Syrien mobilisiert für den Sieg und für den Wiederaufbau
Von Odile Mojon und Ulf Sandmark
Odile Mojon vom französischen Schiller-Institut und der
Vorsitzende des schwedischen Schiller-Instituts Ulf Sandmark besuchten Anfang
September Syrien.
Eine Delegation des europäischen Schiller-Instituts ist kürzlich von einer
Reise nach Syrien zurückgekehrt, wo sie große Teile des Landes bereiste.
Unmittelbar zuvor hatte bereits Senator Richard Black aus dem US-Bundesstaat
Virginia das Land besucht (siehe das Interview auf Seite 5), und wie er
protestierten die Vertreter des Schiller-Instituts gegen die Gefahr einer
neuerlichen Aggression der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegen Syrien
unter dem Vorwand eines Giftgasanschlags unter falscher Flagge in der Provinz
Idlib. In Interviews mit den beiden großen syrischen Fernsehsendern berichtete
Sandmark über die Mobilisierung des Schiller-Instituts, die Erklärungen von
Helga Zepp-LaRouche und die Telefonkampagne in den USA, wo Bürger das Weiße
Haus anrufen und den Präsidenten auffordern, jeden sofort zu entlassen, der
einen Angriff auf Syrien fordert, weil es die gleichen Leute sind, die auch
den Putschversuch gegen Trump betreiben.
Das syrische Tourismusministerium hatte die Delegation (und weitere
Journalistendelegationen, u.a. aus Indien, Rußland, China, Japan, Tschechien
und Spanien) eingeladen, die 60. Internationale Ausstellung von Damaskus zu
besuchen, die vom 6.-15. September stattfand. Die Messe war eine
beeindruckende Darstellung des industriellen Know-how in zahlreichen Branchen
der syrischen Industrie. Die syrischen Aussteller berichteten über die Schäden
durch den Krieg und die Plünderung durch Terroristen, aber auch über die
Neuansiedlung der Betriebe, die jetzt rund um die Uhr produzieren. In diesem
Jahr nahmen Aussteller aus 48 Nationen an der Messe teil, viele davon Länder
entlang der alten Seidenstraße; seit China die Neue Seidenstraße initiiert
hat, wird Syrien wieder zu einem wichtigen globalen Umschlagsplatz. Mehrere
syrische Delegationen haben China, Indien und die engen Verbündeten Rußland
und Iran besucht, und die Neue Seidenstraße ist nun fester Bestandteil der
syrischen Wirtschaftspolitik.
Während der Messe wurde Sandmark von einem der großen syrischen
Fernsehsender eingeladen, an einer 50minütigen Live-Diskussion über
Wirtschaftspolitik teilzunehmen. Er verwies auf die Bedeutung der Messe, mit
der „die Neue Seidenstraße gefeiert wird“, und berichtete über den Einsatz des
Schiller-Instituts für dieses Vorhaben, u.a. zeigte er die arabische Ausgabe
des EIR-Sonderberichts „Die Neue Seidenstraße wird zur Weltlandbrücke“.
In der anschließenden Debatte über den Mangel an Geldmitteln für den
Wiederaufbau korrigierte Sandmark die weitverbreitete Überschätzung der
ausländischen Investitionen zur Beschaffung des benötigten Kapitals. Er
erinnerte an das Kreditsystem, das beim New Deal unter US-Präsident Roosevelt
und beim Wiederaufbau nach dem Krieg in Südkorea und Deutschland zum Einsatz
kam. Mit einem solchen Kreditsystem könne der benötigte einheimische Kredit
von Syriens eigenen nationalen Institutionen geschöpft werden. Zudem müsse man
die einheimische syrische Produktion schützen, insbesondere in der
Landwirtschaft, die entscheidend dafür ist, die Gebiete, die die Armee von den
Terroristen befreit hat, wieder zu besiedeln und wirtschaftlich zu nutzen.
