dort abspielt, der zum Glück durch die notwendige Kooperation zwischen den afrikanischen Ländern überwunden wurde, weil die Region eine der kompliziertesten Grenzregionen in Afrika ist, wenn nicht die komplizierteste, wo vier Länder aneinander grenzen: Niger, Tschad, Kamerun und Nigeria. Einer der Gründe, warum es bei der Reaktion auf das Problem Boko Haram eine Verzögerung gab, bestand darin, daß man das nicht gleich als das identifiziert hat, was es ist, nämlich, als einen grenzüberschreitenden Konflikt, und die Länder in der Region nicht zusammengearbeitet haben, um das Problem zu lösen.

Aber das hat sich zum Glück geändert, als der gegenwärtige Präsident, Mohammadu Buhari, 2015 das Amt antrat. Fünf Tage nach seiner Vereidigung unternahm er eine Reise nach Niger, Kamerun und Tschad und erklärte sinngemäß: „Schaut, Leute, wir müssen uns einigen. Wir müssen zusammenarbeiten und dieses Problem lösen.“

Das war keine Eintagsfliege, denn zufällig ist er auch ein früherer Gouverneur des Bundesstaats Borno, der im Zentrum dieses Konfliktes stand, er kannte also die Region sehr gut. Und er wußte, wenn man in der Geschichte zu Fällen wie Rabih Zubayr (1897) und ähnlichen Fällen zurückgeht, daß man eine Zusammenarbeit aller dieser Länder brauchte.

Jedenfalls existierte seit 1964 eine Institution dafür, dieses Problem anzupacken. In der Frage des Wassertransfers hat die Kommission für das Tschadseebecken das Heft in die Hand genommen. Zum Glück haben wir den führenden Experten für diesen Wassertransfer hier unter den Rednern, ich freue mich sehr, hier seinen Namen zu sehen: Herr Mohammed Bila. Um die Wahrheit zu sagen: Er hätte vor mir reden sollen, dann hätte ich einfach mitschwimmen können, aber ich will mein bestes tun. Aber ich bin mir sicher, daß er die technischen Details, die tieferen Einsichten in das, was damit erreicht werden kann, erklären wird.

China und Europa in Afrikas Entwicklung

Ich will dieses Projekt oder auch die anderen Entwicklungsprojekte, die in Afrika und insbesondere in Nigeria durchgeführt werden, nicht durch eine binäre Linse „China gegen Europa“ betrachten – ein binärer Ansatz, der vielleicht noch aus der Zeit des Kalten Krieges verblieben ist, wo man denkt, wenn China ins Spiel kommt, sind die Europäer draußen, oder wenn Europa im Spiel ist, bleibt China außen vor. Wir brauchen die Kooperation, die Kooperation aller drei, denn es geht nicht um Europa und auch nicht um China; auch Afrika sitzt mit am Tisch und es muß sichergestellt werden, daß Afrika immer vertreten ist und an den Diskussionen beteiligt ist, wenn Lösungen gesucht werden – sei es bei der Infrastruktur, Entwicklung, Migration oder etwas anderem. Afrika muß immer daran beteiligt sein.

Einer der Gründe, warum wir in der Frage des Tschadsees die volle Mitarbeit und Beteiligung Europas und nicht nur Chinas brauchen, ist der, daß dies ein Teil der Gürtel- und Straßen-Initiative sein wird, die perfekt in das Konzept der Globalisierung hineinpaßt, weil es dabei um die Vernetzung geht, und das ist unsere Auffassung der Welt.

Ähnliches ist im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer wieder geschehen. Wir müssen die Landkarte der Welt neu definieren, oder des Teils der Welt, den wir kennen, so wie wir es auch früher taten, noch bevor wir erkannt haben, daß die Welt eine Kugel ist, wie bei der Tabula Rugeriana des Al-Idrisi (1154), die sozusagen auf dem Kopf steht. Er betrachtete die Welt anders.

Ähnlich müssen wir anfangen, diese Globalisierung zu betrachten, diese Vernetzung. Vielleicht müssen wir mehr Wert auf Karten legen, die die Infrastrukturnetze zeigen, die Eisenbahnlinien, Übertragungslinien für Strom, Straßen usw., im Gegensatz zu einem Ansatz wie bei Halford Mackinder, der nur die eurasische Weltinsel sah und alles darum herum als Randgebiete, als Pufferzonen betrachtete.

Wir brauchen diese Kooperation, denn für mich ist es so etwas wie Kismet (Schicksal), daß diese Konferenz ausgerechnet in Deutschland stattfindet. Denn einige der ersten Migranten, die ins Becken des Tschadsees kamen, waren aus Deutschland! Das war Heinrich Barth in den 1850er Jahren, das war Gustav Nachtigal, der umfangreiche Studien der Fauna und Flora, der Kultur und vieler anderer Dinge im Gebiet des Tschadsees unternahm. Vielleicht müssen wir alle diese Kenntnisse und Daten, die so erfaßt wurden, wieder anzapfen, um fähig zu sein, dermaßen große Wassermengen vom Kongobecken ins Tschadseebecken zu leiten – was die ganze Subregion, wenn nicht den gesamten Kontinent völlig verwandeln würde. Mit einer solchen Großtat könnte man Strom erzeugen, man würde Wasser für die Bewässerung bereitstellen, Verkehr und Fischfang ermöglichen, und noch viel mehr. Es würde Arbeit für die zahllosen jungen Menschen geschaffen, die jetzt immer darauf hoffen, die Wüste zu durchqueren. Auch die Frage der irregulären Migration würde also durch dieses Projekt berührt.

Damit wurde schon einiges gesagt. Ich erinnere mich daran, wie der Präsident von Nigeria vereidigt wurde. Kurz danach hatte ich ein Treffen mit ihm, in dem ich betonte, daß die neue Regierung endlich Fortschritte in Bezug auf den Wassertransfer machen müsse. Ich berichtete ihm, wie schon in den 90er Jahren Vorstöße dazu unternommen wurden, und daß im Jahr 2000 von der Legislative in Nigeria ein Regionalausschuß für den Tschadsee geschaffen wurde, um einige der Finanzierungsfragen, der sensitiven Fragen anzupacken; jeder Mitgliedstaat sollte zwei Abgeordnete haben, die sie in der Kommission für das Tschadseebecken vertraten. Und er sagte zu mir: „Sehen Sie, damit habe ich mich schon in den 1970er Jahren befaßt und dafür eingesetzt.“ Damals war er Erdölminister, und er flog mit dem damaligen Präsidenten Obasanjo und dem Außenminister Joe Garba nach Kamerun, um dort Ahmadou Ahidjo zu treffen.

Sie sehen also, das alles reicht schon sehr weit zurück. Jetzt muß es gemacht werden. Es gibt Transformationsprojekte, die wir brauchen, um das zu erreichen, wovon wir immer wieder reden: nachhaltige Entwicklung. Eine nachhaltige Entwicklung erreicht man nicht, indem man einfach nur Ziele aufzählt. Wir müssen solche Transformationsprojekte identifizieren, finanzieren, fördern, für ihre Verwirklichung sorgen. Der einzige Weg, wie wir das erreichen werden, ist es, daß wir alle applaudieren und es unterstützen mit unseren Händen und Köpfen – China, Europa und Afrika gemeinsam.

Vielen Dank!