Nach dem Transaqua-Durchbruch: Nigeria tritt ins Blickfeld
Von S.E. Yusuf Maitama Tuggar,
Botschafter der Bundesrepublik Nigeria
Der Botschafter der Bundesrepublik Nigeria hielt bei der
Konferenz des Schiller-Instituts den folgenden Vortrag, er wurde für den
Abdruck aus dem Englischen übersetzt.
Lassen Sie mich zunächst den Organisatoren, dem Schiller-Institut, mein Lob
dafür aussprechen, daß sie eine solche Konferenz veranstalten, die über etwas
diskutieren will, das dem Präsidenten der Bundesrepublik Nigeria und mir
selbst besonders am Herzen liegt, nämlich den Wassertransfer vom Kongo-Becken
in das Becken des Tschadsees.
Als ich eingeladen wurde, sollte dies eine Podiumsdiskussion sein, ich habe
mich also darauf vorbereitet, einfach nur zu diskutieren. Das Thema sollte
sein: „Nach dem Transaqua-Durchbruch: Nigeria tritt ins Blickfeld“. Anstatt
eine Rede vorzubereiten, beschloß ich daher, an meinem Diskussionsbeitrag
festzuhalten, und das werde ich tun, während ich hier stehe, und ich hoffe,
das Sie mir das nicht übel nehmen.
Wassertransfer zur Rettung des Tschadsees
Bei dem Wassertransfer zwischen den Becken wird versucht, etwa 100 Mrd.
m3 pro Jahr aus dem Kongo-Becken ins Becken des Tschadsees zu
leiten, insbesondere zum Tschadsee selbst, der seit Jahren schrumpft. Dies
wurde zum Gegenstand internationaler Diskussionen, weil es unterstreicht,
worüber sich die meisten von uns Sorgen machen – den Klimawandel, die
Ausbreitung der Wüsten, Konflikte. Denn die Sahara-Region und insbesondere das
Becken des Tschadsees ist ein Gebiet, wo viele Probleme zusammenkommen. Es ist
ein Komplex von Konflikten, Migration, Exploration von Rohstoffen, weil in der
Republik Niger und im Tschad Erdöl und Erdgas gefunden wurden.
Und natürlich kennen wir alle den Konflikt mit Boko Haram, der sich dort
abspielt, der zum Glück durch die notwendige Kooperation zwischen den
afrikanischen Ländern überwunden wurde, weil die Region eine der
kompliziertesten Grenzregionen in Afrika ist, wenn nicht die komplizierteste,
wo vier Länder aneinander grenzen: Niger, Tschad, Kamerun und Nigeria. Einer
der Gründe, warum es bei der Reaktion auf das Problem Boko Haram eine
Verzögerung gab, bestand darin, daß man das nicht gleich als das identifiziert
hat, was es ist, nämlich, als einen grenzüberschreitenden Konflikt, und die
Länder in der Region nicht zusammengearbeitet haben, um das Problem zu
lösen.
Aber das hat sich zum Glück geändert, als der gegenwärtige Präsident,
Mohammadu Buhari, 2015 das Amt antrat. Fünf Tage nach seiner Vereidigung
unternahm er eine Reise nach Niger, Kamerun und Tschad und erklärte sinngemäß:
„Schaut, Leute, wir müssen uns einigen. Wir müssen zusammenarbeiten und dieses
Problem lösen.“
Das war keine Eintagsfliege, denn zufällig ist er auch ein früherer
Gouverneur des Bundesstaats Borno, der im Zentrum dieses Konfliktes stand, er
kannte also die Region sehr gut. Und er wußte, wenn man in der Geschichte zu
Fällen wie Rabih Zubayr (1897) und ähnlichen Fällen zurückgeht, daß man eine
Zusammenarbeit aller dieser Länder brauchte.
Jedenfalls existierte seit 1964 eine Institution dafür, dieses Problem
anzupacken. In der Frage des Wassertransfers hat die Kommission für das
Tschadseebecken das Heft in die Hand genommen. Zum Glück haben wir den
führenden Experten für diesen Wassertransfer hier unter den Rednern, ich freue
mich sehr, hier seinen Namen zu sehen: Herr Mohammed Bila. Um die Wahrheit zu
sagen: Er hätte vor mir reden sollen, dann hätte ich einfach mitschwimmen
können, aber ich will mein bestes tun. Aber ich bin mir sicher, daß er die
technischen Details, die tieferen Einsichten in das, was damit erreicht werden
kann, erklären wird.