Nach dem schrecklichen Krieg werde jeder vernünftige Mensch respektieren, daß
Syrien seine einheimische Produktion schützen muß. Und solange die westliche
Welt den Krieg weiter führe, könne sie Syrien nicht daran hindern, an einer
protektionistischen Kriegswirtschaft festzuhalten.
Bild: Schiller-Institut/Ulf Sandmark
Olide Mojon (2.v.l.) und Ulf Sandmark (3.v.l.) auf der Internationalen
Messe von Damaskus.
Im Landesinneren
Die Delegation besuchte neben der Hauptstadt Damaskus auch Homs, Aleppo und
Palmyra. Inzwischen ist es wieder leicht möglich, auf den Fernstraßen zwischen
diesen Städten zu reisen, es gibt nur noch wenige militärische Kontrollposten.
Außer Palmyra liegen die Städte alle in Gebieten, die immer von der Regierung
beherrscht wurden, und sie sind nun alle voller Leben, Verkehr und Menschen
auf den Straßen. Palmyra hingegen ist fast menschenleer, man findet dort keine
geöffneten Hotels, Restaurants usw. Sie untersteht immer noch der Kontrolle
der Militärs, und man braucht eine Sondergenehmigung, um die Stadt zu
besuchen. In Damaskus sind die meisten Kontrollposten, die es in den letzten
Jahren gegeben hatte, inzwischen aufgehoben worden, da alle von Terroristen
beherrschten Stadtviertel befreit wurden. Die Stadt kann nun wieder aufatmen,
nachdem die Einwohner sieben Jahre lang in ständiger Furcht vor den
willkürlichen Granatenangriffen der Terroristen leben mußten. Einer der
Reiseführer sagte, die Menschen hätten in all diesen Jahren wie in einem
Gefängnis gelebt und Angst gehabt, ihre Häuser zu verlassen.
Aber schon in den Außenbezirken von Damaskus, die erst vor kurzem von den
Terroristen befreit wurden, war der Anblick der Zerstörungen schockierend.
Ähnliche Bilder sahen wir in großen Teilen von Homs und in Ostaleppo. Die
meisten Häuser waren stark beschädigt, standen aber noch, außer in den
unmittelbaren Frontgebieten. Daß sie noch stehen, zeigt, daß sie nicht durch
Luftangriffe zerstört wurden, sondern bei den Bodenkämpfen, oder von
Terroristen, die alle Häuser durchkämmten und sämtliche Läden in Brand
setzten. Auf allen großen Straßen wurden die Trümmer zur Seite geräumt und der
Asphalt repariert. Liegengebliebene Militärausrüstung wurde entfernt. Der
Wiederaufbau geht Schritt für Schritt voran. In den Gebieten, die schon vor
ein oder zwei Jahren befreit wurden, liefen in den meisten Häusern
Bauarbeiten, um neue Böden und Wände einzubauen, in einigen Fenstern sah man
auch Licht. In den Wüstengebieten sind viele Dörfer entvölkert, aber manche
haben inzwischen schon wieder genug Infrastruktur, daß die Bevölkerung
zurückkehren und die Felder wieder bearbeiten kann.
Bilder: Schiller-Institut/Ulf Sandmark
Beim Wiederaufbau des Landes hat die Wiederherstellung der Infrastruktur –
wie hier der Stromversorgung – Priorität.
Die Hauptanstrengung gilt der Wiederherstellung der Infrastruktur. Damaskus
hat inzwischen wieder rund um die Uhr elektrischen Strom, nachdem es jahrelang
regelmäßige Stromabschaltungen gab. Die Raffinerie in Homs ist ebenso wie die
beiden anderen großen Raffinerien wieder in Betrieb, produziert aber bisher
nur für den einheimischen Bedarf. Die meisten Gaspipelines wurden mit
inländischer Ausrüstung ausgebessert. Die Ölpipeline nach Homs ist offenbar
noch nicht wieder hergestellt, auf der Straße in die Wüste fuhr eine endlose
Schlange von Tanklastwagen. Man hat lange Strecken neuer, schnurgerader
Straßen gebaut und asphaltiert, um diese „Pipeline auf Rädern“ zu
ermöglichen.