China und Europa in Afrikas Entwicklung
Ich will dieses Projekt oder auch die anderen Entwicklungsprojekte, die in
Afrika und insbesondere in Nigeria durchgeführt werden, nicht durch eine
binäre Linse „China gegen Europa“ betrachten – ein binärer Ansatz, der
vielleicht noch aus der Zeit des Kalten Krieges verblieben ist, wo man denkt,
wenn China ins Spiel kommt, sind die Europäer draußen, oder wenn Europa im
Spiel ist, bleibt China außen vor. Wir brauchen die Kooperation, die
Kooperation aller drei, denn es geht nicht um Europa und auch nicht um China;
auch Afrika sitzt mit am Tisch und es muß sichergestellt werden, daß Afrika
immer vertreten ist und an den Diskussionen beteiligt ist, wenn Lösungen
gesucht werden – sei es bei der Infrastruktur, Entwicklung, Migration oder
etwas anderem. Afrika muß immer daran beteiligt sein.
Einer der Gründe, warum wir in der Frage des Tschadsees die volle Mitarbeit
und Beteiligung Europas und nicht nur Chinas brauchen, ist der, daß dies ein
Teil der Gürtel- und Straßen-Initiative sein wird, die perfekt in das Konzept
der Globalisierung hineinpaßt, weil es dabei um die Vernetzung geht, und das
ist unsere Auffassung der Welt.
Ähnliches ist im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer wieder geschehen.
Wir müssen die Landkarte der Welt neu definieren, oder des Teils der Welt, den
wir kennen, so wie wir es auch früher taten, noch bevor wir erkannt haben, daß
die Welt eine Kugel ist, wie bei der Tabula Rugeriana des Al-Idrisi
(1154), die sozusagen auf dem Kopf steht. Er betrachtete die Welt anders.
Ähnlich müssen wir anfangen, diese Globalisierung zu betrachten, diese
Vernetzung. Vielleicht müssen wir mehr Wert auf Karten legen, die die
Infrastrukturnetze zeigen, die Eisenbahnlinien, Übertragungslinien für Strom,
Straßen usw., im Gegensatz zu einem Ansatz wie bei Halford Mackinder, der nur
die eurasische Weltinsel sah und alles darum herum als Randgebiete, als
Pufferzonen betrachtete.
Wir brauchen diese Kooperation, denn für mich ist es so etwas wie
Kismet (Schicksal), daß diese Konferenz ausgerechnet in Deutschland
stattfindet. Denn einige der ersten Migranten, die ins Becken des Tschadsees
kamen, waren aus Deutschland! Das war Heinrich Barth in den 1850er Jahren, das
war Gustav Nachtigal, der umfangreiche Studien der Fauna und Flora, der Kultur
und vieler anderer Dinge im Gebiet des Tschadsees unternahm. Vielleicht müssen
wir alle diese Kenntnisse und Daten, die so erfaßt wurden, wieder anzapfen, um
fähig zu sein, dermaßen große Wassermengen vom Kongobecken ins Tschadseebecken
zu leiten – was die ganze Subregion, wenn nicht den gesamten Kontinent völlig
verwandeln würde. Mit einer solchen Großtat könnte man Strom erzeugen, man
würde Wasser für die Bewässerung bereitstellen, Verkehr und Fischfang
ermöglichen, und noch viel mehr. Es würde Arbeit für die zahllosen jungen
Menschen geschaffen, die jetzt immer darauf hoffen, die Wüste zu durchqueren.
Auch die Frage der irregulären Migration würde also durch dieses Projekt
berührt.
Damit wurde schon einiges gesagt. Ich erinnere mich daran, wie der
Präsident von Nigeria vereidigt wurde. Kurz danach hatte ich ein Treffen mit
ihm, in dem ich betonte, daß die neue Regierung endlich Fortschritte in Bezug
auf den Wassertransfer machen müsse. Ich berichtete ihm, wie schon in den 90er
Jahren Vorstöße dazu unternommen wurden, und daß im Jahr 2000 von der
Legislative in Nigeria ein Regionalausschuß für den Tschadsee geschaffen
wurde, um einige der Finanzierungsfragen, der sensitiven Fragen anzupacken;
jeder Mitgliedstaat sollte zwei Abgeordnete haben, die sie in der Kommission
für das Tschadseebecken vertraten. Und er sagte zu mir: „Sehen Sie, damit habe
ich mich schon in den 1970er Jahren befaßt und dafür eingesetzt.“ Damals war
er Erdölminister, und er flog mit dem damaligen Präsidenten Obasanjo und dem
Außenminister Joe Garba nach Kamerun, um dort Ahmadou Ahidjo zu treffen.
Sie sehen also, das alles reicht schon sehr weit zurück. Jetzt muß es
gemacht werden. Es gibt Transformationsprojekte, die wir brauchen, um das zu
erreichen, wovon wir immer wieder reden: nachhaltige Entwicklung. Eine
nachhaltige Entwicklung erreicht man nicht, indem man einfach nur Ziele
aufzählt. Wir müssen solche Transformationsprojekte identifizieren,
finanzieren, fördern, für ihre Verwirklichung sorgen. Der einzige Weg, wie wir
das erreichen werden, ist es, daß wir alle applaudieren und es unterstützen
mit unseren Händen und Köpfen – China, Europa und Afrika gemeinsam.
Vielen Dank!
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