Aleppo
Die Delegation des Schiller-Instituts besuchte auch Aleppo, die zweitgrößte
Stadt Syriens, die Schauplatz heftiger Kämpfe war. Das unglaubliche Ausmaß der
Zerstörung sagt viel über die Intensität der Kämpfe, viele Stadtviertel sind
in Trümmer gelegt. Viele Häuser und Gebäude werden sicherlich wieder
aufgebaut, aber einige kostbare architektonische Schätze sind wahrscheinlich
unwiederbringlich verloren.
Aleppo, mit drei Millionen Einwohnern, ist nicht nur Syriens
Wirtschaftsmetropole, es ist auch eine der ältesten Städte der Welt, sie ist
seit mindestens 6000 Jahren durchgehend besiedelt. Ihre Bedeutung hängt mit
ihrer geographischen Lage zusammen, sie liegt an der Handelsroute von
Mesopotamien zum Mittelmeer. Die reiche Geschichte spiegelt sich in
zahlreichen wunderschönen Baudenkmälern wider, und mehrere davon stehen auf
der Liste des UNESCO-Welterbes, wie die Omajjaden-Moschee, der Al-Madina-Basar
und die Zitadelle.
Die Moschee wurde stark beschädigt und ihr Minarett aus dem 8. Jahrhundert
dem Erdboden gleich gemacht. Der Al-Madina-Basar – der größte überdachte Markt
der Welt – aus dem 14. Jahrhundert wurde durch die Rebellenoffensive im
September 2012 und spätere Bombenangriffe und Kämpfe größtenteils zerstört.
Früher gab es dort mehr als 700 Läden, heute ist das einst pulsierende Herz
des städtischen Lebens öde und leer.
Auch Aleppos Zitadelle, in der die Streitkräfte der Regierung Stellung
bezogen, hat – neben anderen Schäden – schwer gelitten, als ein Tunnel unter
ihr gesprengt wurde. Die rebellenfreundlichen Medien machen die Regierung
dafür verantwortlich, aber es ist allgemein bekannt, daß die Rebellen
systematisch Tunnel und Abwasserkanäle nutzten, um sich darin zu verbergen,
dann unerwartet herauszubrechen, willkürlich auf Passanten zu schießen und so
die Bevölkerung zu terrorisieren.
Der geistige Kampf um Palmyra
Am nächsten Tag machte sich unsere Delegation erneut auf den Weg, diesmal
in Richtung Palmyra. Zunächst führte der Weg durch kleine ländliche Dörfer,
die vor allem von ihren Olivenhainen leben, aber bald wurde dies von
Wüstenlandschaften abgelöst.
Bild: Schiller-Institut/Ulf Sandmark
Professor Mahmoud Aboura erläutert die Schäden und Verluste im Museum von
Palmyra.
Nach langen Stunden trafen wir endlich in Palmyra ein, das ebenfalls stark
zerstört ist. Unsere erste Station war das Museum, ein trostloser Ort, wo nach
der systematischen Zerstörung der historischen Sammlungen nichts mehr zu sehen
ist. Dank der Entschlossenheit von Museumspersonal, Kulturbehörden und
Soldaten konnten aber viele Ausstellungsstücke rechtzeitig nach Damaskus
gebracht werden – natürlich nur solche Stücke, die man transportieren
kann.
Dem, was schon weithin über das Schicksal der archäologischen Stätten
berichtet und gesagt wurde, ist kaum etwas hinzuzufügen. Man konnte auf den
ersten Blick erkennen, daß diese demonstrative Barbarei nicht den geringsten
strategischen Nutzen hatte, außer dem Drang, Angst und Schrecken zu
verbreiten. Die bekanntesten und prominentesten Teile der Ausgrabungsstätte
sind nur noch Schutt und Asche. Dies gilt für den Balshamin-Tempel, die
Tetrapylen, den Triumphbogen und in geringerem Maße auch für das Amphitheater
und andere Stätten. Diese gezielten Zerstörungen lassen jedoch darauf
schließen, daß das, was sonst nur als schiere Willkür erscheint, doch einem
Zweck diente: Es ging darum, die Erinnerungen und das kulturelle Erbe
auszuradieren, aber es war auch Teil der Kommunikationsstrategie des
Islamischen Staats (ISIS).
Die Botschaft ist ebenso simpel wie bösartig: Wer oder was immer nicht mit
unserem barbarischen „Denken“ übereinstimmt, wird vernichtet werden. Daher der
abgrundtiefe Haß auf Schönheit und Wissen, wie er im Mord an dem langjährigen
Leiter der antiken Stätten von Palmyra, Khaled El-Assad, zum Ausdruck kommt.
Nachdem ISIS ihn einen Monat lang eingesperrt und verhört hatte, wurde er
öffentlich hingerichtet, weil er sich weigerte, die Verstecke der Schätze von
Palmyra preiszugeben. Der bekannte und hochangesehene 82jährige Gelehrte wurde
vor Dutzenden Zuschauern auf dem Platz vor dem Museum enthauptet. Und wie es
heißt, wurde seine Leiche anschließend zu den Ausgrabungsstätten gebracht und
an einer der römischen Säulen aufgehängt.
Die Zerstörung der archäologischen Stätten von Palmyra macht die Absichten
der Dschihadisten deutlich. Ihre Ziele beschränkten sich keineswegs nur
darauf, symbolträchtige Orte zu erobern oder Feinde zu vernichten, sie wollten
etwas für die Menschen noch viel wichtigeres vernichten: Wissen, Schönheit und
alles, was mit dem menschlichen Geist verbunden ist. Sie wollten alles
auslöschen, was dem Leben der Menschen einen Sinn gibt und was sie durch ihren
schöpferischen Geist zum Teil einer universellen Menschheitsfamilie macht. Das
wird im Falle Syriens vielleicht noch deutlicher als bei den ähnlichen
Zerstörungen in anderen Ländern, wie beispielsweise in Mossul im Irak.
Warum ist das so? Weil Syrien, am Schnittpunkt der alten und neuen
Seidenstraßen gelegen, von vielen Kulturen befruchtet wurde und das Land schon
durch seine Geschichte ein lebendiges Beispiel dafür ist, was dies für die
universelle Menschheitsfamilie bedeutet. In diesem Kontext kann man davon
ausgehen, daß die Terroristen die rasende Zerstörung von Erinnerung, Kultur
und Vertrauen in den menschlichen Geist als ein wichtiges strategisches Ziel
betrachteten.
Der Reiseführer unserer Delegation war ein Beispiel für den starken Geist
des syrischen Volkes und dessen Entschlossenheit, die Terroristen vollständig
zu besiegen und den Krieg hinter sich zu lassen. Professor Mahmoud Aboura ist
Archäologe, er kennt im antiken Palmyra jeden Stein und ist Experte für die
Restaurierung historischer Monumente. Obwohl er über die Zerstörungen, die
auch er zum erstenmal sah, zutiefst erschüttert war, erklärte er uns, welche
Schritte er sofort unternehmen werde, um das gesprengte Amphitheater
wiederherzustellen.
In einer Pressekonferenz nach der Rückkehr in Damaskus bat der
Tourismusminister, Dipl.-Ing. Besher Yazji, die internationale
Wissenschaftsgemeinde um Unterstützung, damit Palmyra so schnell wie möglich
wiederhergestellt werden kann. Er kündigte an, daß die stark beschädigten
antiken Säulen und Gebäude Palmyras restauriert werden und daß in den Ruinen
von Palmyra schon im kommenden Jahr wieder das Kulturfest der Seidenstraße
stattfinden soll.
Vom 2.-6. Oktober wird in Damaskus eine weitere Handelsmesse stattfinden,
die dem Wiederaufbau von Syrien gewidmet ist.
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